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Zynische Korrespondent, täglich, öchentlich und onntag. Staine, Eigenthümer und Redakteur. (Rachslzn 8- atnl), u. K-vsKte . 58. Jahrgang. Zosepk und sein Arennd. Nomon von Bayaed lanlor. Ehemals ame rikanischer Gesandter in Berlin. tlulon sirtc Bcarveiumg von Clara Steiintz. l (Fortseduoz.l Sie hatte schon vorher bemerkt, daß zwischen den Beiden etwas vorgefallen sei. Als Mr. Asten nach Hause kam. sah er ganz ver stört aus, und auch seine Stimme klang ganz anders als sonst. Er wanderte unruhig aus und ab u. begab sich später nach dem Gar ten. Miß Lucie folgte ihm und nach ihr Frau Asten, diese aber kehrte bald mit zerrissenem Anzug und blutig gekratzten Armen zu rück. Das hatte die Zerigin be merkt, als Frau Asten mit schwan kendem Schritt und festgeballten Fäusten durch die Halle ging. Sie hatte dann ihr Schlafzimmer aufgesucht, und die Magd halte darauf einen Wortwechsel gehört/ ohne den Sinn desselben zu stehen; sie hatte sich auch zu Sal/ ! ly, die sich gerade in der Küche aufhielt, darüber geäußert: „Sie zanken sich miteinander, so vieli steht fest!" Und Sally hatte er widert: „Sie sind noch nicht an einander gewöhnt, wie sie es in ein paar Jahren sein werden." Man hatte Mühe, eine fortlau fende Erzählung von der Zeugin heraus zu bekommen. Sie hatte den Vorfall schon so oft berichtet, daß jeder Umstand ein; bestimm tere Form angenommen hatte, u. die Fragen von beiden Seiten rie fen nur eine Wiederholung her vor. Joseph hörte mit stiller Geduld zu; bis jetzt hatte sich noch nichts ereignet, worauf er nicht vorbereitet gewesen wäre. Die Zuschauer jedoch begannen sich lebhaft zu intcrefsircn, und ein aufmerksamer Beobachter hätte bemerken können, da sie sich' schon in zwei .Heerlager theilten. Mr. Pinkerton fand bald her aus, daß die Magd, obwohl sie gegen Joseph zeugte, keine An hänglichkeit für Julia besaß. Er suchte diesen Umstand zu benu tzen, aber es kam nicht viel dabei heraus. Als Lucie Henderson's Name genannt wurde, machte sich Bewegung der Neugier in der! Versammlung geltend. Man' wußte, daß die Begegnung im Garten, von der Julia in so auf geregtem Zustande zurückgekehrt war.nun geschildert werden muß te. Mr. Spenham spitzte seine rothen Ohren, suhr mit der Hand durch sein kurzes, borstiges Haar und bereitete sich auf den Kampf vor, loährend Mr. Pinkerton, der über die Thatsachen unterrichtet war, sich nur über die Art der! Darstellung derselben von Seiten Lucien's unruhig fühlte. Es kam hier so wesentlich auf den Eindruck an, den jeder Einzelne hervorrief. Während Lucien der Eid abge nommen wurde, erschien sie voll kommen gefaßt. Ihr Gesicht war etwas blaß, aber ruhig, und ihre Stimme fest. Frau Hope ton und Madeleine saßen neben ihr, und Elwood Withers, der sich auf ein hohes Geländer stütz te, stand ihr fast gegenüber. Als sie zu sprechen begann, herrschte die tiefste Stille imSaal und das Interesse nahm zu. als sie die Heimkehr Joseph's schil derte. Sie beschrieb sein Auf treten, wiederholte die Worte, die sie gehört, stellte die Scene dar, die in ihrem eigenen Zimmer ge spielt hatte und kam so nach und nach zu der 'Gartenscene. Jetzt machte sich die peinliche Natur ih rer Aussage geltend. Sie sprach langsam und in längeren Pausen, aber wohin auch