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Der Uolksdichter. Von R. Ziegler. I. Novemberabend. Hei, wie der Sturm an den Fensterläden rüttelt und die schwarz - grauen Wolken peitscht die reine Todtschlägerstimmung. Und die Erde hält den Stößen stille, und die stol zen Pappeln lassen sich zausen, wie er es will. Wie ein Häufchen Unglück liegt kleine Häuschen des Dorfschulmeisters in diesem Hexentreiben. Alt und gebrech lich, wie er selbst, der d-i da eben auf dasselbe zuschreitet. Welch Gestalt noch immer! Der mächtige mit dem scharfgeschnittenen Gesicht sitzt auf einem Körper, der noch jetzt die Kraft und Elastizität verräth, die er in der Ju > gend besaß. Den „langen Hund mit dem b'auen Mantel" nannten ihn seine Fein de in den Zeiten des wilden Bürgerkrie ges, wenn sie ihm, den Dichter der von ihnen gehaßten Freiheitslieder, vergeblich suchten. Er tritt in's Haus. Auf dem Herde brodelt die Abendsuppe. Seine Frau er hebt sich eben vom Spinnrade, indem ihr Blick noch einmal über den glänzenden Flachs gleitet, und trägt dann die Suppe auf. Aus dem Nebenzimmer tritt Franz, de.. AchtzehnjährigeSohn, heraus; auf fei nen Zügen liegt ein eigenthümlicher Glanz. Da drinnen in seinem Zimmer hat er ja seine Welt für sich, seine schöne große Welt mit den Wunderblüthen und Zauberquellen und dem tiefen Himmels blau, seine Bücher und seine Lieder und Phantasien, die gießen den sonnigen Glanz in sein junges Antlitz. Er sieht den Vater an. wie er in sich zusammengesun ken vor sich hin brütet, wie so oft heute wieder. Und da legt es sich wie ein schwe rer Bann über Mutter und Sohn, sie schweigen und verzehren stumm die Abendsuppe. Aber der Sohn kann das Schweigen nicht so lange ertragen: „Vater, sprich doch ein einziges Wort!" flüstert er bit tend und sieht den Vater kummervoll an. Der alte Mann blickt auf und in halb unterdrückter Wuth, knirschend, hört man ibn sagen: „Die Armuth, die gottver fluchte Ärmuth!" Wieder der alte Gram um den der mit seinen reichen Gaben nicht stu diren konnte, wie einst der Vater. „Dies Jammerleben, das ich hier führe in die ser Einsamkeit und drüben das volle reiche Leben und in meinem Hirn die wilde Sehnsucht danach all' die Jahre lang!" . „Und nun er auch, mein Franz auch "Gott.. . wenn's einen da oben giebt, wie es die Pfaffen allsonntäglich predi gen so kann er's doch nicht geschehen las sen' daß auch er sich wund stößt an den Eisenstäben eines verfehlten Berufes, wildem Schmerze schlägt er die Hän de vor's Antlitz, er weint, der alte Mann weint wie ein Kind. Franz schleicht zur Mutter. Nur die Blicke Beider fließen ineinander in Liebe und Weh. als ob sie sich gegenseitig trö sten wollten. Die Hand der Mutter macht eineßewegung. als ob sie ihn strei cheln wollte. Aber sie sinkt herab, ehe es geschehen. In diesem Hause war kein Boden für weiche Liebkosungen, das Le ben war zu hart gewesen, und solche Blüthen verwelkten schon in der Knospe. Kein äußerliches Liebeszeichen gab man sich, wenn das Herz oft auch dunkel und sehnend danach strebte. Nur das Bewußtsein der Liebe war da. stark und tief, und das mußte genü- Franz weiß, heute spricht der Vater kein Wort. Darum läßt er die Eltern allein und geht in sein Zimmer. Schon als kleiner Knabe war ihm bange gewe sen. wenn er den Vater so gesehen wie jetzt, mit zusammengepreßten Lippen auf der Ofenbank sitzen, wo darüber die alte Geige hing, auf welcher er dann nach solchem Schmerzensausoruch immer ge spielt hatte. Ob er es auch heute wieder thut? . ..... Ja, da zittern schon wieder die leidsn schaftlichen Klagen über die Saiten, als ob sie alle reißen müßten unter dem wil den Spiele des alten Mannes. Wie gebannt lauscht Franz. Die al ten, längst vergessenen Freiheitslieder brausen darüber ; die Geige stöhnt und grollt, stürmt und klagt wie des Vaters große, gequälte Seele. Das alte, jahre lange Weh schleicht hohläugig durch den Raum und will sich auch auf das aufblü hende Leben senken das Weh, der Fluch der Armuth. Mitternacht ist es draußen und drin nen die heißen Stürme... warum, wa rum ? So grollt auch des Sohnes See le... aber doch ganz anders wie in der des Vaters. Denn da kam es wieder, das Herrliche. Unnennbare, was seine Seele wie mit plötzlichem Lichte überfluthete und die Stürme bändigte und dessen Zau ber er sich hingeben mußte im größten Schmerze. Ob diese innere Sonne nicht zuletzt die Kraft haben würde, sein Leben reich und warm zu gestalten, wenn auch in anderem Sinne, wie der Vater es wollte und ersehnte ? Er sitzt und sein übernächtiges Auge siebt den Morgen dämmern hinter den Bergen ob sein Morgen auch anbrechen wird, sein Tag. den er ahnt, und dessen Lichiwelle er schon von ferne leuchten sieht... der Sohn des alten armen Torf schulmeisters ? Die Jahre flogen hin und rissen auch den alten müden Vater mit; bald auch die Mutter. Da wurde es einsam um den Sohn, und er fand sich lange nicht wieder, aber endlich doch. Er wurde wie der Va ter Dorfschullehrer, wie der Vater und doch so ganz anders. .. Heute, welch ein Tag! Er hat mit seiner Jugend eine Schulreise durch das schöne Bergland gemacht und sie haben eine mächtige Gebirgsspitze erklommen. Da. kaum sind sie oben angelangt, bricht ein Gewitter los. Wie der Don ner rollt und die Blitze sich jagen, und wie das klingt hier oben zwischen den Felsen und Schluchten, so wild, so ge waltig! Da steht die Schutzhütte mit ten d'rin in diesem Hexentreiben, moosig und grau, wie ein Stückchen Vergan genheit. Doch welch buntes Leben da drinnen! Jugend, Lebenslust, Her zen voll Kraft und Frische halten die Hütte umschlossen. Eingepfercht sitzt die Schuljugend drinnen und wartet das Gewitter ab, das so plötzlich hereinge brochen. Und die vergnügten Gesich ter dabei. In jeder Hand nickt ein Sträußchcn Alpenrosen. Sie verlachen Wind und Wetter und sind fröhlich