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Auf der Vrauttalirt. Humoreske von Paul Oskar Höcker. „Nun 'mal vernünftig, mein Junge." sagte der Geh. Kommerzienrath Esch- Wege. nachdem er die Thür seines mit ge diegener Pracht eingerichteten Arbeits zimmers hinter sich geschlossen hatte, zu seinem Sohne. „Du steckst Dir ein Ci xürrchen an und dann legst Du los!" Der Rittmeister zwirbelte nervös an seinem Schnurrbart herum. „Ick kann Vicht ich kann nicht. Papachen!' Er sah unentschlossen nach der Thür. „Junge, mach' mich nickt böse! Teine blte Mutter, die sick so herzinnig auf Dei nen Urlaub gefreut hat, fckließt stch bei Meiner Ankunft aus dem Comptoir m ihrem Zimmer ein, will weder mich noch Dich einlassen, und das ist im ganzen Hanse ein geheimnißvolles Gethue. aus dem der Teufel nicht klug werden kann. ji. zum Schwerebrett, wollen wir Männer jetzt nicht wenigstens vernünftig mit einander reden? .... Du hast natür lich Schulden?" „Nicht einmal. Papachen. Ich habe gelebt wie ein Philister Es konnte mir ja auch nichts mehr Freude machen auf der Welt, nachdem Du Dich gegen meine Verheirathung mit Margitta so energisch ausgesprochen hattest." „Jemine, ist die crke Wunde noch im mer nicht vernarbt? Wenn ich Dir doch zum tausendsten Male sage: Teine künf tige Frau muß repräsentiren können. muß aus vornehmen Hause sein! Margitta Settien oder Stettin, die Toch ter eines pensionirten Steuerraths und Du, der einzige Erbe des Geh. Kom merzienraths Eschwege, der flotte Hu sarenrittmeister, der sogar bei Hose ver kehren durfte, der also Karriere machen wird ....! Da ist Frau Erika Toster ling, die geb. von Uslarn, denn doch eine geeignetere Partie für Dich. Dabei ist sie reich, aus besten Kreisen, ist schön, geist voll; und sie ist nach dem frühen Tod ihres Mannes die alleinige Besitzerin der großen Champagnerfabrik in Engers geworden, die einen allerersten Ruf ge nießt!" „Ja. ja. ja, dieselbe Rede hast Du mir schon ungezählte Male gehalten, liebster Papa. Aber daß Tu's nur endlich gleich Mama erfährst: trotz all' dieser wunderbaren Vorzüge und trotzdem ich den Gedanken an eine Ehe mit Margitta längst aufgegeben habe, werde ich Frau Tosterling, die schöne Erika, diese diese kokette veuve Cliquot mit ihrem Ho telherzen. in dem alle vierundzwanzig Stunden ein anderer wohnt, nie nie nie heirathen!" „Ihr ihr habt euch gezankt?" „Nein. Papa. Habe sie seit meinem letzten Urlaub überhaupt nicht mehr ge sehen." Bestürzt war der alte Herr in die Höhe gefahren. „Wir erwarten Frau Erika heute mit dein Vieruhrzuge bestimmt aus Cngers hatten sie eingeladen in der festen Erwartung ... Ich muß gestehen, Fritz, nach Deinem letzten Brief, in dem Tu so vernünftig Alles anerkanntest, was ich über Deine pardon, Berliner Ver i'.rung gesagt hatte, glaubte ich als sicher annehmen zu können, daß Du die Absicht hast, um ihre Hand anzuhalten." „Ich bin ja auch mit dem festen Vor satz von Berlin abgereist." „Nun und üoer Nacht hast Tu Deinen Plan geändert?" Der Rittmeister ging mit immer ra scheren Schritten durchs Zimmer. „Also cs war im Schnellzug Berlin-Frankfurt. Ich fuhr in einem Nichtraucher-Coup<'. weil ich, in die Ecke gedrückt, ein bischen nicken wollte und mir gegenüber saß ein Bündel Plaids, das, wie der Schaff ner sagte, nach Halle reisen sollte." „Ein Bündel Plaids? Du drückst Dich etwas undeutlich aus, mein lieber „Na, sagen wir also: em junges Mad chen. Auf dem Perron des Anhalter Bahnhofs in Berlin war die Kleine von einem steifen alten Ehepaar sehr förm lich verabschiedet worden. Tie junge Tame schluchzte immerzu ganz leise, fast unhörbar; ich empfand es aber doch störend. Und wohl ein wenig gereizt fragte ich sie endlich: Sie fahren wohl nicht gern nach Halle, mein gnädiges Fräulein? Sofort schwieg sie. In der dämmrigen Beleuchtung sah ich ihre nußbraunen, thränengesüllten Augen er schrocken auf mich gerichtet. Sie that mir nun leid. Wahrscheinlich sollte sie als Lehrerin oder Stütze oder so 'was nach Halle ziehen. Ich sprach ihr zu sie blieb aber unnahbar und antwortete : ur kurz, wenn auch höflich na, und als wir Halle erreichten, verließ sie das noch ebenso traurig, irotzdem ich ihr die herrlichsten Tinge von Halle er zählt hatte." „Du kennst Halle, Fritz?" „Ich ? Nicht die Spur. Na, das thut ja auch nichts weiter zur Sache. Inte ressant war für mich der Fall erst, als ich kurz vor der Weiterfahrt des Zuges meine Halle-feindliche Reisegenossin ' in einem benachbarten Coup,- verschwinden! sah. Ich machte mir den Spaß, sie an einer der nächsten Stationen dort aufzu suchen. Sie war allein. „Nun, wie hat Ihnen Halle gefallen ?" fragte ich sie in lustigem Tone. „Sie waren merkwürdig schnell von Halle befriedigt !" Va ter, was soll ich Dir sagen, die kleine Krabbe wirft sich, so bald sie mich sieht, verzweiflungsvoll in die Ecke und be ginnt zu weinen, aber so herzzerbre chend " „Seltsam, wie kann man nur weinen wenn man Dich sieht. Man sollte glau ben, Dein gutmüthig-dummes Gesicht regt eher die Lachlust an." „Papa, spotte nicht. Ich kann das h ut' nicht vertragen." „Das weinende Plaidbündel hat Dich also so tief ergriffen ?" „Allerdings; nicht mit Unrecht hat man mich den „Ritter der Damen" ge nannt." ..Hör' mal. mein Junge, ich bin ja aus einer älteren Schule aber zu meiner Zeit wäre es gerade für einen „Ritter der Damen" schicklich gewesen, unter so jhanen Umständen das mit be schleunigter Eile wieder zu verlassen." „Unmöglich, lieber Papa. Dazu war sie. auf mein Wort, viel zu hübfch." „Egoist !... Nun, und erfuhrst Du allmälig den Grund ihres Kummers ?" „Wenn ein junges Mädchen, ohne in Trauer gekleidet zu sein, weint so bandelt sich's immer um einen Herzens roman." „Nein, was ihr jungen Offiziere für Routine habt!" „Also denke Dir, Papa, endlich hatt' ich's denn heraus: es drehte sich um einen Kameraden, mit dem sie verlobt war, und der sie nun sitzen lassen wollte." „Das ist allerdings abscheulich. Aber die junge Dame wird Dir, wenn sie wirklich eine vornehme Dame war, von der ich Zurückhaltung fordere, doch nicht ohne weiteres ihre ganz: Biographie er zählt haben ?" „Das nicht. Aber mit Hülfe meines Scharfsinns... Papa, kränke mich nicht, ich habe Scharfsinn... Also kurz und gut. als der Schaffner die Billets zu sehen verlangte, hatte ich erfahren, daß die junge Dame nach Engers reisen wollte." „Nun. nun und?" „Papa, und wenn eine junge Dame weinend nach Engers reist so kann es ych tm, um einen jungen Offizier han- dein, der auf Kriegsschule dorthin kom mandirt ist." „Das ist ein