ihre Gedanken sich wandten, starrte ihr die un ausweichbare Nothwendigkeit, die ganze Wahrheit zu sagen, entge gen. „Muß ich Alles wiederholen?" fragte sie. Ich bin nicht sicher, mich genau der Worte zu erinnern, wie sie gesprochen wurden." „Sie können entschieden den Inhalt angeben,"' sagte Mr. Spenham. „Und hüten Sie sich, etwas auszulassen. Ich erinnere Sie an Ihren Eid und an die Bedeu tung desselben." Seine Worte klangen laut und barsch. Lucie betrachtete des Richters unbewegliches Gesicht, Elwood's ernste Züge, die aufmerksamen Geschworenen und setzte ihren Bericht fort. Als sie zu Joseph's Erklärung der Liebe kam. die da hätte möglich sein können, erwähnte sie auch seine Worte: „Wäre es der Fall gewesen, so wür de auf das Leben eines Freundes ein trüber Schatten gefallen sein." „Ha!" rief Mr. Spenham aus, „da haben wir ja das Motiv zum Mord." Wiederum legte Mr. Pinkerton Pro test ein, der vom Gerichtshofe nur ge billigt wurde. I „Sagen Sie der Jury." rief Mr.! ! Spenham, „ob ein Austausch solcher zwischen Ihnen und Angeklagten schon vor seiner stattgefunden hat?" Die Berechtigung dieser Frage wur-! de bestritten, der Einwand jedoch als! .ungültig verworfen. „Niemals!" lautete die Antwort. Julia's plötzliches Auftreten, Anklagen und Joseph's Abweisung! derselben leiteten die allgemeine Sym pathie aus ihre Seite. Lucien's innerung an diese Scene war sehr klar, und vollständig. Sie hatte kein Wort und keinen Blick vergessen können, wenn sie es auch gewollt hätte. Trotz Mr. Spenham's zorniger Einwände gestattete man ihr, fortzufahren und das Gespräch, das nach Julia's Ent fernung zwischen Joseph und der Zeu ! gin stattfand, zu berichten. Mr. Pin-? kerton verwerthete diesen Theil des Zeugnisses so vorteilhaft wie möglich und richtete damit trotz des ungünstig gen Anscheins seine Sache wieder auf.l „Das ist nicht Alles!" rief Staatsanwalt. „Ein verherratheter Mann macht keine Liebeserklärung—" „Die Erklärung einer vergangenen, möglichen Liebe," unterbrach ihn Mr. Pinkerton. „Eine febr feine Unterscheidung, in der That. Eine „mögliche" Liebe u. eine „mögliche" Gegenliebe, der ein „möglicher" Mord und eine „mögliche" Wiedervxrheirathung folgt. Es ist unsere Pflicht, den Möglichkeiten aus-! zuweichen und Thatsachen dafür fest-> zustellen. Die Frage ist: Fand lher eine Neigung zwischen dem Ange-! Klagten und der Zeugin statt? Das zu! ist nothwendig, um das Motiv heraus zu bekommen. Ich frage also dieses Weib entschuldigen Sie diese Dame, was fühlte sie für den Gatten der Vergifteten vor seiner Ver heiratung, zur Zeit der Unterredung im Garten und jetzt?" Lucie fuhr zusammen u. fand keine Antwort. Mr. Pinkerton kam ihr zu Hülfe. !Er protestirte energisch gegen die Fra lge, obwohl er fühlte, daß es gleich ge fährlich sei. sie zu beantworten der unbeantwortet zu lassen. Ein Theil der Zuhörer, der mit Lucie sympathi sirte. war empört überMr.Spenham's Verlangen; der andere Theil, gierig nach der genauesten Kenntniß aller betreffenden Parteien, hoffte, daß man ! demselben willfahren werde. Lucie wandte sich halb, um Joseph ansichtig zu werden. Er >var ruhig, sein Blick aber drückte eine teilneh mende Besorgnis, aus. Darauf rich teten sich Lucien's Blicke nach Elwood. der erblaßt war, ihr jedoch niit einem tiefen, unerforfchlichen