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Ber tB. Krnmaire. Von lul. v. New-ld (Wien). Zum hundertsten Male jährte sich am d. d. M. der Tag, da General Bonaparte me Direktorialverfassung über den Hau ten Warf und sich zum Herrn Frank teich machte. Diesen 18. Brumaire des epxblikanischen Jahres VIII, dieses Hörbild und Muster aller modernen ..Ge sellschaftsrettungen", etwas näher zu be trachten, lohnt umso mehr der Mühe, als gerade in den letzten verflossenen Jahren verschiedene Publikationen neues Licht auf diesen Staatsstreich par excellence geworfen haben. Wir denken da zunächst an die Me moiren des Barras, die trotz ihrer Un verläßlichkeit und Verlogenheit für die Geschichte der großen Revolution von au ßerordentlichem Werthe sind. Paul —ci- devant—Graf Barras war ja einer der Hauptmacher des 9. Thermidor (27. Julj 1794) gewesen, der an die Stelle der bluttriefenden, aber moralisch inte gren Robespierre'schen Schreckensherr schaft ein Regime der Korruption und Verworfenheit setzte. Die Zeit, die zwi schen des „Unbestechlichen" Sturz und dem 18. Brumaire liegt, ist nicht die blutigste, gewiß aber die schmutzigste Pe riode der ersten französischen Republik gewesen. Intriguen und Kabalen zwi schen den fünf Häuptern der Regierung, steter Hader mit den repräsentativen Körperschaften, Gesetzes- und Verfas sungsbrüche sonder Zahl, vor Allem aber eine Käuflichkeit und eine Jmmoralität, deren richtiger Typus eben jener Barras war: das ist die Signatur dieser Epoche. Dazu kamen in den Jahren 1798 und 1799 noch Mißerfolge nach außen, die das Direktorium als eine ohnmächtige und verächtliche Regierung erscheinen lie fen. Kurz, zu jener Zeit, da der Ober general Bonaparte in Eavpten ebenso glänzende als zwecklose Siege erfocht und seinem Ehrgeize, ohne irgend eine staat liche Nothwendigkeit, Ströme französi schen Blutes opferte, war das Direkto rium daheim reif geworden, überreif,, .zum Abfallen. Carnot, der große Orga nisator der nationalen Vertheidigung von 1793, der lauterste Charakter, der strengste Republikaner, ist in dieser Be ziehung verläßlichster Gewährsmann. „Das Direktorium war." schreibt er in seinen Memoiren, „bis zu einem derarti gen Grade der Mißachtung gediehen, daß in Ermangelung Bonaparte's irgend ein anderer Armeeführer den 18. Brumaire gemacht hätte. Vielleicht Hoche, wenn er noch am Leben gewesen wäre." Da landete, unvermuthet für alle Welt, nur von wenigen Getreuen beglei tet. Bonaparte am 6. Oktober 1799 bei Ir<sjus im südlichen Frankreich. Ein ungeheurer Jubel empfing ihn. Es war die „Rückkehr des Helden", die alsbald in Wort und Bild gefeiert wurde. Im Grunde war der G6n6ral en chef, der ohne Erlaubniß der Regierung feine egyptische Armee im Stiche gelassen und! sich wie durch ein Wunder zwischen den! zahlreichen im Mittelmeer englischen Schiffen durchgeschlängelt hatte, ein Deserteur. Aber kein Mensch dachte daran oder wagte es, ihn darob sur Rechenschaft zu ziehen. So sehr ver- j langte Alles nach Veränderung. So i sehr sehnte sich die zum Spottbilde ge-j wordene Republik, „ihre Sicherheit und ihr Wohlergehen irgend einem Vormunde anzuvertrauen". Daß etwas Großes, etwas Zendes geschehen müsse, daß der Sieger von Italien, der Held vom Nil dieses! Vroße thun werde daran zweifelte' 'aum mehr Jemand in Frankreich. Es war also nicht etwa eine im Finstern schleichende Verschwörung, die sich an-- schickte, dem Direktorium den letzten mor- schen Balken, auf dem es noch zur Noth ruhte, abzusägen. Ebenso offen, wie 32 Jahre später vor dem Staatsstreiche! Louis Napoleon's, sprach man auch im! Spätherbste 1799 von den kommenden Dingen. Wesen und Zwecke des geplan-! ten Attentates kannte so ziemlich "Jeder-! mann; aber selbst in die Einzelheiten der! Verschwörung war eine erklecklich große Zahl von Personen eingeweiht. Man suchte der Umwälzung den Schein des Gesetzes zu wahren, ging aber doch von Anfang an in illegaler Weise! vor. Ohne Wissen des Direktoriums! traten der Ausschuß des Rathes der Al- > ten und 174 andere Mitglieder dieser Versammlung zusammen, beschlossen die Verlegung beider Räthe nach St. Cloud und übertrugen den Oberbefehl fämmtli-! cher Truppen in und bei Paris an den! General Bonaparte. Dann ging man! daran, die Regierung der Republik zu! beseitigen. Es gelang mit großer Leich tigkeit. Zwei der Direktoren, Roger Du cos und der aus der allerersten Phase der Revolution bekannte waren überhaupt schon für die Sache des Um sturzes gewonnen. Zwei andere, Gohier und Moulins, offene Gegner Bona parte's, ehrenwerthe aber völlig unbedeu tende Männer, wurden verhaftet. Der fünfte endlich, Barras, räumte zum Staunen der Welt freiwillig das Feld. In einem phrasenverbrämten Schreiben gab er, dessen Widerstand vielleicht am gefährlichsten hätte werden können, seine Demission. Das fast lautlose Ver- schwinden dieses Ehrenmannes, der sich einerseits stets auf den strengen Republikaner hinausgespielt, anderer seits so viel Gefallen an der Macht ge funden hatte, ist in seinen Ursachen heute noch nicht sicher aufgeklärt. Barras' weitschweifige Memoiren geben über die sen Punkt natürlich am allerwenigsten Aufschluß. Diese Denkwürdigkeiten strotzen vom Anfang bis zu Ende von vehementen Angriffen, ja wohl auch von Verläumdungen Bonapartes. Warum Barras aber gerade damals dem gehaß ten Corfen ohne Versuch eines Wider standes den Weg freigab, wird um so weniger klar, je mehr der sel ber darüber schreibt. Man geht viel leicht nicht fehl, wenn man die Frage „Was hat der 18. Brumaire Ba'ras für feine passive Haltung eingetragen ?" mit demjenigen Worte erledigt, das in des Wackeren Leben die Hauptrolle gespielt l>at: Geld! Nachdem so das Direktorium in gleich ehrenvoller Weise, wie es seit fünf lah- i ren geherrscht, vom Schauplatze ver schwunden, unbetrauert, spurlos, als hätte es niemals gelebt galt es nun für Bonaparte und seinen Anhang, auch die beiden gesetzgebenden Körperschaften unschädlich zu machen. Am Vormittage des 19. Brumaire begab sich also der General zunächst in den Rath der Alten zu St. Cloud. Hier hatte seine Partei überhaupt schon die Mehrheit. Trotzdem aber war die Rolle, die Bonaparte in dieser Versammlung nun spielte, eine nichts weniger als glän zende. Sein erstes parlamentarisches Debüt, wenn man so sagen darf, miß glückte vielmehr vollständig. Er war kein Redner; die Situation war ihm völlig neu und fremd. Gleich bei seinem Eintreten in den Saal ward er befangen und verwirrt. Er wollte die „Alten" durch eine Ansprache völlig auf seine Seite ziehen, brachte aber nur Unzusam menhängendes und Abgerissenes vor. Als man ihn unterbrach, kam er völlig aus dem Context und verstrickte sich der maßen in seinen eigenen Phrasen, daß Bourienne und Berthier ihn mit den Worten „General. Sie wissen nicht