kühner Schluß." „Kühn gewiß. Ader er traf zu. Im Verlauf unseres Gesprächs nannte ich die mir bekannten Namen aller Kame raden. die dort als Jnstruktoren stehen. Bei dem Namen Joachim von Armin 11. zuckte sie zusammen und wechselt? die Farbe. Und nun wußte ich, um den dreht sick's. „Blitzjungt!" „Und nun war ich rasch in allem au sait. Ich wußte, daß Armin ein ar mer Teusel notabene verlobt war. Ein Regimentskamerad erwähnte eS neu lich flüchtig im Kasino. Von dem hatte ich auck erfahren, daß seine Braut eine Waise aus hockachtbarer Familie nicht mehr als das sogenannte Kommiß oermögen besitzt und daß sie bei den alten Armins in Berlin Aufnahme gefunden hatte. Ich stellte mich ihr nun in aller Form vor. erzählte ihr. daß ich in Engers gut bekannt sei bot ihr Aus kunst an u. s. w. u. s. w. und da ge wann sie endlich Zutrauen. Sie deutete mir an. in welch' grausamer Lage sie sich bcsand." „Du bist wieder so erregt. Fritz. Setz' Dich doch." „Ick kann nicht, ich kann nickt. Denk' nur, Papa, was die Unglücklicke gelitten haben muß. Und dabei total allein ste hen auf der Welt !" „Ja. zum Sckwerebrett. was hat fie denn gelitten?" „Ach fo. Du weißt ja noch gar nicht. . Also vor wenigen Tagen trifft in Berlin ein Brief ein, in dem dieser Joachim schlankiveg schreibt: er habe sich sterblich in eine Ändere verliebt, sein Ehrgefühl fordere von ihm, daß er das auf der Stelle beichte. Sein Wort werde er von Fräulein Kläre so heißt nämlich das junge Mädchen zwar selbstverständlich nicht zurückfordern; aber ob es für beide Theile das wahre Glück fein werde . . ." „Unsinn! Das hat der Bengel seiner Braut kühl zu schreiben gewagt?" „Seiner Braut nicht, aber seinen El tern." „Und diese haben dxn Brief dem armen Mädchen zu lesen gegeven?" „Ja! Denk' nur?" „I. das müssen ja Gemüthsmenschen mit Klappen sein!" „Ich hab' die alten .Herrschaften ja auf dem Perron in Berlin gesehen. Ver knöcherte. scheinheilige, egoistische Pedan ten. Kein Wunder, daß Fräulein Kläre unter solchen Umständen ihreGastfreund fchaft nicht länger in Anspruch nehmen wollte. Sie hatte sich sofort nach einer Stelle als Erzieherin umgesehen und sollte ihr Engagement heute früh in Halle antreten." „Weshalb reiste sie dann aber nach En gers?" „Das war eben die Thorheit, die ich ihr energisch ausredete: sie wollte Joa chim gegenübertreten " „Was, sich auch noch demüthigen vor so einem leichtsinnigen Burschen?" „Das wohl nicht; aber ihn nieder schmettern ... sie wußt? wohl selbst nicht, was sie dort wollte. Vielleicht interessirte sie auch die Nebenbuhlerin." „Die wohnt gleichfalls in Engers?" „Gewiß. Es ist Frau Erita, verw. Tosterling." Dem Geh. Kommerzienrath Eschwege siel die Cigarre vor Schreck aus den Fin gen,. „Erika? Unsere Deine Erika?" „Das ist sie nicht mehr will sie auch gar nicht sein! Tenn. wie aus dem Vries herauszulesen war. hat sie dem jungen Armin deutlich genug Hoffnungen ge macht. Ich war ihr vielleicht als Noth behelf noch eben gut genug. Ich Tein einziger Sohn, Papa? Und sie muß es gewußt haben, daß Armin verlobt war. Sie ist also nicht nur kokett und leichtsin nig sondern auch herzlos" „Junge ich falle ja aus allen Wol ken! Tu hast dem fremden Fräulein hoffentlich nicht gleich gesagt, daß Tu selbst vorhattest, in diesen Tagen um Frau Tosterling's Hand anzuhalten?" „Verstoße mich. Papa, wegen meiner Offenherzigkeit aber ich mußte es ihr sagen; es war stärker als ich. Schon weil ich ihr doch zu verstehen geben wollte, daß ich nicht dulden könnte, daß sie nach Engers reiste. Es wäre jetzt meine Aufgabe, sagte ich ihr. die Sacke dort zu ordnen." „Deine Aufgabe, die Sache dort zu ordnen? Was wolltest Du dort thun?" „Nun. mich mit dem famosen Joachim von Arnim l l. auf Pistolen schlagen! „Ein Zweikampf?! Junge. Du bist nicht gescheidt! Wegen der ersten besten koketten Wittwe, die überhaupt um .. .zig Jahre älter ist als Du die nicht einmal hübsch ist und deren Champagnerfa brik nach dem Tode ihres Mannes in so erschreckender Weise zurückgegangen ist.. Fällt mir nicht ein, zuzugeben, daß mein einziger Sohn. der Erbe der beiden Rhein weingüter, sein Leben gegen das eines eines Herrn von Habenichts 11. in die Wagschale legt." „Nun, Papa, das haben wir beide uns hernach auch selbst gesagt Kläre und ich. Aber ich schlug vor, Frau Erika zu ärgern, zu demüthigen. Und weißt Tu, was wir deshalb gethan haben?" Der Geh. Kommerzienrath zuckte die Achsel. „Es ist schwer, in einem so deli katen Fall das Richtige zu treffen." „Wir Haben's getroffen. Papa!" rief der Rittmeister, über das ganze Gesicht strahlend. „Wir haben uns auf der Stell? verlobt!" „Um's Himmelswillen! Das das das ist Dein Ernst?" „Ja. Papa. Und bitte ganz gehor samst um Deinen Segen." Herr Eschwege senior war in lemem Fauteuil zurückgesunken. „Verlobt? Rettungslos verlobt? .... Mein Himmel ist das eine schnelllebige Zeit!.... Und wenn nun heute Nachmittag Frau Erila aus Engers kommt?" „Dann stellen wir uns ihr als frisch gebackenes Brautpaar vor!" „Jemine, das wäreja aber gerade zu " „Revanche wäre das! Uebrigens tannst Du überzeugt sein, daß sie uns ihre Ver lobung mit Armin 11. jetzt auch nicht mehr lange vorenthalten wird. Aber wir sind ihr dann doch zuvorgekommen, Pa pa. und so ist sie die Blamirte!" „Aber ich kenne diese Kläre doch noch garnicht! Wie sieht sie denn aus?" Begeistert wollte der Rittmeister los legen/doch der Geh. Kommerzienrath un terbrach ihn stöhnend: ..Laß' schon, laß' schon, Mehr, als daß sie ein Engel ist. daß ste das schönste, herrlichste, erhabenste Weib auf Gottes Erdboden ist, werde ich von Dir ja doch nicht erfahren! Aber kennen ler nen muß ich sie doch, meme Schwie gertochter! Wo ist sie also?" „Drüben bei Mama ist sie, theuerster Vater!" ~Na, die wird Augen machen. Mutter unterstützte doch früher immer die Sache mit Deiner mit Deiner Mar gitta!" „Ach. davon schweig', Papa. Kläre er zählt der Mutter drüben wahrscheinlich dieselbe schöne, ergreifende Geschichte, die ich soeben den Vorzug hatte, Dir hier vorzutragen, und dann muß sie ja gleich falls einwilligen." „Nein, was ist das für eine Zeit! Und diese Soldaten! Alles im Sturmschritt!" „Du, Papa, es klingelt aus Mutter's Boudoir. Wir dürfen kommen." Der Geh. Kommerzienrath verfügte sich, innerlich doch ziemlich stark bewegt, am Arm kines Sohnes nach dei TM?, „Na. Gott segne Euch Kinder!" sagte er ergriffen. „Gott segne Euch? . . . Aber das glaube mir. Junge, wenn es nicht wäre.'um diese Frau Erika zu är gern. würde ich nicht so ohne weiteres ein willigen!" „Das wußt' ich. Papa." In