trotz der peitschenden Wassergüsse. Welch ein Duft! Erde, feuchtes Moos, schwellende Knospen athmen be fruchtet auf nach der Schwüle des Ta- Ges. Wie das schöne Vaterland da unten liegt, wie ein Stückchen Paradies in Duft und Glanz. Der Lehrer blickt selbstvergessen hinab, und in träumeri schem Sinnen irrt sein Auge in die Ferne. Die Einsamkeit ringsum, wie groß, wie gewaltig. So war auch sein Leben .... einsam und groß und stolz für sich. Viele Rosen hatte es für ihn nicht gehabt er hatte zu frei, zu groß gedacht, darum blieb er auch nur der arme Lehrer .... ein Original, wie man ihn nannte. Und Originale sto ßen sich wund im Leben an den Kan ten und Dornen, sie können nicht an bnen vorbeigleiten, wie andere glatte, gewöhnliche Menschen. Aber drinnen in der Seele hatte er eine Welt für sich. Was wußten die Menschen davon von den Stürmen darin, dem Wogendrang und den Perlen, die daraus hervorleuch teten! Es waren seine Lieder, seine Poesien, die wie Märchenblüthen darin aufgegangen waren in Lust und Leid, die aufbrechen, weil sie nicht anders kön nen, unbekümmert darum, ob sie Je mand sieht. Und sie waren so lebenswarm, diese Lieder, und hatten sich in die Herzen der Menschen hineingeschlichen und eingesun gen wie die Sonne im Mai in die sehnen de Erde. Man sang sie überall, seine Freiheitslieder. Die Liebesklänge misch ten sich mit den Flöten der Nachtigallen auf dem Dorfanger, seine Märchen klan gen in der Dämmerung beim Luther- Ofen am Spinnrocken, wenn die Groß mutter sie den lauschenden Enkeln er zählte. Man wußte nicht woher sie ka men. aber man liebte seine Lieder und Märchen nur ihn. den Dichter, kannte man nicht als Urheber derselben. Aber lieb hatten sie ihn Alle, Alle! Sein großes Auge, das ganze markige Antlitz trug den Stempel einer geheimnißvollen Größe, vor welcher sich Jeder beugte, unbewußt... Da ertönt plötzlich ein Schlag! Drü ben auf der Felsenplatte lodert eine mächtige Tanne unter dem Blitzstrahl zum Himmel. Welch ein Leben Mit einemmal! Die Jugend ist herausgestürmt trotz Donner und Blitz und starrt auf die züngelnde Flamme. Ein herrlicher Anblick: die brennende Tanne, das kräftige junge Menschenle ben ringsum, und darüber der schwarz graue Himmel mit dem Wetterleuchten. Und als ob sich die Elemente nach die sem Schlag ausgetobt hätten, bricht sich das Gewitter langsam in ohnmächtigen fernem Grollem. Noch zerrt der Sturm an seiner Kette, noch einmal möchte er sie sprengen vergeblich! Die Sonne, die Sonne ist da; allmächtig, siegesgewiß reißt sie den Schleier von dem flammen den Antlitz und lächelt über der Haide auf die blühende Jugend mit den Rosen auf den Wangen und den Purpurträumen in den Herzen. Wie sich die Alpenrosen erheben und leuchten, noch regenschwer, lachen sie doch triumphirend über Sturm und Blitz un ter dem Sonnenkuß. Und nun heimwärts hinunter in's Thal, in die Ebene, das Herz voll Frische und Lebenslust. Harzduft und Moos geruch in jeder Kleiderfalte. Denn da im Gebirge gab's vor dem Gewitter ein wollüstiges, inniges Hineinschmiegen in Moos und Haidekraut, wildes Tollen und Jagen auf der Wiese. Und wie die Augen leuchten, die Wangen glühn! Der ganze Jubel des schönen Tages klingt in den Liedern hin ab ins Alle die jungen Kehlen jauchzen das Glück, die Heimathssreude. den Stolz, eine so schöne tannenge schmückte Heimath zu haben, und tau sendfältig klingt der Gesang von den Bergen und Felswänden zurück. Und da ertönt auch ein Lied, das Lied des geliebten Lehrers, das jedes Kind kann. Und sie singen es Alle und auch er singt, der Dichter, und wie singt er! Es ist zum ersten Male, daß ihn die ei genen Verse so aus hundert jugendfri schen Kehlen umraufchen und seine mäch tige Brust weitete sich und sein Antlitz strahlt in schönem Glänze. Heute fühlt er. daß er reich ist. Der Reichthum glänzt ihm aus der Jugend um ihn her entgegen, und in seiner Seele blüht und jauchzt es das war der Rosenweg. den ihm seine Muse aus Noth und Armuth heraus gezeigt, und ihr Flammenkuß heilte alte Wunden seiner Vergangenheit. Ihm war, als lächle des Vaters großes Auge, und als gehe auch über sein gequältes Antlitz ein schönes, tiefes, mildes Licht, wie er es nie im Leben an ihm gesehen zum Volks dichtt.r war er geworden, der Sohn, und seine Wurzeln standen im jungen blü henden Leben der Zukunft im eigenen Volke. Die WaldlztXe. Eine Traumgeschichte von Paul Bliß. Eine ganz seltsame Geschichte habe ich kürzlich im Traume erlebt. Vor meinem Kamin steht ein großer Schirm, auf dem selten schöne Blumen und Figuren gemalt und gestickt sind, ganz eigenartige Gebilde, phantastisch, exotisch wie aus dem Märchenland, son derbar stilisirt, und in Farben-Abtönun gen, die man nicht wieder vergessen kann, wenn man sie einmal genau angesehen hat. Ich habe dieses Schmuckstück meines Zimmers besonders lieb gewonnen, denn stets, sobald die Dämmerung langsam herniedersinkt, rücke ich meinen Sessel vor den Kamin, lasse mich durch das milde, dämmernde Licht in einsame Träume einlullen, blicke suchend und sehnend auf das märchenhafte Bild meines Kamin schirmes, und suche zu erkennen, was der geniale Künstler mit diesem seltsamen Bilde bat sagen wollen. Aber nie habe ich es ganz ergrunden können. Eine süße Schwermuth lieg: darin, und eine stille, gottergebene Dul dung, etwas Erhabenes, Heiliges, das allemal mich mächtig ergreift und mir die Seele durchrüttelt, ganz aber es er gründen habe ich nie gekonnt. Und nun ist es über mich gekommen wie eine Erleuchtung, ganz Plötzlich. Es war einmal im sonnigen Süden eine mächtige Fürstin, sie war milde und gut. und Jedermann liebte sie um ihrer selbst willen, ihr Reichthum war uner meßlich. sie selbst aber machte nur wenig Gebrauch davon, denn sie war anspruchs los und bescheiden und unendlich war ihr Sinn für Wohlthätigkeit: wo immer sie