Ausdruck fei ner Augen begegnete. Gedachte er fei ner Worte von neulich: j „Wenn es Noth thun sollte, zu ent hüllen. was ich Ihnen gesagt habe, so halten Sie auch nicht mit einer Silbe zurück!" Ihr Entschluß war gefaßt; um der Wahrheit Willen wollte sie im Namen Gottes Alles sagen. Der Richter entschied, daß sie diese Frage nicht beantworten müsse. Unter den Zuschauern wurde hier und da ein Gemurmel laut. „Dann will ich." fasste Lucie mit fe ster Stimme, „aus freier Wahl ant worten." Sie heftete einen Blick auf Elwood, während sie sprach und zwang ihn. sie anzusehen. Sie schien den Richter, die Jury und das neugierige Publikum zu vergessen und sich bloß an Elwood zu wenden. „Ich bin hier," sagte sie. „um im Namen Gottes die Wahrheit zu sagen. Ich verstehe nicht, wie so meine Aus- Baltimore, Md., Samstag, den 12. Februar 1898. sage Joseph Asten's Schuld oder Un schuld berühren kann, aber ich habe keine Zeit, darüber nachzudenken. Es ist schwer für eine Frau, das Geheim niß ihres Herzens dem Auge der Welt bloszulegen. Möchte jeder Mann, der mich hört, ein Weib, eine Schwester oder ein geliebtes Mädchen seinerWahl sein nennen, damit die Kenntniß ihres Herzens ihm das Urtheil über das mei nige erleichtere. Ich hegte ein zärtli ches Gefühl, Liebe vielleicht was weiß ich für Joseph Asten vor sei ner Verlobung. Ich gebe zu, daß sei ne Heirath mich damals betrübte, denn ohne mich Hoffnungen hingegeben zu haben, konnte ich mein Herz einem Ge fühl der Täuschung nicht verschließen. Ich tadelte und schämte mich deswegen und mit meiner Neigung kämpfend, habe ich sie mit Gottes gnädigem Bei stand überwunden!" Das ungekünstelte Pathos in Lu cien's Stimme drang geradewegs in die Herzen ihrer Zuhörer. Auf El wood's Wangen stieg eine Röthe. von ber ihre eigenen frei geblieben waren, und eine Thräne schimmerte in seinem Joseph hatte sein Gesicht einen Au genblick mit seinen Händen verdeckt u. isah jetzt mit einem Ausdruck der empor, für die keinem Manne das Verständniß fehlte. Lncie hielt inne, als erwarte sie noch eine weitere Frage, aber die Wirkung ihrer Worte kam so überwältigend u. unerwartet, daß Mr. Spenham nicht ganz bereit war. Sie fuhr fort: „Wenn ich sage, daß ich meine Nei gung überwunden habe, so erklärt sich meine Handlungsweise ganz von selbst. Ich ging wider meinen Wunsch zu Jo seph Asten in den Garten, weil mich seine Frau weinend und schluchzend bat, für sie einzutreten. Ich konnte nicht voraussetzen, daß er meiner anders, als einer Freundin gedacht habe. Ich schrieb seine Ausdrücke den Enttäu schungen seiner Ehe zu, und verzieh sie gern, als er mich bat, sie zu vergessen." „O, ohne Zweisel!" unterbrach sie Mr. Spenham und warf den Geschwo renen-Blicke zu, „Sie können nach Al lem, was Sie uns da sagen, nicht eben unangenehm gewesen sein!" Elwood machte eine Bewegung auf Spenham zu, faßte sich aber schnell u. nahm seine vorige Stellung am Gitter wieder ein. Nur sehr wenige achteten darauf. „Sie waren mir höchst unwillkom men," erwiderte Lucie. „und ich hätte sie unter anderen Umständen nicht so leicht verziehen." „Und diese frühere „Zärtlichkeit" nannten Sie es wohl," fuhr Mr.Spen ham fort, „wollen Sie andeuten, daß !fie jetzt gar nicht mehr existirt?" Ein Gemurmel des Unwillens ging durch den Saal. Wenn etwas