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Feuilleton. „Ludowika." Roman von A. von Gersdvrff. (Fortsetzung.) „Wollen Sie mir nun mal in Kuckucks Namen erzählen, Mamsell, was Sie eigentlich mitten in der Nacht in Ihrer Stube auf und ab zu rennen haben, und dabei die Lampe hell lich terloh brennen lassen!" sagte sie, noch iu der offenen Thür stehend. „Denken Sie vielleicht, ich bin taub oder blind, kann oben das Rumoren nicht merken und den Lampenschein nicht da auf dem Wege ganz gut sehen, wo's sonst anstän dig und still im Hause zugeht? Gottes Wunder! nein. Mamsell, ich bin nicht taub und nicht blind! Und ich bin Her rin in meinem Hause und will zusehen, was für Unfug getrieben wird. Wenn Sie etwa 'n Liebeshandel haben. Mam ell. und mitten in der Nacht mein Pe troleum verkokeln, um da Briefe zu schreiben und zu kriegen, und Sie in meiner Stube wie 'ne Katze hin und her schießen, dann können Sie gleich packen und nach Hause dampfen. Solch eine bekomme ich alle Tage wieder." Ludowika wich so angstvoll, zitternd, Ichritt vor Schritt zurück vor der Vor .retenden, daß nichts der Schuld ähn licher sehen konnte, und ohne sich lange zu besinnen, streckte die alte zornige Dame, sich in vollem Hausrecht mei nend, ihre Hand nach dem auf dem Ti sche liegenden Briefe aus. „Um Gotteswillen!" rang es sich jetzt über Ludowikas Lippen, „den Brief dürfen Sie nicht lesen. ..Darf ich nicht? Was Sie sagen! Also geht er mich persönlich an, und ich 'verde ihn lesen. Sie erlauben wohl, daß ich mich über das orientire, was in meinem Hause vorgeht!" Damit nahm sie den Brief und setzte sich auf das So pha, das schon in ein Bett verwandelt .'iar, von dem sie nun rücksichtslos die Kissen und Decken zur Seite schob, um mit ihrer breiten Gestalt und dem gro ßen Pelz Platz zu finden. Und Ludo wika stand am Tisch, die Hände gegen -ie Brust gepreßt, und starrte wehrlos cus ihre Herrin nieder, so betäubt, so seltsam willenlos, daß sie im Moment .<ar nicht recht wußte, was eigentlich al les in dem Briefe stand, und warum es sie so entsetzte, daß ihn die alte Dame Und sie that es, las ihn von Anfang ,is zu Ende, während ihr Gesicht sich bei :-iner Stelle, auch nicht der beleidigend sten, die sie selbst anging, veränderte. Ihre schmalen Lieben blieben zusam mengepreßt, und ohne Zucken blieb ihr '.'nizliches altes Gesicht. Mit einem Ausdruck eisiger Gleich gültigkeit kniffte sie das Schreiben wie der zusammen und legte es auf den Tisch. „Sagen Sie mal. ist Ihre Mutter nicht ganz bei Verstand?" Sie machte mit der gesunden Linken ein Zeichen über ihre Stirn. „Na, haben Sie die Sprache verloren? Mir ist übrigens, als wenn ich so gehört hätte, als ich mich damals in Berlin nach JhrerSipp schaft erkundigte, daß die werthe Dame nicht ganz zurechnungsfähig ist." „Mama? Meine Mutter!" stieß Ludowika empört hervor. „Gottlob nein! Da hat man Sie falsch berich tet. Nur schrecklich unglücklich, vom Schicksal verfolgt und gehetzt, nervös und überwacht, halbtodt gequält, das ist meine arme, unglückliche Mutter." „So? Ich habe blos gehört, daß sie andere Leute halbtodt gequält hat", war die Höbnische Antwort. „Ja, was soll sie denn machen? Sie quälen andere Menschen! Sie sind grausam! Sie wissen eben nicht, was cs heißt, so entsetzliches Unglück durch zumachen. Aus dem Reichthum, dem Luxus, in die elendeste Armuth zu ver sinken. als vornehme, verwöhnte Frau, wie meine Mutter es ist, einen kranken, sterbenden Mann neben sich, der ihr kei ne Stütze, keine Hilfe mehr fein kann! Niemand auf Erden mehr zu haben, zu Rath und That, als ein Mädchen, wie ich es bin, eine Tochter, der sie wieder holt vorwerfen mußte, ja das mußte sie, daß ich ihr Schicksal hätte ändern kön nen. bessern! Wenn ich nicht so sehr selbstsüchtig gewesen wäre, und hätte mehr meine Liebe, meine Dankbarkeit sprechen lassen, als meinen Stolz, meine Eitelkeit." Ludowika, die sonst immer sv Be herrschte, so Vernünftige, brach in hei ße Thränen aus. „Sie scheinen Ihre Eltern zu lie ben?" Das Mädchen machte eine fast hef tige Bewegung. „Sonderbare Frage! Ja. ich liebe meine Eltern! Merkwür dig, jemand zu lieben! Nicht wahr? Ich liebe meine Eltern über Alles in der Welt. Ich bin ihnen Dank schul dig vom ersten Tage meines Lebens an, wo sie mich geliebt und gehegt und für mich gesorgt haben, Körper und Geist so treu gepflegt, und Alles gethan, was in ihren Kräften stand, mich glücklich zu machen. Ich liebe meine Elterzr und wünschte, ich könnte ihnen meinen Dank so zeigen, wie sie es verdienen, denn sie sind mein Heiligstes auf Er den. und kein Opfer, was irgend in meinen Kräften steht, soll mir jemals für meine armen, kranken Eltern zu viel, zu schwer sein." Krampfhaft schluchzend barg sie das Gesicht in den Händen. Frau von Reiderskron schien sich Göhlich vor Ludowika zu fürchten, die ne allerdings fast nie anders, als hei 'r und förmlich maschinenhaft ruhig angesehen hatte, von derem innersten verborgenen Feuer der niedergehaltenen Leidenschaftlichkeit sie allerdings nichts aeahnt hatte. Sie hatte sich ganz in die Ecke gedrückt und dunkle Rothe hatte ihr faltiges G esicht überzogen. Auch ihre Augen schös sen Blitze, böse Blitze. „Sie vergessen sich! Sie sind ver rückt geworden! Packen Sie Ihre Sa chen. Augenblicklich!" Machen Sie. daß Sie aus dem Hause kommen!" keuchte sie in einer Fassungslosigkeit, die eigentlich nicht ganz begreiflich erschei nen mußte, da Ludowika ihr doch gera de keine Beleidigung gesagt hatte —und sie vorher bei den Beschimpfungen von der Mutter sich sehr gleichmüthig ge zeigt hatte. Ludowikas Besinnung kam zurück eisiger Schreck legte sich lähmend über die heiß aufgeloderte Lei denschaft ihres Herzens das blind und bedingungslos für die verhöhnten Geliebten eingetreten war. Fort sollte sie? Wohin? Zu wem? Was hatte sie gethan? War es die rechte Art gewesen? Hatte sie wie der nur an ihr heftiges, beleidigtes Ge fühl gedacht, statt an das Elend ihrer Eltern hatte sie zum dritten Male deren Wohl und Weh in der Hand ge halten und wiederum falsch gehandelt?! Wortlos, todtenblaß geworden sah sie zu. wie die alte Frau sich schwerfällig erhob und zum Zimmer hinaustastete und als sie sich schließ lich aufraffte, ihr helfend nach wollte, wurde sie mit einer kurzen, zornigen Handbewegung zurckgewiesen. Ludowika wich zurück und ließ sie gehen. Was wollte sie auch noch? —Was ging die alte, böse Frau sie noch an? Hier war ihres Bleibens nicht länger das