dem mit hellblauen Damast ausge schlagenen Boudoir der Geh. Kommer zunräthin sand dann ein allgemeines Schluchzen, Lachen, Redehalten und feier liches Umarmen statt, wie es nun einmal bei Verlobungsszenen unerläßlich ist. Der alte Herr war im Nu vertrau: mit der süßen kleinen Kläre, die auch mit seiner sonst ziemlich bedächtigen Frau überraschend schnell herzlich.'Frenndschakt geschlossen zu haben schien. Er küßte sie nun schon zum dritten Male, in zärtlicher Rührung ihren Namen nennend. Erröthend ließ es sich die herzige Blon dine gefallen. „Aber Kläre heiße ich nicht", sagt? si? endlich schüchtern, sondern Margitta". „Margitta nicht Kläre rief der Kcmmerzienrath entsetzt, während Fritz seine Mutter in schelmischer Verlegenheil ansah. „Margitta Settien!" sagte das junge Mädchen noch schüchterner. „Allmächtiger! Und und Ihr bisheriger Bräutigam?" „Mein Bräutigam?" fragte die klein? Blondine ganz ängstlich. „Ich war noch nie verlobt!" „Aber Fritz Du sagtest doch Joachim von Armin I l?" Der Rittmeister retirirte lachend in die Arme seiner Mutter, die bald ihn. bald ihren gestrengen Eheherrn gutmüthig verlegen ansah. „Einen Joachim von Ar min 11. weist die Rang- und Quartier liste überhaupt nicht auf!" „Junge!" sckrie der alte Herr entsetzt. „Und so befindet er sick also auck gar nicht in den Netzen dieser Frau Erika?" „Ich will's nicht hoffen!" „Ja ja so war das also Alles — geschwindelt?" „Zu Brfehl. Papa!" „Und Du fürchtest nicht meinen Zorn?' „N?in, Papa. Denn Du liebst sie ja schon ebenso sehr, wie ich und Mama sie lieben, unsere süße, süße kleine Mar gitta!" jwei Paar ängstlich sragenderFrauen auqen und dem fröhlichen Blick des for schen Rittmeisters oermag der Geh. Kom m?rzienrath nicht Stand zu halten. „Meinen Segen kann ich allerdings nicht mehr zurücknehmen. Aber wenn :ch nur wüßte, was ich zu Erika sagen soll. Die arme kleine Frau wird ja untröstlich sein, daß sie Dich nicht mehr bekommen kann?" „Das glaube ich kaum. Papa, denn Frau Tosterling, die mir bei meinem letz ten Urlaub ihre „mütterliche Freund schaft" antrug, hat mir diese kleine Kcmödie selbst anempfohlen!" ~. . . Teufelsjunge!" rief der Herr Geh. Kommerzi?nrath Eschwege. Und er machte ein so süßsaures verdutztes Gesicht, als habe er soeben den Kronenorden IV. Klasse erhalten. sie schreibt. O Lebensbild von M. C. C a r p e n t e r- Meyer. Einmal, als Frau Rentier Lichterfeld, beim großen Reinmachen des mit rosa Vorhängen und tausend niedlichen Schnurrpfeifereien geschmückten Mäd chenstübckens ihres einzigen Töchterckens, einen Blick in den kleinen Bücherschrank warf, hatte sie etwas entdeckt. Etwas, das sie beunruhigte, stutzig machte; sie schüttelte sehr mißbilligend! den Kopf und dann zog sie. ein wenig zögernd, dieses Etwas hervor. Es waren einzelne, engbeschriebene Bogen, auf denen viel gestrichen und säst mehr noch verbessert war diese Bogen zeigten die Handschrift ihrer Tochter Erika sollt? sie sollte sie schrei ben ? Das Mädchen war oft so überspannt und verdreht und hatte so sonderbare Ideen aber das ach nein, das konnte sie dock nicht thun dazu gehörte doch auch Talent und woher sollte das kommen Si-- begann zu lesen nein aber, das war ja eine richtige, veritable Liebes scene ein wenig tragisch, ein wenig übertrieben aber es war und blieb eine Liebesscene —. „Fassungslos schluchzend hing das Mädchen an seinem Halse, auf seinen Wunsch Eltern und Heimath zu verlas sen Frau Lichterseld begann es zu grau sen -. Das Kind! ach nein es war ja nicht möglich!!! In diesem Augenblick trat Fräulein Erika mit hochausgeschürztem Rock. Scheuereimer und Schrupper in den Händen haltend, zur Thür herein, noch beim Eintreten einen kleinen Faustkampf mit dem nörgelnd hinter ihr hergestiku lirenben Bruder kämpfend. Frau Lichterseld legt die Bogen nie der. Nein, dieses kindische Mädchen konnte unmöglich solch sentimentales Auo erfinden. Aber eine glühende Lohe schlug auf in dem jungen, jeder Verstellung unfähigen Gesicht, und streng sagte die Frau Ma ma, die Bogen dicht unter des Töckter leins rosiges Näschen haltend: „Was soll das? Hast Tu nichts Bes seres zu thun? Ich glaube gar, Du ver trödelst Deine Zeit damit, verrückte Lie besgeschichten zu schreiben? ich hätt: besseres von meinem Kinde erwartet!" „Ach, Muttchen, es ist ja nur eine Uebersetzung!" Sie willen beide, daß es eine Lüge doch sie schweigen. Fräulein Erika bewacht sehr sorgfäl tig in der Zukunft ihre geheimen Auf zeichnungen. und die Frau Mama geht dem kleinen Bücherschranke in Erika's Zimmer geflissentlich aus dem Wege. Monate sind darüber vergangen uno Frau Lichterfeld hat fast die kleine Epi sode vergessen, als eines Tages der Geld briefträger kommt. Er fragt nach Fräu lein Erika und händigt, da dieselbe ab wesend, der Mama ein blitzendes Zwan zigmarkstück ein. Frau Lichterseld ist im höchsten Grade erstaunt. Woher bekommt Erika Geld? Der andre, fremde Name macht sie noch mehr stutzig, sie zögert, die Quittung zu unterschreiben. Doch der geniale Stephansbote weiß auch hier Rath. „Nee, Frau Lichterseld", sagte er ru hig, „det stimmt schon der Name ist ganz richtig, damit habe ick schon verschie dene Briefe gebracht, die hat mir bet Fräulein immer schon an der Thüre ab genommen und die Briese kamen im mer von Zeitungen, wie es auf dem Kou vert stand, und von einer Zeitung ist auch dies Geld hier steht's ja Honorar für den Artikel „Erste Liebe" 2l> Mark — Nee mit dem Namen, det hat seine Rich tigkeit. det is wie bei den Schauspie lern —" Der Mann geht. Det is wie bei den schauspielern Frau Lichterfeld geht eigentlich sehr gern ins Theater aber trotzdem sie ja wohl auch einmal für diese und jene Dar stellerin geschwärmt aber, daß ihr Kind ihr einziges Töchterlein mit de nen sollte Frau Lichterseld ist noch nicht soweit gekommen, dieser Höhepunkt der Frauenbewegung das Erwerbsle ben im öffentlichen Sinne hat für sie Mas vun. etwa Bloßstellende. Und als die Missethäterin freudig er regt und ahnungslos von einem Spazier gange heimkehrt schiebt ihr Mama mit spitzen Fingern das blitzende Gold stück zu und sagt: „Hier. Erika, es wird ja Wohl richtig sein, der Briefträger wußte ja so genau Bescheid mit dem fremden Namen. Ganz wie die Schauspieler aber, daß du das thätest. das hätte ich nicht gedacht." Es regte sich etwas wie Trotz in Erika. Wieviel hatte Mama es immer geprie sen, wenn Else Berg mit Malen und Toni mit Retouchiren sich Geld verdien ten, und deren Fleiß gelobt, und nun hatte sie auch etwas vollbracht und war gedruckt gedruckt! In einer großen Zeitung, und Hunderte, Tausende hatten es gelesen nnd das war alle Anerken nung ach! sie fühlte sich als verkann tes Talent, als unterdrücktes Genie, und begann fassungslos zu schluchzen: „Ach, Muttchen. ich konnte ja nickts dafür ich mußte schreiben, niederschrei ben, was ich dachte und fühlte." Frau Lichterfeld zuckte die Achseln: „Wie eine alte Jungfer Romane schreiben du wirst im Leben keinen Mann bekommen, ja, wenn du noch mal test oder sängest oder so aber nun ge rade schreiben schreiben —" Ter eintretende Vater unterbrach das erregte Gespräch. „Nun?" fragte er verwundert, ob der Thränen Erika's. „Ach Gott. Papachen, ich konnte dock nickt anders ich mußte es schreiben, und dann habe ich's fortgeschickt erst bekam ich's wieder, nnd schließlich nahm es die H.