mehr,! was Sie sagen!" freundschaftlich aus j dew Saale zogen. , Noch weniger glücklich war sein Auf treten im Rathe der Fünfhundert, wo er zudem die Mehrheit der Volksvertreter gegen sich hatte. Hier, wo Napoleon's Bruder Lucian präMrte, schickte man sich eben an, wider den Usurpator einen fsrmellen Beschluß zu fassen. Da tritt, von einigen Generälen und vier Grena dieren begleitet. Bonaparte ein. Ein Sturm der Entrüstung braust dem Kecken entgegen. Man umdrängt ihn, und ehe er noch zu Worte kommen kann, zieht ihn seine Umgebung wieder hinaus. Lucian aber eilt, seine Toga abwerfend, aus dem Saale, schwingt sich us ein Pferd und haranguirte die Truppen. Grenadiere rücken mit gefälltem Bajo nette in den Saal. Entsetzt stieben die Volksvertreter auseinander: einigc springen durch die Fenster der Orangerie in den Garten; ein paar, die nicht wei chen wollen, werden von den Grenadie ren hinausgetragen. Um halb 6 Uhr Abends ist der Rath der Fünfhundert gesprengt, der Staatsstreich gemacht. Den dramatischen Höhepunkt des Brumaire - Staatsstreiches bildete also ! jener Moment, da Bonaparte. sich über Verfassung und Sitte hinwegsetzend, in ! den Rath der 300 eindrang. Aber es dürfte kaum jemand behaupten, daß der Held von Arcole und Lodi, der Sieger von Riooli und von den Pyramiden, sich ! in diesem Augenblick sonderlich helden haft oder siegermäßig benommen habe. Im Gegentheil müssen selbst bonapar tistische Schriftsteller zugeben, daß die Szene einen kläglichen Verlauf nahm. so bezeichnender ist die Darstellung, i die Napoleon selbst von ihr in Umlauf ! setzte. Der amUiche „Moniteur", der mit der Assimilirungsfähigkeit des echten Amtsblattes natürlich schon am maire das Sprachrohr des Usurpators war, erzählte eine Schauvermär vom Grenadier Poings, der mit Napoleon in den Saal gekommen war und dessen Aermel durch einen Dolchstich zerrissen wurde. Der Wackere war am Tag darauf beim General zum Frühstück geladen; die „citoyenne Bonaparte" beglückte ihn mit einer Umarmung und einem Bril lantring, denn der Dolchstich hatte ja der Brust ihres theuren Gatten gegol ten. Noch drastischer stellte Bonaparte selbst die Sache in ewer nach dem 18. Brumaire erlassenen Proklamation dar; da war es nicht ei n Mörder mehr, da waren es schon ihrer zwanzig, die sich alle auf den General stürzten und seine Brust suchten. Ein wahrhaft falstaffi ! fches Multiplikationstalent! Das war i fo eine jener Monumentallügen, in de nen Napoleon später so Großes geleistet hat, wenn es ihm galt, Ereignisse in sei nem Sinne darzustellen, auf Kommen- des vorzubereiten, Stimmung zu ma j chen. Das Märlein wurde ja doch von - tausend Urtheilslosen geglaubt, die Re- präsentanten waren als eine Vereini gung von Meuchelmördern, reif zur Zer schmetterung, dargestellt. Kein einziger > aber von den vielen Augenzeugen der be- rühmten Szene hat etwas von gezückten Waffen gesehen, und kein anderer als Napoleons Stiefsohn und Vertrauter, i Eugen Beauharnais. hat die schauerliche ! Tolchgeschichte. die ursprünglich eine Erfindung Lucian Bonaparte's war, ins! Gebiet der Fabel verwiesen. Der Grena- dier Pomit-s (oder hatte sich sei l nen Aermel an irgend einem Nagel oder Schlosse zerrissen. Man erzählt auch, daß einer der Repräsentanten in dem ! Momente, als Bonaparte eindrang, zu-! fällig ein offenes Taschenmesser in der ! Hand hatte, das er dann im Affekte ge ! schwungen hab?. j Gestoßen, gedrängt, angefaßt mag l ! Napoleon allerdings von den entrüsteten ' Volksvertretern worden sein. Vielleicht ging auch ein oder der andere Puff mit drein. Bei einer so groben Achtungsver- > ! letzung aber, bei einem so flagranten Bruche des Rechts, wie das bewaffnete Eindringen in den gesetzgebenden Körper i war, erscheint die Aufregung der Reprä sentanten ja höchst begreiflich. Man i fragt sich unwillkürlich, wie es Bona- parte wohl ergangen wäre, wenn er ähn i liches in der Legislative von 1792 oder lim Konvent von 1793 versucht hätte. Die Repräsentanten von 1799 zeigten alle Mäßigung, wenn sie sich begnügten, den Eindringling mit Zurufen wie: „Nieder mit dem Tyrannen!" „In die Acht mit ihm, in die Acht!" und ähn- lichen zu umzingeln. „Sie verletzen das Heiligthum der Gesetze!" rief man ihm !zu. „Hinaus mit dem Diktator!" „Ha ! ben Sie darum gesiegt?" und dgl. ! Die Szene im Saale der Orangerie war zu packend, um nicht alsbald ihre ! Zeichner und Maler zu finden. Viele ! Darstellungen halten sich an die Fiktion, i wie Moniteur und Bonaparte's Prokla l mation sie in Schwang gebracht. Man sieht wuthverzerrte Mienen und gezückte Dolche. Andere wieder erfaßten den Mo ment, wie die eindringenden Grenadiere den Saal räumen, und zeigen die Re präsentanten, wie sie in ihren flattern den Gewändern (der damaligen Volks vertreteruniform) durch die Fenster des Saales in den Garten entkommen. Die Verewigung des geschichtli chen Moments ist das große Bild von Bouchot im Louvre. Der berühmte Künstler verschmähte die Dolchfabel. Aber wenn wir bei ihm den General se hen, leichenblaß zwar, doch mit ver schränkten Armen und fest wie ein Fels mitten unter den anstürmenden Reprä sentanten, so ist auch diese Darstellung unhistorisch. Wir wissen ja, daß Bona parte dem Sturme nicht standhielt, daß er sofort alle Fassung, ja nach manchen Quellen sogar das Bewußtsein verlor. „Er stotterte," lesen wir, „die Stimme versagte ihm, Leichenblässe bedeckte sein Gesicht, kalter Schweiß lief ihm von der Stirne und schließlich war er mehr todt als lebendig, als die Grenadiere ihn hinausführten und ihn vor den Fäusten der Volksvertreter bewahrten". Draußen schien er dann völlig entmu thigt und unentschlossen. Er hatte ge hofft, durch sein bloßes Erscheinen im Rathe der Fünfhundert allen Wider stand zu entwaffnen und ohne Gewalt zum Ziele zu kommen. Die Enttäuschung raubte ihm alle Haltung. So ist es also ganz unbestreitbar, daß sein Bruder Lu cian in diesem entscheidenden Augenblicke weit mehr persönlichen Muth, mehr Kaltblütigkeit und Thatkraft offenbarte, als Napoleon selber. Lucian war ja überhaupt unter den Brüdern des Im perators der begabteste und charakter vollste. Er war der einzige von ihnen, der keine Krone von Napoleon's Gnaden annahm, durch kein Zureden und keine Drohung ließ er sich bestimmen, seine bürgerliche Gemahlin zu verlassen, und länger als ein Jahrzehnt hindurch lebte er mit dem allmächtig gewor denen Bruder in offenem Hwiste. Sein Verdienst aber um das Gelingen des 18. Brumaire darf nicht unterschätzt wer den. Da Napoleon durch den unerwar teten Empfang bei den Fünfhundert völ lig aus der Fassung gebracht war, wäre vielleicht ohne den entschlossenen jüngeren Bruder im letzten Augenblicke Alles schief gegangen. Ein merkwürdiges Analogon zu Bonapartes Versagen im kritischen Augenblicke des Brumaire ist übrigens, daß