fühlte sie wohl. Was ihre Mut ter über jene geschrieben hatte das war doch sehr schlimm, und statt daß sie ihre Mutter rasch entschuldigte, daß sie die Schwerbeleidigte um Verzeihung bat, in der raschen, demüthigen Form, an ihren großen Zweck gedenkend, statt dessen hatte sie ihr eine Predigt über ihre Kindesliebe gehalten, lvelcke der Beleidigten, von ihrer Mutter Beleidig > ten, wirklich ganz gleichgiltig. wahr scheinlich ganz unerklärlich erscheinen mußte. Natürlich! Sonst hätte sie doch nicht diese sonderbare Frage ge than: „Sie scheinen Ihre Eltern zu lieben?" Ja, nun war es aus, nun hieß es wieder wandern. Und was weiter? Was dann? So vor ihre gepeinigte Mutter, ihren an Entbehrung sterbenden Bater treten? Sie löschte die Lampe und saß im Dun keln, wo Frau von Reiderskron vorher gesessen hatte, die Stirn in die Hände gelegt und dachte nach, bis die Natur ihr Recht forderte und der erste Mor genstrahl ihre todtmüde geschlossenen Lider, ihre jungen Lippen küßte, die halb geöffnet, schmerzlich zuckten, wäh rend seufzende Athemzüge ihre Brust ! hoben, mit der sie gegen den Tisch ge sunken war. 22. Kapitel. Als das Morgenlicht voll ins Zimmer fiel, wachte Ludowika auf. Kühl und frisch wehte es vom offenen Fenster her. Der erste Morgenstrahl lugte sast ver stohlen um die Hausecke über das dank bar duftende Levkojendeet, das nun, mit Thauperlen Übergossen, wie das frische Nützlichkeitsgrün ringsumher, wie mit Brillanten besät in dem Sonnenglanz stand. Nur kurz, eine Minute, und dann wars wieder aus, denn der Sonnenstrahl zog eilends weiter. Er hatte in den Zim mern der gnädigen Herrschaft zu thun und bei den köstlichen Trieben im Treib hause. Aber er war doch da gewesen! Er existirte also noch, der Sonnenschein, und kam sogar mal in der dunkelsten Ecke nachschauen. Eine Schaar Spatzen zog lärmend der Küche drüben zu. um Frühstücksbrödchen zu ergattern, und Miesepeter, der große, schwarze Stallkater, strebte derselben Richtung zu. mit grünen Augen dem zu hoch schwebenden Braten nachschielend, ehe er mit ordentlich philosophischemAus druck seines schwarzen Katergesichts mit der rosigen Nase, sorgfältig das thau nasse Gras vermeidend, weiterfchlich. Hastig sprang Ludowika aus und suchte sich zu besinnen. Erst als sie sich mit Wasser abgerieben hatte, das Haar durchgebürstet (sie trug es jetzt in einem winzigen Knoten am Hinterhaupt) und ein frisches Kattunkleid angelegt mit reiner Schürze, gelang es ihr vollkom men. Sie war ja entlassen. Warum hatte sie eigentlich ihr Dienstkleid angethan? Besser wäre es gewesen, st? machte sich nun ans Packen, wie die Gnädige ihr zu geschrieen hatte. Sollte sie um sieben Uhr, wie immer, mit dem Topf voll hei ßen Wassers nach dem Schlafzimmer ge hen, ihr zu Helsen bei der Toilette? Ja, das mußte sie doch wohl. Das konnte sie ja auch. Es war ja ganz gleichgiltig. Sprechen mußte sie doch noch einmal mit ihr, den Lohn für den halben Monat zahlen. Als auf ihrer Weckuhr es sieben Uhr war, ging sie klopfenden Herzens ihrer gewöhnlichen Pflicht nach. Die alte Frau lag im Bett unv hatte ihr den Rücken zugekehrt. War sie wach oder nicht! Der Vorhang am Fenster war aufgezogen. Von dieser Nacht wohl noch, wo sie da hinausgespäht hatte. Zögernd blieb Ludowika an der Thür stehen. „Na, ich will aufstehen," kam es ver drossen vom Bett her. Unter gegenseitigem Schweigen wurde die sehr einfache Morgentoilette beendet. Frau von Reiderskron betrat ihr Wohnzimmer, warf einen Blick auf die eingelaufenen Postsachen, die auf dem Schreibtische neben dem blauen Erinne rungsglase aus Nauheim lagen, nahm sie an sich und setzte sich an den großen Früh stückstisch in dem großen, kahlen Eßzim mer. Ludowika stumm, blaß und sehr elend aussehend, ihr gegenüber. Nachdem die allernächstliegende Frage, ob sie heute ihren Dienst wie immer zu thun habe, erledigt war, kam die zweite Frage: Was sollte sie ihrer Mutter schreiben? Wie sollte sie ihren Eltern helfen? In diesem Gedankengang wurde sie von ihrer liebenswürdigen Herrschaft jäh unterbrochen. „Wenn Sie Lust haben, können Sie noch bis Oktober bleiben, Mamsell. Ihr Anhang ist mir ja höchst unangenehm und eklig, aber das Leutewechseln ist mir noch viel ekliger, immer neue Gesichter, neue Schattenseiten und Fehler um sich haben und rauskriegen müssen, ist mir gräulich. Ich erwarte Besuch und habe Wichtigeres zu denken. Und Ihre Schat tenseite ist wenigstens ziemlich weit ent fernt von Finsterholt, wenn Sie nur gü tigst dafür sorgen wollten, daß sie es auch ferner bleibt, und die Herrschasten nicht eines schönen Tages überratchend hier vorfahren. So was ist möglich, wissen Sie. Ich halte Ihre Frau Mut ter dessen für fähig." Ludowikas blasse Stirn färbte sich, während sie mit verdunkeltem Blick auf sah. Unwillkürlich drückte sie unter dem Tisch die Hand beruhigend auf ihr Herz. Nur nicht wieder denselben Fehler, nicht wieder ihrem eigenen Gefühl nachgeben, und dasselbe dachte sie bei dem, was nun folgte: „Schicken Sie der Madame Hol dewacht zwanzig oder dreißig Mark aus der aus der Kirchentasse für Jerusa lem. Wieviel sind darin?" „Fünfhundertundvierzig Mark." „Na. dann schicken Sie ihr meinetwe gen vierzig Mark, aber dafür bitte ich mir denn auch ganz dringend aus, gänzlich ungeschoren von ihr zu bleiben. Aber gänzlich, Mamsell, verstanden?" „Ja wohl." Mit schneebleichen Lip pen und einem Blick, in dem alles Andere lag wie Dankbarkeit. „Das Geld nach Jerusalem muß auch noch heute abgehen. Sie'können es nach her aus der Kasse nehmen und expediren. Sie wollen also weiter bleiben bis Okto ber?. Sie hab-n mir darauf noch gar nicht geantwortet. Na, nicht?" „Jawohl." „Gut. Lassen Sie die beiden Frem denstuben zurecht machen für heute Abend. Aber sehr penibel. Vier Handtücher. Ein Frottirlaken. Die Betten raus. Nur die Matratze drin lassen. Ein Bett bei Hannes rein setzen. Der Mohr soll bei Hannes schlafen. Ich will das Räu bervolt nicht im Hause haben. Der Lieutenant Reiderskron kommt mit dem letzten Zuge. Hannes soll nicht mit zur Bahn, sonst hat der Mohr nicht Platz. Der kleine Gepäckwagen mit dem Pony. Verstanden?" „Jawohl." Ludowika war den ganzen Tag un ausgesetzt für ihre Herrschaft in An spruch genommen. Von einer Arbeit zur anderen, treppauf, treppab. Zu einem ruhigen eigenen Gedanken zu kommen, ganz unmöglich. Der Kopf wollte ihr zerspringen, so durchbrauste ihn die furchtbarste Vorstellung an den Jammer ihrer Eltern, die verschiedenen