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Eingeregnet. Bon H a n s H a r t m a n n. Der Julitag brach mit leuchtender Klarheit an. Die Sonne liefe alle die Thautröpfchen auf Feld und Flur wie Diamanten blitzen, und das Hochgebirge Ickimmcrte n rötKIickem Glan. ES war noch vor sechs Uhr. als brei' Damen, von einem Urer vegieiiei, von Krummhllbsl aus nach dem Melzcr Grunde einlenkten. Zwei der Damen waren ältlich und beleibt. Sie gingen sehr gemächlich fürbaß und blieben (au fia eben, um die Aussicht zu bewun dern, oder vielleicht auch, um Luft zu schöpfen. Die dritte Dame war jung und hübsch. Sie hüpfte leichtfüßig wie eine Gazelle voraus, und nur der strenge Ruf Küthchen" veranlaßte sie immer wieder, zu ihren Beschüberinnen zurück, ukebren. Die beiden älteren Damen, Tante Malchen und Tante Salchen, machten so oft Station, nahmen an so vielen lauschigen Plätzchen kleine Imbisse ein, daß mehrere Stunden vergangen waren, als die kleine Gesellschaft den bequemen Waldpfad verlieb und die letzte steile Partie zum Kamm emporklomm. Die Tanten waren von der Anstrengung pu terroth, pusteten und stöhnten und wisch tat sich alle Augenblicke den Schmeiß von Stirn und Wangen. Käthchens blondes Haar hatte der Wind zerzaust. Der lose Gesell hatte auch ihrem rosigen Antlitz eine etwas frischere Röthe verliehen. Plötzlich bemerkte Käthchen einige kleine, graue Wolken am Horizont, die ihr Unheil zu verkünden schienen. Herr Ende," rief ste den alten FUh rer an. was meinen Sie, bekommen ' wir Regen?" Der Führer sah gedankenschwer auf den sich verdüsternden Himmel. Hm," sagte er weise, es kann sein, daß der Wind eS vertreiben thut, dann bleibt'S schön. Wenn aber, daß es her aufzieht, dann gibt'S Regen!" Käthchen hatte Mühe, nicht hell auf. zulachen über diesen Orakelspruch. Wir wollen das Beste hoffen,' rief sie fröhlich. .Ja, ja, Fräulein." pflichtete der Alte bei, da haben Sie Recht! Sehen Sie, da ist auch schon die Riesenbaude!" Die Tanten kamen ächzend nachze hinkt. Ich bin zu Ende mit meiner Kraft!" versicherte Tante Salchen. Käthchen, würdigst Du auch das Opfer, das wir Dir bringen?" forschte Malchen. Ach, Tantchen, die Fußtour ist Euch so heilsam wie eine Karlsbader Kur!" tröstete Käthchen. Jetzt ist ja auch daS Schlimmste überwunden. In der Riescnbaude essen wir Mittag, halten eine Siesta, und zur Koppe hinauf ist'S dann nur noch Kinderspiel!" Die Tanten blickten nach dem Kop penwirthshause empor, das in greisba nr Deutlichkeit vor ihnen lag, und schöpften neuen Muth. In der Riesen baude bei einem guten Mahl vergaßen ste bald ihre Strapazen. Käthchen blickte munter um sich. In der Riesenbaude war jeder Tisch besetzt. Sie erkannte viele Touristen wieder, die sie heute im Laufe des Vormittags über holt hatten. In der Ofenecke saß der alte Harfner mit seiner musikalischen Genossin. Jetzt stimmte er sogar mit kräftigem Baß ein Lied an, über das Käthchen sich am liebsten halb todt ge lacht Hütte. Ein Weibchen gleicht der Sonne, Der Mond, das ist ihr Mann, Das zeigt uns schon bei beiden Das Geschlechtswort deutlich an." Käthchen hörte andächtig zn, als ein neuer Gast in das Zimmer trat. Es war ein hübscher, junger Mann in neb ter Touristentracht. Er sah, daß alle Tische besetzt waren, und trat an den Tisch der