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Deutsche Korrespondent, Sgttch. öchnUd und onatag, M? Nine, Eigenthümer und Redakteur. <achsl,n v K. °iae) > u. V-O.vffic.. 58. Jahrgang. Joleplj und sein Arennd. Roman von Bava?d Tanlor. Ehemals ame rikanischer Gesandter in K-rlin. iiuioil sirte Bcarbeilung von Ciara Steinitz. . . (Schluß.) Mr. Pinkerton erhob sich da rauf und erklärte, daß fernere Zeugen, überflüssig seien. Es habe sich herausgestellt, daß Frau Asten der Gewohnheit gehuldigt habe, Arsenik einzunehmen, um ihren Teint zu verschönern, und daß sie kurz vor ihrem Ableben eine mehr als hinreichende Por tion im Laden des Mr. Linthkum gekauft und zwar unter Umstän den, welche auf den Wunsch hin wiesen, den Kauf zu verheimli chen. Die Ursache ihres Todes sei auf zweierlei Art zu erklären; entweder habe sie eine zu große Dosis des Giftes unbewußt ge nommen oder, nachdem sie die ge wöhnliche Menge präparirt. sei sie nach dem Garten herab gestiegen, um das Gespräch zwischen ihrem Gatten und Lucie Henderson zu belauschen, und habe in der da rauf folgenden Aufregung gedan kenlos noch einmal Gift hinzuge fügt. Ihre letzten Worte, deren man jetzt nochmals und zwar in anderem Sinne als vorher geden ken könne, legen dar, daß ihr Tod von einem Unfall und nicht ab sichtlich herbeigeführt worden sei. Und somit sei sie selbst von dem Verdacht des Selbstmordes eben sowohl, als ihr Gatte von der A nklage des Mordes freizusprechen. Mr. Spenham bestätigte zur Ueberrafchung Derer, die seinen wahren Charakter kannten, gleich falls, daß kein weiterer Zeuge nöthig sei. Die Zeugenaussage des Mr. Augustus Fitzwilliam Cafe und des Mr. Benjamin Blessing hätten trotz der Weit v schweisigkeit des Letzteren ihn überzeugt, daß die Anklage zu rückzuziehen sei. Er zweifle nicht an Mr. Joseph Asien's Unschuld und hoffe, daß man die Aus drücke. die er in der Ausübung seiner Berufspflicht anzuwenden gezwungen gewesen sei, nicht miß deutet habe, und daß man an die Aufrichtigkeit seiner Werth schätzung der Charaktere Mr. Asten's und Miß Lucie Hender son's glaube. Er halte die Letz tere sür eine gebildet? und tugend hafte Dame und für eine Zierde des Ortes, in dem sie lebe. Die Sprache, die cr gegen sie geführt, sei berufsmäßig, nicht der Aus fluß seiner persönlichen Meinung. Die hervorragendsten Größen der Jurisprudenz hielten es ebenso; die Endziele der Gerechtigkeit er fordern die eindringlichste Prü fung, und der Beschuldigte gehe um so glorreicher aus der bestandenen Probe hervor. Red ner sei nichts weiter als der Die ner der Gerechtigkeit, dem in der Llusübung seiner Funktionen je des Ansehen der Person unter sagt sei. ' Der Richter benachrichtigte die Geschworenen, daß er jede Anwei sung für überflüssig halte. Wenn sie über ihr Verdikt einig wären, so könne auch die geheime Bera thung wegfallen. Die Geschworenen tauschten noch ein paar flüsternde Betrach tungen aus, und dann erhob sich der Obmann, um zu erklären, daß sie einig seien. Die laut und nachdrücklich ge sprochenen Worte „Nicht schuldig" gaben das Zeichen zu einem stür mischen Beisallsausbruch der Ve rsammlung. Vergebens suchten die Gerichtsdiener und die Con stabler, die Ruhe herzustellen. Joseph's Freunde schaarten sich um ihn, ihm die herzlichsten