auch einen Armen und Leidenden sah. da brachte sie ihm Hülfe und Linderung mit milden Händen und mit lieben, herzigen Worten. Darum liebte und betete alle Welt sie an, und sobald sie sich irgendwo zeigte, brach man in Jubel und Huldi gung aus, sang ihr Lob und Preis und streute duftende Blumen über ihren Weg hin. Diese Fürstin hatte eine Tochter; auch sie wurde gleich ihrer hohen Mutter ange betet und geliebt, den sie hatte alle die edlen Tugenden der Mutter geerbt. Dies edle Kind aber war so blaß wie Schnee und so zart wie ein Hauch, ihre Sprache war von so lieblicher Feinheit wie Har fenklang, und ihre Blicke mild wie des Mondes Silberglanz. Mutter und Tochter waren in reiner hingebungsvoller Liebe einander zuge than. und wenn sie beide Arm in Arm ne beneinander gingen, allerorten Hülfe und Beistand bringend, dann beteten die alten Leute aus dem Volk: „Der liebe Herr gott erhalte uns diese beiden Engel, die er uns zum Wohle auf die Welt geschickt hat!" Da begab es sich eines Tages, daß die junge Adah, als sie mit Marinka, der al ten Dienerin, spazieren ging, von einem fürchterlichen Unwetter überrascht wurde. Sie befanden sich mitten im Walde und wußten nicht, wo sie Schutz suchen soll ten. Plötzlich aber stand ein Mädchen vor ihnen, ein frisches gesundes Waldkind, stark und kraftvoll, mit Augen, so klug wie ein Reh und doch so gut wie der treueste Hund, und dies Mädchen sprach: „Kommt mit mir, Herrin, ganz nahebei liegt meine Hütte, dort seid Ihr ge schützt." Und Adah fragte erstaunt: „Wer bist Du denn?" Da antwortete das Mädchen: „Ich heiße Wilda. die Leute aber nennen mich die Waldhexe." Damit ging sie voran. Adah lächelte nur dazu, dann nahm sie den Arm ihrer Dienerin und folgte dem Mädchen. Es war eine ganz einfache Holzhütte, in der nur die allernothwendigsien Ge brauchsgegenstände sich befanden, aber Alles war reinlich und geordnet, so daß man sich bald heimisch fühlen konnte. Dort warteten sie das Unwetter ab. Und während draußen der Sturm tobte und prasselnd der Regen niederfiel, saßen die drei am traulichen Herdfeuer zusam men und sprachen miteinander. „Wer ich bin," erzählte Wilda, „weiß ich nicht. Ich stehe ganz allein in der Welt, und ich brauche auch Niemand, denn ich nähre mich von den Früchten die ses großen Waldes." Erstaunt sah Adah auf das frische Kind. „Was für eine gesunde Farbe Du hast, und wie kräftig Du bist." sagte sie voll Bewunderung. Aber Wilda erröthete und stammelte: „Ach, Herrin, wenn man den ganzen Tag über im Walde liegt, da kann man keine so zarte Farbe haben." „Sie weiß gar nicht, wie gut sie es hat." sagte Adah heiter zu ihrer Dienerin. Als das Unwetter vorbei war. nahm die junge Fürstin Abschied. „Auf Wie dersehen. du kleine Waldhexe!" sagte sie lachend. Und Wilda küßte der Herrin die Hand. Von dem Tage an sahen sie sich öfter. Jedesmal wenn Adah in den Wald ging, traf sie auch Wilda; dann scherzte die Fürstentochter mit dem einfachen Wald kind. und ließ sich von ihm die schaurigen Märchen von dem Zauberer des Waldes berichten. So wurden sie miteinander bekannt, und schon nach einer Woche be tete Wilda ihre hohe Freundin an und war glückselig, wenn sie ihr einen Dienst erweisen durfte oder ihr die zarten blei chen Hände küssen konnte. Um diese Zeit geschah es. daß ein jun ger Prinz aus dem Nachbarlande die Re sidenz der Fürstin besuchte. Prinz Arno hatte von der blassen Schönheit Adah's gehört, und nun wollte er sehen, wieviel Wahrheit an den Mär chen war, die man sich von ihrem Liebreiz erzählte. Bald war er entbrannt von heißer, ver zehrender Liebe für die schöne Fürsten tochter. und da er ein ebenbürtiger Freier war. so beschloß er, um die Geliebte zu werben, falls auch sie etwas für ihn em pfinde. Und Adah, deren Herz noch nicht ge sprochen hatte, empfand, da sie den schmu cken jungen Mann sah. ein heimliches schauern, wie ein Gefühl von ungekann ter Glückseligkeit und als sie allein war, da gestand sie es sich, daß er ihr gefalle. Erröthend und zitternd hörte sie ihn an, und als er seine Werbung vorge bracht hatte, da sank sie ihm in die Arme und weinte Freudenthränen an seiner Brust. Wonnevolle Tage kamen. Die Lieben den schwelgten in endloser Glückseligkeit, und das ganze Volk nahm Theil an dem hohen Glück seiner geliebten jungen Her rin. Eines Tages sah auch Wilda den jun gen Prinzen Arno, als er einsam und nachdenkend im Walde lustwandelte, mit großen, verwunderten Augen sah sie ihn an, wie ein Gott erschien er ihr, lautlos, athemlos folgte sie seiner Spur, sie konnte ihn nicht lange genug anblicken, diesen Mann, den ihre hohe Freundin liebte, und je länger sie ihn ansah, desto schöner und herrlicher erschien er ihr. Plötzlich drehte der Prinz sich um und erblickte das verträumt dastehende Mädchen. Erstaunt sah er sie an. Ihre kraftvoll gesunde Gestalt gefiel ihm. Und er fragte: „Wer bist Du, schönes Kind?" Aber Wilda stand da wie versteinert, starr und stumm sah sie ihn an. Da trat der Prinz auf sie zu. „Du gefällst mir. kleine Hexe!" und er legte seinen Arm um sie und küßte sie auf den Mund, wild und begehrlich. Und da erwachte Wilda schauernd aus ihrem Traum, und purpurübergossen, beschämt, verletzt und doch voll von heim licher Seligkeit floh sie, mit eilenden Schritten, behend und flink wie eine Gemse, weit hinein in den Wald, tief hinein in die Berge, wo keines Menschen Fuß ihr folgen konnte. Wie gebrochen sank sie dort oben zu sammen. Und sie wühlte den Kopf in das hohe Gras hinein, um abzu waschen die Schande, die er ihr soeben angethan hatte, und sie weinte heiße, bittere Thränen, denn sie fühlte, daß sie ihn liebte, den Mann, den sie doch nicht lieben durfte und sie riß sich die Kleider auf und krallte sich die Nägel in das zarte, rosige Fleisch und weinte und schluchzte lange und bitter lich, und durch ihre Seele ging es