furchtbaren Eindrücke des Erlebten, die sie keinen ru higen Moment Zeit hatte zu ordnen. Es war ihr selbst oft. als müsse sie dn Ver stand verlieren. Endlich gegen Abend trat Ruhe ein. Im Eßzimmer war sauber gedeckt für zwei Personen. Ludowika sollte nicht mit den Herrschaften speisen. Wie lieb ihr das war! Frau von Reiderskron war angeklei det. Sie trug heute ein schönes schwarz seidenes Kleid und ein weißes Häubchen auf ihrem dünnen Scheitel. Eine noch nie dagewesene Toilettenanstrengung. Sie schien doch viel auf den Neffen zu ge ben. Nun faß sie wartend auf dem Fen stertritt im Wohnzimmer, welches vom letzten Sonnengolde durchfluthet wurde. Ludowika hantirte noch im Eßzimmer, als sie das Rollen des Wagens vernahm und unwillkürlich einen Blick hinaus warf, als der Wagen durch die Allee d?s Parts rollte. Ihr Blick umfaßte nur im Fluge die schwarz: Negerphysiogno mi auf dem Bock neben dem recht länd lich, europäisch aussehenden Gencht des dicken Fried, der die Braunen lenkte, und im Fond des Wagens ein bleiches, junges Männer-Antlitz mit lang wehendem blondem Schnurrbart. Sehr bald hörte sie die Wohnzimmer thür aufgehen und eine Männerstimme, die in hastigem Hinauseilen ihren Fuß stocken ließ und sie lauschend auf den Fleck bannte. Eine Stimme von so schönem eigenartigem Klange, daß sie, die ja :n jedem Nerv musikalisch war, es plötzlich durch die qualvollen, ungelösten Dishar monien ihrer Gedanken wie einen vollen, auflösenden Akkord klingen fühlte, wenn man fo sagen dars, der all das harte Schrillen und Kreischen, das durch die Saiten ihres wunden Herzens geglitten war, weich und lind beendete und in sich aufnahm. . Und wenn sie in diesem fliehenden Moment überhaupt denken konnte, so dachte sie: „O Dank! Dank! Das thut wohl " Und dann floh sie in ihr Zimmerchen, öffnete das Fenster und ließ die sckwer müthig heiße Hochsommerluft hereinzie hen. still das müde Haupt auf die ge falteten Hände legend und fühlend, daß es in der Welt, auf der Erde voller Streit und Qual. Plagen und Wunden, doch wohl etwas gab, was sich seligen Frieden nennt! „Mamsell Wieke! Hier is 'n Brief vor Ihnen. Der liegt schon ne Stunde zwei in die Küch'. Der Hannes hat ihm mitgebracht. Auf der Bahn haben sie'n ihm gegeben. Steht noch drauf: Eilt sehr." Zusammenschreckend war Ludowika ausgesprungen und hatte dem Küchen mädchen den Brief abgenommen. Was sollte für sie wohl sehr eilen, als das Unglück? Mit bebenden Fingern riß sie die Hülle ab. die Handschrift kam ihr fremd vor, aber nein, es war die Schrift ihrer Mut ter, nur fast völlig unleserlich, dennoch aber faßte ihr Geist im Moment den Sinn der halb verwischten Zeilen. „Mein Kind, uns hat Furchtbares ge troffen. Wir müssen morgen, spätestens übermorgen hier fort. Sie hat uns auf die Straße gesetzt, mich und Deinen elen den Vater und dreihundert Mark baares Geld soll ich ihr zahlen. Sie hat mir einen Schuldschein abgeschwindelt, als sie uns so billig wohnen ließ. Sie hat sich eingebildet, die Möbel, die ich mit her brachte. könnte sie behalten, aber die muß ich schon an jemand anderen geben. Sie will mich verklagen wegen Betrug, wegen Schwindeleien! Was soll ich machen! Könntest Du mich sehen. Deinen Vater, ein Jammerbild, entkräftet vom Mangel an Nahrung! ! Depsfchire sofort, ob wir kommen dürfen, ob ich felbst die Reiderskron schreiben oder depeschiren soll. Es ist keine andere Rettung für Deine unglücklichen Eltern als Flucht ! „Wieke. Mamsell Wieke, Herrje, ich dachte Sie schliefen woll! Sie sollen gleich raufgehn und die Briefe machen, läßt Sie die Gnädige sagen. Sie is mit'n Herrn Lieutenant mang 'n Part gegangen." „Es ist gut. Ich komme." Vor der Thür zum Wohnzimmer be gegnet sie Frau von Reiderskron mit Umschlagetuch und Kopsshawl, neben ihr eine hohe, schlanke Männergestalt. Es ist zu dämmerig hier, mehr zu erkennen, und wenn eS auch hellleuchtender Tag ge wesen wäre, sie hätte vielleicht doch nicht gewußt, was sie sah. „Hören Sie Mamsell, der Abend ist sehr schön. Wenn Sie sich einen Abend spaziergang machen wollen, würden Sie mir einen Gefallen thun, wenn Sie den Geldbrief selbst zur Post bringen woll ten. Sie können ja Ihre eigene kleine Angelegenheit auch gleich dabei erledigen. Auf dem Schreibtisch drin habe ich alles zurechtgelegt. Es ist viel Geld, und ich möchte keinen in Versuchung führen. Sie gehen wohl selbst?" „Gewiß." „Sind Sie krank ?" „Nein. Etwas Kopfweh." „Dann wird Ihnen der Gang sehr gut thun." „Jawohl." Sie tritt ins Wohnzimmer. Die hohe Gestalt hat sich ein wenig gewendet und nachlässig, aber doch wie ein Kavalier vor einer Dame die Thür geöffnet, neben der er unmittelbar steht. Sie dankt ihm garnicht und schließt die Thür hinter sich. Welcher Friede, welch Schönheit rings umher! Hochsommernacht! Kaum kann man es Nacht nennen. Noch scheint der Himmel vom Tagesglanz durchflu thet, eine hehre Harmonie matter, hinster bender Farben. Schüchtern und gleich sam verstohlen blitzen die Sternlein auf in der Tiefe des Himmels. Nur der Abendstern vort strahlt in siegendem Glanz über dem blassen Monde, wie ein reines Bewußtsein über einem leidenden Gemüth. Still, still, ist's über den leeren Fel dern. der letzte Wagen fuhr herunter, die Ernte in den Scheunen, der Segen Got tes ist geborgen. Ein fernes Glöcklin bimmelt und bim melt. als könne es sich vor Freude nicht fassen, da kommt ein melancholisches Lied herüber in weichen Ziehharmonikatönen, das Instrument der Volksmusik eigent lich hier so herum. Sie kennt das Lied, sie hat es oft gespielt auf ihrer Geige, ein kunstlos einfach Volkslied : Sonnenlicht, Sonnenschein, Ziehst mir ins Herz hinein, Wie ein Waldvöglein hüpft es vor Lust. Weil es sein Leid vergißt. Ein Duft steigt hier und da von der Erde auf. wie ein Seufzer, wie von ver borgenen Blumen, wie von 8r0t... Die Gestalt eines junge i Weibes geht durch die Felder, durch die den Frieden. Sie hat gethan, was sie sollte, gethan, was sie mußte. Hat sie auch gewollt, was sie gethan ? Sie gebt gleichmäßig, langsam, ein wenig schleppend, so. als zögere sie manchmal auf einer Stelle, als wende sie halb um. Zuweilen bleibt sie ganz stehen, sie sieht immer nur zu Boden und dann mit einem suchenden Blick ins Weite, viel weiter, als ihr Auge reicht unv erfaßt, die Arme hän gen an ihrer Gestalt herab, so geht kein Spaziergänger, so geht keiner, der seine Arbeit gethan hat und nun dem Hause zustrebt. Wer geht so ? Wer hat solche Hal tung ? Solch einen