Glückwünsche darzubringen, wäh rend Mr. Blessing, welcher fühlte, daß der allgemeinen Zustimmung ein Anerkennung gebühre, sich erhob und sich einige Male vor der Versammlung verneigte. Philipp begab sich in's Freie und die Anderen folgten ihm. aber sie sprachen nur venig, bis sie sich in dem großen Gastzimmer des Hotels zusammen fanden. Mr. Blessing flüsterte bei sei- ner Ankunft dem Oberkellner ein paar geheimnißvolle Worte zu und bald da rauf traten zwei dienende Neger in das Zimmer und brachten Wein, Eis und andere Erfrischungen. Als alle Gläser gefüllt waren, erhob Mr. Blessing das seine mit einem Ausdruck, welcher der Gesellschaft Schweigen auferlegte, und sprach folgendermaßen: „Weß das Herz voll ist, deß gehet der Mund über. Es mag Gelegenhei ten geben, bei denen Schweigen Gold ist. aber begnügen wir uns mit dem geringeren Metall. Ein Mann, dem wir Alle vertrauen, den wir Alle lieben, ist aus dem Labyrinth, in das ihn die Umstände verirrten, befrnt vorden. Er kommt als neuer Thefeus zu uns zurück, gerettet vor dein Mino taurus des Gesetzes. Obgleich nun Mr. Held unter dem Beistand seiner lieblichen Schwester die Rolle der Ariadne spielen durfte, welche den Knäuel darreichte, so war mir doch das glückliche Loos beschieden, ihn auf wickeln zu helfen, und vir finden uns nun, wie unsere klassischen Vorbilder auf Creta's freiem Boden, zusammen, um einen Päan der Befreiung anzu stimmen. Während ich die Gesundheit, das Glück und Wohlergehen Joseph Asten's ausbringe, bitte ich ihn. glau ben zu wollen, daß meine Worte „ab imo pectore" aus innerstem Herzen kommen. Wenn ein Schleier des Miß trauens, das Umstände erzeugten, die ich jetzt nicht berühren will, noch zwi schen uns hängt, so bitte ich ihn. diesen Schleier zu zerreißen, wie König Da vid seine Kleider zerriß, und an meine Ausrichtigkeit zu glauben, wenn er an meine Besonnenheit nicht glauben kann!" Philipp war der Einzige, der außer Joseph die letzte Anspielung verstand. Er ergrisf Mr. Blefstng's Hand und rief: „Gesprochen wie ein Mann!" Joseph schritt augenblicklich seinem Schwiegervater entgegen. „Ich bin abermals ungerecht gewe sen." sagte er, „und ich danke Ihnen, daß Sie mich darauf aufmerksam machen. Sie haben mir einen unend lichen Dienst erwiesen, indem Sie Ihr eigenes Gefühl opferten, mir meine voreiligen, unverzeihlichen Worte nicht nachtrugen und meinem Charakter ein Vertrauen erwiesen, das mich nach Al lem, was zwischen uns vorgefallen ist, tief beschämt. Ich fühle zugleich Dank und Reue; von nun werde ich Sie zu erkennen und zu schätzen wissen!" Mr. Blessing nahm die dargebotene Hand, hielt sie einen Augenblick und stammelte dann, während ihm die Thränen in's Auge traten: „Genug! Versenken wir die Vergan- Wiheit tausend Klaster tief. Noch kann ich sagen, foi de Belsain!" „Noch ein Toast!" rief Philipp. „Glück und weltliche Güter dem Man ne, den das Unglück wohl biegen, aber nicht brechen konnte, der oft getäuscht wurde, ohne jemals absichtlich einen anderen zu täuschen, und dessen Ehr gefühl sich heute so glänzend bewährt hat Benjamin Blessing lebe hoch!" Während sich die glücklick>e Gesell schaft unter solchen Gefühlsergüssen er ging, schlich sich Lucie Henderson leise nach dem oberen Balkon des Hotels. Eine