-Z:itung und nun habe ich ! W Mark Honorar bekommen." „Na. Mädel, das ist doch kein Grnnd zum Weinen wird übrigens nettes Zeug sein, was du znsammenschreibsi. wundert mich, daß eine solche Zeitung sich hat dazu herbeigelassen, es zu drucken na. aber über die 20 Mart brauchst du dich nicht zu grämen oder gar zu weinen, und wenn's die Mama nicht will nnn. wir brauchen's ja Niemandem zu sagen; sie denkt im Geiste an Fräulein von Z. - 'die alte, verschrobene Schachtel mit dem ewig ungedruckten Gedichtbande die ist allerdings ein abschreckendes Beispiel dei ner neuerworbenen Zunft." Das Thema ist erledigt für Lichter felds. . Erika sitzt auffallend viel m ihrem Stübchen. das ihr liebenswürdigerßru der höhnisch „Romansabri!" getauft hin und wieder verfenkt sie des Abends und möglichst unbemerkt ein großes, langes Kouvert in die Tiefe des Post kastens—-und hin und wieder legte Ma ma mit geflissentlicher Ostentation ei nen solchen Brief, der zurückgekehrt oder ein Kouvert. das am Kopf den Titel einer Zeitung zeigt, auf Erika s Platz am Kaffeetisch. Zuweilen auch kommt der Geldbriefträger, und dann ist es je desinal Papa, der fast mit ein wenig Stolz, faqt: „Weiß Gott, Erika, seit dem du schreibst, brauchst du mich nicht mehr sonst hattest du noch manchmal einen kleinen Extrawunsch eine hübscheßluse, einen brennend gewünsch ten Schmuckgeqenstand aber nun jetzt kauft sich meine erwerbende Toch ter das alles selbst." Er nickte ihr lachend zu.— Und dann kam eine Zeit für Erika, wo sie fühlte, daß ihre erste Liebesscene, de ren Original die übliche Gymnasiasten liebe war, doch nicht so „echt" sie liebte und wnrde wiedergeliebt. Es war am Rhein. Sie weilte dort zum Besuch und an den rebenbekränzten Ufern des herrlichen Stromes ertönte es zum erstenmale an ihr Ohr, das heiße, leidenschastdurchbebte, eine Wort: „Ich liebe dich" Preßte sich zum erstenma le ein glühendes Lippenpaar auf die ih ren in heißem Kuß! lebte in eiiieni Taumel von unfagbaremGlück und Se ligkeit. die nur ein Schatten trübte die Eltern! Was würden fie fa aen? „Er" war ein Künstler! ' Sie wagte nicht einmal in ihren Brie fen es anzudeuten, sie hoffte alles von der Zukunft. Die Welt erschien ihr wie ' ein einziger rosiaer, sonniger Maientag so voller Glück und Hoff nung. Und dann kam der Tag, an dem aller Sonnenschein erlosch und alle Hoffnung und alles Glück versank Er, auf dessen Treue sie eine Welt von Hoffnungen gebaut war gegan gen wortlos, abschiedslos er hat te den ersten, reinen Glückstraum ei nes schwärmerischen Mädchenherzens mit roher, egoistischer Hand zerstört. Fassungslos starrte Erika auf seinen höflichen, kühlen Absagebrief, der ach so vorsichtig geschrieben! Nachdem der erste Schmerz verflogen, nachdem für das arme gequälte Herz sich die herbe Seelenpein durch erlösende Thränen gemildert, griff sie zur Feder, und es entstand ihre erste, größere No velle. und wurde gedruckt! Sie kehrte nun zurück in ihr Vater haus ein wenig älter, um vieles gereifter, doch stumm blieb ihre Lippe, kein Klagen ob des Leids, das sie erfah ren, entfloh ihrem Herzen. Was sie ge litten, was sie geduldet, das alles ver traute sie ihrer Feder an sie schrieb. Die Zeit, die heilende, eilende, alles vergessenmachende, heilte auch hier das schwere Herzensweh. Erita beg.mii ruhiaer zu denken, sie mied nicht mehr sc ängstlich alle Zerstreuungen, die Men schen sie begann wieder sich ihres Le bens zu freuen, und nach einem Jahre war sie Braut. Nicht aus überschwäng licher Liebe wie damals, ack nein sie fühlte nichts von dem unsagbaren Glück jener vergangenen Tage sie glaubte so verständig zu sein und ni han deln. Mama und Papa wünschten so dringend, sie verheirathet zu sehen, und nun ja. das Wort „Frau" hatte einigen Reiz sür sie es war ja so einfach ei gentlich So ganz im Innern alühte uno sproßte wohl doch ein klein wenig von jenem Himmelspslänzlein „Liebe" für den zukünftigen Gatten; aber sie war noch zu tief getränkt, um es sich einge stehen zu wollen Der Tag der Hochzeit rückte näher und näher sie schwankte leise noch im mer aber Papa und Mama wünsch ten es dringend so sie in die Ehe. Sie heirathete mit den besten Absich ten und Vorsätzen und war trotz dem so unglücklich, als möglich. Der Mann war ein schwacher, energie loser Charakter, der sie ja wohl auf feine Weise liebte: aber sie verstanden sich nickt, es gab keine Berührungspunkte zwischen ihnen beiden. Er war eine halbgebildete, frivole Na tur. der das Leben auf das leichteste, sorgloseste nahm und nur das Heute kannte und niemals an das Morgen dachte und sie sie machte sich end lose, schrecklich? Sorgen. Es ging nicht immer alles, wie es ge hen sollte,' Er hatte Schulden, Wechsel folgte auf Wechsel, einmal auck halfen die Eltern zum zweitenmal: wagte Erika nicht, sich ihnen anzuvertrau-n. si: kannte den starren, unbeugsamen Sinn derselben auch war sie viel zu stolz, um nicht ohne die dringendste Noth ih nen Sorge zu machen das Ehrgefühl, das ihrem Gatten so sehr mangelte, es spornte sie von neuem zu Fleiß und Ar beit an. sie schrieb. Zuerst hatte der Gatte ein wenig arg wöhnisch zugesehen fast war es wohl ein wenig Neid dem selbltständia schaff senden Geiste gegenüber er hatte in nörgelndem Ton bei der geringsten, belanglosesten Kleinigkeit die „literarische Frau" erwähnt freilich vor dem blitzenden, klingenden Erfolge hatte er sich tief gebeugt und zwar nicht geschwie gen, aber gefordert und wieder gefor dert Und sie schrieb soviel sie konnte es ihre Zeit erlaubte Gutes und Schlechtes. Tragisches und Romantisch-'s just so, wie es gerade gewünscht wur de weil sie Geld brauchten immer Geld. Und dann kam der Tag, wo sie sah, daß alles vergebens daß kein Opfer, kein Bitten, keine Vorstellung. nichtGüte, nicht