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amtlichen Urkunde, grobem Unfug nnd Beleidigung der Ersatz-Conunissiou!" Allgemeines Entsetzen am Stammtisch; Reserve nnd Landwehr wurden leichen blaß. „„Den Schein Haler behalten und dann hal er ein Protokoll aufgenommen ; ich mußte ihm alle Leute nennen, mit denen ich in meinem Stammlokal verkehre. Namentlich auf die mit militärischem Charakter hatte er es abgesehen, weil die Ordre so vorschriftsmäßig ausgefüllt war. „Tas WGtere wird sich finden," sagte er."" —Der ganze Stammtisch bot ein Bild des Jammers. „Aber, lieber Herr M., wie konnten Sie nur den Scherz für Ernst nehmen?" platzt endlich der Herr Reservelientenant heraus. „Hergott, wenn die Sache un tersucht wird, wir kommen Alle in Teu fels Küche!" „Das sollte doch nur ein Witz sein !" zetert ein sonst sehr stolzer Vicefeldwe bel. „Und der Menfch meldet sich wirk lich zur Küche und bringt uns Alle auf Festung." „Mißbrauch einer amtlichen Urkunde na, ich gratnlire!" beginnt ein Drit ter. Nur der „dauernd Untaugliche" lä chelt triumphirend, er hat sich an den Spöttern glänzend gerächt. Den gan zen Abend hal er sie noch geängstigt mit „Hangen und Bangen in schwebender Pein." Wenn die Herren nur ein klein wenig übermüthig wurden, so erzählte er, wie grimmig der Herr Oberst über die ge fälschte Ordre gewesen wäre. Sosort schlug den „Avancirten," das Gewissen und sie baten den „Untauglichen" um Himmelswillen, sie ja nicht „reinzule gen." Erst bei einem späteren Frühschoppen machte Herr M. seinen Freunden daS Geständniß, daß er auf den Aprilscherz nicht hineingefallen war. „Ich habe den Spieß umgedreht!" meinte er. „Ihr wolltet mich foppen, und ich habe Euch fast zwei Wochen an der Nase herumgeführt!" Herr M. war natürlich der Löwe des Tages; am Stammtisch aber behandeln ihn die Angemeierten jetzt mit einer ge wissen scheuen Ehrfurcht, auch zum Fop pen erscheint er ihnen „dauernd untaug lich !" Tic Nrkrutirung dcs drutschrn Hrc rrs IBV2—'!)3. Tas „Armee-Verordnungsblatt" ver öffentlicht eine Allerhöchste Kabincts ordre über die Rekrutirung des Heeres für das Jahr 1892 —'93. Hiernach sind zum Dienst mit der Waffe einzustellen: Bei den Bataillonen der Infanterie mit hohem Etat je 2-14, bei den Bataillonen der Infanterie mir mittlerem Etat je 228, bei den Bataillonen niit niederem Etat je 209, bei den Jäger-Bataillonen mit hohem Etat je 232, bei dem Jäger- Bataillon mit mittlerem Etat 210, bei den Bataillonen der Jäger und Schützen mit niedrigem Etat je 109, bei jedem Kavallerie-Regiment mit hohem Etat mindestens 160, bei jedem Kavallerie- Neginient mit mittlerem und niedrigem Etat mindestens 150, bei jeder reitenden Batterie mit hohem Etat mindestens 35, bei jeder reitenden Batterie mit mittle rem Etat mindestens 32. bei jeder reiten den Batterie mit niederem Etat minde stens 25, bei jeder fahrenden Batterie mit hohem Etat mindestens 38, bei je der fahrenden Batterie mit mittlerem Etat mindestens 35, bei jeder fahrenden Batterie mit niedrigem Etat mindestens 30, bei den Bataillonen dcr Fuß-Artille rie mit hohem Etat je 210, bei den Ba taillonen dcr Fußartillerie