auch Louis Napoleon in der Staat sstreichnacht vom 1. auf den 2. Dezember 1831 plötzlich allen Mutßk verlor und nur durck die brutale Entschlossenheit seiner Konsorten, den Perfigny, St. Ar naud, Canrobert u. s. w. im Gleichge wicht erhalten werden konnte. Der 18. Brumaire des Jahres VIII jwar ein Wendepunkt in der Geschichte Frankreichs. Er martirt und das ist seine große historische Bedeutung -- die Grenze zwischen Republik und napo leonischer Alleinherrschaft. Die neue Verfassung, die nun die direktoriale ab löste, war sehr rasch fertig. Sie war nach des alten Doktrinärs Sieytzs Ent wurf gemacht und hatte einen wahren Ueberfluß von repräsentativen Körpern: einen Senat aus 80, ein Tribunat aus 100. einen gesetzgebenden Körper aus 300 Mitgliedern bestehend. Aber die Befugnisse dieser „Volksvertretungen" waren eng umgrenzt; Tribunat und gesetzgebender Körper hatten keine Ge setzesinitiative. Der durfte über die Vorschläge der Regierung nicht ein mal debattiren, sondern sie nur anneh men oder ablehnen, Dem ersten Kon sul, der bis auf den königlichen Titel mit allen Gewalten eines wirklichen Monar chen ausgestattet war, standen als Mit konsuln erst Sieyös und Roger Ducos (die beiden einstigen Direktoren, die sich rechtzeitig mit dem Diktator verständigt ! hatten), dann Sambachs und Lebrun zur Seite. Sie waren lediglich „Bei räthe", will sagen Nullen. Der Senat aber war schon damals, was er später unter dem Kaiserreiche blieb und ganz 'ebenso unter Napoleon 111. gewesen ist : „die Zufluchtsstätte von Berühmtheiten, denen das Alter die thätige Laufbahn - versagte oder der Lohn gewisser Anhän ger. die nicht nützlicher verwendet wer den konnten." Also eine Sammlung von Mumien und Ja-Sagern. die übri gens (und das ist das Wichtigste) glän zend besoldet wurden. So war Frank reich nach dem 18. Brumaire bereits thatsächlich Monarchie. Barras giebt also diesmal ausnahmsweise der Wahr heit die Ehre, wenn er sagt, der Tag sei verhängnisvoll für die Freiheit der Wclt geworden. Napoleon Bonaparte ist von da ab in die Rolle des Tyrannen hinein gewachsen. Der Versuch, an die Stelle von Recht, Gesetz und Verfas sung den Willen eines Einzi gen zu setzen, war am 18. Bru maire gelungen. Die neue Verfassung gab dem kaum Dreißigjährigen das Schicksal von Millionen Franzosen in die Hand. Sie räumte ihm die Dispo sition über Krieg und Frieden ein. Was an republikanischen Formen noch übrig geblieben war, verblaßte vollends neben der Thatkraft dieses Mannes, neben dem strahlenden Ruhmeskranze, der sein Haupt umwob. So wurde aus dem G - en chef der Republik der Knechter Frankreichs, die Gottesgeißel des alten Napoleon selbst hat sich über den 18. Brumaire und dessen moralisch-rechtliche Seite nachmals in jener Weise ausge sprochen, in der er auch andere Fragen dieser Art zu behandeln Pflegte. „Man diskutirte." sagte er in seinem Memo rial von St. Helena, „und wird -noch lange diskutiren. ob wir das Gesetz ver letzt haben, ob wir Verbrecher waren. Aber das sind Streitigkeiten, gut für die Bücher und für die Tribüne, Streitig keiten, die vor der gebieterischen Noth wendigkeit verschwinden müssen. That sache ist, daß das Vaterland ohne uns verloren gewesen wären und daß wir es retteten." Das ist ja bis zu einem ge wissen Grade richtig. Das Direktorium war eine so schlechte Regierung, daß Schlechteres nicht mehr nachkommen konnte. Immer aber bleibt es ein Ge waltstreich, und man wird die edle, ge schichtsphilosophische Auffassung von diesem coup theilen müssen, die einer von Frankreichs bedeutendsten Hi storikern, Georges Duruy, in der Vor rede zum 4. Vande der Varras'schen Me moiren niederlegt, eine Auffassung, die gleich weit entfernt ist von kleinlicher Beurtheilung geschichtlicher Prozesse, wie von der Anbetung des Erfolges. Duruy anerkennt den Bonaparte's That aufge drückten Charakter der Nothwendigkeit, er anerkennt die vielfachen Gründe, die den Gewaltakt vom 9. und 10. November 1799 entschuldigen, seine Entstehung lo gisch erklären. Aber er vertheidigt ihn nicht. Denn der Vorgang habe sich gegen eine ewige Regel, gegen die Achtung vor dem Gesetz vergangen, er habe ein schuld bares Beispiel gegeben, das Nachfolger schon gefunden hat und deren noch finden wird. sie Dierlande und die Uierliin derinnen. Die Vierlande, bestehend aus den Kirchspielen Neuengamme, Kirchwärder, Altengamme und Kurslak. liegen am rechten Ufer der Elbe, die dort einen Bo gen nach Süden bildet. Ehedem mag der Strom geradeaus von Lauenburg bis Hamburg abwärts geflossen sein, in den Rinnsalen der Dove- und Goseelbe. Durch Deiche gewannen die Anwohner allmählich dem Fluß mehr und mehr Land ab, bis sie ihn zwangen, sein altes Bett zu verlassen, um in der kmeforim gen Biegung ihr fruchtbares Gebiet zu umgehen, das er selbst im Lauf der Jahrhunderte zu Thal geschwemmt und mit seinem Schlamm für sie gedüngt hat. Die Bewohner sollen aus den Nie derlanden oder aus Flandern stammen. Wann sie hier angesiedelt wurden, ist nicht überliefert. Aber es stebt lich fest, daß diese Elbinseln schon im dreizehnten Jahrhundert eingedeicht sind. Zu ihrer bis in unsere Zeit treu bewahr ten Besonderheit legte eine Fehde den Grund, in Folge deren der Herzog von Sachsen-Lauenburg den stegreichen Han sestädten Hamburg und Lübeck im Au gust 1420 seinen Besitz hier abtreten mußte. Von 1420 an waren die Vier lande nicht, wie ihre Nachbarn drüben am linken Elbufer oder in Holstein, Un> terthanen eines Fürsten, sie durften noch minder sich hamburgisch oder lübisch nennen, sondern sie blieben „beiderstäd tisch". Zu Bergedorf, auf dem jetzt umge bauten Schlosse, residirte der Amtsver walter, der von Hamburg für 6 Jahre eingesetzt wurde und darauf 6Jahre lang ein anderer, den Lübeck ernannte. Ein jeder überkam von dem Vormann Gesetze und Pflichten, ein jeder übergab dem Nachfolger das Amt mit der Bedingung, keinerlei neue Lasten den Bewohnern der vier Lande aufzuerlegen. Und dieser Ausnahmezustand, der sie unverändert, unangetastet in ihrer mittelalterlichen Eigenthümlichkeit bewahrte, dauerte über vierhundert Jahre vom August 1420 bis zu Ende Dezember 1867. In letzte rem Jahre hatten die beiden gleichberech tigten Städte einen Vertrag geschlossen, kraft dessen vom 1. Januar 1868 an die Vierlande in den Besitz von Hamburg allein übergingen. Trotzdem sie durch neuen Straßenbau und Deichbau, durch verbesserte Verkehrsverhältnisse, durch das Recht, zu dem Hamburgischen Par lament, der „Bürgerschaft", wie zum Reichstag zu wählen, jetzt schon lange in die Gemeinschaft ihrer Nachbarn und aller Deutschen eingetreten sind, ihre ei gene Art ist ihnen geblieben. Gelten die Marschbauern überhaupt für reich und stolz, so halten die Vier länder womöglich noch mehr auf sich und ihren angeerbten Besitz. Beneke, der lie