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•V ,oi 3^5 f* $ Criminal-Novelle v. WilhelmKoch. 1. Ter Schnellzug stand zur Abfahrt be reit. Die Maschine rasselte und schnaub le lüie ein großes Ungethüm, das sich auf seme Beute stürzen will. Die Erde droljnle unter der Wucht der zitternden Radcr, und heißer Dampf zischte ge räuschvoll aus den Röhren der Locomo V'Ve. Gleich glühenden Augen durch bohrten die am Kopfe derselben ange brachten großen Laternen die Finsterniß, die auf den Schienen lag. Die Paffa H-vre waren größmtheils schon eingestie gen dte Nachzügler wurden von dem Zugpersonal zu Eile ermahnt, denn die t)viltr(euchtete Perronnhr zeigte nur noch zniei Minuten vor acht Uhr, und Punkt acht sollte der Courier abgehen. Der Zugführer plauderte mit dem Stations Vorsteher, spielte aber bereits mit der kleinen Signalpfeife und stand mit einem Fuß auf dem Trittbrette. Die Waggons waren überfüllt, die Billete schon conpirt uud die Reisenden hatten von Denjeni sjci die sie zur Bahn begleitet hatten, Abschied genommen, die Männer hatten sich die Hand gedrückt und die Frauen jui) geliijjt. Hie und da winkte noch ei ue Haud oder ein weißes Tuch aus dem Coupee den Zurückbleibenden Lebewohl zu uud auf den Wangen junger Mädchen stierten helle Abschiedsthränen. Plöylich verstummte die Maschine, sie zi'chte uns schnaubte nicht mehr, sondern irrte des Druckes des Führers, der sie in Galopp setzen sollte. Ein Herr, der ein Packet unter dem Arm trug, trat ha st ig an einen Schaffner heran. Ich muß ci.l Coupee erster.Claffe für mich allein haben." „Das geht nicht, meinHerr,—Alles ist i.brvsiiKt." muß aber ein solches haben nur L'iv er Reisende drückte dem Bahnbeam ten ein Geldstück in die Hand. „Ich habe noch ein Halbcoupee, das re fervirt werden sollte aber kommen Sie schnell." Es war das letzte des Zuges. Die Glocke läutete dreimal, der Zug fnhrer pfiff und der Schnellzug setzte sich laugsam in Bewegung. Athemlos stürzte in diesem Äugenblicke vme junge Dame über den Perron auf den l'^len Wagen zu, erfaßte denselben und. 'un\.mi kurz entschlossen und kühn auf's Trittbrett. „Nach "keuchte sie: „erste lasse." Dir Zug raste davon. „Aber mein Fräulein," sagte der Schaffner, „es war schon zu spät Sie hat ten leicht füllen können." „Ico muß heute Abend nach D. unbe dingt, man erwartet mich. Ich durfte die Nacht über nicht ausbleiben." Sie stieß die einzelnen Sätze fast hervor sie mußte sehr gelaufen •cut. Der Schaffner war ihr behülflich in •^icr gefährlichen Lage, damit nicht jetzt i-o:b ein Unglück passire, öffnete das letz, i^v^ee uud unterstützte sie beim Ein V-tgCi:. „Aber ich wollte allein sein!" rief ans's ia chjte entrüstet der Passagier er machte vJticne als wollte er das Einsteigen der Dame verhindern. ... geht beim, besten Willen nicht, £err. Alles ist besetzt, und ich kann die Xame doch nicht über's Trittbrett spazie ren lassen. Auf der nächsten Station kann dieselbe aber umsteigen. Sprach's und schlug dix Thür« hinter der Dame fest in's Schloß. Diese Hank erschöpft in eine Ecke und athmete schwer auf. „Gott fei Dank! murmelte sie leise. J^zr Reisegefährte schritt aber, so weit der euge Raum es gestattete, zornig ev regt auf und ab er schien zu überlegen, mit sich selbst zu kämpfen, und