drei Damen, wo noch etliche Plötze leer waren. Gestatten die Damen?" fragte er verbindlich. Tante Salchen ertheilte ziemlich un gnädig ihre Einwilligung. Sie hatte eine unbestimmte Befürchtung, daß sie von diesem Augenblick an ihre Nichte wie ihren Augapfel hüten müsse. Als eingefleischte alte Jungfer hatte sie ein grenzenlosesMißtrauen gegen dasmünn liche Geschlecht. Ter neue Ankömmling bestellte sich ein Mittagessen und warf einen verstohlenen Blick auf Käthchen. In diesem Augenblick sang der greise Barde in der Ofenecke: Im Winter macht die Sonne Gar spät erst Toilett'. Sie liegt wie manche Frauen Um neun Uhr noch im Bett." Das dünkte Käthchen zu drollig, Sie mußte hell auflachen. Der junge Mann stimmte herzhaft ein und das Eis war gebrochen. Beabsichtigen die Damen auch über den Kamm zu gehen ?" fragte er höi lich. Wir wollen zuerst auf die Koppe!" berichtete Käthchen. Tort wollen wir Übernachten, um den Sonnenaufgang zu genießen, und dann wollen wir über den Kamm auf der anderen Seite her untergehen nach Schreiderhau!" .GanzmeinPlan!" stimmte der junge fern bei. Seim damdfende Schnitts kam und n hub in den nächsten Minuten u, ! kräftig ein, um die Unterhaltung fort zuführen. Tante salchen hatte unter Vlsm ihren anet ausgeiaziurn. sie flüsterte ihrer Schwester eine trnfte Wki j sung zu und zog sich in daS Neben zimmer zurück. Dort schlummerte sie auf einein harten Sopha bald den Schlaf des Gerechten. Malchen, die als Hüterin ihrer Nichte an gestellt worden war, rieb sich die Augen, gähnte, lehnte sich tiefer in die Sopha ecke zurück und war nach etlichen Minu ten hinter ihrem ZeitungSblatt gleich faDä eingenickt. Der junge Herr hatte seinen ersten Hunger gestillt und wen dete sich wieder an fein; hübsche Ge fährtin i Machen gnädiges Fräulein zum ersten Male eine Riescngebirgspartie?" O nein!" sagte Käthchen. Wir sind Breslauer und ich habe fast jeden Sommer einen Abstecher in's Gebirge gemacht." Breslauer !" wiederholte der junge Mann. Sind gnädiges Fräulein in Breslau gut bekannt?" Gewiß, ich bin dort aufgewachsen, " Kennen gnädiges Fräulein einen Herrn Steuerrath Reimann?" Der Schalk blitzte für einen Moment in Kathchens blauen Augen auf. Den Herrn Steuerrath kenne ich nur flüchtig," erwiderte sie. Aber ich bin mit seiner Tochter in die Schule gegangen. Sie ist ungefähr in meinem Alter." Ist Fräulein Reimann hübsch?" fragte der Tourist mit brennender Wiß begierde. Nicht mein ise chmack!" war die kurze Antwort. Das hübsche Gesicht des mnqen Herrn verdüsterte sich etwas. Aber sie ist gewiß sehr Iiebenswllr- ?" forschte er eifrig. Pah, maßlos kindisch !" verurtheilte en. Also auch nicht klug?" fragte der Tourist mit seltsamer Spannung. Nun, wenn sie klug ist, bin ich es auch !" rief Käthchen schnippisch. Der Tourist vergaß ganz, daß er eigentlich nach allen Regeln der Galan terie verpflichtet war, aus diese unbe sonnene Rede mit einem Compliment zu antworten. Er versank für einige Minuten in ein tiefes, gedankenvolles Schweigen. Da rief plötzlich Käthchen entsetzt : Wahrhaftig, es regnet !" Alle stürmten zu den Fenstern, Tante Malchen erwachte mit einem Schreckens ruf. Es regnet !" so klang der allgemeine Verzweiflungsschrei. In der That, während man sich's in der Riesenbande wohl sein ließ, hatte