Strenge zu erreichen vermochten, was sie sich erhofft und erträumt in all der schweren Zeit das Glück um das sie so heiß gekämpft und gerungen, e.s war nicht für sie bestimmt. Sie sah, daß sie um einer anderen, ei ner elenden Dirne willen, verrathen und betrogen, daß das, was sie erwarb, um je ner willen, vergeudet war. Es kam die Stunde, wo sie zum zwei tenmal?. an Männerliebe verzweifelnd, zusammenbrach wo sie fühlte, das Opfer eines Schurken war, dessen Ehrenwort leerer Schall und dessen Ver sprechungen, kaum gegeben, schon gebro chen waren; es drohte, ihr denVerstand zu rauben sie zu vernichten doch eins noch bleibt ihr zu hoffen. Sie schreibt begeistert und hinge rissen. Was sie schreibt ist die Qual ihres Herzens, das unendliche Leid ihrer Teele und um ihre Freiheit ist's das sie schreibt! GmuMen nnd Kriminalistisches aus Ungarn. Von A.OskarKl a u ß m a n n. Tas Gaunerthum paßt sich allen Ver hälmissen mit außerordentlicher Geschick lichkeit an. Sobald sich neue Verhältnisse bilden, ist auch das Gaunerthum zur Stelle, um sich ihnen anzubequemen, und wenn eine Eisenbahn nach dem Mond ge baut würde, so würden sich sicherlich bin nen wenigen Tagen Gauner auch aus ihr einfinden, um deren besondere Verhält nisse zu ihrem Vortheil auszubeuten. Infolge dieser Anpassungsfähigkeit hat auch jedes Land mit eigenartigen Ver hältnissen ganz besondere Kategorien von Gaunern. Ein Industriestaat wird an dere Gauner haben als ein Handel oder Ackerbau treibendes Land. finden wir auch in Ungarn auf dein flachen Lan de, dort, lvo die eigenartigen ungarischen Verhältnisse zur Geltung kommen, eine ganz besondere Species von Verbrechern. In Uj - Szabolna ist Jahrmarkt. Der Ort liegt in der Nähe der Pußta, und zu einem Jahrmarktstage strömt aus allen Himmelsrichtungen das Volk nach der Stadt. Der kleine Ort von kaum 80>) Einwohnern mit seinen niedrigen weiß getünchten Häusern ist dann vollständig überfüllt von Besuchern. In den Stra ften stehen die langgestreckten Wagen, zwi schen deren Leitern Korbgeflecht liegt, das Stroh für die Sitze enthält. Ueberall ficht man diese Wagenburg und vor den Wagen die vortrefflichen ungarischen Pserde, die jeder Bauer selbst züchtet. Außer den zwei Kneipen in Uj-Szabolna haben sich sür den Jahrmarktstag noch ein halbes Dutzend neueLokale aufgethan, Aus diefenKneipen tönt überallZigeuner mnsit, hört man das Jauchzen, Singen und Schreien der sich herrlich unterhal tenden Insassen. Ter Ungar ist lebens lustig und liebt.Musik, Gesang und Wein. Hunderte von Menschen bewegen sich zwi schen den ausgefahrenen Wagen. Sie tragen die Tracht der ungarischen Land bevölkerung. die besonders bei den Frauen sehr bunt ist. Die malerischen Gestalten der Pußta hiuen. die statt des Mantels die aus Schafspelz gefertigte Bunda tragen, die eleganten ungarischen Gendarmen mit ihren grünen Uniformen, den schwarz lackirten. runden Hüten, von denen rie sige Biiscke von Hahnenfedern herunter hängen. Zigeuner, Slowaken, aber auch viele städtisch gekleidete Leute befinden sich unter der Menge. Nehmen wir nun noch die eigenthümlichen Typen der Bett ler und Bettlerinnen, die Uniformen der Beamten, der Militärs, so giebt das alles ein buntes Bild, das denjenigen, der es zuerst sieht, glauben läßt, er befinde sich auf einem großen Maskenball. Zusammen mit denJahrmarkskausleu ten und Käufern, mit den Leuten, die hierher gekommen sind, um sich an dem Jahrmarkstage zu amüsiren. sind aber auch die Gauner erschienen und darunter zwei Spezialsorten ungarischer Gauner: die Gagnisten, welche durch List und Schlauheit ihr Opfer zu berücken suchen, und die Gugyisten, welche gefährlicher sind, weil sie, wenn es sein muß, mit Ge walt ibr Opfer ausplündern, und die ei gentlich nichts sind, als modifizirteStra ßenräuber. Gagyisten und Gugyisten sind besonders dadurch gefährlich, daß sie nicht einzeln, sondern gruppenweise auftreten, und daß sie faßt immer Verkleidungen wählen. Die üblichste Verkleidung bei ihnen ist die eines abgedankten Soldaten in sehr defektem Mantel, die Tracht ei nes biederen Landmannes oder auch die eines städtisch gekleideten, vornehmen Mannes, eines Hausbesitzers, eines Ad ootaten oder Kaufmannes. Natürlich ist auf dem Markt nicht bloß eine Gruppe, sondern eS sind mehrere solcher Gruppen vorhanden, die sich untereinander kennen und, wenn es sein muß, sich gegenseitig in die Hände arbeiten. Diese Jahrmärkte sind zugleich große Viehmärkte. auf denen besonders viele Pferde ge- und verkauft werden. Den Platz, auf dem der Pferdehandel vor sich geht, sucht sich nun eine Gruppe von Gagyisten aus. die wir einmal näher ins Auge fassen wollen. Soeben hat ein Bauer ein schönes selbstgezogenes Pserd für eine stattliche Summe von mehreren hundert Gulden oerkauft. Noch einmal klopft der Ver käufer dem Pferd zum Abschied auf den Hals und sieht ihm fast wehmüthig nach, als es fortgeführt wird. Dann zählt lr die Papierscheine nach, die er als Bezah lung für das Pferd erhalten hat. Im nächsten Augenblick steht ein biederer Landmann neben dem Bauern und steht ihm zu, wie er das Geld durchzählt. Die ser Biedere ist ein Gagyist. „Ihr seht nack". beginnt er das Ge spräch, ob sich falsches Geld unter dem Gelde da befindet? Ja. ja, man muß sehr vorsichtig sein! Wollt Ihr es glauben. :ch bin heute auch betrogen worden: ich habe zwei Ocksen verkauft und sabe eine gute Summe Geldes dafür erhalten. Ich glau be aber, es ist falsches Geld darunter, man kann sich nicht genug davor in Ach: nehmen, betrogen zu werden." In diefemAugenblick naht ein vornehm gekleideter Mann, der zweite Gagyist. Der angebliche Landmann stürzt auf ihn zu und sagt; „Wie gut ist es doch. Herr Doktor, daß ich Sie hier treffe, wol len Sie nicht nachsehen, ob sich unter mei nem Gels falsche Banknoten befinden?" Erreicht dabei dem feinen Herrn ein Packet Guldenzettel. Zur Erklärung sagt er dem Opfer: „Das ist der Advokat aus unserem Städ tchen.ein klugerMann und ein liebenswür diger, nobler Herr, der sich mit jedem Bauern abgiebt!" Ter Herr AdvokSt prüft mit Kenner miene die Guldenzettel und entdeckt unter ihnen zwei falsche. „Ihr habt Euch be trüaen lassen, mein Freund", iaat er Zu seinem Complicen, „hier sind zwei falsche Guldenzettel. Ich will sie sofort zerrei ßen, denn es ist höchst gefährlich, falsches Geld bei sich zu fuhren. Wenn man im Besitz falschen Geldes betroffen wird, kann man große Unannehmlichkeiten mit der Polizei und dem Gericht haben." Er zerreißt die Falsifikat, und es ist eigentlich selbstverständlich, daß nun der