einen Entschluß zu fassen. „Fatal rief er dann, mit dem Fuße hastig anstamp send. „Mein Fräulein," sagte er nach einer Weile, Sie find mir im höchste» Grade unwillkommen ich wollte unter allenUm ständen allein sein." Diese Anrede war nicht nur un höflich, sondern der Ton, in welchem sie gesprochen wurde, verrieth auch den Zorn, der in der Brust des Mannes lochte. -1- ^*1* ..fü-v MWAMMW ten „Ach was, Ihre Gegenwart an und für sich ist mir lästig." Einer solchen Grobheit war die Dame noch nicht begegnet. „Ich habe mein Bil lett gelöst und dasselbe Anrecht hier zu sitzen, wie Sie!" Er entgegnete nichts, sondern starrte sie mit seinen glühenden Augen so seind selig an, als wollte et sie zerreißen der Dame wurde es unheimlich und bang in der Gesellschaft dieses Mannes sollte er vielleicht wahnsinnig sein? Sie beo dachtet-ihn unablässig und beschloß, bei der ersten verdächtigen Bewegung laut Er warf sein kleines Filzhütchen iu eine Ecke, zog die Handschuhe aus u. dämpfte das Licht, indem er die blaue Gardine über die Glaskugel der Lampe zog eben. so schloß ec vorsichtig die Fensteröorhänge so daß eine matte Dämmerung in dem Räume entstand. „Entschuldigen Sie, mein Fräulein," sagte er dann plötzli in ruhigerem To ne, „ich war unhöflich gegen Sie, aber ich befinde mich in einer verzweifelten Lage. Sie sind einmal durch einen un glücklichen Zufall zu mir in's Coupe ge rathen fügen Sie sich ins Unvermeid liehe." „Was wollen Sie thun? Ich werde um Hilferufen." „Geben Sie keinen Laut von sich, es geschieht. Ihnen nichts: ich schwöre Ih nen, daß Ihnen kein Haar gekrümmt wird." v. »So lassen Sie mich in Ruhe, ich küm mere mich nicht um Ihre Angelegenhei ten." ,i „Um so besser für Sie schwören Sie mir, daß Sic von Dem, was hter vor geht, nie eineSilbe verlauten lassen ve*3 stehen Sie, nie Das. geängstigte Mäd ch-n nickte. „Kein Wort, keine AndeutWg^ÄW^ und jetzt funkelten seine Auge» wieder drohend und wild—„oder 5 W W „Ich will sie durchaus nicht belästigen, „Nein, nein, um keinen Preis!" mein Herr..^ Ich konnte ein anderes^ „Fürchten Sie nichts, es ist am' besten Coupe nicht mehr erreichen. In D. steige:so, dann können Sie nichts verrathen. ich aus." Schnell wenn Sie sich weigern, tobte ich Er lachte bitter. „Ich auch!" stieß er Sie!" zwischen den Zähnen hervor. „Mein Gott, wie entsetzlich!" „Ich will mich auch ganz still verhal- „Geben Sie mir Ihr Taschentuch und verhalten Sie sich ganz ruhig." heimliche Passagier kaltem strengem stelle er^ti^Soupe betreten?" W ^otte- „Das ist doch zu arg!" rief die Dame „Veronika Galen," stotterte bleich fast unwillig „wollen Sie mich'zum Be vor Schrecken das schöne junge Mäd-^sten haben? Soll ich denn vielleicht wäh chen. jrend der Fahrt in den Wagen geschneit „Gut, ich werde diesen Namen nicht sein?—Ich verstehe Sie nicht Sie ver vergessen, Lassen Sie stch jetzt die Augen binden sich im Conpe dte Augen, beschul verbinden." 