mit niedrigem Etat je 168, bei dem Garde - Pionier- Bataillon 225, bei den übrigen Pionier- Bataillonen je 176, bei dem Bataillon dcr Eisenbahn-Regimenter mindestens 135, bei dcr Luflschisfcr-Abtheilung mindestens 15, bei jeder Eompagnie des badischen Train-Bataillons Nr. 14 und des Trainbataillons Nr. 15: zu dreijä riger aktiver Dienstzeit mindestens 18, zu halbjähriger aktiver Dienstzeit im Herbst 1892 nnd im Frühjahr 1893 je 38, bei jeder Compagnie dcr übrigcn Train-Batatllonc: zu dreijähriger akti ver Dienstzeit im Herbst 1892 und im Frühjahr 1893 je 38 Rekruten. Soweit Abgaben an gedienten Mannschaften als Krankenwärter oder Bäcker erfolgen, sind Rekruten in entsprechender Höhe über die vorstehend genannten Zahlen hinaus einzustellen. An Oekonomie- Handwerkern haben sämmtliche Trup pentheile :c. mindestens ein Drittel der ctatsmäßigen Zahl einzustellen. Die Einstellung dcr Rckruten zum Dienst mit dcr Waffe hal nach näherer Anord nung der Griieral-Eommandos bei der Kavallerie baldmöglichst nach dem 2. Oktober 1892, jedoch grundsätzlich erst nach dem Wiedereintreffen in den Stand orten von den Herbstübungen, bei den übrigcn Truppentheilen in der Zeit vom 3. bis 9. November 1892 zu erfolgen. Die Nekruteil für daS Fuß-Artillerie- Negiment von Hinderst (PommerscheS) Nr. 2 und die Unteroffizierschuleii, fer ner die als Oekonoulie-Handwerker aus gehobeiitn Rckrntcn sind am 1. Oktober und die Trainsoidaten für den Früjahrs tcrmin am 2. Mai 1893 einzustellen. Ueber bürgerliche und adelige Offiziere in dcr preußi schen Armee theilt die „Voss. Ztg." nach dcr neusten Rangliste das Zahlenver hältniß mit. Wir entnehmen diesen Angaben folgendes: Unter den Genera len finden wir in diesem Jahre zum er sten Male einen Bürgerlichen, den Ge neral Lentze, kommandirenden General dcs XVII. Armeekorps. Von den Ge neral-Leuteuailtö sind 10 (12.2 Proz.) bürgerlich, von den General-Major s 53 (37,6 Proz.). Unter sämmtlichen Ge neralen finden sich mithin 64 (22,5 Proz.) Bürgerliche. Das Bürgerliche Element hat in der Generalität auch im letzten Jahre zugenommen, allerdings nicht so stark, wie in den letzten Vorjah ren. 1888 waren von den General, leuteuauts 5,7 Proz. bürgerlich, 1889 8,0 Proz. 1890 10,3, 1891 137, jetzt 12 Proz.; bei den Generalmajors be trugen die Zahlen 1888 19,5, 1889 25, 189) 26,3, 189134,0, jetzt 37,6Pr0z.; bei dcr gesainmten Generalität 1889 13,9, 1890 16,0, 1891 20,5 jetzt 22,5 Pro;.. Dagegen nimmt in dcr Charge der Obersten die Zahl dcr Bürgerlichen ganz erheblich ab: 1890 betrng sie 37,9, 1891 33,8, jetzt nur noch 28,9 Pro;.. Unter den Obcrstlcutenants wiederum steigt die Hahl dcr bürgerlichen Offiziere 1890 35,4, 1891 11,4, 1892 45,1 Pro;.) beträchtlich, nicht so stark unter den Majors (1890 49,5, 1891 51, 6, 1892 52,5 Pro;, Die Stabsofsizier chargen zählen insgesammt 933 bürger liche Offiziere, d. i. 47,8 Proz. gegen 47,1 Pro;, im Jahre 1890 uud 45,7 im Jahre 1891. Bei dcr Garde-In fanterie zählen wir nur noch 10 lim vorigcn Jahre 12) bürgerliche Offiziere, von denen 5 Hauptleute, 2 Premicrleute nants und 3 Sckondeleutenants sind. Zum ersten Male seit