geheime Unruhe in ihrem Herzen steigerte sich von Minute zu Minute. Sie lehnte sich über das Geländer und blickte diePaubige Straße hinab. Da bei zogen die Ereignisse der beiden ver hängnißvollen Tage an ihrem geistigen Äuge vorüber, und sie fragte sich, wel chen Einfluß dieselben auf ihre Zu kunft ausüben werden. Sie fühlte, daß sie einfach ihre Pflicht erfüllt habe. Sie hatte kein Wort gesagt, zu dessen Wiederholung sie nicht bereit gewesen wäre. Und dennoch schien in ihren Worten eine Zukunftssaat zu liegen. Nach einer kleinen Weile zog der Hausknecht ein leichtes Gefährt aus dem Stall, und Elwood Withers stieg auf der Straße unter Lucien's Balkon hinein. Er ergriff eben den Zügel, als er noch einen Blick nach oben warf. Lu cien sah und anhielt. Sie bemerkte den unendlich sehn suchtsvollen Ausdruck seines Gesichtes. „Fahren Sie fort, Elwood, und al lein?" fragte sie. „Ja," erwiderte er lebhaft und war tete. „Dann komme ick mit," sagte sie, „das heißt, wenn Sie mich mitneh men." Baltimore. Md.. Samstag, den 19. Februar tB9B. Sie versuchte einen leichten, scherz haften Ton anzuschlagen. In wenigen Minuten befanden sich beide außerhalb der Stadt und fuhren durch herbstliche Felder und den dunk len, rauschenden Wald. Ein fchmei chelnderWestwind umkoste sie mit wür zigein Hauch und ließ die Velken, fal lenden Blätter durcheinander schwir ren. „Welch köstlicherWechfel." sagte Lu cie, „nach jenem erstickend heißen, ent setzlichen Saal." „Ja wohl. Lucie und wie sehr Joseph das erst empfinden muß! Und um eines Haares Breite hätten wir die Wahrheit verfehlt!" „Elwood!" rief sie aus. „als ich Zeugniß ablegte und Ihre Augen auf mich gerichtet fand, dachten Sie da an den Rath, den Sie mir vor drei Wo chen ertheilten, als wir vor dem Tun nel zusammentrafen?" „Ja!" „Das wußte ich und folgte Ihnen. Finden Sie jetzt, daß ich Recht ge than?" „Nicht aus diesem Grunde." erwi derte cr. „Ihr eigenes Herz sagte Ih nen, ivas Sie thun müßten. Ich wollte und durfte Sie in keiner Weise beein fluß en. Ich habe kein Recht dazu." „Doch, das Recht eines Freundes," sagte sie leise. „Ja," sagte er, „ich maße mir zu weilen zu viel an. Allein es ist schwer sür mich, die genaue Unterscheidungs- Linie iline zu halten." „Wie ungerecht Sie sich beurtheilen, Elwood. Sie sind so stark, als Sie großmüthig sind." „Ich bin nicht stark! Soeben ver derbe ich mir selbst das himmlische Glück, Lucie, das ich darin finde, an Ihrer Seite zu sitzen, und kämpfe mit lden Worten, die gewaltsam emporstei gen wollen!" ! Wieder sagte sie ganz leise: „Und warum sprechen Sie diese Worte nicht aus?" „Sie sind grausam! Haben Sie mich nicht selbst zum Schweigen verur theilt, und habe ich Ihnen nicht Gehor sam gelobt?" „Nach Allem, was Sie dort gehört Hzben?" fragte sie. „Um so mehr, weil ich Alles gehört habe!" Sie erfaßte seine Hand und sagte mit zitternder Stimme: „Ich var grausam, da ich mich Ih rem Wesen verschloß. Ich wies Das von mir, was, wenn Sie sich jetzt nicht abwenden, meine einzige Glückseligkeit Ausmachen wird. Sprechen Sie nicht lassen Sie mich mein Gebot zuerst übertreten! Elwood, theures, treues, edles Herz, —Elwood, ich liebe Dich!" „Lucie!" Und sie lag an seinem Herzen. 