'bigen mich, Sie bedroht zu haben, be auf eine halbe Minute sie hörte die zweifeln, daß ich auf die natürlichste und Conpethüre auf und zuschlagen und dann einzig mögliche Weise eingestiegen fei-" jagte der Courier wieder weiter. Noch! ^Sonderbar," unterbrach sie Beroni immer wagte sie es nicht, dieBindeßabzu- ka, „ich verstehe mich selbst nicht. Mir nehme«. v* .. jhat das Ganze doch nicht geträumt! Fast willenlos gehorchte die Veronika er band ihr das Tuch fest um die Augen. „Können Sie nichts^sehen?" „Nein, keinen Schimmer." „Dann ist es gut ich bin sehr zufrie den." Jetzt trat er zurück und Veronika hör te den Mann leise, fast geräuschlos ar beiten. Was er vornehmen mochte, konn te sie nicht ahuen, doch glaubte sie,, er kleide sich um auch hörte sie das Rau schen eines Seidenstoffes- Er sprach [cil, ler i« seiner sonstigen Erscheinung er ")en sie ver war elegant gekleidet und das Licht der Plafondlampe erlenchtete ein fein ge schnittenes, bartloses Gesicht von beina he mädchenhafter Schönheit. Er mochte sechs nttd zwanzig Jahre zählen. Die Wangen waren bleich, die etwas tieflie genden, von bläulichen Ringen umzöge nen Augen deuteten auf eine frühzeitige Abgelebheit und drückten den Zügen den Stempel die Blasirtheit auf und sprach aus den Augen, wenn die zornige Wild heit sie nicht ruf Augenblicke lebhafter funkeln machte, Ueberdrnß und Lebens Müdigkeit nichtsdestoweniger war das Gesicht interessant und mußte, ehe die Leidenschaften und Ausschweifungen ihre Spuren in dasselbe gedrückt, schön gewe sen sein. Die Gestalt war schmächtig und mittelgroß. Sinnend stand der Mann einige Minuten in der Mitte des Coupe's hell beleuchtet von der Crystall Lampe, den Kopf etwas nach vorn ge gebeugt, die Hände in die Seiten ge stemmt. Fast berührte er das Kleid der jungen Dame, die sich immer mehr in die Ecke drückte und ihn ängstlich betrach tete. „Die Zeit eilt dahin, der Zug rast wei ter," murmelte er,„mir bleibt keineWahl voran!" Wort mehr, tarn auch nicht in ifire Nähe, und ihre Furcht legte sich allmä- "9' Courier mehr als eine gute Stunde. Das rauhe, rücksichtslose Benehmen des Passagiers.stand in grellem Gegen- "T1 o6to°" $«i »°ch immer laut klopfte. Dieser peinliche Zustand währ te ungefähr eine halbe Stunde, die dem y. u"oe' ,mä"W°'en' m«8 oie ,cn bei ih rer Aufregung nicht gelang schließlich neigte sie zu der Annähme, der Herr sei, wenn auch nicht ganz, so doch wenigsten» halb verrückt. Plötzlich hielt der Zug „Aber, meinFräulein," sagte eine helle Stimme, „weshalb reisenSie mit verbun denen Anzen?" Veronika riß das Tuch herunter das Coupee war wieder hell erleuchtet,, die Vorhänge an den Fenstern und der Deck lampe zurückgezogen: neben ihr saß eine elegant gekleidete Dame, die sie ver wundert und lächend anblickte. Stau nend sah Voronika auf und athmete er leichtert. „Sind Sie hier eingestiegen?" fragte sie ihre Nachbarin. „Ja, ans der Haltestelle." „Ist ein Herr ausgestiegen?" „Ich glaube wohl, daß Jemand das Coupe verließ draußen war es dunkel und ich konnte nicht genau unterscheiden, ob der Herr, der dem Perron zuschritt, aus diesem oder dem Nebencoupee aus stieg." Die Dame sprach ruhig, freundlich ein gewinnendzs Lächeln umspielte ihren Mund. Sie gehörte offenbar den besse ren Ständen an, denn ihr Anzug war, wenn auch nicht kostbar, so doch sehr ge wählt. Eine Fülle schwarzen Haares deckte das Haupt und rahmte ein feines Antlitz ein: die Wangen waren leicht ge röthet ein schwarzes Seidenkleid umfloß ihren Körper auf dem Schooße hielt sie tin kleines Ledertäschchen. Veronika wußte sich das Alles nicht zu erklären