langen Jahren hat die Garde-Jnsanteric keinen bürger- lichen Stabsoffizier: dagegen ist der einzige bürgerliche Offizier der Garde- Kavallerie ein Major. In der Garde- Feldartillerie sind nur noch 5 (un Vor jahre 7) bürgerliche Offiziere, sämmtlich Majors und Hauptleute, vorhanden. Buntes. Ter Literarhistoriker Professor Heinrich Pröhle, der iu diesem Jahre sein sicbcnzigstcSLebenöjahr vollen det, hatte aus dem Neujahrs- und Stif tungsfeste der „literarhistorifcheu Gesell schaft" in Berlin das Malheur, den letz ten Abendzug, der ihn nach seinem Woh nort Steglitz bringen sollte, zu versäu men. Einige jüngere Genossen der Ta felrunde sorgten in liebenswürdiger Be reitwilligkeit dafür, daß Pröhle sich ei nem Droschkenkutscher anvertrauen konn te, aber sie unterließen eS, auch hierin ihrer idealen Lebensauffassung huldi gend, den Fahrpreis mit dem Nosselen ker festzusetzen. Seine Erfahrungen auf dieser nächtlichen Fahrt und das schließ liche Resultat derselben schildert nun Pröhle in folgenden humoristischen Ver sen, die, wie unschwer zu erkennen ist, eine Parodie auf Bürger'S „Leuore" bil den : „„Pn'ower 'ul>r um' Morgenroih Empor aus schwere Träumen : „Ter alte Pröhle welche Noih ! Er ihät den Zug versäume !" Doch äugen, horch! ging's trab, trab, trab, In einer Droschke fuhr er al>, Tie Bolle hat gerufen An des (Geländes Blusen. Wie flog, was rund ver Mond beschien, Wie flog Das in die Ferne! Wie flogen oben überhiu Der Hiniinel und die Sterne! Bald Kirchhof hier, bald Kirchhof da, D e Todten hörte man ganz nah, Es kamen durch die Pforle Vernehmlich ihre Worte: „Wie mag's doch jetzt dem Pröhle geh'? Er war stets mein Verehrer," Sprach Äülleiihosf. —„Wie mag er steh' Mit Erich Schmidt? sprach scherer. „Lebl Pröhle noch?" frug Julian Schmidt. Die Eule rief: „Komm uiil! Komm mit!" Des Kutschers Herz mit Beben Rang zwischen Tod und Leben. Nach Sieglitz auf ein Gillerlhor Ging's niil verhängiem Ziigel. Am Hofibor fuhr die Drofaiie vor, Wo offen stand der Niegel. Hoch baumle sich das Nöjzlein vorn, Er aber dämpfie seinen Zorn : „Des Fahrgeld's bist Tu ledig ! N e u n :N art! Gott sei Dir gnädig !"" Das hübsche Gedicht dürfte in literari schen Kreisen viel belacht werden. iE in Rauche r.) Heutzutage halten viele englische Pfarrer es für eine himmelschreiende Sünde, zu rauchen. Manche sagen geradezu, es sei so schlimm wie stehlen. Doch Das war nicht immer so. Pfarrer Predon zu Thornton, der um 1633 lebte, war ein wüthender Rau cher; wenn ihm der Taback ausging, schnitt er von den Glockcnsträngen ein Ende ab und rauchte daS. (Appetitlich) Der Arnien psleger einer kleinen hessischen Marktge meiiidc berichtete von seinen Erhebungen über zwei Untcrstützungsbewerbcr Fol gendes : „A. N. ist ein sehr armer Mensch, welcher sich schon anderthalb Jahre nur von seiner alten Großmutter nährt. Wohingegen der B. F. minder empsehleuSwerth erscheint, weil er auf- und absteigende Verwandet hat, an de nen er zieht." Friedrich von Boden stedt's letztes Gedicht, zugleich die letzten Zeilen, die der Dichter über haupt geschrieben, sind an seine jüngste, jetzt glücklich genesene Tochter Frieda