31. Kapitel. Es fiel der heiteren Freundesgesell schaft im Hotel zu Magnolia schwer, sich von zu trennen. Mr. Bles sing besaß Takt genug, um Joseph's Einladung abzulehnen, aber Philipp's herzlicher Aufforderung, der sich Ma deleine ebenso herzlich anschloß, fand eres schwerer. Widerstand zu leisten. Trotzdem schwankte Mr. Blessing nur einen Augenblick; ein geheimniß ooUer Entschluß stählte ihn. und Phi lipp bei Seite nehmend, flüsterte er: „Wollen Sie mir gestatten, das Ver gnügen. das mich bei Ihnen erwartet, nur aufzuschieben, nicht ganz und gar aufzugeben. Mir winkt eine schwere Pflicht, eine Aufgabe, ohne deren Lö sung der heutige Triumph dramatisch unvollständig bliebe. Ich muß in Räth seln sprechen, da ein Flüstern die La wine in's Rollen bringen könnte; aber ich bin sicher, daß Sie mir Ihr Ver trauen schenken." „Natürlich!" sagte Philipp u. reichte ihm die Hand. „Foi de Belsain!" erwiderte Mr. Blessing stolz und eilte fort, um noch den Zug nach der Stadt zu erreichen. Als die Pferde aus dem Stall gezo gen wurden, sah Joseph erst Philipp und dann Rahel Miller an, die. in ih ren großen Crepeshawl gewickelt, ruhig auf ihn wartete. „Wir wollen uns nicht so bald tren nen," sagte Philipp und trat auf Rahel Miller zu. „Miß Miller, wollen Sie meine Schwester und mich nicht aus heute Abend zu einer Tasse Thee ein laden?" Philipp war Rahel's Liebling ge worden. denn sie war überzeugt, daß Blessing's Zeugniß und Joseph's nur Philipp's Bemü hungen zu verdanken war. Das Asten'- sche Gut konnte Nichts liefern, was für seine Bewirthung gut genug gewesen wäre; das war ihre einzige sorge. „Wie gut könnten wir jetzt einen Te legraphen brauchen," sagte sie seufzend zu Joseph, „ich würde depeschiren, und bis wir heim kämen, könnte man Hüh ner und Tauben genug geschlachtet ha ben." j Joseph fuhr so schnell, als es die holprige Landstraße nur immer gestat tete. Er konnte keinen zufammenhän genbenGedanken fasser, sondern mußte vereinen überwältigenden Aussicht, die seinem Leben Freiheit und Erlösung zugleich zurückgab, willenlos nachhän gen. Jetzt, da seine eigene Unschuld bis zur unfreiwilligsten Veranlassung Todesfalles nachgewiesen war. Konnte er sich auch des n:uen Glückes >freuen, zu dem ihm derselbe die Pforten Die Zukunft lag wieder klar u. verheißungsvoll vor ihm; und selbst ldie jämmerlichen Kämpfe des verlore nen Jahres begannen in den Hinter grund zu treten und nur eine dunkle l Folie für das unendliche Erbarmen l>am Todtenbette der Unseligen abzuge ben. Mr. Blessing's Zeugniß befähigte ihn, ihre letzten, flehenden Blicke, ihre letzten abgebrochenen Worte besser zu 'oerstehen. Sein Herz durfte jede Selbstanklage verbannen und nur. so lange es unter Lebenden schlug, ein tie fes und zärtliches Mitleid bewahren. >An die Gesahr, der entgangen, die Ver leumdung, deren Beute er gewesen, 'dachte er nicht mehr. Er befand sich jener Unabhängigkeit der Seele, der das Joch der Verhältnisse Nichts mehr anhaben kann, näher, als er ahnte. Rahel Miller ertrug sein Schweigen, so lange es ihr gut dünkte, und unter brach es dann plötzlich so ungeschickt wie möglich. „Ach ja!" sagte sie. „Wir haben ja noch alten Johannisbeerwein im Kel ler, wie ihn die Städter gern trinken. !E? ist magenstärkend, besonders nach einer späten Mahlzeit. Aber ich habe ja noch gar nicht