einer vulgären Natur unverständlich ist. so ist es das natürliche zärtliche Gefühl gegen Frauen, das sonst selbst dem ro hesten und unwissendsten Manne selten mangelt. Der Staatsanwalt hatte sich in seinem blinden Eifer nur ge schadet. und die allgemeine Sympathie wandte sich Lucien zu. „Jch habe diese Frage schon beant wortet," sagte sie. „Um der heiligen Wahrheit Willen und aus freier Wahl habe ich mein Herz erschlossen. Ich that es. weil ich glaubte, daß eines Weibes erste Neigung rein sei und des wegen respektirt werden würde: ich that es, um der Sache eines Unschul digen zu dienen. Jetzt aber, da man mir mit Zweifel und Hohn entgegen tritt, werde ich die Freiheit, die mir der Nichter gewährt, annehmen und kein Wort weiter sprechen!" Das Publikum brach in einen Bei fallssturm aus. den der Richter nicht sosort hemmte. Lucien's Kraft verließ sie plötzlich, sie fiel auf ihren Sitz und brach in Thränen aus. „Ich habe keine weitere Frage an die Zeugin zu richten," sagte Mr. Pinker ton. Mr. Spenham verwünschte inner lich seinen Verstoß nicht weil der selbe vulgär war, denn dessen war er sich vollkommen bewußt, und war nur zu frob, von Lucien's Gegenwart be freit zu werden. Sie erhob sich, um den Gerichtssaal zu verlassen, und Frau Hopeton wollte sie begleiten. Aber schon stand Elwood neben ihr, und sie stützte sich aus ihn, als sie durch hie Menge mußte. Die Leute traten zurück, um ihr den Weg frei zu machen, und von verschie denen Seiten flüsterte man ihr Worte des Beifalls und der Ermuthigung zu. Elwood athmete schwer, und die Adern auf feiner Stirn waren ge schwollen. Kein Wort wurde gesprochen, bis sie das Hotel erreichten. Da nahm Lucie Elwood's Hand und sagte: „Ich danke Ihnen, treuer, theurer Freund! Jetzt kann ich Nichts weiter sagen. Kehren Sie um Joseph's Wil .en um. und wenn der Tag vorüber ist, kommen Sie zu mir. und beruhigen Sie mich darüber, daß ich ihm nicht gescha det habe, als ich mich bemühte, ihm nützlich zu sein." Als Elwood wieder in den Gerichts saal trat, wurde Rahel Miller eben als Zeugin ausgerufen. Ihr Bericht be stätigte die Deutung von Julia's Cha rakter, wie er aus Lucie Henderson's Angaben hervorgegangen war. Das sanfte, liebenswürdige, duldende Weib begann in den Hintergrund zu treten, und das kalte, falsche, selbstische Weib trat an dessen Stelle. Mr. Spenham's ganzes Kreuzver hör führte zu keinem Ergebniß, bis er folgende Frage stellte: „Haben Sie seit Ihrer Rückkehr in das Haus Nichts entdeckt, was auf Frau Asten's Tod einiges Licht werfen könnte?" Mr. Pinkerton, Elwood und Made leine fühlten, daß jetzt der kritisch? Moment gekommen sei. Philipp's Ab wesenheit drohte, ein ernsthaftes Un glück zu werden. „Ja," antwortete Rahel Miller. „Ah!" machte der Staatsanwalt und fuhr sich wieder durch sein borsti ges Haar. „Was war es?" „Das Papier, in welchem das Arse nik enthalten war." „Wollen Sie das Papier vorzei gen?" fragte er eifrig. „Das kann ich jetzt nicht," sagte Ra hel Miller, „ich gab es Herrn Philipp Held, damit er eine weitere Spur aus findig nache." Joseph lauschte mit lebhaftem, un verhohlenem Interesse. Nach der er sten Ueberraschung, daß man ihm ein so wichtiges Ereigniß vorenthalten ha be, beruhigte ihn sein Vertrauen auf Philipp's Einsicht. „Hat Herr Philipp Held das