benswürdige Chroniker der „Hamburgi schen Geschichten und Sagen , berichtet von Herrn Stoltenbarg „der auf sei nem Gehöft saß wie ein Pascha und nie mals nach Hamburg kam, weil er hier nicht genugsam standesgemäß behandelt wurde. Mußte er auf's Amt, nach Ber gedorf. so kam er mit Vieren gefahren. Er sah eigentlich alle Menschen über die Achsel an. nur mit dem Herrn Pastor machte er eine Ausnahme, weil dieser der EteSvvrtreter Gottes auf Erden Kar und den mußte er doch für etwas besser res Passiren lassen, als für einen reichen Vierländer Bauer". So erzählt er also dem Pastor, was er für einen denkwür digen Traum gehabt hat, wie er gestor ben, mit sechs Pferden zu Grabe geführt sei „und de Amtsverwalter und de wollweisen Herren Visitatoren von Lü beck und Hamborg kämen in Staatswa gen achter min Liek to folgen"; und wie er in den Himmel gelangt ist: „da stött uns' Herrgott den Herrn Christus in de Siet und röp em ganz hastig to: .Kumm, stah gau upp, groot' Jung', und laat unsen Herrn Stoltenbarg sit ten!"' Während aber in anderen ländlichen Distrikten nur die richtigen Bauern, die Landbau und Viehzucht treiben, sich gro ßen Wohlstandes rühmen können, haben hier, auf diesem wundersam fruchtbaren Grunde, Leute, die nur ein kleines Stück Landes ihr eigen nennen, es ebensogut zu etwas gebracht. Die Vierlande sind schon von altersher der Obst- und Ge müsegarten von Hamburg. Während der Hufner oder Großgrundbesitzer Ge treide auf seiner Hufe baut, zieht der Käthner im Garten Rosen und Mai glöckchen, Erbsen, Gurken unter Glas getrieben, Stachelbeeren, die sogenannte „Vierländererdbeere", die klein und fast noch aromatischer ist als Walderdbeeren, stirbt zwar mehr und mehr aus. dagegen werden neuere Sorten jetzt gezüchtet mit großen, immer riesengroßeren Früchten. Von den lichtgrünen Maiblumenblättern sieht man ganze Felder bedeckt, ihre Blü then werden im Frühling nach England, ja bis nach Amerika hinüber verschifft. Sie machen viel Arbeit und bringen viel ein. Ueberhaupt hat in Vierlanden ein Jeder zu thun von früh bis spät. An Wochentagen kann man stundenlange Strecken fahren, ohne auf dem Deich oder der Straße, das ist hier dasselbe, einem Menschen zu begegnen. Hier und da arbeitet zwischen den Erbsenstangen tief gebückt ein altes Weiblein, das unter dem großen Vierländer Strohhut kaum aufblickt, wenn oben auf dem Deich der Wagen vorüberfährt. Oder eine junge Dirne, nicht mehr in der Landestracht, steigt mit ihrer hölzernen fünf volle Erdbeerkörbe zu jeder Seite, lang sam vom Garten die kleine Trepve zum Deich hinauf, um jenseits wieder zu dem wartenden Ewer ihre Last hinunterzu bringen. Sonst meilenweit keine lebende Seele. Denn die Gestal ten, zwischen den Büschen aus den Fel dern und hoch im Geäst der übervollen Kirschbäume oben, in Filzhüten und schwarzen langen Röcken oder in groben Leinenhemden, die sich im Winde schlot ternd bewegen, die scheinen nur Men schen, sind aber harmlose Vogelscheuchen. Es gibt auch andere, in den Gärten, hohe Stangen mit einem Rade droben, das sich klappernd, endlos klappernd weit hin hörbar herumdreht. Man findet sie aber meist in der Nähe neue rer Häuser. Jene alten, menschen ähnlichen stimmen weit besser zu dem al ten Strohdach und dem Storchennest auf dem Giebel. Denn, so wie die Vogel scheuchen gehören die Störche in diese Ge gend. Nachdenklich stehen sie aus dem Dachfirst, rings Umschau haltend, wäh rend die Jungen ihre Hälse vorwitzig aus dem Neste emporrecken. Mit den großen Flügeln schlagend, so segeln sie quer über uns fort und hinunter zum Elbstrande und spazieren dort gravitätisch hinaus auf das Stack, den schwarzen Streifen aus Reisig und Steinen, der zum Schutz gegen den Anprall des Wassers vom Deich aus sich weit in die Fluth hinaus streckt. Draußen zieht ein kleinerSchlep per eine ganze Flottille hoch mit Erd beerkörben bepackter Ewer, die langen Oberländer Kähne gleiten vorüber, ihr großes weißes oder rothes Segel bläht sich im leichten Winde und bildet, wo das Schisf sich wendet, eine graziös ge schwungene Linie. Auf dem Stack, fast inmitten des Stromes, steht der Storch- Einbein. Und weiter nichts als Fluß und Himmel in der stillen, klaren, blauen Mittagsluft. Oft liegt auch zur Linken des Elb deichs noch Wasser, ein „Brack" ein schilfbewachsener, stiller Tümpel, Ueber rest von irgend einer uralten Ueber schwemmunng, die den Deich durchbro chen hat, wie jene von 1620, welche den Zollenspieker zerstörte, oder die in der Neujahrsnacht 1833. Ein Denkstein an der Straße berichtet davon und eine stei nerne Tafel an der Kirche von Neuen gamme vermeldet, wie hoch dort drinnen im Lande das Wasser noch gestiegen ist. Wenn man aber den Elbdeich verläßt und auf einem anderen Deich landeinwärts fährt, an der Doveelbe hin, die nur ge fährlich wird, so oft vom Meer her ir gend eine plötzliche Springfluth in sie hineindrängt, sonst ein harmlos seichtes Flüßchen, in dem die Dampfer oft stecken bleiben, da sieht man kaum Wasser. Nichts als Land und Obst und Blumen und wucherndes Grün. Nach alter Sachsenart hat Mr Bauer sein Haus inmitten seiner Felder. Da her giebt es nicht eigentliche Dörfer. Kaum daß um die Kirche eine kleine Gruppe von Häusern dichter beisammen steht, das Pastorat, ein Wirthshaus, ein paar Katben von Krämern. Auf dem Kirchhof, wo jedes Grab mit einer Fülle lichter Rosen wie überspannen ist. erhebt sich aus dem Grün der Glockenthurm, ein Bretterbau mit einer Spitze, hoch ge nug. über das flache Land fortzusehen und stark genug, um die Glocken zu tra gen. In jedem der vier Kirchspiele steht der Thurm so allein, wie ein italienischer Campanile. entgegen der Gewohnheit sonst in Deutschland. Das Kirchenin nere ist schlicht. doch nicht eintönig. Denn die Gestühle sind verschieden nach Neigung und Vermögen des Besitzers, Schnitzereien wechseln ab mit der landes üblichen Verzierungsweise der farbig eingelegten Hölzer, an jedem Jahreszahl und Name. Und über der Kirchenbank ragt in Schmiedeeisen bunt bemalt, eine hohe Stange auf, droben ein Herz oder Doppeladler, oder eine Engelsgestalt, und um diesen Kern herum mehrere zier lich gedrehte Arme. Es sind das die Huthalter für die hohen Cylinderhüte, welche die Vierländer tragen, vielmehr trugen. Üebt die Mode auch hier auf die Klei dung gebieterisch wie überall ihre Macht aus, an ehrwürdig alten Häusern und altem Geräth, ist vieles erhalten, trotz dem unter den Strohdächern das Feuer Vernichtung droht und mehr noch der Antiquitätenhändler, der die Familien prunkstücke außer Landes führt. Auf der langen Fahrt über die Deiche und eine Fahrt durch Vierlanden ist sehr lang liegen die weit verstreuten Gehöfte längs der Straße. Die alten Häuser ste hen tief unter dem Deich, gegen den Wind geschützt, eine weiß gestrichene Planke schließt dann oben