die Thür warsgeöffnet worden, aber sie hatte nicht gehört, daß Jemand aus-und einstieg. Hatte der Herr sie verlassen, hatte er es vorgezogen, plötzlich zu verschwinden? Hatte er sich nur einen schlechten Scherz mit ihr erlaubt, oder was war sein Vorhaben? Sollte vielleicht diese Dame nüt je^m, Herrn indentisch sein? Unmöglich doch ihre Augen erinnerten zjxzW, wenn sie sich auch bemühten^'HzkWyl^ zu lächeln. Aber die.rothqt Wtjnggi der Herr war auffallend die Wesen dersimiig:' Wrömtä wollte Gewißheit habcit.1* fiitüir nfan^der Ret W a sieHäh^ c!§^ ülch^!in^üji^iH. 'Woilirc| Änn:'" fragte MKWWanK^ .1 stumm! Mir gilt meinLeben «po-Zvroy das Ihrige Ihnen lieb ist, so schWigz'n MM etpaK Un finde mich jetzt Sie." Bei diesen Worten zog er, gleichsam um dieselben zu bekräftigen und um die ^iKeHM^Ac^^ie Sprecherin groß Dame einzuschüchtern, einen Revolver fln.und Hüyel^'iien Kopf. aus der Tasche, bei dessen Anblick dieDa me einen leisen Schrei ausstieß. „Wie heißen Sie?" fragte der im* Mar enttäuscht^^ Sze.nicht, mein Fräulein erklären Sie sich deutlicher." „Haben Sie iq der That auf der Halt Em Herr fuhr allein mit mir von C. ab, und jetzt sitzt eine Dame an meiner Seite." „Wie können Sie dies aber sonderbar finden? Der Herr stieg auf der Haltstel le aus und ich ein Sie konnten, da Sie sich merkwürdiger Weise die Augen ver bunden hatten, nichts sehen weshalb thaten Sie dies?" „Das kann ich Ihnen wirklich nicht sagen." „Fürchteten Sie vielleicht, Ihrem Rei segefährtenzutief in dieAugen zu sehen?" scherzte die Dame. Veronika antwortete nicht, sondernde trachtete, immer noch zweifelnd, die Da mte Diese neigte sich etwas zu ihr hin, sah sie einen Augenblick fest an und legte sich dann mit den halblaut gemurmelten Worten: „Armes Kind!" in die Ecke des Wagens. „Sie halten mich für irrsinnig?" fuhr Veronika lebhafter auf „ich bin voll ständig bei ^Verstand und phantasire nicht verzeihen Sie es mir." „Aber wie konnten Sie so Fragen an mich richten?" Die Dame lächelte, als klinge die Nach, ticht zu abenteuerlich, um der Wahrheit entsprechen zu können. „Weshalb riefen Sie den Nicht um Hilfe?" »Ich konnte nickt, der Mann hatte et was Dämonisches in seinem Blick und Wesen, zudem würde man meine Rufe bei dem Raffeln des Zuges nicht gehört ha ben, und ein Leid wurde mir nicht zuge fügt." „Was that der Unheimliche denn, als er Ihnen die Augen verbunden?" „Ich weiß es nicht." „Wahrlich, mein Fräulein, wenn Sie mich nicht so klar und ruhig aufchauteu, als es wirklich der Fall ist, ich würde— verzeihen Sie meine Offenheit—anneh men, Sie hätten geträumt ich benutze häufig die Eisenbahn, aber nie bin ich auf ein Abenteuer gestoßen." „Ich würde die Geschichte auch nicht glauben, wenn ich sie nicht selbst erlebt hätte. Die weitere Unterhaltung drehte sich um gleichgiltige Dinge. Veronika war herzlich froh, daß der letzte Theil der Fahrt angenehmer war als der erste und daß sie mit dem Schrecken davon gekom men. Sie war jetzt überzeugt, daß der Herr den Zug verlassen hatte: er wollte zwar wie er sagte, nach D. fahren, allein er schien sich, da er seinen Plan nichtaus führen konnte oder wollte, eines Andern besonnen zu haben. Was war natürli eher, als daß er zurückblieb, um den näch sten Zug nach D. zu benutzen, in