wie ein tiefer Riß, der ihr das kommende Leben als einen endlosen, steinigen Dornenpfad zeigte, lange, lange schluchzte sie so ... Von dem Tage an ließ sie sich nir gends mehr blicken. Einsam und nach denkend vertrauerte sie die Tage hoch oben im Gebirge, und nur in der Nacht schlich sie sich hinunter in die Nähe der Menschen. Dann umkreiste sie ' oft stundenlang den Palast der Fürstin und blickte mit thränenvollen Augen hinauf zu den Fenstern ihrer hohen Freundin, bis der Morgen anbrach oder die Wächter sie fortjagten. Da erkrankte eines Tages die junge Adah. Ein Wehklagen ging durch das Volk. Die Fürstin und Prinz Arno standen am Lager der jungen Braut, die in ihrer zarten Blässe wie ein lebendig gewordener Engel dalag. Niemand wußte Hülfe zu bringen. Endlich erfuhr es auch Wilda. Und da raffte sie ihre letzte Kraft zusammen und lief zu dem gefürchteten alten Zauberer, der mitten im undurch dringlichen Waldesdickicht hauste, von ihm den seltenen Zaubertrank zu erfle hen. der neues Leben und junge Kraft verlieh. „Wohlan", sprach der Zauberer. „Du sollst haben, was Du begehrst, aber wisse: Dir selbst wird der Wun dertrank nichts nützen, nur wenn Du ihn fortschenkst, wird er die ersehnte Heilung bringen, dafür aber wirst Du, sobald der Trank seine Wirkung gethan hat, Dein Leben lassen müs sen." Zitternd und erbleichend stand Wilda da und starrte entsetzt den Zauberer an. Endlich aber sagte sie todesmuthig: „Ich will! gieb mir den Wundertrank." Und so empfing sie das Fläfchchsn mit der heilbringenden Flüssigkeit. Dann rannte sie Tag und Nacht, und ruhte nicht eher, bis sie der angebeteten jungen Herrin das Lebenselixir ge bracht hatte. Zur selbigen Stunde wurde die schöne Adah gesund, stand auf vom Lager und war blühender, schöner und lieblicher denn je. Ein Jubelsturm tobte durch das Land, als Adah am Arm des schmucken Prinzen Arno dem überglücklichen Volke sich zeigte. Und Alles schrie nach Wilda. Man durchsuchte den Wald und die Berge und alle Höhen und Schluchten man fand sie nicht mehr wieder. Einen Tag später führte der Prinz die schöne Adah als seine Gemablm heim. Und als die Hochzeitsglocken jubelnd durch das Land schallten, da waren sie für die Wilda die Todes glocken. denn hoch oben im Gebirge, gebettet auf duftenden Rosen, lag sie und hauchte ihre Seele aus. So das Bild aus meinem Traum im Leben ereignet sich so etwas wohl nicht mehr. Rudi und die Primadonna. Aus einer Familienchronik. Von Karl Murai. Ich schaukelte mich in meinem Lehn stuhle und meine Frau theilte wir Wichtigste aus der Zeitung mit. Wichtigste nach ihrer Meinung betras den Bnllantring der Primadonna, ein sein gearbeiteter, mit Perlen besetzter ring, der unter Brüdern tausend Gulden werth war. und den die reizende, wenn auch nicht mehr junge Primadonna gele gentlich einer Wohlthätigkeits - Vorstell ung verloren hatte. Der Ring hcute in dem Stücke, das von Dilettanten darge stellt wurde, eine Rolle er yane von Hand zu Hand gehen müssen, wa.>- scheinlich, damit er verschwinden könne, so stand es in der Zeitung. Die Künstle rin bedauerte den Verlust des Ninge. nicht so sehr seines Werthes wegen, a>-- darum, weil er ein Andenken war. Die Polizei habe die nöthigen Recherchen be reits eingeleitet. Meine Frau würzte diesen Bricht selbstverständlich mit ihren eigenen Be merkungen. Und beim Abendessen sprach sie weiter davon. Mein sechzehnjähriger Sohn Rudi, der stets um uns war und unsere Gespräche anhörte, sagte kein Wort. Er that, als oo ihn die Sache gar nicht interesstren wur de, während sonst die Ereignisse der Kunstwelt elektrisirend auf ihn wirkten. Nach zwei oder drei Tagen, als meine Frau wieder einmal wissen wollte, ob der Ring gefunden worden, trat das Stubenmädchen sichtlich erregt ins Zim mer und meldete, daß zwei Geheimpoli zisten ihre Aufwartung machen wollen. Die unerwartete Meldung blieb nicht ohne besondere Wirkung. Meine Arau wendete sich mit gefalteten Händen mir zu. Ihr angstvoller Blick enthielt die Frage, ob ein Verbrechen meine Seele belaste. Ich beruhigte sie, und die bei den Gentlemen traten ein. Nachdem sie meine Identität festgestellt hatten, stell ten sie sich offiziell als Geheimpolizisten vor und erklärten, daß sie Rudi su chen! Aus wolkenlosem Himmel fallende Meteorsteine hätten keine solche Wirkung hervorgebracht, als die Erklärung die ser beiden gewiß sehr ehrenwerthen Her ren. Meine Frau begann zu zittern, fuhr sich dann ihrer Gewohnheit gemäß sehr temperamentvoll mit beiden Händen in die Haare, wonach ein Ohnmachtsanfall zu kommen pflegte. Dieser Anfall blieb diesmal aus, was ich mir als Familien ereigniß notirt habe. Statt des An falles überfluthete sie die beiden Detek tives, die, wie ich getöiß mit Recht an nehme, ihren Besuch bereuten, mit einer Sturzwelle von Fragen, bis ihr der Athem ausging. Ich benützte die Pause, um selbst zu fragen. Ich wollte wissen, in welcher Angelegenheit man den Buben suche. Der eine Detektiv, der die Rolle des Vortragenden inne hatte, berichtete über den Verlust des Ringes der Pri madonna. „Ihr lieber Sohn", fuhr der Mann fort", meldete sich gestern Nachmit tag beim Polizeichef, eben als dieser behufs Eruirung wissenswerther De tails bei der Künstlerin weilte, mit der Erklärung, daß er bezüglich des Rin ges eine Aufklärung zu geben wünsche. Der junge Mann wurde sofort zur Primadonna und zum Polizeichef ge führt. Er gab an, daß der verlorene Ring in Wiener-Neustadt unter Nr. 345.697 versetzt worden sei. Diese Behauptung überraschte die Prima donna derart, daß sie laut aufschrie. Das sei unmöglich, sagte sie erregt. Der Herr Ehef war jedoch nicht der gleichen Meinung, sondern leitete so fort die nöthigen Schritte ein. Die telegraphische Antwort aus Wiener- Neustadt ist bereits eingelangt, und da dieselbe mit den Angaben des Herrn Sohnes nicht ganz