den Besib ab. zu bei den Seiten der Eingangspforte ist oft eine Holzbank, bequem, um am Abend gemächlich sitzend hinauszuschauen. Die neuen Häuser, auf dem Deich selbst er-! baut, haben rothe, feuersichere Ziegeldä cher. nette Vorgärtchen. Veranden, grö ßere Fenster und mögen wohnlicher sein als jene. Aber um wieviel malerischer und heimlicher scheinen uns unter ihrem grauen Strohdach, mit den geschnitzten Giebelbrettern, aus deren Zierrath man die beiden einander zugekehrten uralten sächsischen Pferdeköpfe kaum noch heraus erkennt, die großen alten Bauernhäuser, die Wohnraum, Stallung und Speicher zugleich sind. Die Querbalken des Fach sterks, die konsolenartigen Stützen, die, Ecken, sind geschnitzt, mit Jahreszahl, Namen und mitßibelsprüchen geschmückt. Und in jedem Felde zwischen den sich kreuzenden Hölzern bilden die Ziegel ein anderes Muster: Rauten, Rosetten und Donnerbesen. Ob dieser ein heidnisches Schutzzeichen ist, wie jene Pferdeköpfe des Giebels, ob er an Thor gemahnen soll oder einst ein Jnnungs- und Ge rechtigkeitsemblem gewesen ist, hier er scheint er nur als Verzierung ange bracht, meist paarweise zu beiden Seiten ! des Giebelfeldes. An Häusern aus dem siebzehnten Jahrhundert sahen wir und an einem von 1339. Neben' jedem Bauernhause steht im Hof, nicht weit von ' der Pumpe, ein eigenthümliches Gestell aus weißgestrichenen Latten sehr nett und zierlich gefügt, um auf jede Latten- spitze Kochtöpfe aufzustülpen, und Sat- ten, Teller und Tiegel zum Trocknen in die Sonne stellen. Drinnen ist der Grundriß fast immer der gleiche, altbekannte. Nur daß im Bauernhaus die Diele großräumiger ist und sich auf die weite hohe Dreschtenne öffnet, zu deren beiden Seiten das Vieh in den Ställen steht, während beim Käthner, der weder viel drischt noch viel Viehbesitz hat, mit der Dielenwand schon das Haus zu Ende ist. Der Heerd. alt modisch ohne Rauchfang noch Röhren, ist mit einer oben im Halbrund durch-! brcchenen geschnitzten Holzthür ver-! schlössen. Steht sie, während gekocht wird, offen, so ragt die Thür, so breit sie ist. in den Raum hinein. Nahe der Rie-! penburg, von der einst, wie von Berge- dors aus die Lande umher oerwaltet wurden, sahen wir zu West Krauel in einer Käthe, die ursprünglich für zwei Familien wohl gebaut worden war, zwei solcher großen Heerde, beide mit ihren großen Thüren. Für die Speckseiten, die Würste, die Schinken in ihren Lei- nensäcken, die unter dem Boden zum Räuchern hingen, war das doppelt gut. > Neben dem Heerd hängt das breite, rund zusammengenähte Handtuch an einer hölzernen Rolle, sodaß ein Jeder, der seine Hände daran trocknen will, es um ein Stückchen weiter sür sich herabziehen kann und eine reine Stelle findet. An den Wänden sind Verschlüge zu Betten für das Gesinde; auf eigens gemauer- ten Unterstufen stehen mächtige Leinen schränke, zweithürig, breit, mit oer kröpftem Giebel, schöngeschnitzte Blu menoasen auf der Mitte und den Ecken; daneben Truhen auf schräge vorstehenden Füßen und mit hochgewölbtem Teckel. An der Vorderseite derselben sieht man, in das Holz farbig eingelegt, den Na men der Braut, die, mit ihrer Aussteuer vollbepackt, die alte Truhe vor Jahren oder vor Jahrhunderten die Form blieb die gleiche ins Haus gebracht hat. Uno endlich gehören zum Inven tar einer jeden Diele, ob im großen Bauernhause, ob im kleineren des Obst- Körbe. Körbe mit Erdbeeren und mit Erbsen, Körbe mit Salat und mit anderem Grünzeug, volle und leere, Stapel von Körben. Berge von Körben, die sich in unabsehbaren Mengen in das malerisch mystische Dunkel des weiten Raumes hineinoerlieren. kleine und große, alle von der gleichen Form, alle von derselben Rundung, mit dem Henkel aus gleichem Flechtwerk. Von der Diele betritt man das Staatsgemach, das im großen Bauern hause, wie in der Käthe, holzgetäselt, klein und warm und niedrig ist, unge fähr wie eine Kajüte. Zur Seite öffnet sich eine Schiebethür und dahinter, daß es die Ofenwärme erhält, liegt das große Wandbett mit den hohen Federkissen. An den Simsen und Theilungshölzern des Getäfels stehen die Namen der Eheleute, zu deren Zeit das Zimmer gemacht ward: Henke Bucks und Beke Bucks 1687 oder Becke Lappen 1760. Und in den Füllungen dazwischen, an den Rücklehnen der behaglichen Stühle, an der Standuhr und dein Hängeschränkchen überall Intarsien. DaS einfachste und verbreiterte Ornament hier in der Wohnstube, draußen auf der Diele an Schrank und Truhe, an den Kirchenge stühlen, sind die großen vielstrahli gen Sterne, aus allerlei verschiedenfar bigen Hölzern kunstvoll zusammenge fügt. Andere bestimmte Zierformen, die in den Intarsien auftreten, ein Blumen korb, eine Vase, ein Herz mit zwei Tau ben und vielleicht als Reminiscenz an die einstige lübische Herrschaft: der Doppeladler, wiederholen sich an ande rem Geräth von ganz anderer Technik. So an den schmiedeeisernen Huthaltern in den Kirchen, an den schwarzen Kreuz stickereien der Staatshandtücher und Bettbezüge, an dem Schmuck und den Kleidern der Frauen. Ten dicht nebeneinandergestellten nie drigen Fenstern gegenüber befindet sich der mächtige blau'lmiße Kachelofen, mit der hübschen Mittelnische von allegori schen und mythologischen Bildern ganz und gar überspannen. Nach Direktor I. Brinckmann mögen diese großen Le sen zum Theil, nachdem sie in der Stadt außer Mode gekommen waren, auf das Land gebracht sein, von wo sie nun wie der in das Museum gerettet werden. In einem Zimmer war auch neben dem Ofen die Hälfte der Wand anstatt getäfelt mit kleinen viereckigen blauweißen Kacheln überkleidet, die Szenen aus der biblischen Geschichte darstellten; die Anbetung des goldenen Kalbes. Auserweckung des La zarus, die Traube aus Kanaan, die von zwei blauen, arg verzeichneten Männern an eine? blauen Stange über eine blaue Brücke getragen wird. Aber diese lustigen Bildchen waren von eingerahmten Photographien. Abreißka lendern, buntgestickten Bibelsprüchen in einem Rand aus getrockneten Blumen, halb zugedeckt, von der alten getäfelten Decke hing die Petroleum-Lampe herab, und an dem blauweißen Kachelofen lehn ten zwei Fahrräder. Das Radfahren auf den Teichen hierzulande, wo man entweder im tiefen Sande stecken bleibt, oder auf dem bösartigen holperigen Steinpflaster gegen Bergedorf zu. selbst im Wagen in allen Knochen zerschüttelt und zerschunden wird, das muß gerade kein besonderes Vergnügen sein. Die Räder standen hier trotzdem zum Ver kauf. In dieser alterthümlichen Käthe, hart am Neuengammer Kirchhof, hatten wir neugierig die obere Hälfte der zwei theiligen Thür aufgeklinkt und fanden die Diele zum Kramladen eingerichtet, eine Tohnbank hineingestellt. Bindfaden rollen. Spielzeug. Lampen. Hausstands geräthe anstatt der Speckseiten und Schinken von den Dachsparren nieder hängend. Die hübsche blonde Haustoch