sich der ganze Himmel grau umzogen. Von dem so nahen Koppenhause war keine Spur mehr zu erblicken. Lang sain und gleichmäßig tropste der Regen hernieder. Auch Tante Salchen war erwacht und eilte mit gerungenen Händen zu den Ihrigen. Es regnet !" wehklagte sie. Was beginnen wir?" Wir warten ab, bis es aufhört, zu regnen und gehen dann auf die Koppe !" schlug Käthchen vergnügt vor. Es sieht nach Landregen aus!" jammerte Malchen. Gott im Him mel, was für Pech wir haben. Wo möglich müssen wir hier übernachten !" Tas Unglück wäre doch nicht so groß!" tröstete die Nichte. Die Gast zimmer in der Riesenbande sind ganz nett. Sine stunde vor Sonnenauf gang wird geläutet, also könnten wir ebenso gut morgen srUh aus die Koppe steigen. Der. Sonnenaufgang entgeht uns niazi ! ' Die Tanten ergaben sich schweren Herzens in ih? Schicksal und sicherten sich sofort als vorsichtige Damen ein Zimmer. Käthchen warf ein Tuch über und trat vor die Thür, um nach dem Wetter zu sehen. Es sah wirklich sehr schlimm aus. Ringsum nichts wie graue Nebelschleier, Berg und Thal waren den Blicken entschwunden, und der Regen plätscherte hübsch gleichmäßig hernieder. Das sieht ja erbaulich aus !" rief eine frische Stimme neben ihr. Käthchen wendete sich um und sah in in das hübsche Geficht des Tischnachbarn. O, eS schadet nichts !" rief sie ver gnllgt. Wir bleiben über Nacht hier. Jeden Abend wird hier flott getanzt. Ich habe mich schon köstlich hier amü firt !" Tann bleibe ich auch hier !" war die eifrige Antwort. Gnädiges Fräu- lein gestatten wohl, daß ich mich vor stelle" Nicht doch !" wehrte Käthchen haben ab. Tas ist im Riesengcbirge nicht Mode. Hier spricht und tanzt man mit einander, ohne förmliche Bekanntschaft gemacht zu haben. Also wahren Sie nur auch Ihr Jncognit?. mein Herr!" Ter Fremde tag sie erstaunt an. Es ist ja sehr hübsch, daß es hier so zwanglos zugeht." murmelte er. Aber ist es für eine junge Tame nicht ge wagt, mit dem ersten Besten zu reden und zu tanzen ?" O, ich wcig immer, wen ich vor mir habe !" lies Käthchen übermüthig. Ich kann sehr abweisend sein, wenn es mir paßt !" Auf wen tariren gnädiges Fräulein meine Wenigkeit zum Beispiel?" forschte der junge Herr amüsirt. Erstens nnd stt Lftpreutze !" war die heitere Antwort. O weh. da verräth mich mein Tut lelt. und ich gebe mir solche Müht, die verrätherischtn Pokale ganz dialektfrei hervorzudringen. Abn was bin ich meines Zeichens?" Gymnaftallehrer ! erwiderte Käth chen prompt. Alle Achtung vor Ihrem Scharf sinn!" rief ocr Ostpreuße erstaunt. Ich Hütte nicht gedacht, daß ich meinen Beruf schon sichtbar als Kainszeichen auf der Stirn trüge. Gebt Ihre Helljehcrci auch so weit, daß Sie mei. nen Namen errathen können?" So halb und hal.b !" tief Käthchen übermüthig. Sie haben aus Ihren Manchettenknöpsen das Monogramm M. B. Folglich werden Sie wohl mit Vornamen Max heißen. Den Vaters namen will ich nicht wissen, denn id will aach mein Jncognito wahren !" Käthchen!" rief in diesem Augen- blick eine scharfe Stimme aus der Baude. Die Tante ruft !" erklärte Käthchen eilig und huschte davon wie der Wind. Ihr neuer Bekannter sah ihr mit un verhehlter Bewunderung nach. Sie ist entzückend!" dachte er. Das reizendste Mädchen, das ich je ge sehen habe, und so frisch, so munter, so