übereinstimmt, möchte der Herr Chef mit dem jungen Herrn sprechen. In diesem Augenblicke trat Rudi in's Zimmer, die beiden Herren vornehm ignorirend. Als er jedoch erfuhr, mit wem er die Ehre habe, erschrak er. Er wurde blaß, zitterte unr> gab seiner Mutter dadurch genügenden Anlaß, in lautes Wehklagen auszubrechen. Bevor der junge Herr zur Polizei ge führt wurde, befragte ich ihn in der lie benswürdigsten Art, wie er zu der Nach richt von dem Brillantringe gelangt sei. und wieso er selbst die Nummer des Ver satzzettels genau kenne. Rudi, der sich inzwischen wieder gesammelt hatte, be richtete mir, daß er während einerTram wayfahrt das Gespräch zweier verdächtig aussehender Individuen belauscht habe. Die' Unbekannten sprachen von einem Ringe, vom Wiener - Neustädter Ver satzamte und nannten die Nummer. Es habe auf ihn den Eindruck gemacht, daß von dem Ringe der Primadonna die Rede sei. In diesem Glauben wurde er noch dadurch bestärkt, daß der Name der Künstlerin und die Wohlthätigkeits- Vorstellung erwähnt wurden. Unter diesen Umständen hielt er es für seine Pflicht, die große Künstlerin hiervon zu verständigen. Rudi wurde dann dem Polizeichef vorgeführt. Das Verhör muß lange ge dauert haben, denn erst spät am Abend, lange nach dem Nachtmahl, kam er ermattet und appetitlos zurück. Anstatt sich in Verhandlungen mit uns einzulassen, zog er sich mit der Erklärung zurück, daß er schläfrig sei. Allein ich weiß, daß er die ganze Nacht kein Auge zumachte. Seine Mutter, die mindestens zwanzigmal an sein Bett eilte, fand ihn stets wach. Er mußte auch gefiebert haben, da er während der Nacht fast zwei Liter Wasser trank. Morgens war er nur mehr ein Schatten, er schwankte wie ein Reconvalescent. Meine Besorgnisse, und meine Neu gier bewogen mich, den Polizeichef, der meinen Rudi verhörte, aufzusuchen. Er empfing mich überaus liebens würdig, bald aber begann er zu lachen. Er lud mich ein, Platz zu nehmen, bot mir eine Cigarre an und erzählte mir dannn Folgendes : „In der Künstlerwelt geschieht Vie les. wovon das große Publikum nichts weiß und auch nichts wissen soll. Hie zu gehört zum Beispiel der Verlust werthvoller Schmucksachen. Nehmen wir an. eine berühmte Künstlerin tritt in einer Wohthätiakeitsvorstellung auf. Wenn ein solcher Abend /roßen Nutzen abwirft, so bewirkte dies nur das Auftreten der Künstlerin. Es giebt wohlthätige Zwecke, bei denen die Primadonna nicht gut ein Honorar for dern kann. Dann singt sie unentgelt lich, was in den Zeitungen ent sprechend tief gehängt wird; dazu sind ja die Zeitungen da, meint man. Auf einmal aber heißt es, daß die Primadonna während der Vorstellung irgend einen theueren Schmuck verlo ren habe und hierdurch einen Schaden von tausend Gulden erleide! Hat sie ihn wirklich verloren? Was geschieht aber? Das Kommittee kann doch un möglich zugeben, daß die Künstlerin ei nen solchen Schaden erleide, es ersetzt ihr unter Ausdrücken tiefsten Bedauerns wegen des erlittenen Verlustes den Werth des Schmuckes, oder mit an deren Worten: Die Dame erhält, wenn auch unter einem anderen Titel ein nettes Ehrenhonorar, das ihr sonst entgangen wäre." Der Polizeichef lachte über meine naive Ueberraschung, er weidete sich an meinen verdutzten Anblick. Dann sprach er weiter: „Sehen Sie, der Diamantring un serer Primadonna ist ganz nach den Regeln dieser Gepflogenheit in Verlust gerathen. Denken Sie sich also die Ueberraschung, die Ihr Sohn hervor rief! Er erschien mit der Erklärung, von dem verlorenen Ring etwas zu wissen. Von einem Ringe, der nie existirt hat und daher auch nicht in Verlust gerathen konnte. Die große Künstlerin wurde fast ohnmächtig und in ihrer ersten Ueberraschung verrieth sie auch, daß der Junge davon gar nichts wissen könne. Ich mußte Rudis Behauptung selbstverständlich ernst nehmen, nach Wiener-Neustadt depe fchiren selbstverständlich vergebens." Hier unterbrach ich den Polizeichef mit der Frage, warum dann mein Rudi eigentlich gelogen habe? „Sie entschuldigen schon, aber Ihr Rudi ist ein ganz dummer Junge: Er ist in die Primadonna verliebt und glaubt natürlich an den Verlust des Ringes. Und da er dies glaubt, dachte er, daß ihm die Künstlerin in folge seiner Entdeckung mindestens um den Hals fallen und ihn küssen werde." Ich machte mich auf den Heimweg. Ich verspürte weder Zorn noch Straf gelüste, denn ich dachte mir. daß der Junge, der um den Preis eines Kus ses von einer schönen Frau den Kampf aufnimmt, jenem gesunden Apfel gleicht, der nicht weit vom Stamme fällt. MillieWe MMlen. Bil bösen Streich. O Von Jochen Knaak. Dat giwt in de ganze Stadt keinen gemüthlicheren Minschen as Robert Ru dolphen. Robert het einen Saluhn un wenn Jemand sick mal ornlich amesiren will, denn geiht he nah Roberten, denn nich allein, dat Robert lustig is, da kümmt ook ümmer allerhand lustige Ge sellschaft tosahm un gewöhnlich duert dat nich all to lang, denn Hebben se wedder einen schönen Streich in'n Gang. As dat vör'n körte Tied so bannig kolt was, dunn satt Robert mal ganz al lein in sienen Saluhn. He harr sienen Anen schön in'n Gang kröcht, harr sick en schönes warmes Glas Grog inschenkt un satt nu hinnern Awen mit'n fein Ci gar in'n Mund un freut sick, dat he so ge müthlich hinnern Awen sitten künn, wo anner Lüd in dat kolle Weder rut müß ten un sick de Snuten un Poten verfrieren deden. He schenkt sick so nah un nah noch ein paar von de warmen Grogs in un mit de Wiel ward he so recht gemüthlich soh len. un he denkt so bi yck: „So, nu mücht ick wol wedder mal einen ornlichenStreich utführen." In den fülwigen Öogenblick ward de Döhr apenreten un gliek darup steiht Joe Schunk vor Roberten un den Awen. schüttelt sick un riwt sick de Händ' un segt: Herrgott noch'n Mal, Robert, hüt is l awer rein gor nich uttohollen mit de Küll, kumm, schenk mi mal sixing en schönen, heiten