Blick, solch einen Ausdruck von Mattigkeit und Qual und doch Angst, die hinter sich sehen möchte ? Solch Hinwegsehen über alles da herum, mit dem suchenden Blick nach Frie den ?.... Vielleicht jemand, der ein Opfer ge bracht hat, das seine Kräfte überstieg? Oder jemand, der ein Verbrechen be ging, das sein Leben abschließt? Oder beides ? ! „Guten Abend, Fräulein ! Sind Sie dem Hunde etwa begegnet ? Dem tollen Thier, das sich hier herumtreiben soll?" Ah, der schöne Klang, der milde Schlußakkord ! Er sieht sie verwundert an, wie sie so plötzlich stehen bleibt, als lausche sie. aber nicht auf feine Worte, sondern ans etwas über ihr. „Möchten Sie mich nicht einer Ant wort würdigen?" Jetzt ist sie mit Wesen und Gedanken auf der Welt, wo sie steht, und sieht ihn an. Sie hatte auch vorher das Auge auf ihn gerichtet, aber mit einem ganz geistes abwesenden Blick. „Ich bin keinem Hunde und keinem Thier begegnet", und pausirte dazwischen einen Moment, als horche sie verwundert auf den Ton ihrer eigenen Stimme, so fremd, so garnicht Ludowika Holdewachts Stimme wars. „Nun Gott Lob ! Ich ängstigte mich um Sie." Sie sieht ihn groß an. „Ja", fährt er fort, „mit solchem Thier ist nicht zu spaßen. Ich wußte, daß Sie eine ganze Strecke Weges ganz allein machten, und Jonny. mein Nigger, sagte mir eben, daß in der Küche große Aufre gung herrsche, weil der ohnehin böseHund vom Schäfer die Heerde plötzlich verlas sen. anscheinend völlig toll geworden, sich hier zwischen die Felder gewendet habe. Ich nahm die Flinte und ging Ihnen nach. Gott Lob, daß meine Besorgniß unnitz war." „Ganz unnütz, ganz unnütz", sagte sie mechanisch, ohne ihm für feine Beforgniß um sie ein dankendes Wort zu sagen. Er war neben ihr umgekehrt, die Flinte aber schußbereit in der Hand haltend und das Auge über die Ebenen der Felder streichen lassend. Ein Hund von der Größe des Schäferhundes hätte schon in gewisser Entfernung bemerkt werden müssen. Einmal blieb er stehen und fah nach rückwärts. Nikolaus Reiderskron hatte eine hohe, etwas schmal gebaute Gestalt. Es war noch etwas Jünglinghaftes darin, ob wohl er schon 27 Jahre zählte, Ludo wika war über mittelgroß, aber er über ragte sie um Haupteslänge. Seine Züge waren fast weiblich fein, besonders der Mund unter dem langen, weichen Schnurrbart vom hellsten Blond, die Ge sichtsfarbe gelblich, nicht sonnenver brannt, das Auge groß und jchmal ge schnitten. aber von seltsam mildem Aus druck. fast glanzlos und dennoch, wenn er diese Augen fixirend auf jemanden rich tete. wie jetzt auf Ludowika, hatten sie einen außerordentlich konzentrirten Blick. Das Kinn war, in vollem Widerspruch zum oberen Theil seines Gesichts, von hart vorspringender, schroffer Form, die Wangen schmal und sehr hager von den Backenknochen abfallend. Das Haar ganz kurz geschoren und ganz weiß. Er trug eine hellbraune Lodenjoppe über weichem Hemd von indischer Seide, die Beinkleider in die kurzen Schaftstiefel von rohem Leder gesteckt. Seine langen, schmalen s)ände waren braun und kräf tig. Am kleinen Finger der Linken trug er einen unscheinbaren Ring und doch siel er Ludowika gleich auf. Es war ihr flüchtig, als habe sie den schon einmal ge sehen, in irgend einem sehr häßlichen Moment ; es war an schmalem schwar zem Reif ein einfaches, silbernes Kreuz chen. Er hatte die Absicht, bis Weihnachten etwa in Finsterholt die Gastfreundschaft seiner Tante in Anspruch zu nehmen. Er hatte seine afrikanische Dienstzeit über den Gebrauch ausgedehnt und einen län geren Urlaub erhalten, als üblich. Zu rückzugehen brauchte er nicht. Aber er wollte'eS, sobald sich seine nicht allzufeste Gesundheit in ihrem gewöhnlichen Zu stande befinden würde. „Welch energisch geschnittenes Profil hat dies Mädchen", dachte er jetzt, wäh rend ein gleichgiltiges Schweigen zwi schen ihnen herrschte, „und diese düstere Falte zwischen den Brauen, diese harte Geschlossenheit der Lippen, und diese er habene Ruhe in dem Blick, mit dem sie über alles Nächstliegende einfach weg sieht. Ein Bischen was Unheimliches. Wo hab ich doch schon ja jedenfalls muß ich dies Gesicht oder ein ähnliches schon einmal gesehen haben. Ah, richtig, bei einer indischen Wittwe, die wahrhaf tig freiwillig ihrem Rajah in die Flam men folgte, aber na, der Vergleich hinkt, das war eines der schönsten Framnge sichter, die es geben konnte und dieses hier ist nichts weniger als schön, wenn die Ju gend nicht wäre; höchstens 18 oder 19 Satire... Wo sie aber dabei nur den Ausdruck her hat!" Plötzlich blieb er mit einem leichten Ausruf stehen, die Linke auf ihre Schul ter legend. „Halt! Sehen Sie dort? Da tst er!" „Wer?" fragte sie mit einer Stimme, die bewies, wie weitab ihre Gedanken von dem Platze hier gewesen waren. „Der Hund! Dort kommt er über das Roggenstoppel gar kein Zweifel, er ist toll im höchsten Grade direkt auf uns zu." Jetzt sah sie das Thier auch. Wie oft hatte sie den armen Köter früher gesehen an solchen Abenden, treu neben der ihm anvertrauten Heerde sitzend, nur freund lich wedelnd, wenn sie an ihm vorbeikam und ihm ein freundliches Wort zurief. Keinen Schritt von seiner Pflicht und heute war er zum ersten Male davonge laufen. als die unheimliche Krankheit, die Tollwuth, in ihm aufstand, fortge laufen von den Schafen. Vielleicht weil er fühlte, daß er sie verletzen würde, die ihm anvertraut waren, und mit dem letz ten Rest von Besinnung und Pflichttreue lief er fort. Ein Thier, ein elendes, nur instinkt begabtes Thier weiter nichts! Sie stand mitten im Wege, ganz still, ganz ruhig und ließ es herankommen. Was hatte sie zu fürchten, dachte sie. von dem da! Der war besser als sie. Einen Schritt von ihr fort trat der Mann und jetzt hob er die Büchse und der Schuß krachte. Noch ein Satz, und im Sande ein todter Körper, ein verendeter Hund, der seine Pflicht und nur seine Pflicht ge than, so lange bis er den Tod im Nacken fühlte. „Gut getroffen!" hörte sie Herrn von Reiderskron sagen. „Es hat nicht un nöthig gelitten, das arme Vieh, und meine Hand war gerade so sicher wie sonst. So hätte auch ich Ihnen nun möglicherweise das Leben gerettet, wenn auch mit weniger eigener Lebensgefahr." fügte er halb scherzend hinzu, „wie Sie. Fräulein Holdewacht. meiner theuren Tante. Lassen Sie mich Ihnen danken." Sie machte eine gleichgiltig abweh rende Bewegung. Also wußte er doch! „Das war der reine Zufall! Meinen Vater wollte ich schützen. Da besann ich mich nicht lange. Wäre der nicht