Papier vernichtet?" fragte der Staatsanwalt. „Er bewahrt es auf und wird es morgen einem hohen Gerichtshof vor legen." erwiderte Mr. Pinkerton. „Befand sich irgend ein Zeichen oder eine Vignette darauf, aus der man hätte entnehmen können, von wo das Gift gekauft wurde?" „Ja," sagte Rahel Miller. „So sagen Sie, was daraus stand." „Ziba Linthicum's Apotheke.Haupt straße Nr. 77, Magnolia," erwiderte sie, als lese sie die Adresse ab. „Ziba Linthicum soll sofort aufge rufen werden!" schrie Mr. Spenham. Mr. Pinkerton jedoch erhob sich und berichtete, daß des Apothekers Zeugniß Idas einer anderen Person nach sich ! ziehe, die bei'm Einkauf des Giftes ge genwärtig gewesen sei. Diese andere Person befinde sich auswärts, sei aber schon aufgefordert und werde morgen in Mr. Philipp Held's Begleitung er scheinen. Bis dahin, bat er, möge man Mr. Linthicum's Zeugenaussage ver schieben, da sich bis dahin das Geheim niß in Bezug auf das Gift gänzlich aufklären würde. Mr. Spenham machte den heftigsten l Einwand, beging aber den Fehler, fast eine halbe Stunde darüber zu reden eine Schwatzhaftigkeit, die ihm seine politischen Gewohnheiten zugezogen hatten. Während dessen wurde die Frage zu Gunsten Air. Pinkerton's entschieden, der Nachmittag war ziem lich vorgerückt und die Sitzung wurde bis zum nächsten Morgen vertagt. Neunundzw a n z i g st e s Kapitel. Elwood begleitete Joseph zum Ge fängniß, in dem dieser die Nacht zu bringen mußte, und man gestattete sei nem Freunde, so lange bei ihm zu blei ben. bis Mr. Pinkerton, der inzwischen ein Telegramm an Philipp abschickte, zurück kommen würde. Dank Rahel Miller's Fürsorge, war das Zimmer ausreichend möblirt. Ein sauberes Bett, ein paar Stühle und ein Tisch, auf welchem ein Korb mit Nah rungsmitteln stand, befanden sich da rin. „Ich werde wohl pflichtgemäß essen müssen," sagte Joseph, „und will es thun, wenn Tu mir Gesellschaft lei stest, Elwood." „Wenn ich den .Herl, den Spenham. nur eine Minute an die Kehle packen dürfte," murrte Elwood, „das würde mir schon Appetit verschaffen. Aber nehmen wir die Sache, wie sie liegt, kann nie ordentlich denken, wenn ich hungrig bin. Sieh' da, ein ganzes Picnic! Belegte Butterbrode, kaltes Huhn, Pickles, Kuchen. Käse und zwei Flaschen Kaffee, so wahr ich lebe! Wir können uns vorstellen, in einem Hotel zu sein. Joseph. Was thut's auch für eine Nacht, morgen kannst Du gehen, wohin Du willst!" „Das hoffe ich," sagte Joseph und nahm Platz. Elwood legte ihm vor. aber Joseph berührte Nichts. Nach ei nem Augenblick des Zauverns legte er seine Hand auf Elwood's Schulter. „Nun, alter Junge!" rief Elwood. „Ich weiß schon, was Du meinst; sei nur ganz still, ich will's nicht hören!" „Laß mich sprechen!" „Es ist überflüssig. Joseph. Sie liebt mich nicht. Jbr-'warek einander schon ziemlich nah', und wenn Ihr Euch jetzt noch näkc —" Er konnte den Satz nicht vollenden; die Worte blieben iyni in der Kehle ste cken. „Gerechter Himmel!" rief Joseph und sprang auf. „Was denkst Du Dir denn? Siehst Du nicht, >daß Lucie Henderson und ich durch den heutigen Tag auf ewig geschieden sind? Hörtest Tu nicht, daß sie ihre Neigung über wand, wie ich die meiin überwunden habe? Wir können die Vergangenheit zurückrufen. Ich werde sie stets als eines der reinsten, edelsten Geschö pfe