der Hoffnung, alsdann ein Coupe für sich allein zu finden? Die Dame war eine recht angenehme und heitere Gesellschaf terin, und Veronika, die nunmehr voll ständig beruhigt war, bat sie im Stillen nochmals wegen des Verdachtes um Ent schuldigung. Es währte nicht lange, so scherzte und lachte auch Sie, und die Zeit verstrich eben so schnell und unvermerkt, als sie ihr in der ersten halbe Stunde eine Ewigkeit gebaucht. Veronika zählte zwanzig Jahre und war ein hübsches, gesundes Mädchen mit vollen runden Wangen, einem ällerlieb- sten Grübchen im Kinn, hellen, klaren, blauen Augen und einer Fülle' blonden Haares, das, im Gegensatze zu dem meist erborgten Kopfputze Unserer heutigen Damenwelt, wirkliches Eigenthum seiner Trägerin war. 'Jetzt, wo dii Augen wieder lebhaft blitzten und die Anfangs vor Schrecken bleichen Wangen sich röthe ten, war sie nicht nur ein recht schönes Mädchen zu nennen, sondern ihr ganzes Wesen athmete auch so viel natürliche Anmuth.und Liebreiz, Lebensfreudigkeit undMunterkeit,daß man es kaum begreif lich finden konnte, wie ein Herr ihr gegen Diese Bemerkung machte auch die Dame entwickelte sich das vielbewegte, gestal- mm&mrn über so grob und roh auftreten konnte, weitem Bogen ziehen sich steile Waldbev ge hin, deren Felsenkuppen Raubvögel indem sie scherzend äußerte, daß der Bar- umkreisen in der Tiefe dehnt sich bar ohne Zweifel kein Verbrecher des üppiger Wiesengrund aus, besäet mit Schönen sein könne, da er ihr sonst die hel tausend bunten Blümchen und schlangen len, treuen Augen nicht würde verbunden haben. me nahmen in freundschaftlichster Weise Abschied von einander und in der nächsten Minute lag erstere in den Armen ihres Bäters. „Ich hatte Angst um Dich, liebes Kind", sagte Herr Galen, seine Tochter zu dem Wagen führend, „hast Du Dich gut amü sirt?" „Sehr'gut, Papa." Der Wagen jagte davon. ... nika »erabschiedet, hatte einen Wagen be stiegen. Sie war einigemal wie suchend, über den Pc rron auf und abgegangen und dann auf einen Bedienten, der sich halb zögernd ihr näherte, zugeschritten. „Ge hören Sie zu dem Hause der Frau von Matten?" fragte sie. „Zu dienen, mein Fräulein. Der Wa gen steht bereit." „Fahren wir mein Gepäck kommt nach Wie weit ist es bis zu demSchlosse?" frag- Wenn ich Sie beleidigt habe, so te sie beim Einsteigen. „In einer Viertelstunde sind wir an seltsame Ort und-Stelle." «Ich tvar mit einem® er ruckten zusam- pen gezogen, berührte nicht die Stadt D. sammen die. Situation war entsetzlich er drehte, mich zu ermorden und mir das Tuch um die Augen." Der Wagen, von zwei kräftigen Rap- sondern schlug einen Seitenweg ein, der band durch ein romantisch schönes Thal führte. Rechts und links erhoben sich waldbe lvachsene Berge, schroff aussteigende Fel sen, und in der Mitte schlängelte sich in vielfachen Windungen und Krümmungen ein munteres Flüßchen hin, und bald spiegelglatt dahinfließend, bald über Felsblöcke rauschend, welche im Laufe der Zeit von den Bergen herabgerollt waren. Der Mond, der auf den Wolken massen, die am Abendhimmel eilig da hin zogen, bisweilen hervortrat, erlench tete auf Minuten die Gegend und über goß Berg und Thal mit seinem Silber lichte im nächsten Augenblicke war Al les wieder in dunkle Nacht gehüllt. Bei ei