ge- richtet, als diese an Diphtheritis schwer krank darniederlag und man kaum noch an Rettung glaubte. Der Vater, des sen Herzen die jüngste Tochter stets be sonders nahe stand, schrieb von seinem Krankenbette aus: Bin zwar ichl so lrauk wie Herzeiisliiid, doch leidend auch: NachiS fehli mir des Schlafes Nuh', Tag's der frische LebenShauch. Und die trüb umflorien Äugen Wollen nichl zum Aufschwung Gerne täi ich selbst >u Dir, Doch gesessen ist mein Fuß, D'runi nimm freundlich auf von mir Einen frischen Blumengriig! Fr. Bodensiedl." TaS Gedicht giebt Zeugniß von der unbeschreibliche Güte des Dichter? ge genüber den Seinen; „er ließ uns," so bemerkte eiucS der Fainilicnmitqlicdcr, „durch seine himmlische Liebenswürdig keit in ewigem Sonnenschein um so furchtbarer jetzt die Nacht!" AuS einem Ort in der Nähe von Andernach wird der „Kobl. VolkSztg." von einer erschütternden „Ju liuS-Cäsarausführung" berichtet. „Mar cus Antonius" befand sich gerade ober halb der Bühne auf der Treppe. „Er laubt Ihr, darf ich hinunter steigen?" fragte er die unten stehenden Römer. Diese gaben ihrcEinwillignng,„Marcus Antonius" aber trat unvorsichtig auf das schwache, mit Segeltuch überzogene Ge rüst, welches die Marinorplattform ober halb der Treppe vorstellt, uud hinab kam die ganze Geschichte nebst „Marcus An tonius" selber. „JuliuSEäsar" aber, der todt und starr auf einer Bahre am Fuße der Treppe lag, streckte feine Arme in tödtlichem Schrecken empor, als die Plattform krachte, und schlug rechts und linkS aus, um die ihm um die Ohren sausendenTrümmcr abzuwehren. „Mar cus Antonius" jedoch, kurz entschlossen, fuhr in seiner Nolle fort: „Sofern Ihr Thränen habt, bereitet Euch, sie jetzo zu vergießen." Und die Thränen flössen reichlich, aber es waren Lachthränen Vor dem Schwurgericht Ulm wurde bei außerordentlichem Zu drauge des Publikums die Anklage ge gen fünf Dragonerrcservisten vom 2',. Regiment wegen Mißhandlung von Re kruten verhandelt. Tie Angeklagten ge standen die.Rekruten mit Nohrstöckcn scharf geprügelt zu haben, jedoch fei dies auf ausdrücklichen Befehl dcs Rittmei sters Laueustein geschehen. Sie hätten nicht den Muth gehabt, diese Besehl nicht auszuführen. Der als Zeuge ver nommene Rittmeister Laueustein bestrei tet, solchen Befehl ertheilt zu haben. Die Angeklagten halten ihre Angabe aufrecht. Sic werden deshalb fämmlich freigespro chen. Laueustein wurde bci'm Verlas sen dcs Gerichtsgebäudcs von einer grö ßeren Menschenmenge mit Pfeifen und scharfen Zurufen begrüßt. —(T icßrüderFagerströ in.) Ueber den Selbstmord zweier Berli ner Kaufleute, zweier Brüder, die kürz lich in dcr Rosenthalcrstraße, Nr. 40, unter dcr Firma Victor Fagerström ein Export-, Commissions- und Engros-Ge schäft in Kurz- und Tricotwaarcn be trieben haben, ist dem „Bcrl. Tgbl." eine kurze Mittheilung zugegangen, auf Grund welcher dasselbe folgende nähere Ermittelungen bewirkt hat: Victor Fa gerström, ein Manu von etwa 40 Jah ren, hatte vor zwei Jahren mit seinem um etwa 10 Jahren jüngeren Bruder das erwähnte Geschäft gegründet, das. dem Anschein nach, ganz guten Fort gang hatte und besonders in Schweden 7