ter in ihrem rosa Sommerkleide, die herbeigekommen war. ländliche Käufer zu bedienen, zeigte sich ebenso bereit, fremde Städter in ihre Wohnstube zu führen. Mit lächelndem Stolz sah sie uns zu, wie wir das Getäfel und die Kacheln bewunderten. „Ja, und hier, da haben wir uns noch was Schönes gemacht". Und sie hob von einem der in gerader Reihe längs der Wand aufgestellten alten Stühle, mit den gedrechselten Lehnenstützen und dem strohgeflochtenen Sitz, die auf der Jn tarsiarückenplatte Namen- und Hoch zeitsdaten ihrer Groß- und Urgroßel tern zeigten, das weiche Daunenkissen ab und drehte es um. Gewöhnlich liegen diese Kissen nämlich gegen Abbleichen und Staub geschützt, mit der Rückseite nach oben. Früher wohl aus Gobelinge webe, zeigen die meisten jetzt alltäglich moderne Stoffe als Ueberzüge. Dieses aber, mit demselben braunen Ripsfutter Wie alle anderen im Zimmer, hatte eine goldgestickte Mitte von schön stilisirter Zeichnung: „Mutters Schürze und Bruststück", sagte das hübsche Mädchen und lachte vor Vergnügen darüber, daß sie die Fa milienerbstücke so geschickt verwendet hatte. Es ist überall so, hier auf dem Lande, wie in der Stadt: mit dem Verschwinden der alten Trachten hält die fortschreiten de Bildung, hält die Werthschätzung al ter Kunstübung gleichen Schritt. Das Gewand der Mutter, das diese von ihrer Mutter ererbte, wird zum Stuhlkiffen zerschnitten! Wir sahen in Vierlanden nicht einen Mann iv. der Landestracht mehr: der langen Jacke nach den vier Kirchspie len verschieden an Farbe mit den un zähliaen Silberknöpfen. Kniehosen und Schnallenschuhen und dem hohen schwar zen Cylinderhute. Die Frauentracht fin det man bei älteren Frauen. Die Mut ter jener jungen Verkäuferin begegnete uns. obwohl sie ihr Festkleid der zum Verarbeiten hergegeben, im kurzen, abstehenden Rock mit der gestreiften Lei nenschürze. Die Frau, die das gro,ze Bauernhaus von 1339 bewohnt, und die alte Wittwe Hitscher, in deren Käthe das holzgeschnitzte Zimmer von 1683—1687 als das reichste und als eine Sehenswür digkeit von NeubNgamme gilt, gingen ebenso. Ihre Töchter und all? jüngeren, die wir in den Häusern, am Waschtrog oder sonst bei der Arbeit sahen, waren m gewöhnliche Baumwollstosse alltäglich gekleidet. Wo aber die Mutter die Lan destracht schon abgelegt hat, da wird das Kind. wie z. B. jenes blondgelockte, weißbeschürzte kleine Ding aus der Diele mit den zwei Heerden West-Krauel, das so artig von seinem Sckulschreibhest aufstand und mit fehlerlosem Knix die plötzlich eintretenden Fremden begrüßte, wenn es herangewachsen ist, kaum mehr wissen, wie die verschiedenen Klei dungsstücke angelegt wurden. Da ist zuerst der sehr kurze Rock aus einem Wollstoff, der genanntZ wird, rothbraun meist, mit schwarzem Rande, gefüttert mit buntgemustertem! Kattun und um die Hüften so fest ge- > kräust, daß er glockenförmig absieht; Schürze darüber, ebenso fest eingefaltet, von schwarz und blau oder schwarzroth! gestreiftem Leinen. Die Vorliebe für die Namensbezeichnung an allem und jedem erstreckt sich auf die' Kleidungsstücke: hin ten zu beiden Seiten der Schürze stehen > die Anfangs- und Endbuchstaben der Trägerin. Lena Wank wird durch LA, W K bezeichnet. Und Mischendem Vor- und Zunamen ist auf jeder Seite eine Rose mit rother Seide in mühfamem Plattstich, so wie die Lettern eingestickt. Das dunkelrothe Sammetmieder, eben falls mit schwarz umrandet, öffnet sich über dem in Sammet gewebten oder gold- und silbergestickien. mit bunten Flittern benähten Bruststück, das wieder die Tauben. Herz. Blumenvase oder schön stilisirte Lilien oder den Doppel adler zeigt. Die breite Kette, bestehend aus zwei festen Zierstücken mit Haken an den Seiten und silbernen Kettchen dazwi schen es sind deren mehrere im Mu seum hält über dem Brustlatz das Mieder zusammen. Das Hemd hat schwarzgestickte Borde, am Hals ist es von der runden silbernen^ Hemdspange geschlossen, im Sommer die weiten Aermel. halb zurückgeschlagen, den blo ßen Arm sehen, während im Winter eine dunkelfarbige Jacke mit Silberknöpfen vor der Hand die ganze helle, schönsarbi ge Miedertracht verdeckt. Dazu kommt noch das Halstuch schwarz-roth-grün in grellen Farben gestreist und karrirt, wie in eine lange Schlange zusammengerollt und vorn an beiden Seiten herunterhän gend. Das Hauptstück aber des Anzugs, hier wie bei den meisten Bauerntrachten, das eigentlich Charakteristische, was sie von Weitem kenntlich macht, das ist die Kopfbedeckung: die feste, vorn über der Stirn spitze Haube aus blankem gesteif tem schwarzen Leinen, hinten die gefäl tete Riesenschleife und darüber der tel lerförmig große gelbe Strohhut mit dem schwarzen Band quer über den Kopf und den kurzen lila-grün gemusterten Sei denbändern, die im Innern von diesem Kopfstück konzentrisch sich verbreitend, in regelmäßigen Abständen an den Rand des Hutschirms geheftet sind. Doch sol len die Hüte, wie man uns erzählte, heute kaum mehr hergestellt werden, sondern nur die einmal vorhandene Anzahl erbt sich weiter, eben wie Schnallen und Ket ten, die bunten Halstücher und das Bruststück. Wunderlicher Weise wird nun diese Tracht, während sie im eigenen Lande allmählig abkommt, in der Stadt beibe halten. gleichsam als Aushängeschild zur Empfehlung der Waaren, die ihre Trä gerinnen verkaufen. Bis vor ein paar Jahren saßen vor ei nem Hause am Jungfernstieg zu Ham burg zu den beiden Seiten der Eingangs stufen auf ein paar breiten Pfosten, ähn lich den längst polizeilich verpönten „Bei schlägen" in den alten Straßen, Tag sür Tag zwei stattliche Vierländerinnen im vollen Staat, mit ihrem Sitzkissen, ihrem länglich viereckigen Handkorb voll von kleinen Sträußen, der Blumenspritze und einem Töpfchen Wassers, um ihre Waare frisch zu erhalten. Die Beiden waren, so erzählte man sich, im Jahre 1868 mit Hamburger Schützen bei dem großen Schützenfeste zu Wien im Zug mitmar fchirt und hatten dort durch ihre Tracht und ihre Schönheit Aufsehen erregt. Seitdem war lange Zeit vergangen. Sie trugen dieselben prächtigen Kleider, sie verkauften ähnliche Sträußchen und wa ren dabei alt geworden. Aber nicht häß lich. Mit dem reinen Oval der Wangen, ihren schlichten, geraden Zügen, mit ih ren kleinen Füßen, einem Erbtheil flan drischer Vorsahren, fo scheint es. in den rothen oder violetten Strümpfen, in tiefausgeschnittenen Schuhen sahen sie fo typisch echt aus, als hätte der Senat gerade diese beiden Schwestern auser wählt und hingestellt, um gleich dem Fremden, der aus seinem Hotel hier her austrat, es zu zeigen, wie kernhafte und gute Gestalten unsere Marschlande er zeugen. „Ok Veilchen sin?" so riefen sie einen jeden an, ob er ihr Platt ver stand oder nicht. Und wen sie kannten, dem nickten sie zu, so oft er auch vorüber ging. Besonders Lena, einst die schö nere von den