ner Biegung des Wege» erweiterte sich das Thal die Berge traten zurück und umschlossen in großem Kreise eine Ebene, in deren Mitte Umfassungsmauern nur noch als wohlerhaltene Ruine in die Lüfte ragten, und in unmittelbarer Nä he das Schloß der Frau v. Matten. Hier hielt der Wagen der Kutscher half der Dame beim Aussteigen und führ te sie in das Haus. Eine Dienerin er schien und theilte der Neuangekommenen mit, daß die gnädige Frau sich schon zur Ruhe begeben sie lasse bitten, die Dame möge es sich aus ihrem Zimmer beqnem machen. Die Fremde nickte und ließ sich von der Magd ihre Zimmer anwev sen. Wünschen Sie vielleicht noch etwas?" fragte das Mädchen im Weggehen. „Ich danke ich bin müde."— „Wie gefällt Dir unsere neue Gesell schafsdame?" fragte dieKöchin die zurück kehrende Magd. „Hm! Kamt eigentlich nichts sagen. Sie ist entweder sehr müde oder sehr stolz, denn sie sprach keine drei Worte." „Wie heißt sie?" „Das weiß ich nicht wir werden's schon früh genug erfahren." Arn folgenden Morgen saß Frau von Matten mit ihrer neuen Gesellschaftsda-' dame auf einem Balcon vor dem Schlvf se. Der herrlichste Frühlingsmorgen lachte auf die bräutlich geschmückte Erde hernieder. Das reine Blau des Hirn melsgewölbes trübte kein einziges Wölk chen die imFrühlmgsschmucke prangende Natur dampfte unter den wärmenden Strahlen der Sonne Alles lachte im frischesten, vielschattirten Grün, von der dunklen Föhre bis zur lichthellen Blatt knospe. Die Aussicht, die man von dem Baleon aus genoß, war eine wahrhaft paradiesische zur Linken die graue Rui ne der einstigen stolzen Ritterburg, wel che vor tausend Jahren ein Erzbischof erbaute und die 1660 von den Kriegs horden Ludwigs XIV. von Frankreich eingeäschert und in die Lust gesprengt worden und deren gewaltige Mauern und Bogen noch an die ehemalige Pracht und Herrlichkeit erinnern. Ringsum in tenreiche.Bild,daS uns die Ankunft der weißen Schößlinge den Wachskerzen in mad)tT4br^ auf- ornfimt (Ktittinit»« nflL rntfir hrnnnt Sin sthfyg mich an Sie zu weuden (Fortsetzung folgt.) Eisenbahnzüge auf großen Stationen all- rother Blüthe prangt die Kastanien-Al täglich vorführt. Veronika und die Da- lee, und die Bosquets und die Gesträu- che des Gartens find mit weißen Schnee ballenblüthen bedeckt. Alles athmete Frie den und Ruhe. „Hier weile ich am liebsten," sajjfe die alte Frau zu der Gesellschaftsdame, „hier ist die Luft mild und wurzig, ichhöre die Vöglein zwitschern und die Bienen und Käfer summen, und wenn ich auch die Schönheit der Natur nicht sehen kann, so ahne ich sie doch." Frau v. Matten, eine siebzigjährige Greisin, war fast ganz erblindet nur Auch die Dame, welche sich von Vero- das linke Auge war noch empfänglich für die Lichtstrahlen, aber sie sah nur einen Schimmer, keine Gestalt/ Sie^var schon seit einer Reihe von Jahren kränklich und lebte still und zurückgezogen auf ih rem Gute. Ihr Mann ruhte längst in der Erde und da sie keine Kinder und keine näheren Verwandten als einenNef fen, den Sohn ihres Bruders, hatte, so stand sie fast allein in der Welt. Mit dem Leben hatte sie auch, was dessen Freuden und Genüsse anbelangt, abge schlössen, nur wirkte sie als stille Wohl thäterin segensreich in der ganzen Um gegend Alle liebten und verehrten sie. Die