gefragt, wie Dir das Abendbrod gestern geschmeckt hat, ob wohl Elwood allerdings mir sagte, daß Alles leidlich gut gewesen sei. Und ich erkenne die Hand des Herrn darin, und das thust Du hoffentlich auch. Joseph; denn der Redliche ist nie verlassen. Wir können nicht umhin, zu jubeln, wo wir demüthig unseren Dank darbringen u. unsere Ünwürdigkeit bekennen sollten. Aber Philipp Held ist ein Freund, wie man ihn suchen muß. und die Küchlein der weißen Henne werden jetzt schon fett genug sein. Ich weiß nicht, ob ich El wood ausgefordert habe —" „Da ist er!" unterbrach sie Joseph. „Dort biegt er eben um den Waldwin kel! Lucie ist bei ihm und Beide müssen kommen!" Er suhr schnell weiter und überholte bald Elwood's saumseliges Gespann. Dieser hatte das Pferd sich selbst überlassen, und der Klang näherkom mender Räder erweckte ihn aus einem Traum unaussprechlicher Glückselig keit. Bevor er Joseph antwortete, flü sterte er Lucien zu: „Was sollen wir sagen? Es wäre der größte Liebes dienst, den ich je einem Freund erweisen könnte." „So thu's," sagte sie. „Der Tag ist zu gesegnet, um ihn für uns allein fei ern zu wollen." Wie zauberisch leuchtete ihnen das Thal, als sie aus der langen Schlucht zwischen den Hügeln hervorkamen. Selbst in den fallenden Blättern rauschte es wie ein leises Willkommen, und glückverheißend spannte sich ein weicher Herbsthimmel über die Land schaft aus. Am offenen Thor stand Dennis mit hochrothem Gesicht und wartete der Pferde. Er wollte etwas sagen, wußte aber nicht was. schüttelte Joseph die Hand und machte sich dann mit dem Geschirr zu schaffen. Als Rahel in die Küche trat, fand sie ihre Nachbarin. Frau Bischof, dort in voll ster Thätigkeit. Schon lagen zwei fette Puter gerupft und gebrüht auf dem Tisch- Das war zu viel für Rahel Miller. S> hatte sich in den trüben Tagen ta pfer gehalten und ihr: Besorgniß ver hehlt, damit dieselbe nicht mißdeutet werden könnte; ja. sie hatte sogar ihre dankbare Bewegung unterdrückt, um ihren Glauben an Joseph's Unschuld stärker hervortreten zu lassen, und nun war Frau Bischof's rücksichtsvollesße- nehmen der Tropfen, der den Becher überlaufen ließ. Rahel ließ sich auf ei nen Stuhl fallen und brach in Thränen aus. Mit der Schmorpfanne in der Hand, während sie mit der anderen über die theilnehmenden Augen fuhr, erklärte Frau Bischof, daß ihr Mann schon vor einer Stunde mit der Nachricht nach Hause gekommen wäre, und daß sie sich gleich gedacht hätte, man könnte ihre Hülfe oder venigstens ihre Gesell schaft brauchen, und deshalb wäre sie so frei gewesen, gleich anzufangen; denn obgleich die Wahrheit an den Tag gekommen und Recht Recht geblieben wäre, wie es Jedermann erwartet hät te, so bliebe es doch immer eine Prü fung, und zu solchen Zeiten müßte man besser essen und trinken als sonst. „Sie denken vielleicht nicht an's Essen, aber gerade darin liegt die Gefahr! Der Körper muß gestärkt werden, so oder so!" saßen Joseph und feine Gäste draußen auf der Veranda, von der stillen, milden Herbstluft umfä chelt. Er hielt Philipp's Hand in der seinen und Beide sonnten sich im Voll genuß ihrer bewährten Freundschaft. Madeleine saß ihnen gegenüber, und die Strahlen der scheidenden Sonne woben einen Nimbus um ihr goldiges Haar. Die feierliche Stille