in Ge fahr gewesen, dann hätte ich mich wahr scheinlich so rasch wie möglich selbst ge rettet vor den rasenden Pferden wie je des andere Mädchen auch." Eine Pause trat ein, die er mit sanf ter Stimme beendete. ..Also nicht aus Heldenmuth, sondern aus Liebe." Mit nun fast brüsker Bewegung blieb sie auf dem Wege stehen. Was wär ihm nur?! Ein kurzer, jäher Thränenstrom stürzte aus ihren Augen. „Bitte, sprechen Sie nicht mit mir. Ich kann es nicht ertragen." stieß sie her vor, „Ihre Stimme ist, ist so merkwür dig —" Er trat zurück. „Oh Pardon," sagte er spöttisch, „ich scheine Sie zu belästigen. Zu begleiten brauch' ich Sie auch nicht mehr. Sie sind jetzt nicht mehr in Gefahr. Guten Abend." . Er drehte sich ab, sprang über den Graben und ging quer über die Wiese dem Walde wieder zu, im Gehen seine Flinte neu ladend. Einen flüchtigen Moment sah sie ihm nach. Dann kroch ein Schauder ihr über Leib und Seele. War es die Nachwirkung alten Elends, war es die Vorahnung kommender Qual?" „Nicht mehr in Gefahr." murmelte sie, „nicht mehr in Gefahr?" 23. Kapitel. Mit Sturm und Regen ging ein Ok tobertag zu Ende. So schön der Som mer gewesen war, so plötzlich nahm er auch ein Ende. Es war beinahe, als habe der liebe Gott nur darauf gewar tet, daß die alte, schwer reiche Frau von Reiderskron ihre letzte Habe geborgen habe, um ganz gleichgiltig gegen Alle, die sonst noch ihr Korn auf den Feldern hatten, die Sonne verschwinden zu lassen und mit tagtäglichem Sturm und Regen den allerunangenehmsten Herbst seinen Einzug halten zu lassen. Man kann nicht sagen, daß Schloß Finsterholt so vom Regen umrauscht und vom Winde umtost auf seiner Anhöhe gerade ein sehr gemüthlicher Aufenthalt gewesen wäre. Im Gegentheil, er war nichts weniger als behaglich, wenn man so auf den breiten Treppenabsätzen, durch die langen, menschenleeren Korri dore, die leeren Zimmer den Sturm heu len, pfeifen und wimmern hörte, wenn die Dachziegel von den beiden kleinen Thürmen in den Hof rasselten, und die Wetterfahnen kreischten und sich nach allen Richtungen der Windrose wie wü thend drehten, wie an diesem Abend. Auch in den bewohnten Zimmern der alten Dame war es kein recht freund licher Aufenthalt an solchen Herbsttagen. Es zog wie in einer Laterne, aber die Frau war nicht sehr empfindlich dage gen, wenn ihre dünnen Scheitelhaart auch mal ein wenig flatterten auf dem hohen Fensterplatze. Recht traurig und trostlos war es, wenn so der graue, ver drossene Tag durch die großen, kahlen Fenster blickte und der Regen an den Icheiben niedergepeitscht wurde, ohne daß ein freundlich verhüllender, farbiger Vorlsang diese triste Aussicht ein wenig dämpftet Der Kamin war mit Holz brettern vernagelt, denn Frau von Rei derskron ineinte, daß Kaminöfen nicht ordentlich Wärme gäben, wenn man doppelt heize. Kahl und kalt stand die steife, dürftige Möblirung symmetrisch an den Wänden und selbst Abends, wenn die Lampe angezündet worden und auf dem runden Tisch vor dem Sopha stand, trug das nur wenig zur Gemüthlichkeit bei, da das grauweiße, nüchterne Licht ohne irgend einen netten Papierschirm von der viel zu hohen Lampe über das Gemach floß. Ein Teller mit Aepfeln, und einer mit Haselnüssen stand immer auf dem Tisch, und dazu Abends die Wasserkaraffe mit dem himmelblauen Glase aus Nauheim. Ludowika's Zim mer war auch gerade kein Paradies an Gemüthlichkeit. Es war hier recht em pfindlich kalt, denn das kleine Fenster hatte keine Doppelscheiben, und wenn sie Abends die dünnen, weißgrauen Kattun vorkänge niederließ, dann hoben sie sich leicht wallend auf und nieder, als wenn Jemand dahinter stände und neckend da gegen bliese. Aber Ludowika war's egal, sonst wäre doch da wohl irgend eine Verbesserung angebracht worden, falls sie ein Wort der Klage hätte laut werden lassen. Denn die alte Dame war in letz ter Zeit freundlicher und leutseliger "e -gen ihren armen Dienstboten geworden wie früher. Vielleicht war sie froh, daß sie von dem „grämlichen Anhang" des selben Wirklich nichts mehr zu hören be kam. Freundlich und wohnlich war es nur in den beiden Fremdenzimmern, die ihr Neffe, der Lieutenant Nikolaus Reiders kron bewohnte. Der hatte sie sich mit allerhand Mitgebrachtem ausgeschmückt. Dicke, buntfarbige Vorhänge an die Fenster gehängt und vor die Thüren, eine persische Decke über das kleine Ruhe bett geworfen, echte, kleine Teppiche über all hin verstreut, und die kahle, hohe Lampe Abends mit einem bunten, chine sischen Seidenfchirm von Riesendimen sionen verschleiert. Dazu blitzte es aus allen Winkeln und Ecken von allerhand Metallgeräthen, fremdländischen Waffen und dergleichen, Abends saßen dann zu weilen der kleine Neger, ein Bursche von kaum 14 Jahren, in einem Winkel auf einem der kleinen dicken Gebetteppiche und spielte auf einer Violine allerlei fremdländisches Zeug, während sein Ge bieter, aus einer langen Wasserpfeife rauchend, nachdenklich auf dem Diwan lag. Zum Thee ging er dann stets zu sei ner Tante hinüber und blieb bis 11 Uhr in ihrer Gesellschaft, vorlesend und er zählend. während sie in einer Ecke des altväterischen Sophas lehnte und strickte. Sehr langsam und voller Mühe, denn wenn sie auch die Hand an dem gelähm ten Arm bewegen konnte, so mußte der Arm doch still und hoch liegen, aber sie strickte doch mit einem Ernst und Eifer, als sei für kein Geld mehr ein Paar Strümpfe in der Welt zu kaufen. Ge wöhnlich saß auch Ludowika, zu allem eventuellen Dienst bereit für ihre Her rin, ar dem runden Tisch ihm gegenüber, die Augen ununterbrochen eigentlich auf ihre Naharbeit gesenkt, und wenn Niko laus jemals Lust verspürte, diesen ern sten, kalten Blick auf sich gerichtet zu sehen, mußte er sie schon direkt anreden und dazu bot sich nun hier oftmals ab solut keine Gelegenheit. Und dennoch mußte er mit Staunen über sich selbst eines Tages bemerken, als er Abends wieder in sein Zimmer zur Ruhe ging und sich in reckt befriedig ter, fast gehobener Stimmung fühlte, daß es ihn gefreut habe, wie ein erreich ter Zweck, als dies blasse, stille Gesicht des schlanken Mädchens sich plötzlich, mitten in seiner Erzählung mit jähem Roth der Antheilnahme färbte, bei ir gend einem gefahrvollen Unternehmen in fernen, heißen Landen, nicht weit von Jerusalem, welches er in sehr lebhasten Farben zu schildern verstand, hinzu setzend. daß er für seine glücklich- Ret tung in dankbarer Erinnerung dort eine Kapelle gründen werde, da sein Tantchen ja auch etwas dazu