Milde ihres Charakters war deut lich in ihren sanften Zügen zu lesen stets gewahrte man ein freundliches Lächeln um ihren Mund, und lver sie kennen zu lernen die Gelegenheit hatte, war von ih rer Liebenswürdigkeit entzückt. Ihre Gesellschaftsdame hatte die Aufgabe, ihr zu erzählen, was sich draußen in der Welt ereignet, sie spazieren zu führen, wenn das Wetter und die Gesundheit der alten Dame es erlaubten, ihr aus Bü chern oder Zeitungen vorzulesen und die Almosen zu vertheilen. „Ich kann die Zinsen meines Capitals nicht verzehren," pflegte die Gräfin zu sagen, und es gibt Taufende von Armen, die kaum ihr tag* liehe» Brod haben ich habe meine Freu de dran, hie und da ein frohes Herz zu machen, denn mein leichtsinniger Nef fe wird ohnehin nach meinem Tode um so viel mehr verschwenden, je mehr er erbt." „In der That, ein reizender Punkt," versetzte die Gesellschaftsdame, ahne in deß die Gegend fonderlicherAnfmerksam feit zu würdigen, „selbst ein schon ver wöhntes Auge findet hier Befriedigung und Genuß." „Sie waren in Italien ü. der Schweiz?" fragte Frau v. Matten. „Ja, gnädige Frau,, auf längere Zeit dort staunte ich über die Großartigkeit der Natur und bewunderte ihre herrli chen Schöpfungen hier, in diesem fried lichen Thale, fühle ich mich heimisch. Das Gewaltige drückt den Geist des Menschen nieder, das Schöne in dem klei nern Rahmen einer aumuthigen Idylle erhebt ihn. Die Schweiz gleicht einem Genie, schön und erhaben, jedock wenig geeignet, nahrhafte Frucht zu tragen da gegetj siud die meisten Strecken unseres deutschen Vaterlandes überaus fruchtbar und nahrhaft, aber platt und langweilig, wie der nützliche Philister." Die Gesellschaftsdame trug heute das selbe schwarze Seidenkleid, wie gestern aus der Reise ihr Koffer war ja noch nicht angekcmmen. Sie hatte.feine Zugj^ und mit dem weißen Teint contrastirten seltsam aber nicht unschön die blühend ro then Wangen. „Gesund ist das neue Fräulein nicht," hatte an diesem Morgen die Stubenmagd zür Köchin gesagt, „sie hat eine bleiche Farbe und auffallend rothe Backen das bedeutet Schwindsucht." Das Fräulein war äußerst liebens würdig und aufmerksam gegen die al te Dame und suchte jedem ihrer Wünsche zuvorzukommen. Frau vonMatten nahm dies mit großer Befriedigung wahr und sagte lächelnd: „Ich habe meine Ei genheiten, liebes Fräulein, kein Mensch ist frei davon, besonders wenn er alt wird haben Sie deshalb etwas Nach ficht mit mir ich hoffe aber, daß wir recht gute Freunde werden." „Es soll dies mein angelegentlichstes Streben sein, gnädige Frau, denn ich werde mir alle Mühe geben, Sie zusrie den zu stellen." „Sie siud mir von meinem Neffen, Herrn vonHolten, warm empfohlen wor den," fnhr die alte Dame nach einrc Pause fort, „kennen Sie denn junaen ein Herrn Ifaher?" „Doch nicht, gnadige Frau er ver kehrte vielfach mit dem Sohne des Hau ..... ses, in welchem ich früher cuie gleiche artig von dem stillen und durchsichtigen Stelle bekleitede, wie bei Ihnen. Da die Flüßchen durchzogen. Die Tünnen. Der Zug hielt im selben Augenblicke welche dasSchloß umgeben, gleichen gro- nöthißt war, mir ein anderes Plaeement zu suchen, und da gleichzeitig Jhre ftü here Gesellschafterin sich verheiratete, st) ßen Weihnachtsbäumen und die neuen a a a a & 1 V,