Grog in!" Robert springt sixing to, schenkt den Grog in, Joe glitt em dahl. schüttelt sick gehörig, wie sick dat nah einen starken Grog gehört; röppt: „Fill em up again. Robert!" un set't sich denn ook hinnern Awen. „Well. Joe segt Robert wat het Di hüt rutdrewen?" segt Joe ick hew in den näch sten Square en nieges Huus in Arbeit un da wull ick mal seihn, ob de Küll ook Schaden dahn het awer da is Allens in de Ordnung kumm Robert, schenk noch ens in!" Robert schenkt wedder in. füllt ook sien eigen Glas Wedoer vull un set't sick dunn neben Joe; se verteilen sick so von al lerhand. bet mit'n Mal Joe röppt: „Weißt Du. Robert hüt is doch nicks los up de Straat hüt möcht ick wol mal'n ornlichen Streich utführen. weißt Du nicks Vernünftiges nich?" „Schuhr. Joe. ick weit ümmer wat segt Robert lat mi mal'n beten nah denken!" un damit geiht he an dat Fin ster, üm nahtodenken. awer in den sülwi gen'Öogenblick führt de dicke Käshändler Jehann Mehl de Straat entlang un Ro bert ritt de Döhr up un röppt: „He. Je hann. kumm rin, warm Di en beten!" Jehann let sick dat nich tweimal seg gen; he bringt sien Pierd in Roberten sienen Stall un kümmt rin in den Sa luhn; Robert schenkt em einen Grog in un dunn güng dat Verteilen los, von we gen dat Doktor Rohrdanz nu doch noch sriegt harr, nahdem em all de heirats fähigen Frugenslüd all upgewen harrn un dat he so'n schöne, nette Fru kregen harr, awer dat wär gewöhnlich ümmer so. de bübschsten jungen Mätens söch t-n sick gewöbnlich ümmer ehr Gegenpart ut. Ün wat Apteiker Krembs wär. de harr all wedder mal de Podegra un Ap teiker Werner süll sick ook man in Acht nehmen un nich to veel von de Medizin prowen. de he da hinnen in sienen Stohr höllt. am End güng em dat ook noch so as Krembsen. Julius Schüngel süll jo sienen Saluhn jetzt bannig sien inricht Hebben un wat Fritz Heiden is. de süll jetzt den Kopp bannig hoch dragen, up wat he eigentlich so stolz wesen ded, dat wüßten se nich. awer Julius Schüngel harr seggt: „Töwt man noch'n paar Dag. denn ward Ii wol utfinden. wat mit Fritzen los is." Well, so dröhnten se un klöhnten. bet Joe wedder mit'n Mal seggt: „Jo. dat's all recht schön un recht gooo. awer kön nen wi nich en beten Spaß Hebben? Am (snd weißt Du wat Vernünftiges, Je bann?" Jehann kriegt sien Glas to faten un nimmt dat so recht bedächtig an'n Mund un fügt eben un sinnig den schönen Grog, wobi he de Oogen so halw tokniepen ded. un as he genog sagen harr, dunn seggt he: „Je, dat's wol licht geseggt: „En Lim burger Käs" awer he sall doch ook stinken. Weiten doh ick wol wat awer wie will'n wie em her kriegen?" „Wen meinst Du?" röpen Robert un Joe to glieker Tied. awer bevor Jehann antwurten künn. güng de Dohr up un Fritz Stengel kümmt rin. Fritz is en richtigen Schwoben un so röppt he denn: „Oi Jekerle, is des a Kält!" „Ja segt Robert so'n richtig Weder för'n gooden Grog; kumm Fritz set Di an'n Awen!" Fritz.let sick nich lang nödigen. nimmt sien Glas to Hand un nahdem he en orn lichen Zug nahmen het, segt he: „Na, Leitle, wos giebts denn!" „Ja segt Jehann Mehl weißt Du, Geisterban ner (so nennen se Fritzen gewöhnlich), wi Wullen uns mal en Spaß maken mit Die nen Fründ, den anneren Geisterbanner den ScÄvoben von de Brugerie, wie können wi em wol hüt Abend hierher krie gen?" Fritz legt de Finger an de Näs un meint, dat würd wol en schweres Stück sien, denn den Schwoben siene Ollsch, dat wären Satan un de würd em wol nich von Huus weglaten; da wär he doch beter aw, denn he harr sick kein Ollsch up'n Hals hängt, dat wär de dümmste Streich, den en Minsch blos maken künn. Dat wär allens Papperlapapp, meint Jehann dato, de Frag wär, wie de Schwöb her to kriegen wär. „O segt Robert ick hew'n Plan; ick schick mienen Jung hen nah em un lat em seggen, dat uns Lohsch hüt Abend Böker reoidiren deiht un dat he mit dabi sien mütt, un denn let em sien Ollsch tre cken; awer wat willst Tu mit em, Je hann?" „Dat will ick Juch seggen, Lüd; wenn de Schwobers! hier is, denn ward he ook düchtig mit uns drinken, un denn markt he nich, wie de Tied vergeiht. un wenn dat denn ganz spät is. denn let em sien Ollsch nich in't Huus rin. dato kenn ick se to genau; dat ward 'n Spaß Warden, wenn he vör de Döhr steiht in de Küll un jammert: „No doch, liebs Woible. geh mei Schätzle, mach uff!" De Plan gesöll se all un so würd de Jung awschickt un dat duert ook gor nich lang, dunn was de„annereGeisterbanner" to Stell. He freute sick ganz königlich, dat siene Fründ em up so flaue Wies von to Huus löstest harrn un ut luter Dank barkeit triet he se all to einen Grog nah den annern. Na. se drünken un drünken. un de Tied oergüng in'n Uemseihn. bet mit'n Mal de Schwöb sien Pellketüsfel ut de Tasch treckt un röppt: „Oi. Jeckerle. dees is schpat!" un ohne sick lang uptohollen, treckt he sienen Rock an un fchöw nah Huus. Unse Fründ güngen gliek hinner em her un schuhr. Grad as Jehann dat segt harr, so was dat ook. Da stünn de Sck>wob vör siene Huusdöhr un jammer te: „Mei liabs Herzblättle. bist ja mein Schätzle, kumm, geh doch, Zuckerle, laß mi ein!" Awer de Ollsch rüppelte un rögt sick nich un de arm Mann, den de Küll bet up de Knaken gahn ded, danzte ümher, üm sick warm to Hollen. Unse Fründe stünden up de nächste Eck un Wullen sick ümmer dodlachen, awer de Küll was doch to groot un so meint Fritz Stengel denn schließlich, he wahnte dicht dabi, sien Junggesellenwahnung wär schön warm, en gooden Schluck harr he ook in'n Huus, da würd wol dat Vernünftigste sien. se güngen dahin un wärmten sick irst mal up. Dat würd denn ook annahmen un ohne sick blos üm den armen Schwoben to kümmern, marschirten se aw un bald darup seten se mollig un warm in Fritzen siene Stuw. As se nu so sitten un sick ümmer dod lachen willen äwer den Streich, den se den Schwoben speelt Hebben, kloppt dat mit'n Mal