natürlich, so intelligent! Ein Pracht mndel ! Ich möchte wissen, wer sie ist?" Er stand noch lange im Regen in tiefe Gedanken versunken. Endlich trat er in die Baude und ließ sich ein Zimmerchen anweisen. Dort packte er seine Tou ristentasche aus, nahm Papier und ein Reiseschreibzeug hervor und schrieb in großen, kühnen Zügen folgenden Brief: Liebste Mutter! Aus der Riesenbande eingeregnet, will ich die erzwungene Muße benutzen, um Dir einen recht herzlichen Gruß zu senden. Bis jetzt war meine Reise sehr genußreich. Schlesien ist wirklich ein wunderschönes Land, und ich kann mir letzt erklären, daß Tu mit solcher Liebe an deinen Breslauer Erinnerungen häng t. Ich werde erst aus der Rück, tour den Besuch bei Deiner Jugend sreundin machen. Wenn Dir auch die Familie Reimann sehr an's Herz ge wachsen ist, so sind es mir doch Fremde. Namentlich von Fräulein Reimanns Bekanntschast verspreche ,ch mir nichts. Ich habe eine Ahnung, daß sie häßlich. dumm und unliebensmurdig sein wird, Jedenfalls werde ich aber Deinen Wunsch erfüllen und die Familie ken nen lernen. Mit taufend Grüßen in Liebe Dein treuer Sohn War. Diesen Brief adressirte er an die ver- wittwete Frau Oberlehrer Bertram in Königsberg, steckte ihn in den Kasten und Begab sich wieder in das groi Gastzimmer. ,er ging es schon heiter zu. Die Musikanten spielten einen flotten Wal zer. Stühle und Tische waren bei Seite geräumt worden und die tanzlustigen Paare wirbelten umher. Käthchen schwebte in den Armen eines Görlitzer Einjährigen durch den Saal und Maz Bertram sühlte bei diesem Anblick schon eine Ie e Anwandlung von Eifersucht. Er faßte neben den Tanten Posto, die kein Auge von ihrem Schützlina ab- wendeten, und sobald Käthchens Tänzer ne an lyren Platz zurücksuyrte, machte er seine Verbeugung. Ein eigenthiim lichks Gefühl der Wonne ergriff ihn. als er die schlanke Gestalt umfaßte, er hätte immer so, getragen von den Klängen der blauen Donau, mit dem reizenden Mädchen dahinschweben mögen. 3m Laute ves Avenss engaqirte er Käthchen noch so ost, daß die Tanten ihn schon mit zornigen Blicken maßen Punkt zehn Uhr zogen Solchen und Malchen sich mit ihrem Schützlinge zu- ruck. Max 'Bertram verhetz wenige i'iinuten nach ihnen den saal. So bald Käthchen verschwunden war, hörte das Vergnügen für ihn auf. Am nächsten Morgen erwachte Tante Malchen nach einem langen, erquicken den Schlummer in bester Laune. Sie setzte sich im Bett auf und sah, daß das Zimmer noch ganz dunkel war. Es ist noch Nacht !" dachte sie. Ich werde noch ein bischen schlummern, bises zum Sonnenaufgang läutet !" !v!alchen legte ich auf die andere Seite, aber sie war so munter, daß sie vergebens auf den Schlaf wartete. Nach einer Weile richtete sich Salchen empor. Malchen," rief sie. hat es schon ae läutet?" Gott bewahre, es ist ja noch mitten in der Nacht." Ich werde doch einmal nach der Ubr sehen !" meinte Salchen. Sie machte Licht und stieß im nächsten Augenblick einen schrillen Schreckens schrei aus. Herr des Himmels, es ist neun Uhr. und in der Baude ist es so still wie in einer Kirche. Sollte es wieder regnen?" Es regnete nicht wieder, sondern noch immer. Ter Regen plätscherte noch tbenso gleichmäßig und anhaltend her nieder, und als Käthchen aus dem Fen fter blickte, sah sie nichts