beigesteuert hatte. Da hatte Ludowika die alte Frau zum ersten Mal und recht wehmüthig lächeln sehen, während sie ihremNesfen leicht und wie tröstend oder beruhigend auf die Hand klopfte, die er ihr über den Tisch entge genstreckte. Seine ganze Art bei diesem Erzählen war wie ruhmredig oder prahlerisch, so viel gute, menschenfreundliche Züge kamen dabei zum Vorschein, eine so treue Gesin nung und ein einfaches, dankbares Herz, erschien es Ludowika. die wahrlich kein Wort seiner feinen Lippen, seines schönen, edlen Organs verlor, dunkle Tage von der Aussicht aus diese Stunde, wo sie es vernehmen durfte, wie von einem trö stenden Lichtschein erfüllt wurden. „Und das soll ein herzloser, hochmü tiger Egoist, ein eitler Streber sem!" gedachte sie der Worte ihrer Mutter. Konnte er denn Feind haben, die solche Lügen über ihn verbreiteten? Wenn Lu dowika Abends in ihr Zimmer kam, nach dem sie von dem jungen Manne mit ei nem höflichen „Gute Nacht, Herr Lieute nant". das ihr fast zu demüthig und dienstbotenhaft klang. Abschied genom men und ihre Gebieterin entkleidet hatte, nahm sie fast allabendlich einen Brief aus einem fest verschlossenen Fach ihrer Kommode, einen viel gelesenen Brief, und aus dem schien sie Kraft und Trost zum Weiterleben zu schöpfen. Ein wei cher, qualgelöster Schimmer legte sich dann über ihre streng und scharf gewor denen Züge, ein feucht verklärtes Licht in ihre Augen. Zuweilen neigte sie dann das Haupt auf die gefalteten Hände, und ihre Lippen bewegten sich in betendem Flüstern. Und was war das für ein Brief? Für ein heiliger Talisman? „Mein Kind! Mein heißgeliebtes, gu tes Kind! Gott segne Dich tausendmal, ich segne Dich mit meiner ganzen, sehn suchtsvollen Mutterliebe, Dein kranker Vater, der neu aufgelebt ist, der von Tag zu Tag sich wohler und kräftiger fühlt, denn ich kann ihm nunmehr kräftige Nahrung, stärkenden Wein reichen. Ich kann mir ja denken, Du Engel Deiner elenden Eltern, wie rasend schwer meine, stolzen Wika das Betteln bei der alten Dame geworden ist. Und nun ine solche Summe! Und doch hast Du's gethau! Hast es erreicht! O. hättest Du uns sehen können! Mick und Deinen guten Vater, wie ihm die Frcudenthränen über scine mageren Wangen liefen, als ich ihm sagte, daß die gute, edle Frau von Rei derskron Deine Bitten gewahrt, uns mit einer so großen Summe aus der Noth, die ja momentan nicht mehr zu ertragen war, gerettet hat. daff Du sie ihr langsam ab arbeiten würdest. Ach. Kind! Solch ein Segen, so seinen Eltern helfen, das ist eine köstliche Seltenheit und wird Dir unbeschreibliches Glück bringen meine gute, gute Tochter. Wie Dein Brief lam, ach! in einem Moment, wo ick dicht daran war, mir das Leben zu nehmen, denke Dir, da ließ ich in meinem hoff nungslosen Elend das einfache, weiße Eouvert, auf dem gar nickts besonderes vermerkt stand, noch eine ganze Weile lie gen, ehe ich Kraft fand, wiederum eine Ablehnung, eine Enttäuschung daraus zu entnehmen. Und da fallen mir 500 Mark in denSckwoß. Ein Vermögen für uns, Rettung, Hilfe! Wie will ich spar sam sein, kein Groschen soll unnütz aus gegeben werden, alles sür unseren gelieb ten, geduldigen Märtyrer! Daß Frau von Reiderskron keinen di rekten Dank von uns will, daß sie ei gentlich nur Dir das Geld quasi geliehen haben will, finde ich unbeschreiblich edel, unv begreife ich vollkommen. Wie hoch muß sie Dich schätzen! Wie ganz den Werth unseres Kleinods erkannt hzben! Unser Erstes ist. jetzt eine ruhige, beschei dene Heimath suchen. Ich habe mich in der Freude meines Herzens so weit gede müthigt, zu Matthäus und seiner Toch ter zu gehen, sie um Rath und Hülfe zu bitten, und ihnen eine kleine Abzahlung auf unsere Schuld angeboten. Aber sie wollten nichts, garnichts annehmen. Wa ren aber so nett, für uns etwas Passendes suchen zu wollen. Mir ist's nun ganz gleich wo! Nur Ruhe und Frieden, und keine zu triste, gemeine Umgebung, keine Insulten mehr anhören,keine gerichtlichen Klagen mehr sürchten, ach! wir haben Unsägliches gelitten! Dank, Tank Dir, mein geliebtes Kind, für die Erlösung sagen Dir unzählige Mal Deine treuen Eltern." Ja. diesen Brief las Ludowika unzäh lige Male. Wieder und wieder, jeden Abend, als enthielte er ein Lebens-Elixir. eine beglückende, eine reinigende Kraft. Aber als Tage und Wochen vergingen, da wollte sie nicht mehr so stark wirken, da geschah es wohl, daß die Augen über die Blätter irrten, und die Gedanken ihre eigenen, jammervollen Wege gingen. So an diesem stürmischen Oktober- Abend, der unaufhörlich Schloß Finster holt in seinen Thränenschleier hüllte. Sie stand vor dem kleinen Spiegel und bürstete ihr Haar noch einmal ganz glatt. Die Lockenfrisur war ihr hier na türlich streng verboten und somit auch die letzte Toilettenhülfe, mit der ihre Mu tter ihrer Erscheinung noch Reiz zu geben versucht, verschwunden. Aber ihr Haar war durch das Fehlen des Brenneisens dicker und weicher geworden. Es gab schon einen ganz vollen Knoten am Hin terkopf, den Ludowika zwar immer mög lichst fest zusammenknäulte, um ja keine Reprimande wegen „loddriger Frisur", wie am Anfang ihres Dienstes, einmal wieder zu hören. An weiblichem Reiz mochte ihr Gesicht ja noch verloren ha ben, an Bedeutung hatte es, durch die grenzenlose Schlichtheit, die freie Stirne gewonnen. Bielleicht war sie noch un schöner als früher, aber diese Unfchönheit war eigenartig. Die Gesichtsfarbe war überhaupt reiner geworden, die Blässe ei gentlich nicht mehr krankhaft, wie zur Zeit, als noch allerhand sehr Ungesundes in ihrer täglichen Lebensweise, der Man gel an ordentlicher Bewegung, die nur durch träges Spazierengehen besorgt wurde, sie beeinflußt hatte. Ihre Figur qiigte aber wirklich schöne und edle Li nien, von Formen konnte man ja immer noch nicht sprechen. Aber die glatt anlie gende, schmucklose Fa<.'on ihres hellviolet ten Hausmädchenkleides, welches ihre Mutter wahrscheinlich mit schauderndem Entsetzen gesehen hätte, war wirtlich we niger unvortheilhaft. als man hätte den ken sollen. Und dann schwebte über der ganzen Erscheinung dieses achtzehnjähri gen Mädchens eine so erhabene Gleichgil tigkeit gegen jede weibliche Eitelkeit, daß dies in der That ein Reiz sein mochte, für einen Mann, der allzu viel davon gese hen und empfunden hatte in seinem be wegten Leben, nämlich für Reiderskron daß noch ein anderer Reiz dazu zu kommen brauchte, den er auch kaum je gefunden zu haben meinte, an anderen Weibern, nämlich Heldenmuth