an de Döhr; Fritz spitzt de Ohren un geiht nah buten. üm to seihn, wat los 'is un as he srögt. wer da is. dunn is dat de Schwöb; he was stief froren, sien Ollsch harr sick nich erweiken laten un so verföchte he denn, bi sienen Fründ un Landsmann rintokamen. Nu würd fixing Kriegsrath Hollen un de Beschluß was. se Wullen den Schwoben noch'n beten zappeln laten; awer de arme Minsch jammerte doch gor to sehr, so dat se schließlich weik würden un em rinner laten deden. Kum was he awer in de Döhr, dunn dreiht he sick mit'n Mal üm un segt. he harr sien goldene Uhr verloren un dat müßt grad vor de Döhr west sien. denn vör'n Öogenblick harr he se noch beseihn. Natürlich güngen Fritz un Jehann Mehl gliek mit em rut, üm de Klock to söken, se wiren awer eben ut de Döhr, dunn'smitt de Schwöb de Döhr to. dreiht den Slötel rüm un segt: ..Wart', Ihr Bubele. jetzt derst's friere!" Harr de Schwöb irst froren, so harr he doch sienen Aewerrock anhatt, awer Je hann un Fritz harrn ganz un gor nicks Warmes an un so füngen se denn bald in Gemeinschaft an to jammern, he süll ehr doch rinlaten; se verspröken allens Mögliche, wat se dohn Wullen, awer uns Schwöb satt to gemüthlich in de warme Stuw un he un Robert und Joe Wullen sick ümmer dodlachen äwer den gelunge nen Streich. Well, mit de Wiel, as de Schwöb sick ornlich'upwarmt harr un de schöne Brändy, den Fritz sick Holl, em dat Hart weik malt harr, dunn würd em dat doch duern un so löt he de beiden armen Sün ners denn in't Huus; irst müßten se awer verspreken, dat se in de nächste Lohschen-Mietung en feinen Lunfch un de nöthige Labung fpendiren Wullen. Well. Jehann un Fritz feggen. se War den de Nacht sobald nich wedder vergeten un Jehann het sworen. he ward in sienen ganzen Lewen den Schwoben keinen Streich mehr spelen. Herausgeplatzt. Sie: „Jetzt werde ich Klavier spie len und Du wirst zuhören." Er: „Ja, Du willst immer das Leich tere." Ursache und Wirkung. „Die Frau Sekretär hat schon wieder einen neuen Regenmantel." „Na. da wird's wieder schöne Thrä nen geregnet haben." Kathederblüthe. Professor: „Ueber dem Tode dieses großen Mannes schwebt ein geheimniß volles Dunkel, denn auch in seinen Me moiren hat er leider nicht das Geringste hierüber mitgetheilt." Sein Standpunkt. „Ja. können Sie denn nicht lesen? Her steht doch deutlich genug geschrieben: Sprechstunde nur A —4 Uhr!" „Ja, ich will Sie ja garnicht sprechen ich möchte Sie nur um eine milde Gabe bitten." Stimmt. „Sagen Sie mal. Herr Kapitän, was haben Sie denn für eine reizende Jn dierin in Ihrem Album?" „Eine frühere Schwärmerei, gnädiges Fräulein!" „Also gewissermaßen eine bengalische Flamme!" So, so! Er: „Ja, bist Tu heute ausgeputzt was bedeutet denn das, wo willst Du denn hingehen?" Sie: „Zu meiner größten Feindin." Ballgespräch. „... Also die Mama hat Sie heute das erste Mal auf einen Ball mitgenom men? Im vorigen Jahre waren Sie wohl zu jung?" „Ich nicht, aber Mama." Vater und Sohn. Sohn: „Weißt Du was. Vater, ver suchen wir's bei unser'm Pferdehandel 'mal mit der Ehrlichkeit!" Vater: „Ich laß mich nicht ein auf Spekulationen!" Hedichte. Märznacht. So still die Nacht. Mit schwarzen Wol kenschauern Ist rings umhüllt die dunkle Welt, Als sollte ewig nun die Erde trauern Gefangen in des Winters Kerkermauern, Von keinem Sonnenglanz erbellt. Skeletten gleich die kahlen Bäume ragen Gespensterhaft am Wegesrand. Es scheint der Wald die Wolkenlast zu tragen, Ein Laut zuweilen zittert, wie ein Kla gen. Herüber von der schwarzen Wand. In meine Brust zieht leis' ein kaltes Grauen. Kein Strahl durchfliegt den finstern Raum. Nach Licht sehnt sich mein Herz, ich möchte schauen Sonnenglanz und Blüthenpracht die Auen. Und träumen holden Lenzestraum. Da theilen sich nicht dort die Wol kenballen? Glimmt nicht ein matter Schein dort fern? Seid mir gegrüßt, o blaue Himmels hallen. Auf meine Knie möcht' ich niederfallen, Anbetend dich, du goldner Stern! Und horch es tönt ein fernes dumpfes Rauschen. Das wie Musik an's Ohr mir schwirrt ; Mir klopft das Herz, ich stehe, um zu' lauschen. Mir ist's, als hörte ich die Bäume plau schen. Daß bald es wieder Frühling wird. Karl Reuter Kerger. 5 5 D a s M ä r ch e n. „Du bist das Märchen! Märchen, küsse mich!"— Aus der „Versunkenen Glocke". Du bist das Märchen meiner Jugendzeit! O. komm zu mir. wie hab' ich Dich so gerne! Ein Blick aus Deinen Augen, fonnen gleich. Ruft aus der Seele mir ein Märchenreich, Erbaut aus Träumen meiner Jugend ferne. Still war die Maiennacht, und Flur und Rain Bekränzte sich mit weichen Blüthen flocken, Leuchtkäfer irrten surrend durch den Hain, Die Quelle sang und lichter Sternen schein Wob einen Silberschmuck um Deine Locken. In Deiner Märchenschönheit sah ich Dich, Ein Beben klang durch alle Blüthen räume, Und meine Lippen lösten betend sich: „Du bist das Märchen! Märchen, küsse mich Und schenke mir den schönsten Deiner Träume!" Du bist das Märchen meiner Jugendzeit! Mein Stern! Mein Glück! Und mein ge treues Lieben! Und welken alle Hoffnungsblüthen gleich Und sank in Trümmerschutt mein Mär chenreich: Du warst mein Stern! Und bist mir treu geblieben. Rauh kam der Sturm und wild war seine Macht, Der fegte durch die stillen Märchenlande, Trieb von den Bäumen alle Blüthen- Pracht Die Sterne schwanden in der Mitter nacht, Und klagend hob die Welle sich zum Strande. Ich aber irrte trauernd durch die Flur Und suchte Dich und konnte Dich nicht finden, Vom Sturm vertrieben fand ich Deine Spur. Auf welke, nasse Blumen trat ich nur. Die ruhelos sich stritten mit den Winden. Und weinend barg ich fchmerzenüber mannt In meine Hand das Haupt und bin ge gangen Da aber nahtest Du im öden Land Und legtest Deine weiche Märchenhand Mir still und tröstend auf die blassen Wangen. In Deiner alten Schönheit sah ich Dich, Und jauchzend sank ich Dir zu Füßen