verehren, aber sie lieben? Sie zu meinem Weibe machen? Das kann nun und nimmermehr geschehen! Nein, Elwood! Ich wußte nur nicht, ob Du mir die Ueberstürzung verzeihen wür dest. die sie dem heutigen Verhör aus setzte!" Elwood lachte ganz sonderbar. „Du bist thöricht, Joseph." s(?gte „Dummes Zeug! Ich kann nicht ein mal das Messer festhalten. Dieses hin und her ist selbst für mich zu viel! Dir verzeihen? Ja, unter einer Bedingung daß Du den Teller da vor Dir leerst, bevor Du noch ein Wort mit mir sprichst!" Sie geriethen darauf Beide in eine heitere Stimmung, und der enge, klei ne Raum schien sich ihnen auszudeh nen. Es war spät, als Mr. Pinkerton ankam; er hatte vergebens auf eine Antwort Philipp's gewartet. Am nächsten Morgen war der Ge richtssaal noch übersüllter. Joseph's Freunde waren alle da, mit Ausnahme Lucie Henderson's, welche auf Mr. Pinkrton's Rath im Hotel blieb. Philipp war noch nicht angekommen, hatte aber Nachricht ge sandt. daß Alles gut ginge un>d er mit dem Frühzuge eintreffen würde. Mr. Spenham hatte noch den Abend vorher über Mr. Linthicum's Zeugen aussage Erkundigungen eingezogen.— Der Apotheker konnte ihm jedoch nichts iveiter sagen, als daß Philipp 'den N amen des Geschäftsreisenden hätte er fahren wollen; zu welchem Zweck wußte Mr. Linthicum selbst nicht. Da das Gift in Lucien's Namen gekauft war, hoffte Mr. Spenham sich für seineNie derlage an Lucie rächen und ihre Mit schuld und wahrscheinlich auch die Philipp Hel'd's nachweisen zu tonnen. Um neun Uhr-wurde die Verhand lung eröffnet, und Philipp konnte vor Zehn nicht zugegen fein. Mr. Pinker ton bemübte sich, die Vernehmung von Dennis und noch einem untergeordne ten Zeugen vor der des Apothekers stattfinden zu lassen, allein er gewann Dadurch nur fünfzehn Minuten Vor sprung. Mr. Ziba Linthicum wurde aufgerufen uno vereidigt. Er erschien mit einem Band unter seinem Arm. Da Philipp die Signatur in seinen Händen hatte, konnte Mr. Linthicum nur die Thatsache oezeugen. daß eine verschleierte Dame an einem gewissen Tage so und so viel Grainm Arsenik bei ihm gekauft, daß er ein Verzeichniß aller Kunden gefährlicher Gifte führe, und daß der Name der Dame in dem Buch, das er mitgebracht habe, ver zeichnet stünde. Dann las er die einge tragene Notiz vor: „Miß Henderson, Arsenik." Obgleich Mr. Pinkerton Joseph zu geraunt hatte: „Rühren Sie sich nicht, wenn er den Namen liest!" konnte der Letztere mir mitMühe einen Ausruf des Preis des Aonnlagz-Tonelpondtnitv pro Jal,r. öchtntlit ugab mi! Toiinteqsbl.'l SSV nach dem Ja und 4.00 nach dkl u-landl. Tägliche Aufgabe mtt Sokagl>la t 7 S 0 xr Jahr. Nr. 37. Staunens unterdrücken. Ein Ge murmel und eine Bewegung ging durch die ganze Versammlung. „Nun haben wir das Motiv und die Mitschuldige des Verbrechens;" rief Mr. Spenham triumphirend uno erhob sich. „Nach dem Zeugnisse, das wir gestern an's Licht brachten, ist es nicht schwierig, die Beiden in Zusam menhang zu bringen. Wenn sich uns bei'm Vorschreiten des Verfahrens Ungeheuerlichkeiten offenbaren, so kön nen wir uns darüber entsetzen, haben aber kein Recht, überrascht zu sein. Die Neigung zum Bekenntniß der freien Liebe, die sich bei denen geltend ma chen, die sich von der Leitung religiöser Einflüsse lossagen, führt naturgemäß zum Verbrechen. Wie sehr