harmlose Bauer den klugen Advokaten bittet, doch auch einmal sein Geld durchzusehen. Gutmüthig prüft der Advokat auch die Geldscheine des Opfers. Er läßt sie rasch durch seine Hand gleiten und eskamotirt mit großer Geschicklichkeit ei ne oder mehrere größere Banknoten. Dann giebt er das Geld zusammenge faltet dem Bauern zurück und sagt ihm: „Es ist alles in Ordnung. Ihr könnt von Glück sagen, guter Freund." Der Bauer steckt unter Danksagun gen sein Geld beruhigt wieder ein, und erst zu Hause, wenn er es noch einmal nachzählt, demerkt er, daß ihm auf un erklärliche Weise zehn oder zwanzig Gulden abhanden gekommen sind. Dasselbe Spiel wiederholen die Gau ner, tvenn es geht, auf dem Pferde markt mehrmals, aber sie treiben es auch auf der Abtheilung des Marktes, wo man die Kramwaaren feil hat. Ein alter, abgedienter Soldat hum pelt durch die Menge. Plötzlich bückt er sich und hebt etwas auf, das er rasch unter seinem Man tel verbirgt. Er wirft einen zornigen Blick auf einem ungarischen Bauern, der ihm vei dein blitzschnellen Bücken zu gesehen hat. Dieser Soldat ist ein Ga avist und der Bauer das Opfer, dessen Aufmerksamkeit er auf sich zog. Immer wieder prüfend sieht der Soldat den Bauern an, und endlich sagt er zu ihm : „Nun, guter Freund, wenn Ihr schon zugesehen habt, dann tann ick die Sacke nicht vor Euch verbergen. Seht her" und er zeigt dem Bauern vorsichtig eine Börse mit Goldstücken gefüllt „das habe ich soeben gefunden. Natürlich habt Ihr auch einen Antheil an der Sache, denn Ihr habt die Börse gleichzeitig mit mir zusammen gesehen." Der Soldat nimmt ein Goldstück aus der Börse uno sagt dem Bauern : „Geht doch einmal dort hinüber in den Laden und wechselt das Goldstück. Kaust etwas Tabak, wir wollen sehen, was diese Gol dstücke werth sind." Der Bauer verschwindet und kommt bald darauf mit einer Handvoll Silber und Papiergeld zurück. Das Goldstück war ein echter Dukaten. Natürlich war dieser Dukaten der einzige echte. Di? anderen Goldstücke in der Börse sind Spielmünzen oder Nach ahmungen von Goldstücken, und der erste Dukaten war der Lockvogel für den Bauern. „Selbstverständlich müssen wir jetzt theilen," sagt der alte Soldat. Tie Habgier des Bauern ist rege ge worden und er ist ganz einverstanden da mit, die .Hälfte der Goldmünzen zu er halten. Sie wollen auch bereits in eine Kneipe eintreten, um dort die Theilung vorzunehmen, als der Soldat plötzlich sagt : „Was nutzt mir das Gold 5 Ich komme doch nur in die größten Verlegen heiten damit, denn ich bin ein armer, ausgedienter Soldat, der vom Betteln lebt. Wie soll ich mich über den Erwerb des Geldes ausweisen. Kauft Ihr mir meinen Antheil an Goldmünzen ab. ich lasse sie Euch billig, gebt mir meinetwe gen viel weniger, aber gebt mir Gulden. Wenn ich solche bei mir führe, ist das nicht verdächtig." Ter Bauer sieht ein, daß er auf diese Art ein gutes Geschäft machen kann, in dem er dem Soldaten weniger bietet, als die Goldstücke werth sind. Er zahlt vier zig oder fünfzig Gulden, während nach seiner Ansicht die Goldstück? das Dop pelte werth sind, und nimmt dafür die Börse an sich. Ilm nicht Aufsehen zu erregen, zieht er sie gewöhnlich auf dem Markt nicht mehr hervor. Erst w.'nn er das erste Mal ein Stück wechseln will, entdeckt er, daß man ihm Falsifikate in die.Hand gespielt hat. Viel komplizirter ist das folgende, ge nau nach der Wirklichkeit geschilderte Manöver. An das Opser tritt ein Ga gyist im Kostüm eines Bauern heran und beginnt mit ihm ein Gespräch über das Wetter, über die Marktpreise und die Ernteaussichtm, über Politik. Dann äußert er. er habe erfahren, ein reicher Kaufmann habe auf dem Markte einen Beutel mit Gold verloren. „Nun," fährt der Gagyift fort, „wa rum giebt er auf sein Geld nicht besser acht ? Wenn ich es fände, ich würde es nickt abliefern. Wer so viel Geld ver lieren kann, hat auch noch mehr und wird dadurch nicht arm. und wie wohl thäte es unsereinem, sich auch einmal im Besitze eines Beutels mit Gold zu sehen. Ihr würdet doch auch nicht das Geld wiedergeben ?" Gewöhnlich antwortet der Bauer: „Selbstverständlich nicht" und durch diese Erklärung weiß der Gagyist, daß das Opfer bereit ist. sich rupfen zu lassen. Würde der Bauer erklären, er wolle keine Fundunterschlagung begehen, wenn er das Geld fände, sondern wolle es abge ben, so würde sich der Gagyist ein ande res Opfer aussuchen. Der Gagyist entfernt sich darauf. Einige Minuten später tritt an den Bauern, der gerupft werden soll, ein ausgedienter Soldat heran. „Aus welchem Dorfe seid Ihr? fragt er den Bauern. Der Bauer giebt seinen Heimathsort an. Der Soldat thut erstaunt und sagt: „Dann kennt Ihr gewiß meinen Kameraden Janos?" Nun giebt es kaum ein ungarisches Dorf, in dem nicht ein Kriegsvalide mit dem so häufig vorkommenden Namen Janos (Johann) zu finden wäre. „Gewiß." erklärt der Bauer, „Ihr meint den Bertes Janos?" „Natürlich, den meine ich," erklärt der Soldat. „Wie geht es denn dem alten Freund? Wie oft haben wir den letzten Bissen Brot im Feld getheilt und unter einem Zelt geschlafen!" Der alte Soldat beginnt jetzt eine le bendige Schilderung seiner Kriegszü ge und versteht es. den Patriotismus des Bauern zu entfachen, indem er ihm von ungarischen Heldenthaten erzählt. „Und wie geht es dem guten Janos denn?" fragt schließlich abermals der Soldat. „Hat er sein Haus, sein Feld?" Kriegsinvaliden sind gewöhnlich kei ne Kapitalisten, und so erfährt der Sol dat denn, daß sein ehemaliger Kamerad sich in recht dürftigen Verhaltnissen be finde. „Das thut mir leid." sagt der Sol dat, „er hat ein besseres Schicksal ver dient, wie gern würde ich ihm Helsen. — Und ich kann ihm jetzt helfen," fährt er fort, „der Himmel hat mir wohlgewollt, ich bin in den Besitz von Geld gekom men. Man kann Euch doch trauen?" Der Soldat lüftet vorsichtig seinen Mantel und zeigt dem Bauern einen Beutel Geld. „Ich habe ihn hier auf dem Markte gefunden, und ich wäre thöricht, Denn ich ihn zurückgeben wollte. Man muß es verstehen, das Glück festzuhalten, wenn es sich einmal nähert." Dann thut der Soldat plötzlich er schrocken und sagt: „Wie thöricht von mir, Euch zum Mitwisser meines Ge heimnisses zu machen. Ihr könnt mich ja verrathen. Ihr werdet es aber nicht tbun. nickt wabr? sck bin 4ern bereit. Euch ettvas abzugeben von meinem Fund." Ist die Unterhaltung so tveit gedie chen, so giebt der Gagyist ein Zeichen, und es erscheint der vornehm gekleidete Herr. An ihn wendet sich der Soldat mit der Frage, was wohl ein Goldstück, das er ihm zeigt, und das er dem Beu > tel