des Augen blicks ergriff auch sie, aber sie errvehrte sich tapfer ihrer Rührung und plau derte mit Lucie über allerhand gleich gültige Dinge. Elwood's leuchtendes Gesicht, wel ches so oerklärt aussah, daß man es fast schön nennen konnte, fiel ihr auf. Ein fragender Blick auf Philipp wurde mit einem vielsagenden Lächeln beant wortet. Nun betrachtete sie Lucie. de ren Wangen rosig erglühten, und Ma delaine erhob sich und ging, ohne ein Wort zu sprechen, auf Lucien zu und umarmte sie. Dann reichte sie Elwood ihre Hand und sagte: „Verzeihen Sie mir, wenn ich den Ausdruck meiner Freude nicht unter drücken kann!" „Philipp!" rief Joseph, als ihm die Wabrheit offenbar wurde, „das Le ben ist nicht immer ungerecht. Wir sind es. die wir ungeduldig werden." Glückwünsche wurden allseitig aus getauscht. und Elwood, dessen tiefe Be wegung ihn sprachlos machte, erschien so aufrichtig stolz und glücklich, stand in so vollkommen redlicher und echter Mannhaftigkeit in diesem geweihten Augenblicke da, daß Lucien's Herz ihm gleich stolz und freudig entgegenschlug. Ihre Blicke trafen sich, und ihr Ausdruck verhieß Beider Zukunft eine nimmer wankende Treue. „Der Tag war schon gesegnet," sagte Philipp, „aber dieses glückliche Ereig niß setzt ihm die Krone auf." Die Zeit verging schnell, bis sie Ra hel Miller unter vielen Entschuldigun gen Zu einem prächtigen Mahle einlud, und sie schieden erst, als die Mond scheibe frostig und klar über den Ne belschleiern hing, die aus dem Thale aufstiegen. Äm nächsten Tage besuchte Joseph Philipp in der Schmiede. Es that dem jungen Wittwer wohl, eine andere Luft zu athmen und andere Wände um sich zu sehen, die von keinen gespensti schen Erinnerungen heimgesucht wur den. Madeleine erwies sich als die gastfreundlichste, aufmerksamste Wir thin, die auf Philipp's und Joseph's Behagen gleich bedacht war. Der kurze Herbstabend war kaum angebrochen, als sie die beiden jungen Männer nach Philipp's Zimmer führte, in welchem ein lustiges Holzseuer in dem Kamine prasselte und flackerte und seinen gau kelnden Flammenschein auf zwei Lehn stühle warf, die davor gerückt waren. Philipp zündete sich eine Pfeife an, und die Freunde nahmen ihre Plätze ein. „Was meinst Du zu Bischof's Vor schlag?" fragte Joseph. „Daß Du ihn annehmen sollst," sagte Philipp. „Ein großer Grund besitz ist hier zu Lande ein zweifelhaf tes Glück, und ein so eingefleischter Landwirth bist Du nicht, daß es Dir in's Herz greifen muß, Dich von ein paar Feldern zu trennen. Ein Mann soll sein Eigenthum besitzen, nicht von ihm besessen werden." „Du hast Recht," erwiderte Joseph, „ich kämpfte schon gegen mein angebo renes Vorurtheil." „Die Frage ist nun, ob der Verkauf Preis des lonnlags-ToNtlMdtnltü ?! pro Jal>r. 5-bentli-t ugadc mit Zonneabl-> nach dem 3a- und <4,00 nach dem ?iu?laodt. rv Zahr. Nr. 43. dieser fünfzig Acker Dich allen gegen wärtigen Verlegenheiten entreißt?" „So weit, Philipp, daß eine neue Hypothek von der Hälfte des Betrages den Nest deckt. „Bravo!" rief Philipp. „Es gebt besser, als ich dachte. Mr. Hopewn !wird für eine sichere Anlage Sorge tragen, so daß Du vor dem Verfall der Dokumente geschützt bist." „Wie leicht sich Alles wieder fügt." saate Joseph. „Ich trete in das alte, Getriebe meines Lebens zu