dieses Ue bel schon insgeheim um sich gegriffen ihat, ahnt man nicht. Es kann zeugen eidlich bekundet werden, daß der Ange klagte, Joseph Asten, seinen Unglau ben öffentlich ausgesprochen und mit Drohungen und Hohn den würdigen Diener des Herrn zurückgestoßen hat, der auf den Wunsch des frommen, ge mordeten W-eibes des Angeklagten ihn -auf den rechten Pfad zurückzuführen bemüht war. Der Ausdruck selbst, den jene Lucie Henderson gel>ört zu ha ben zugesteht, „ich bin der Masken, müde," was bedeutet er anders, als die ungezügelte Herrschaft der Leiden schaften, das Fundament, aus welchem die Bekenner der freien Liebs das Sy stem ihrer schändlichen Theorien aus bauen? Der Angeklagte darf sich lnicht L>eschtveren, wenn das Gesetz die Maske von seinem Gesicht erhebt und sein Wesen in seiner scheußlichen Miß gestalt enthüllt. Aber noch eine ande re Maske muß gelüstet werden, ich ver lange den Arrest jenes Geschöpfes, Lu cie Henderson's." Mr. Pinkerton sprang auf. In feierlich gemessener Stimme, die mit ,den lauten, surfen Tönen des Staat sanwalts seltsam conkraflirte,'berichtete -er, daß Mr. Linthicums Aussage ihm bekannt gr.vesen sei; daß sie eine Erklärung fordere, die in wenigen Mi nuten gegeben werden solle, eine Er klärung. die Miß Henderson von dem Verdachte, das Gist gekauft, oder von dem Kaufe desselben etwas gewußt zu haben, vollständig freispreche. Er ver langte, daß man aus der Zeugnißaus sage des Mr. Linthicum noch keine Schlüsse ziehen solle, ivelche das Ur theil der Geschworenen irre leiten könnten. Er beschwerte sich darüber, daß der Staatsanwalt die Eharaktere Joseph Asten's und Lucie .Henderson's ungerecht angriffe und rief im Namen der unparteiischen Gerechtigkeit den Schutz des Gerichtshofes an. Er sprach ernst und beredt, aber die Zuschauer bemerkten, daß er fortwäh rend auf seine Uhr sah. Mr. Spen ham unterbrach ihn, aber Mr. Pinker ton fuhr fort, seine Angaben zu wie derholen, bis um die Außenthüre des Saales eine Bewegung entstand. Da setzte er sich nieder. Philipp trat ein und drängte sich sdurch die Menge. Ihm folgte ein gro ßer, junger Mann mit dunklem Schnurrbart und reich mit Juwelen geschmückt, und Mr. Benjamin Büs sing schloß keuchend und schwitzend den Zug. Die Zuschauer hielten vor ge spannter Erwartung fast den Athem zurück. Philipp ergriff Joseph's Hand und flüsterte, sich zu ihm beugend: „Du bist !frei!" Seine Augen funkelten, und sein Gesicht glübte. Man inachte den drei Zeugen Platz, und nach einer kurzen, flüsternden Be rathung zwischen Philipp und Mr. Pinkerton wurde Elwood abgeschickt, um Lucie Henderson zu holen. „Wenn es dem hohen Gerichtshöfe gefällt," sagte Mr. Pinkerton, „so bin ich bereit, das Versprechen zu ersüll-en. das ich soeben gegeben habe. Der Zeuge, der die Todesursache der Frau Asten kennt und das Gericht jeder wei teren Verhandlung entheben will, ist, Zugegen. Ich bitte deshalb um Er laubniß, diesen Zeugen ungesäumt vor-, führen zu dürfen." Nach einer kurzen Berathung wurde die Erlaubniß ertheilt, und Philipp Held trat vor. Er schilderte zuerst Joseph's auf richtigen Kummer um seines Weibes Tod und seine Selbstanklage, densel ben durch seine herben Worte an jenem Morgen herbeigeführt zu haben. Dann erzählte Philipp, daß Joseph, als von den Gerüchten hörte, deren Gegen-