nieder, Heißbrünstig rührten meine Lippen sich: „Du bist das Märchen! Märchen, küsse mich Und baue mir das Reich der Träume wieder!" Karl Wilhelm. Weltgeheimniß. Weltgeheimniß ist der Tod! Alles Leben fühlt ein Schauern, Alle Kreaturen trauern. Wo aus grabesfinstern Mauern Moder und Verwesung droht! Augen, die in Liebe flössen. Warme Lippen sind geschlossen. Kalt und starr die treue Hand: Und wir fragen gramversunken. Wo er blieb, der heil'ge Funken. Der hier leuchtend einst gebrannt 6 ! Weltversöhnung ist der Tod! Selig in des Grabes Frieden, Selig alle, die geschieden. Die Beladenen. die Müden. Los nun jeder Erdennoth! Und das Herz, das arme, kranke, Und der rastlose Gedanke, Wunsch und Hoffnung, Furcht und Pein. Alles schweigt und ruht in Träumen. Und der Nachtwind in den Bäumen Säuselt ernst und still darein. Ueber Leben, über Tod, Wie der Mond aus Wolkenringen, Hebt die Liebe ihre Schwingen; Welten brausen. Sphären klingen Im erneuten Morgenroth! Mag das Grab mit seinen Schrecken Auch das Liebste Dir verdecken. Hingemäht vom Schnitter Zeit, Eines ist Dir doch geblieben: Deine Todten kannst Du liebelt, Und das ist Unsterblichkeit. 5 Aus Kindertagen. Es war ein goldner Tag zur Erdbeer zeit. Die Hecken dufteten im Sommerwalde. Die Stunde lockte zur Glückseligkeit. Der Tag verglühte tiefroth an der Halde. Noch lag ein Sonnendämmern weit im Rund; Das Spätlicht hing wie Perlen in den Aesten Wildtauben riefen aus dem Heide grund Ein Wind auf Abendflügeln kam von Westen. Wir aber flogen wilder wie der Wind, Mit heißer Stirn, und Sommerspiel im Herzen, Und vogelmlmter. wie nur Kinder find, Die Heid' entlang, in Frohmuth und m Scherzen. Ich weiß es noch: am hellsten lachtest Du. DaS braune Kind, das fremd in unserm Reigen. Dein Auge schweifte waldwärts ohne Ruh, Als dräng' es fragend in das große Schweigen. Du sprachst: „Es kommt ein Erdbeer duft vom Grund Ich will die Süßen tief im Walde suchen." Ein düsternd Lächeln kam um deinen Mund. Und dann entflogst Du unter düstern Buchen. AuS knospenden Gebüschen tauchte dann Dein Köpfchen manchmal auf wie eine Blüthe, Und neigte sich, und hob sich himmelan, Bis es wie junge Rosenblätter glühte. Die hellen Beeren standen rings im Kraut, Gleich wie Rubinlicht in zerstreuten Funken.... Die pflücktest Du und jubeltest dann laut Da plötzlich warst Du unserm Blick ver sunken ... ! Dann kam's aus Weiten wie ein weher Ton, Und dann lag wieder rings das Abend schweigen Mit goldenen Schatten dunkelte es schon, Und plötzlich stand die Furcht in unserm Reigen. Das Spiel hielt an wir riefen lau! zum Wald, Die Luft durchrann es wie ein bitt'res Weinen Da hob sich aus den Büschen die Gestalt Des fremden Kind's im ersten Sternen scheinen. Sie kam zurück ihr Röcklein hing zer fetzt. Und Blut troff ihr von Fuß und Hanö und Wangen. Die Augen blickten fremd und ganz ent setzt- Sie war in Heidttiefen irrgegangen!... Sie sprach: „Ich ging dem Schlehen dufte nach. Er kam aus tiefen Waldesfinsternissen; Doch als ich von den feinen Blüthen brach, Da haben mich die Dornen wund ge rissen. Und rotheßeeren hab' ich dann gesucht— Doch als ich von dem Erdbeerbusch ge krochen, Da gleißten dunkle Aeuqlein bei der Frucht, Und eine Schlange hat mich tief ge stochen." Das ist nun lange her die Jahre geh'n. Der alte Kinderreigen ward zerrissen Doch seh' ich noch die Kleine jam mernd steh'n, Den heißen Wunsch bestraft von Schlan genbissen. Ach, süßgeheime Frucht imLebensgrund! Die Sehnsucht wird dich ewig suchen gehen, Doch wer Dich pflückt, den sticht die Schlange wund, Und blutend wird er in der Oede stehen. Albe'rta A. Putt kamer. Nielvers prechenderAn fang. „Fräulein Wanda ist also auf dem be sten Wege eine sogenannte Emanzipirie zu werden?" „Freilich! Die hat bereits vor de: größten Spinne keine Furcht!" B a l l g e s p r ä ch. Junger Mann: „Fräulein sehen heute aus wie das Dornröschen, welches hun dert Jahre geschlafen hatte!" Ihr Standpunkt. „Den Pallisaden-Karl haben sie ge stern verhaftet." „Und der Grimmingerist gestern auch eingelegt worden." „Ja, die Unsicherheit wird immer größer." Naiv. Professor (auf der Sternwarte): „Sie kommen zu spät. Fräulein, seit gestern ist der Komet nicht mehr zu sehen." Fräulein (bittend): „Ach. wegen mir werden Sie schon mal eine Ausnahme machen. Herr Professor." SonderbareZumuthung. Beamter : „Wovon leben Sie eigent lich ?" Herr : „Was ? Sehe ich vielleicht aus wie Einer, der es nothwendig hat, von etwas zu leben?" Ein Prosaiker. „Aber geh' noch nicht so schnell. Nebe? Mann, sieh Dir doch die Naturschönhei ten an." „Ach was. je schneller ich laufe, desto weniger kost' uns die Reise." Ba u e r n l o g i k. Michel: „Was sagst, Dein Weib mag Dich net. na so Hau's nur recht tüchtig, dann wirst ihr schon a Lieb beibringen!" In der Leihbibliothek. Köchin:^,lch möchte die drei Muske tiere haben oder wenigstens einen." Ehrgeiz. Sonntagsjäger (zum angeschossenen Treiber): „Schreien Sie doch wenig stens. damit die Andern hören, daß ich auch 'was getroffen habe!" Im Theater. Herr: „Meine Damen, seien Sie doch ruhig! Man hört ja nicht!" Eine Dame: ..Wenn Sie nichts hö ren. wie können Sie sich dann über Un ruhe beklagen?" Merkwürdige Auffassung. Buchhalter: „Herr Chef, möchte fra gen ob ich nicht eine kleine Zulage krie gen'könnte. ich habe gestern geheirathet." Chef: „Sie meinen wohl, daß mein Geschäft ein Unfallversicherungsbureau ist. das geht nicht." Im Vorhinein. wette, wenn ich Dich jetzt anpum pen wollte. Du sagtest. Du hättest kein Geld!" „Tu hast die Wette gewonnen!" Sehr fürsorglich. „Was? Du bist Mitglied der Gesell schaft für Gefängnißwesen geworden?" „Man kann nie wissen, wie man'Z noch gebrauchen kann!" Am Monatsletzten. Herr (im automatischen Restaurant): „Ja. aus Pump funktioniren diese Au tomaten nicht." Studiosus: „Herzlose Erfindung!"