in der Liebe, und nicht jener Liebe, die hinge rissen von heißem Blut und Leidenschaft der Sinne handelt, sondern der Kindes liebe, die sich dem Tode entgegenwarf, das Leben eines Greises zu schützen. O, er kannte die Geschichte recht gut, und nicht zu leugnen ist, daß ein leichter Schimmer von Neugier ihn an Ludowika hatte gelegentlich denken machen, ehe er sie selbst gesehen. Und da wir Ludo wika nun einmal mit Nikolaus Reiders kron Augen jetzt betrachten, muß noch eins erwähnt werden, um die vielleicht romantisch genannte Stimmung des Vielverwöhnten zu entschuldigen: näm lich die jungfräulich herbe, die echte Un berührtheit ihres ganzen Wesens, seinem eigenen Wesen und Zauber als Mann ge genüber. Nicht, daß sein: reine, edle Na tur irgend je daran Freude gefunden habe, sich eben jedes weibliche Wesen zu unterwerfen o nein. Aber hier war ein Etwas, was seine Gedanken, seinen Ceist anregte, und das war ihm recht sel ten geboten worden einem Weibe gegen über. Zuweilen aber klang etwas in ihm neben ihm das ihn noch anders beschäftigen wollte etwas, das er sich nicht zu'deuten wußte nein! garnicht zu deuten! das ganz Plötzlich ihn ein Buch hinlegen ließ, um in die Luft zu starren die Feder aus einen angefange- nen Satz werfen, das waren die paar Worte: „Bitte, sprechen Sie nicht mit mir, Sie haben solch merkwürdige Stimme.. ." Als Ludowika mit ihrem Haar fertig war, löschte sie die Lampe in ihrem Zim mer und begab sich im Dämmerlicht, das > durch die Treppenfenster fiel, nachdem Eßzimmer, um den Theetisch zu rüsten, denn es war 7 Uhr. Plötzlich blieb sie > stehen und legte die Hand an die Stirn. „Mein Gott —", murmelte sie mit einem beklommenen Angstzittern der Stimme „heute in dieser Stunde war es, am selben Tage da. da machte er mir die Thür auf. daß ich hin gehen sollte, es zu thun. Und wie lange noch? Jeden Tag jeden Tag kann es kommen und dann dann muß es sein." Dann muß es sein? Was wohl? Soviel feste Entschlossenheit lag in ihrer Stimme, mit der sie dies fast laut sagte, gerade als sich Nikolaus Thür öffnete, und er. gefolgt von dem kleimnNeaer, auf der Schwelle erschien. Sie schrak zu sammen und blieb unwillkürlich stehen. „Wünschen Sie etwas, Fräulein?" fragte er rasch, „wollen Sie nicht vielleicht einmal meine Raritäten da drin seyen!" setzte er scherzend hinzu. „Nein. Ich habe keine Zeit, sind sehr freundlich. Herr Lieutenant. Ich ich kenne sie auch " Ah „Ich habe den Befehl dort Staub zu wischen, wenn Sie auf der Jagd oder sonst aus sind", sagte sie gelassen. „So, so. Hm, Sie sollten einmal Jcmnh spielen hören, die sonderbaren traurigen Lieder seiner Heimath, eine ties melancholische Musik, diese Nigger- lieber jenes Distriktes." „Ich kenne Sie." „Sie kennen die Negermusik ah, Sie scherzen!" meinte er überrascht, neben ihr hergehend. ..Ich habe sie srüher in Konzerten ge hört", entgegnete sie. so gelassen ernst, mit der etwas müden Stimme. wie sie im mer auf seine Fragen antwortete. „Ach richtig, das kann wohl sein. Lei der sinv uns die musikalischen Genüge in den Zimmern meiner Tante oerboten, sie findet das Gedudel gräulich und dazu sind auch heute, bei einem etwas wilden Schlachtliede zwei Saiten gesprungen an Jonnys Geige und keine Macht der Welt kann sie wieder hinausschaffen", lachte er. „Vielleicht kann ich behilflich sein, wenn welche vorhanden sind." „Sie? Könnten Sie das?" „Gewiß." „Etwa auch stimmen?" „Auch dies." „Vielleicht oder gewiß - dann auch spielen?" fragte er dringend. „Solche Lieder nicht." „Aber andere, deutsche Volkslieder? Jonny kann nur seine eigene Mustt. Des halb begnüge ich mich." „Ja. Ich habe sie gekonnt." Damit trat sie. einen Schritt zurück bleibend. in die Thür zum Eßzimmer, und ließ ihn weitergehen nach dem Zim mer seiner Tante. Und wie es kommen mußte, so kam es mit tödtlicher Sicherheit. Nach dem Thee fragte Reiderskron die alte Dame fast schüchtern, ob ihr denn Musik gar so schrecklich wäre, daß sie nicht einmal eine kleine Ausnahme in ihren Zimmern gestatten wolle. „Nein nein. Dieses Negergeheul ist abominable. meine Lieben", sagte sie energisch, ihre Wolle, ein Riesenknäuel mit dicken, klappernden Stricknadeln dar auf gespießt, Ludowika hinreichend, da mit sie ihr ein neues Paar Strümpfe be ginnen solle, denn den fogenannten Rand strickte sie niemals. Ludowika hatte sie es erst beigebracht, denn die hatte natür lich ungeheurerweise keine Ahnung von der Nothwendigkeit, daß jedes junge Mäd chen, das nicht gerade vernachlässigt war in seiner Erziehung, einen ordentlichen Strumpf stricken können müsse. Nikolaus lachte: „Nein Tante, nicht Jonnys Kunst den armen Kerl magst Du ja auch nicht." Diebesgesicht!" brummte sie ableh nend, „wirst schon sehen! Der maust Dir noch mal etwas weg und verschwindet auf Nimmerwiedersehen damit. Ich hab noch von keinem gehört, lieber Nikol (sie kürzte den Namen ab), daß ein Neger auf natür liche Weise ein Ende genommen hätte." „Herr Gott, Tante! Das ist ja grau sig!" scherzte er, sich heut ganz eigenthüm licherweise angenehm erregt fühlend, „also ich wollte mir einen anderen Vorschlag erlauben. Darf ich?" „Und —" „Weißt Du, daß Fräulein Wieka hier sehr musikalisch ist?" „Weiß ich. Jawohl." „Ach und hast mir nie davon ge sagt?" „Warum denn?" fragte sie erstaunt. „Weißt Du denn nicht, ma tante. daß Dein guter Nikol ein Musiknarr ist?" „Ja, da müßte er nicht in Finsterholt sitzen. Hat ja wohl bald ein Ende. Hast Du schon Nachricht vom Kriegsministe rium?" „Nein, das geht nicht so schnell," sagte er leichthin und fing von Neuem an: „Also nicht wahr, Tu erlaubst, daß Fräulein Jonnys Geige einmal probirt. Sie ist gar nicht übel", wandte er sich an Ludowika. Diese sah nicht einmal aus und gab keine Antwort, da es ja keine di rekte Frage war. Ein Blitz von Ungeduld flog über feine schöne Stirn. „Gott! dies steinerne Mädchen wird wirklich nervenangrei fend!" dachte er und sah sie ganz böse an. Da sah sie gerade auf, denn die alte Dame langte nach ihrem Strickzeug und begeg nete diefem Blick. Eine jähe Blutwelle hob sich wie eine Woge in ihre bleichen Wangen. Das hatte er noch nie an ihr bemerkt. Sie hatte also Blut, rebellisches, warmes Blut, und nicht nur lauwarme Milch! Sein Zorn konnte sie erschrecken. Gott! wie hilfloseste ihn auf einmal an sah, ja wirklich hilflos. Und freilich! Was war wohl hilfloser in der Welt, in der fremden Welt, in dem fremden Hause, als solch junges, blutar mes, dienstbares Geschöpf? Er hätte