rück. Das sollte mir genügen, aber es ist nicht der Fall. Kannst Du mir sagen, warum, Philipp?" „O ja, es genügte Dir eben niemals. Das Leben ist eine große Centrifugal kraft, die aus einem weiten Kreise nach einem immer vetteren strebt. Es giebt Menschen, die ewig an derse!b?nSchc>lle Kleben, ohne das Bedürfniß eines Fort schreitens zu kennen, und auch sie find nicht ohne Nutzen und Werth. Aber Menschen wie wir Beide, Joseph, fin den nur im geistigen Wachsthum Frie iden und Freude." „Wer nur immer den richtigen Weg fände!" seufzte Joseph. „Darauf kommt's an," fuhr Philipp lebhaft fort. „Wenn wir uns aber die Gefahr überlegten, würden wir niemals einen Schritt wagen, und die Bedeutung eines solchen erkennen wir erst meistens nachdem, selten nur. bevor wir ihn gethan. Kannst Du bei einem Rückblick auf Deine jüngste Ver gangenheit keinen Gewinn bei Deineni Mißgriff heraus finden?" ! „Gewiß, einen unverlierbaren Ge winn. Ich erkenn, daß Uebereilung und Schwäche auch Laster sind, die ge straft zu Verden verdienen. Ich war in sittlichem und geistigem Sinne eine Art Sybarit. Ich erwartete, mich aus Rosenblättern betten zu dürfen, und es geschah mir Recht, daß ich Dornen fand." „Ich glaube," sagte Philipp, „daß die Welt ein neues Sitten - Gesetz braucht. Wir müssen den unglückli chen Resultaten gewisser Eigenschaften, die an sich gut sind, vorbeugen und den Übeln Eigenschaften das, was sie Gutes enthalten, abgewinnen. Aber zu solch einer Reformation würde nicht einmal ein Luther ausreichen. Ich ge stehe, daß es mich verwirrt, wenn ich versuche, den moralischen Ursachen u. im Leben der Menschen nachzu forschen. Wie, wenn ein Jeder von uns, wie ich halb und halb vermuthe, so unabhängig seine Bahnen dahin zöge wie ein Planet, und wir dochAlk in einem ungeheuren System zusam mengehalten würden? Die Central krast muß dann in unserer geheimer Abhängigkeit von Gott beruhen, wu Du mich das gelehrt hast!" „Ick?" „Glaubst Tu, man kann sich so nah stehen, ohne von einander zu nehmen und zu empfangen? Das erinnert miä jaber daran, daß unsere Pfade für eine Weile auseinandergehen, denn Du solltest jetzt reisen, Joseph. Der Him mel weiß, was es mich kostet. Dir die sen Rath zu geben." „Du willst mich auf die Probe stel len. Es wäre wohl Zeit für mich, die Welt kennen zu lernen. Aber Euch schon verlassen so bald —" „Das macht keinen Unterschied. Ob Du nun gehst oder bleibst, wird m.in immer Geschichten erzählen. Dar um frisch an's Werk" Madeleine stimmte Philipp's Rath bei; aber Joseph sträubte sich gegen eine zwecklose Reise. „So folgen Sie doch Philipp's Spuren," sagte Madeleine. „Ich zweifle nicht, daß die Legenden über seine wilden Fahrten und Abenteuer Sie den. rechten Weg führen werden. Wie ich mich amüfiren würde, ein paar Kapitel aus seiner Lebensgeschichte zu erfahren!" ..Madeleine Du bist ein Genie!" Philipp. „Wilders Brief vor 14 !Tagen fällt mir ein. Den Auftrag kann Joseph ausführen, ohne Geologie studiert zu haben!" > „Aber sagtest Du nicht, daß der !Ort —" Sie zögert?. „Gefährlich sei?' meinte Philipp. „Ja. aber Joseph wird diese Gefahren schon bestehen." „Ich möchte mit Gefahren kämpfen," sagte Joseph. Philipp lächelte. „Als ob Du nicht eben erst der groß, ten entschlüpft wärst! Nun Madelei-