Beiden, die hatte ihre spe ziellen Günstlinge, denen sie die dunkel rothesten Rosenknospen, die am stärk sten duftenden Stephanotis in die Hand drückte oder den Herren selbst ins Knop floch steckte. Abends im Thaliatheater kam sie quer durch die Vorhalle gelaufen, daß man ihr etwas abkaufen solle. Und wenn man einmal in Eile es versuchen wollte, ohne Blumen ins Haus zu gelan gen, so kam sie noch bis auf die Treppe, reichte jedem ihre feucht gewordenen Sträußchen, sie waren so spät nicht sonderlich frisch mehr und daher etwas viel besprengt, und meinte, mit der Bezahlung Wte es ja Zeit, oh Zeit ge nug, bis ein andermal. Und dann eines Abends gingen wir unaufgehalten ins Theater und es hieß, die Schwestern Lena und Anna Wulff seien binnen ei ner kurzen Woche beide im Kranken- Haufe verstorben. Seitdem sieht man wohl hier und da noch Vierländerinnen in den Straßen, die Rosen, Kornblumen und zu den Renntagen die Glückshände aus getrockneten Orchiswurzeln Al raunen feilhalten. Im Allgemeinen aber gilt der Stand der Blumenoerkäu ferinnen und ihr Ruf nicht für gut ge nug mehr, dcch ihn so eine ehrenjeU Tochter der Marschen gern auf sich näh me. Bei den Mädchen, die auf Ausstel lungen und in den Konzertgärten von St. Pauli oft mit ihrem Blumenkörb chen in Vierländertracht einhergehen, er kennt man bald, tvenn man nur etwas näher hinsieht: diese himmelblauen Halstücher und die groben Stickereien, sie sind so unecht wie das zu grelle Roth . der Backen und das stereotype Lächeln. Früh Morgens dagegen trifft man die echten Vierländerinnen von Haus zu Haus gehend, auf den Schultern die höl zerne Trage, an jeder Seite zwei runde Körbe voll Erdbeeren und Kirschen, wo möglich ein dritter noch drüberaestellt ! und alle mit großen grünen Kohlblät- tern gegen die Sonne zugedeckt. Und Junge oder Gehilfe, freilich nicht in oer Landestracht, kommt hinterdrein noch mit ebenso schwerer Last. Oder ne j thronen zu zweien hoch oben auf dem Bock ihres Gemüsewagens, die eine kur schirt selbst die andere jüngere lehnt sich bequem zurück an die Lehne, die kleinen ! Füße in den schwarzen <-ammetschuhen leicht gekreuzt vor sich hingestreckt. Und die vier leuchtend weißen Aermel und die beiden Paare schwarzer, abstehender Schleifen, die zwei großen gelben Hüte und die ovalen, ruhigen Gesichter darun ter, das giebt, wenn der Wagen rasch vorübersährt. unter dem grünen Lauo dach unserer Kastanienalleen, durch das nur leichte Sonnenflecken sie streifend be rühren, ein eigenthümlich anheimelndes Bild. Vielleicht empfindet nur, wer es oft sieht, den Wunsch, von der Heimath der Vierländerinnen etwas mehr zu erfah ren. Vielleicht aber haben auch Frem dere Interesse genug an dem fleißigen Marsckenvolk, um diesem Versuch einer Schilderung ih.'es Landes, ihrer Häuser und Kunstwerke einige Theilnahme zu schenken. Hambura. Adalbert Meinhardt. Die Zlotatiottsdnner der Venns. Wenn man alle Beobachtungen über Venus, welche in den letzten fünf Jahren angestellt wurden, durchsieht, so sinvet man in den wesentlichen Wahrnehmun-' gen eigentlich eine ganz gute Ueberein-, stimmung sämmtlicher Beobachter (aus-! genommen die Beobachtungen des Herrn Lowell). Alle bemerken den hellen Au ßenrand, an den Hörnern auffallend helle Flecken, die Polarflecken, und im Inneren der Planetenscheibe ist gewöhnlich ein dunkler Streifen parallel zur Licht grenze sichtbar. Ueberall zeigt sich mehr oder weniger ausgesprochen eine symme trische Anordnung dieser hier angeführ ten Wahrnehmungen und auch anderer Details, in Bezug auf die Figur der Phase. Tie Beobachtungen des Herrn Perro tin vom Jahre 1890 und diejenigen von 1893 wurden angestellt, als der östliche Theil der beleuchteten Venushalbkugel der Erde zugekehrt war, während seine letzten Beobachtungen im Winter 1893 bis 1896 bei westlicher Elongation an gestellt sind. Herr Perrotin bemerkt nun, daß in beiden Elongationen das Aus sehen der Venus dasselbe war. Wesentlich abweichend von den Ansich ten aller anderen Beobachter in Bezug auf die atmosphärischen Verhältnisse auf Venus sind die Anschauungen von Bren ner. Er glaubt, daß die dunklen Flecke, welche er auf seinen zahlreichen Zeichnun gen der Jahre 1893 bis 1896 wieder giebt. den der festen Oberfläche des Planeten angehörenden Terrainverhält nissen zuzuschreiben sind. Die Venus atmosphäre wäre nach Herrn Brenner allerdings auch dichter als die der Erde, jedoch immer noch derart, um einen Blick auf die feste Oberfläche zu gestatten. Von dieser Annahme ausgehend, ist es ihm dann sogar möglich, eine Karte der Venusoberfläcke zu entwerfen und aus einer Anzahl seiner besten Zeichnungen findet er für die Rotationszeit: 23 Stunden, 37 Minuten, 36 Sekunden. Der Venusäquator fällt auch bei Herrn Brenner mit der Bahnebene des Planeten nahe zusammen. Villiger untersucht alle die Merkmale, welche die verschiedenen Beobachter be nützen, und kommt zu dem Resultate, dall alle dasselbe sehen, nur daß alle an dere Eindrücke bekamen, daß die gesehe nen Flecke schließlich, wie Cassini schon, behauptete, für die Bestimmung der Ro tationsdauer unbrauchbar sind. In der That schrieb Barnard, der unter den möglichst günstigsten Verhältnissen beob achtete. die Flecken wären sehr vage und Flammarion bestätigte diese und die An sicht Cafsini's. ! Dr. Villiger will daher versuchen, über diese Flecke andere Erklärungen zu geben. Sie beruhen seiner Ansicht nach auf Kontrastwirkungen, welche durch die Lichtvertheilung und in letzter Anstanz durch die Veleuchtungsgefetze auf dec Ve nusoberfläche bedingt sind. Bereits mehrere Beobachter haben die Frage gestellt, ob bei diesen Beobachtungen nicht Täuschungen vorkommen, allein der Gegenstand ist nicht näher untersucht worden. Bei der Behandlung der Aufgabe über die physiologischen Verhältnisse, welche! durch die Lichtvertheilung auf einer un vollständig erleuchteten PlaneLenscheibe mitwirken können, kommt es in erster Linie auf das Beleuchtungsgesetz an, welches für diesen Planeten gilt. Wir können hier in die theoretischen Unter suchungen, welche unser Verfasser nun anstellt, nicht eingehen, und begnügen uns anzuführen, daß aus denselben that sächlich Eigenthümlichkeiten hervorgehen, welche den auf der Venusscheibe wahrge nommenen Flecken und Streifen ähnlich sind, und deren Natur als Oberflächen theile des Planeten selbst höchst unwahr scheinlich machen. Man kann diese Schlußergebnisse theilweise auch experi mentell nachweisen. Villiger theilt über derlei Experimente Folgendes mit: Tie zu beobachtende Kugel von 5.3 Centime ter Durchmesser wurde in etwa 400 Me ter Entfernung südöstlich von der Stern warle aufgestellt und hier mittelst einer Petroleumlampe beleuchtet. Tie Lampe befand sich auf einem horizontal drehba ren Arme 0.4 Meter von der Kugel ent fernt, deren Mittelpunkt