ihr gern einen anderen, einen entschuldigen den Blick zugeworsxn, aber sie sah nicht mehr auf. Die rothe Lebenswoge war zurückgeebbt in das fest verschlossene Herz, und sie begehrte weder, noch erwartete sie Erklärung oder Entschuldigung. Er stand auf reckie sich in den Hüf ten und dehnte die Brust, die Arme ein paar Mal über den Kopf werfend. „Wirklich. Ich glaube, ich muß bald abreisen man verrostet ja hier in allen Sehnen und Knochen." Solche etwas burschikose Sprache hatte er sich noch nie in Gegenwart seiner Tante erlaubt. „Reckt nett", sagte sie, „aber ich glaube auch Du rostest zu lange schon." Er wars ihr einen kurzen, sarkastischen Blick aus seinen verschleierten Augen zu und kam dann eigensinnig wieder auf das Thema zurück von dem sie ihn gern abbringen wollte, die Spielerei. „Dars ich klingeln, Tantchen liebes, wegen der Geige?" „Mamsell kann sie ja holen. Wenns sein muß. Die paar Schritte." „Tann kann ichs auch selbst besorgen. Es kommt, nur noch darauf an. ob Sie auch spielen wollen?" Jetzt sah sie natürlich auf und erhob sich mit automatenhaftem Gehorsam. „Jawohl." Er sagte nichts weiter und schlenderte hinaus. Das mochte er nicht, daß sie ihm dabei etwa zuvorkam. Er hatte das Ge fühl. daß sie ebenso gleichgiltig in sein Zimmer gehen würde und ihm etwa sein Morgenschuhe holen, nebst Stiefelknecht, als den feineren Gegenstand eines Musik Instrumentes. In der Rechten die Geige haltend, tra: er bald wieder ein und bot sie mr ziemlich unschlüssig nebst zwei langen Strängen, die sie als neue Saiten erkannte. Sorgfältig legte sie ihre Näharbeit zu sammen und erhol sich, während er nict: seinen gewöhnlichen Platz einnahm, so? dern sich in die andere Ecke des Sophc. fallen ließ, wo er durch nichts vom Zus hen gehindert war. Mit einer Aufmerksamkeit, die nict: viel weniger gespannt war als früher, wenn er etwa die Bewegungen einer Lr> win im Dschungelgebüsch veo dachte! . folgte er ihrem sachmäßigen und so ein' sachem Thun. Wie sie die Geige besah, den Stempel suchte, die Schlüssel leick! drehte, und seine Brauen zuckten wie im Säckeln, als er sie nicken sah so still bestätigend vor sich hin nicken. Sie ver stand die Sacke. Ohne Zweifel. Die Geige war ein gutes Instrument, er wußte es. Er beugte sich unwillkürlich ein wenig vor, als sie ihre gertenschlanke Gestalt neigte, die Geige zwischen Scku! ter und Knie stemmend, während sie d neuen Saiten einzuspannen suchte, w.i ihr nickt gleich gelang. So. Jetzt war alles recht. Scka? ! Sie trat bei Seite so dar, der hochgetlnirmte Aepselkorb und Lampe sie ihm verbarg. Nun. am En?e war's auch besser. Eine Schönheit nur sie nicht, man hörte lieber, ohne zu sehe:.. Einige Male glitt der Bogen stimmend auf und ab. Dann der erste langgezogene Ton: al! bekannte deutsche Melodien, so einfach. '? rührend kunstlos, sicher das erste, was r gerade einfiel: gut passend nir die Geig.', leicht: „Sonnenlicht. Sonnenschein, Scheinst mir ins Herz hinein! Wie ein Waldvögelein, Hüpft es vor Lust... . ! Weil es sein Leid vergißt. Weil Du mein Eigen bist, Weil Du mich selig drückst. An Deine Brust! Draußen auf grüner Au Blühen viel Blüm lein blau Blühen Vergißmeinnicht Bis man sie bricht .... Aber dann welken sie, Nur meine Liebe nie, Wenn auch das Herze bricht, Die welket nicht... Zweimal variirte sie das Thema. Vom ruhigen einfachen Dur ging sie in ein ver schwimmendes Moll über und in sei nem Ohr klangen die bekannten Verse darein. Sie setzte den Bogen ab. Nikol rührte sich nicht. Auch die alte Frau saß still, langsam waren die klap pernden Nadeln verstummt, und dann klang es nochmals sehr gedämpft in der Art, wie alte Kirchenlieder gehen, und die Lippen des Mannes bildeten leise den letz ten Vers, während er fanft die Hand der alten Frau erfaßte, mit der sie die seine berührte. „Wenn ich dann sterben muß. Gieb mir zum Scheidegruß Auf meinen bleichen Mund Den letzten Kuß." „Drück mir die Augen zu, Gönn mir die ew'ae Ruh', Sag mir: Auf Wiedersehn! Auf Wiedersehn . . ." Ludowika war keine Künstlerin auf dem Instrument. Ein Arpeggio oder sonst ein Lauf würde auch diese an spruchslosen Zuhörer nicht entzückt haben, obgleich es eine Zeit gegeben hatte, wo sie mit Stolz und Sicherheit schr mangel hafte Koloraturen ausgeführt und lä chelnd den begeisterten Applaus ihrer lie benswürdigen Gäste in Empfang genom men hatte. Späterhin hatte sie vor einem Meister gespielt mit der Frage: „Kann ich et wa?" und er hatte achselzuckend gesagt: „Kaum fürs HauS" und auch da nur. wenn Sie sich auf das Allerbescheidenste beschränken!" (Fortsetzung folgt.) BoShaft. Kritiker: „Ist das Gedickt „Im Traum" in der deutigen Morgenzeitung nicht von Ihnen?" Schriftsteller: „Ja, wie gefällt es Ihnen?" Kritiker: „Ick habe es Nicht genau gelefttt, aber Sie haben sich wohl tel geirrt?" Schriftsteller: „Wieso denn?" Kritiker: „Sie hätten es nicht „Im Traum", sondern „Im Thran" nennen sollen!" Aus der Schule. Lehrer: „Fritz, wenn Dein Vater ? Schinken, 11 Speckseiten und 25 Würste im Rauchfang hat und er giebt davon dem Lehrer 1 Schinken. 3 Speckseiten und 9 Würste wieviel bleiben dann noch von jedem hängen ?" Fritz: „7 Schinken. 8 Speckseiten und 16 Würste." Lehrer: „Sehr richtig. Das rechne zu Hause Deinem Vater einmal vor, da mit er sieht, was sür Fortschritte im Rechnen gemacht hast!" Entgegenkommend. Baron: „Von meinem Frühstücks wein muß Jemand mittrinken." Johann: „Wenn der gnädige >)err be fehlen, bin ich so frei." Moderne Ehen. Er: „Mein Fräulein, ich liebe Sie und möchte Sie gern Heiratben." Sie: „Haben Sie bereits mit meinem Vater gesprochen?" Er: „Gewiß, er hat mir auch sckon Ihre Einwilligung gegeben." Katheder - Weisheit. Ter Mensch ist zur Hälfte T.ner, Hälfte Pflanze und zur Hälfte Mineral. Hilfe. A: „Siehst Tu, ich muß diesem Herin morgen meine Rechnung bezahlen, kann ich aus Dich rechnen, wenn mir etwas daran fehlen sollte?" B: „Aber gewiß, ich helfe Dir der. Kerl hinauswerstn!" Boshaft. „Du, hier ist ein ganz rorziiglicke? Ecko. das sogar die Worte der sprechen' den sarkastisch persiflirt." ? „Rede doch keinen Unsinn, das i': ja unmöglich." „Erlaub; mal, als ?u mir neuern hier an dieser Stelle erzählte", '.'eivkN als junger Arzt schon hunderte von Pa tienten, was meinst Du, was da das Echo rief?" „Nun?" „Enten!" Kasernenhofblüthe. Sergeant (im Winter zu einem vor Kälte zitterndenßekruten): ...'.'tuller. ba - ten Sie sich ruhig! Sie jodeln ja ordent lich mit den Knieen!"