entnommen hat. werth sei. Der Herr prüft das Goldstück sehr sorgfältig und sagt dann: „Ich will Euch zehn Gulden dafür geben." Er nimmt das Goldstück und zahlt ! in der That zehn Gulden an den Solda ten. „Habt Ihr noch mehr davon? Zu zehn Gulden das Stück nekme ich Euch ab. so viel Ihr habt." sagt der Herr. Der Soldat wird abe? anscheinend änstlich und erklärt, er habe nichts mehr. Dann geht er mit dem Bauern abseits, und nun beginnt dasselbe Manöver wie vorhin. Es soll getheilt werden, der Soldat erklärt aber, der Besitz von vielen Goldstücken bei ihm würde ver dächtig sein, und er beschwatzt den Bauern, ihm seinen Antheil billig ab zukaufen. Der Bauer bezahlt dann hundert oder zweihundert Gulden, die er für Pferde oder Ochsen eingenommen hat, an den Gauner, um erst später zu bemerken, daß er betrogen ist. Natürlich wiederholen die Gauner aber nicht diesen „Trick" in derselben Weise, wie hier angedeutet, sondern sie haben immer wieder neue Variationen. Sie erfinden immer wieder neue Knif fe. so daß selbst Leute, die schon einmal von den Gagyisten gerupft worden sind, doch noch zum zweitenmal auf ihr Manöver hereinfallen, l Aber nicht nur auf dem Platze drau ßen treiben die Gagyisten ihr Wesen, sondern auch in den Kneipen. Der Ungar hat als Nationalisier das Spiel. Wenn er gemüthlich ist. so trinkt und singt oder spielt er. und selbst die Bettler spielen am Straßen rand um die zusammengebettelten Kupfe rkreuzer. Ueberall in den Kneipen sieht man Leute sitzen, die ihr Häuscken Geld neben sick haben und Karten oder Wür fel spielen. Durch Schaden klug gewor den. spielt der ungarische Bauer aber nicht mit fremden Leuten auf dem Markt. Er weiß, daß sich zu leicht Falschspieler an ihn Heranmacken können, die ihn aus plündern. Deswegen spielt er nur mit Bekannten, mit Freunden, und der Ga gnist kann also durck Falschspielen nichts verdienen. Er kann aber, wenn er als Bauer verkleidet ist, sich neben den Tisch setzen und dem Spiel zusehen. Der Gagyist raucht eine schöne, silber befchlagene Meerfckaumpfeife. deren Kopf unten mit einer klebrigen Masse bestri cken ist. Beim Zufehen legt er sich so weit herüber, daß der Pseisenkops auf das Geldhäufchen des einen Spielers zu lie gen kommt. Wenn der Gagyist den Pfeifenkopf zurückzieht. klben immer ei nige Silbermünzen an dem Pfeifenkopf. die er rasch abnimmt, um dann das Ma növer zu widerholen. Der Spieler in seinem Eifer weiß gar nicht, daß ihm Geld abhanden getommen ist, und zählt er hin und wieder sein Geld, so muß er annehmen, daß er schon mehr verloren hat. als er glaubte. Ist der Markt zu Ende, und treten die Leute ihre Heimfahrt an. so tritt der Gu gpist in Tätigkeit. Er stellt sich am Wege aus und bittet die vom Markte Zu rückkehrenden, ihn mitfahren zu lassen, da er einen weiten Weg m die Pußta zu ma chen habe. Diese Bitte wird ihm niemals abgeschlagen. Nun sind die Insassen der heimkehrenden Marktgefährte fast ans nahmslos stark angeheitert, und selbst die Frauen haben etwas über den Durst ge trunken. Der Gugyist hat noch eine Fla sche mit gutem Wein bei sich, manchmal auch einen Slibowitz. nnd von diesem Wein oder Schnaps läßt er die Wagen insassen trinken. In das Getränk ist aber ein Schlaf mittel hineingemischt und bald schläft Alles auf dem Wagen. Jetzt ist die recht? Zeit für den Gugyisten gekommen. Er ergreift die Zügel, lenkt den Wagen ab, hebt die Insassen vom Wagen herunter, nimmt ihnen das baare Geld und alle Werthsachen, die sie bei sich haben, ab. Dann setzt er sich auf das Fuhrwerk und fährt mit den Pferden davon, um sie ir gendwo zu oerkaufen. Das Erwachen der Leute, die mit dumpfem Kopfschmerz mitten in der Nacht im Freien wieder zu sich kommen, ist natürlich kein angeneh mes. Aber nicht nnr auf die Landleute hat ver Gugyist es abgesehen, sondern auch auf die Kaufleute, die vom Markte mit ihren Waaren oder Geldern zurückkom men. Ein Mädchen steht am Wege und bit tet einen solchen Marktkaufmann, ver ge wöhnlich nicht allein fährt, sondern einen Kutscher bei sich hat. mitfahren zu dür fen. Nach ertheilter Genehmigung steigt sie vorn auf den Wagen zu dem Handler und dem Kutscher und beginnt eine höchst interessante Geschichte vom Markte zu er zählen, welche die Aufmerksamkeit ber Zuhörer vollständig in Anspruch nimmt. Unterdessen machen sich die Gugyisten, drei oder vier Mann stark, hinten an den Wagen, schneiden die Stricke durch, wel che die Kisten an dem Wagen festhalten. Die Kisten werden rasch im Straßengra ben oder hinter einem Busch niedergelegt, dann wird dem Mädchen ein Zeichen ge geben und sie steigt ab, um angeblich aus einem Fußpfad zu dem einsam gelegenen Gehöft zu kommen, wo sie zu Hause ist. Merken die Bestohlenen das Treiben der Gugyisten, so kommt es diesen auch mcht darauf an. Gewalt zu verüben. Sehr oft ist das Frauenzimmer ein verkleideter Mann der zu dem Zweck vorn Platz nimmt, um wenigstens einen ber Wagen insassen unschädlich zu machen, oder um sich im geeigneten Augenblick der Zügel der Pferde zu bemächtigen. Diese Hal lunken schrecken, wenn sie Wider stand bei ihrem Opser finden, selbst vor Mord und Todtschlag nicht zurück. Ein bei diesen gewaltthätigen Räubern üblicher „Trick" ist es auch, den Kutscher > aufzuhalten, um sich angeblich von ihm Feuer für die Pfeife zu erbitten. .Hält der Kutscher, so wirb er im nächsten Au genblick vom Wagen heruntergerissen, und rechts und links aus dem Straßen graben springen Gehilfen des Gugyisten heraus, welch: die Pferde festhalten und Kutscher wie Marktfahrer, wenn es sein muß. unschädlich machen. Auch Wande rer, betrunkene und nüchterne, die vom Markte kommen, werden von den Gugy isten aufgehalten und ausgeplündert. Die vortreffliche ungarisch Gendar merie patrouillirt zwar so eifrig, wie nur möglich, aber sie kann nicht überall sein, und die Gugyisten wissen daher immer wieder ihr Opser zu finden und zu be rauben. Schon allein. Bild aus dem modernen Leben von L. Mango. Was hatten alle Bekannten zusammen gelästert, als sie Berthas Verlobungsan zuge erhielten: „Josef Schober und Frau beehren sich, von der Verlobung ihrer Tochter Bertha mit Herrn Dr. Karl Neu hof höflichst zu verständigen." „Also haben sie ihn doch d'ranbekommen! Der arme Doktor! So ein hübscher Mann!" Und erst die lieben Verwandten aller Grade! „Dem mutz es aber schon sehr schlecht gehen, diesem Herrn Doktor! Die Bertha! Ja. ivm Gott, dreißiatausend ' Gulden bekommt sie mit, die müssen Ju gend und Schönheit ersetzen", eiferte Cousine Lina, die s?it dem l?tzten Bür ! gelballe selbst