in die Dre hungsachse des Armes gebracht wurde. Dadurch war es möglich, durch einfache Drehung des Armes jeden beliebigen Phasenwinkel herzustellen, achtungsfernrohr diente der fünfzöllige Refraktor, der im östlichen Thurme der Sternwarte aufgestellt ist. Um ferner die Umstände der Beobachtung denen bei den Venusbeobachtungen mögücknt gleich zu gestalten, wurde das Gesichtsfeld des Fernrohrs durch seitliche Beleuchtung des Objektes erhellt. In den Versuchen wur den zwei verschiedene Kugeln aus Gum mi und Givs benützt. Eine we,entliche Abhängigkeit von der Substanz ließ stch jedoch aus den Zeichnungen nur bezuglich des hellen Randes feststellen, welcher bei der Gummikugel immer viel 'chärfer zu erkennen war. Ter dunkle Meridian streifen und die hellen Polarflecke waren i bei beiden Substanzen sichtbar. Beson ders bei nahe halberleuchteter Kugel wa ren die hellen Polarflecke auffallend deutlich. Die von Herrn Villiger und mehreren Mitbeobachtern gegebenen Zeichnungen haben nun "anz das Aussehen der sichel förmigen Venus, mit den bekannten schwachdunklen Längsstreifen, den mat ten und hellen Stellen und den hellen Calotten an den Hörnern der Sichel. Wenn nun gerade die dunklen Meridian streifen, ja sogar zum Theile der helle Rand dazu benützt wurden, um als we sentliche Stütze der 24tägigen Rotations dauer zu dienen, und es nun aber ganz außer Zweifel steht, daß jede Kugel, auf welcher das Lommel-Seeliger'fche Be leuchtungsgesetz in seiner allgemeinen Form gilt, bei nur unvollständiger Be leuchtung schon aus physiologisch-opti schen Ursachen ganz ähnliche dunkle ! Streifen zeigt, so muß die Unveränder- der Venusflecke während mehre rer Tage als ganz selbstverständlich an gesehen werden und hat man durchaus nicht mehr nöthig, zu einer sehr langsa men Rotation seine Zuflucht zu nehmen, welche Rotation schon aus ganz anderen Gründen recht unwahrscheinlich ist. Herr i Schiaparelli. bemerkt Dr. Villiger, hat zwar zur Begründung der langsamen Rotation noch mehr Gewicht auf seine Wahrnehmungen in der Nähe des Süd poles gelegt, doch sind dieselben, wie die Herren Wislicenus und Löschhardt ae ' zeigt haben, durchaus nicht einwandfrei !in Bezug auf die daraus gezogenen j Schlüsse. „Wenn also," fährt er fort, „hier ei nerseits diese langsame Umdrehung sich sehr einfach erklären läßt, so ist es nun andererseits auf den ersten Blick doch auffallend, daß auch Zeichnungen, wie z. B. diejenigen des Herrn Brenner, aus ! denen nach der eigenen Angabe des Be obachters eine kurze Rotationszeit folgt, mit unserem Versuche recht gut überein . stimmen. Die Sache ist einerseits sehr i auffallend, andererseits aber doch ganz I einfach erklärlich, denn wenn der Beob achter richtig sieht, so muß er eben jene Einflüsse, welche init der Lichtvertheilung zusammenhängen, auch mitmachen, mag , er nun gleichzeitig noch irgendwelche an- dere reelle Gebilde wahrnehmen, welche j ihm die Rotation des Planeten verra > then. Die durch physiologische Wirkun gen erzeugten Flecke werden sich mit den offenbar ebenfalls sehr schwachen reellen Gebilden oft theilweise vermischen und dadurch die Auffindung der Rotations zeit sehr erschweren, wenn nicht gar zur Unmöglichkeit machen." Als Endresul tat der ganzen Betrachtungen bezeichnet daher Dr. Villiger folgende Sätze: „Der Bestimmung der Umdrehungs zeit des Planeten Venus aus Beobach tungen seiner Oberfläche stellen sich Schwierigkeiten entgegen, welche ihre Ur sache zum Theile in dem Beleuchtungs gesetze, das auf dem Planeten gilt, und damit zusammenhängend in unserem Sehvermögen haben. Erst ein genaueres Studium dieser Einflüsse wird uns Mit tel an die Hand geben, die reellen Gebilde von den Sinnestäuschungen zu trennen und damit einen einwurfsfreien Werth für die Rotation abzuleiten." Kastor und Pollux. Frau Kommerzienrath: „Sehen Sie, Frau Professor, mein Mann hat mir ein Paar gleiche reizende Ponys ange schasst. Unsere Tochter hat ihnen auch gleich Namen gegeben; der eine heißt Kastor, den Namen des andern kann ich noch nicht behalten." Frau Professor (lächelnd): „Jeden falls heißt er Pollux." Frau Kommerzienrath: „Ganz recht, so war es! Aber woher in aller Welt können Sie das errathen?!" Doch etwas. Student Bummel: „Nun, wie steht's mit dem Examen, durchgekommen?" Student Schlauch: „Nein, bin durch geflogen, aber die drei ersten Fragen habe ich doch ganz famos gewußt." Student Bummel: „Wonach haben Sie Dich denn da gefragt?" Student Schlauch: „Nach Namen, Geburtsort und Alter." Der grobe Wirth. Wirth (zum Gast, welcher ich die Ge gend ansieht, ohne etwas zu bestellen): „Glauben Sie vielleicht, ich hab' meine schöne Aussicht gestohlen!" Ein Pechvogel. „Du machst ja ein furchtbares Gesicht, hast Tu Malheur gehabt?" „Ja, wie gewöhnlich, jetzt bin ich vier zehn Tage verheirathet, nun gewinne ich das große Loos." S P e z i a l i st. Alks Fräulein: „Herr Maler, ich bringe da mein Portrait, ich finde daß ich darauf sehr alt aussehe, könnten Sie vielleicht ein wenig nachhelfen?" Maler: „Ich selbst wohl nicht, aber mein Kollege Pinsel, der restaurirt An tiquitäten!" Bescheiden. Fräulein Eulalia: „Ach. wenn doch auch einmal einer ein Liebesgedicht auf mich machen wollte und wenn's noch so schlecht wäre!" Glückliche Heirath. Freundin (zur jungen Frau): „Man sagt. Du hättest das große Loos in der Ehestandslotterie gezogen?" Frau: „Ja, denke Dir nur. in welche Familie ich hineingeheirathet habe. Mein Mann hat ein Modemagazin, meine Schwägerin ein Hutgeschäft, mein Schwager ein Hotel in Meran und mein Schwiegervater ist Bankier." Auch ein Grund. A.: „Endlich sehe ich Dich wieder sag' mir, was fiel Dir denn ein, Dich zu oerheirathen?" -< c. - B.: „Ja. weißt Du - da- Leben ohnehin nimmer g freut. Auch eine Entschuldigung. „Du hast schon wieder einen Treiber angeschossen." .. So? Na ja. warum tragt der Mensch auch Hirschledern? Hosen." Fatale Hinveutung. Chef: Weshalb arbeiten Sie nicht? Ich hab' Sie schon öster müßig sitzen se hen und faulenzen." Buchhalter: „Verzeihung! Da- ist nämlich noch eine alte Gewohnheit von mir aus der Zeit, als ich selbst Chef war." Ein Pflichttreuer. Ein eifriger Kegelbruder erzählt Abends voll Stolz am Stammtisch: „Ich habe nie einen Kegelabend verpaßt, nur einmal, da hatte ich in einen Todesfall." Zweiter Kegelbruder: „War denn der gerade des Abends?" Moderne Kinder. Klein-Lieschen: „Nicht wahr, Fritz, wenn Du einmal heirathest, nimmst Tu mich zu Deiner Frau?" Fritz: „Wenn wir nur beide nicht arm wären! So wird mir nichts übrig blei ben, als eine reiche Wittwe zu Heira then!" Moderne Dienstboten. Hausfrau: „Minna, heut dürfen Sie nicht zum Tanz gehen!" Dienstmädchen: „Nun. und was bieten mir Madame sür Kompensationen?" Aus der Naturgeschichte. Lehrer: „Was ist süßer als Zu cker?" Clärchen: Die Aebel*