eine stille Hoffnung auf den „schönen Doktor" genährt hatte, und Tante Rest fekundirte etwas gereizt,,, J ugend und Schönheit sind ja nicht Alles; aber er als Arzt sollte doch wenigstens auf Gesundheit halten." „Was. die Bertha ist nicht einmal ge ' sund?" fiel das jüngste BaSchen, die ewig ! jugendliche Adelheid ein. sie hatte jüngst hin. erst ihren zweiundvierzigsten Ge burtstag gefeiert und war in den letzten zehn Jahren angeblich zwei Dutzendmal verlobt gewesen. Nicht einmal gesund! Ja, jetzt fällt mir's erst ein, ganz grün ist sie im Gesichte!" Und nun saß diese ganze liebe Zunft an der armen BerthaHochzeitstafel. Alle hatten sie. die junge Frau, beglückwünscht und sie getüßt mit „Thränen der Rüh rung" in den kalten Augen, die nicht der Spiegel der Seele sind. Nur Adelheid vermochte ihren Neid nicht ganz zu be zwingen: „Du arme, wenn Tu nur ge sünder wärst, so was stört das Glück ei ner jungen Ehe." Bertha sah sie verwundert an.aber noch bcvor sie ein Wort erwidern konnte, war i Jung - Adelheid davongetänzelt und i suchte daS dritte Tutzend ihrer Verlobun gen bei dem unglaublicherweise noch im mer ganz ledigen Apotheker zu „entriren Sie Pflegte sich immer sehr gewählt aus zudrücken. Bertha fand sich, nachdem die Hochzeitsreden überstanden waren, auf ihrem Platze ziemlich verlassen. Tie Her ren hatten bald entdeckt, daß in einem der Nebenräume die Cigarrenkisten aufgestellt waren; und die Damen rückien in kleine ! Gruppen zusammen und tuschelten. Nickt einmal der junge Gatte war bei Bertha. Er scherzte und plauderte mit allen Hochzeitsgästen, er erzählte in dem Rauchsalon launige Geschichten aus sei ner Praxis, wobei er freilich verschwieg, . daß er fast keine Praxis hatte. So sehr vernachlässigte er seine junge Frau, daß der Schwiegervater ihn darauf aufmerk sam machtet Da mußte er wohl einmal zu Bertha gehen. Er meint? es seinem Berufe schuldig zu sein, als er sie frug, „ob sie sich auch ganz wohl befinde." I Sie blickte ihn an. einen Augenblick leuchtete es in ihren Augen auf wie von ! Stolz und Freude. „Wenn diese Gäste nur schon fort wären." Seine Stirne hatte sich umwölkt: „Ich kann sie doch nicht fortjagen", sagte er brutal. Da stand sie auf und faßte seinen Arm; die Anderen sollten es nicht bemer ken. Sie ging ein paar Schritte Arm in Arm mit dem Gatten, dann trat sie auf ihre Mutter zu. die gerade wieder die „Elogen" Fräulein Adelheids entgegen -5 nahm. Ein fesches Weib, diese Mutter, eüvas vierschrötig und von derben Zü ! gen. „Na also, jetzt hätten wir Dich doch unter der.Haube; aber für eine jungeFrau bist Du mir nicht lustig genug, was. Adelheid. Tu würdest ein ganz anderes Gesicht machen." Bertha fühlte sich peinlich berührt. Al lein wollte sie sein. Endlich fiel es einigen Hochzeitsgästen ein, sich zu oerabschieden. Ter Brautva ter meldete seinem Schwiegersöhne, daß der Wagen bereit sei, der ihn und die junge Gattin in das neue, eigene Heim bringen sollte. Eine Hochzeitsreise zu machen gestattete ihm seine Praxis nicht, hatte der Herr Doktor erklärt und der Schwiegervater hatte das sehr in der Ordnung gefunden. Aber zweimal doch mußte er mahnen, bevor es dem Herrn Dottor genehm war. sich in sein eigenes Heim bringen zu las sen. Als sie im Wagen saßen, das Ehe paar und der Vater, welcher es sich nicht nehmen ließ, das junge Ehepaar mit ei nem guten Spruche in's eigene Nest ein zuführen. Noch wenige Äugenblicke dann waren sie allein. „Wie hier noch alles so „neu" riecht," sagte der Doktor und warf sich auf einen der moosgrünen Fauteuils. Das waren die ersten Worte, die er zu seiner jungen Gattin sprach, seitdem sie allein waren. Sie stand wenig? Schritte von ihm ent fernt, regungslos; sie blickte ihn nur unverwandt an. Bald aber brach sie schluchzend in die Kniee. „Was soll das wieder," sagte er aus stehend, „bin ich Dir zu wenig zärtlich ? Du mußt mich nehmen, wie ich bin." „Verzeihe, aber es überkam mich so heftig, es ist schon vorbei. Wie sollk ich Zärtlichkeit von Dir verlangen. Ich will nicht, daß Du lügst. Tu hast mich ohne Liebe geheirathet, das wußte ich; aber, nicht wahr, Karl, meine Schuld war's doch nicht. Ich muß Dir's sagen Karl : gebeten hab' ich meinen Vater, ei soll Dich lassen, weil Du mich ja doch nicht magst... Hier drohten Thränen ihre Stimme zu ersticken. Der Doktor ging unruhig im Zimmer auf und ab. „Aber, Karl, der Vater bestand auf Deinem unseligen Versprechen, er ist so hart... daß Du auch gerade setnSchuld ner sein mußtest. Karl... Karl, verzeihe, daß ich davon spreche. Karl, ich hab' ihn gebeten, er soll meine Mitgift vrrigern und mir Deine Schuldscheine schein, ich wollt' sie Dir schicken mit einem Ab schiedsbrief, Karl..." Ihre Worte versagen einen Augen blick. sie wankte, ihr Gatte sprang hinzu, er wollt sie stützen. ..Laß' nur. ich danke Dir! Ich muh Dir Alles saaen. damit Du nicht schlecht von mir denkst. Karl... Da hat der Va ter getobt, schlagen wollte er mich, so wü thend war er und die Mutter lachte mich aus. „Er muh Dich heirathen. sei froh, daß Tu einen Mann bekommst, das bis chen Lieb', das man in der Ehe braucht, kommt schon bei ihm !" Ter Vater wollte Tich zu Grunde richten, mit Schimpf und Schande solltest Tu aus der Stadt müssen, wenn Tu mich nicht heira thest... Er blickte sie an, wie sie geratheten An gesichts, bebend vor ihm stand im bräut lichen Gewände. Kein Wort brachte er über die Lippen, wie festgebannt war er aus seinem Platze, nur anschauen konnte er das Weib, das so ehrlich zu ihm sprach. „Ich wußte ja. wie schlecht es Di: gina. Tu Armer ! Wenn ich ein anderes Mittel gefunden hätte. Tich zu retten ... Mein Gott, ich konnte Tich nicht zu , Grunde gehen lassen ... Hab Tich ja so lieb ... so lieb ..Hingestreckt auf dem Teppich lag sie. dem Gatten, der sie in seinen Armen auffangen wollte, als sie überwältigt zusammenstürzte, war sie entglitten. Jetzt kniete er nehm ihr und hob zärt lich ihren Kopf mit beiden Händen unv legte seine Wange auf ihr glühendes Ge sicht, endlich vermag er seiner Kehle emen ! Ton zu entrinqen : „Bertha !" ruft er und noch einmal ..Bertha!" Was la, alles in dem Tone seiner Stimme: Rue und Zärtlichkeit. Stolz und Liebe... Er ! hob sie vom Teppich und preßte sie mit ; Ungestüm an seine Brust. „Ein Bischen lieb haben darfst Tu > mich schon. Karl..." Er verschloß ihr den Mund mttKusien. Vorschlag zur Güte. „Na. Herr Professor, auch schon sk früh nach Hause?" „Ja. lieber Rath wir toerven ja Beide erwartet: auf mich warten > meine Bücher, auf Sie Ihre liebe Frau " j wollen wir tausche?"