wie bleigraue Wolkenmaffen. ES ist trostlos!" jammerte Tante Malchen, der die Thränen nahe waren. Gott behüte, Tantchen, nimm's nicht ,o tragitch!" nes Käthchen fröhlich. Man kann doch nicht immer nur bei! niltfm TVttfr (.hirnärmrti.n tnn.ti 1 Ich nndt es sehr lächerlich, in der Rie- senbaude gefangen zu sein. In ein paar Stunden Hirt es sicher auf zu regnen, nur Geduld!" AIS sie in die Reftaurationszimmer traten, war ein großer Theil der aeftri gen Gesellschaft noch versammelt, nur ein paar tollkühne Seelen halten sich trotz Regen und durchweichten Weges wenig Freundlichkeit empfingen. Tante ! -chmeftern, satalerwtisk adkr nicht mit fortgewagt. Bki athchenj Eintritt , Malchen schrieb in schnörklicher. altmo i seiner Braut. Anna, sondern mit ders sprang sofort ihr Bekannter aus und'dWe, Handschrist eine arte. Jetzt j Anbtren, Joseftne. Ter Grund war , grüßte verbindlich: i füllte fi in sorgfältigen Zügen diesem sehr ideeller. Da zwei großk öfter, 1 Ist den Damen vielleicht gefällig, an meinem Tisch Platz zn nehmen? Neben der Thür wird es sehr ziehen !" Tante Salchen leuchtete der Grund ein, und sie nahm die Aufforderung an. Etwas später stieß Malchen zu den Ihrigen. Ich habe den alten Ende gefragt, was er zu dem Wetter meint !" rief sie kläglich. Aber diese Leute sind so unbestimmt mit ihre Wetterprophe zeiuiige. Er widersprach sich in drei Sätzen viermal. Ich fürchte schon, daß es heute vielleicht gar nicht aushört zu regnen !" Erst das ausgezeichnete Frühstück ge währte Malchen einigen Trost. Nachher ergriff sie eine etwas altbackene Zeitung, Salchen begann die mehr oder weniger geistreichen Inschriften des Fremden buchs zu studiren, und Käthchen plau derte munter mit Max Bertram. Es war geradezu erstaunlich, wie viel Anknüpsnngspuukte diese beide Men scheu besaßen, die sich erst Tags zuvor kennen gelernt hatten und nicht einmal den Namen des Andern wußten. Trotz dieser lebhaften Unterhaltung wurde das Gespräch nie persönlich, und Käth chen vermied sichtlich, die getingste Aus klärung über ihre reizende, kleine Per son zu geben. Es wurde Mittag und noch immer goß es in Strömen. Hin und wieder erschienen kühne Wanderer, naß wie die gebadeten Katzen, und wurden meist mit der begierigen Frage begrüßt: Wie steht's mit dem Wetter? Wird sich's bald aufklären?" Die Sonne scheint ja schon!" er klärte ein schnoddriger Berliner. Ich habe blos ein Douchebad genommen, davon bin ich so naß!" Salchen und Malchen hatten Zeitung und Fremdenbuch längst weggeworfen. Sie sangen jetzt zweistimmig Klagelieder und warfen zornige Blicke auf ihre Nichte, die gar so angelegentlich mit dem Unbekannten plauderte. Wenn es bis um drei Uhr nicht auf hört zu regnen, gehen wir nach Krumm hübet zurück!" erklärte Malchen endlich zornig. Aber Tantchen, willst Du Dir muthmillig einen Rheumatismus holen?" fragte Käthchen sanft. Und die arme Tante Salchen würde sich ge wiß eine schwere Grippe zuziehen." Malchen war überwunden. Wenn dieser Mensch sich wenigstens entfernen wollte!" dachte sie mit heim lichem Grimm. Er hängt wie eine Klette an Käthchen. Womöglich ist er ein Hochstapler, der es auf ihre goldene Uhr abgesehen hat." Für einen jungen Herrn dürste doch das Wetter nichts Abschreckendes haben!" wendete sie sich in aufreizendem Ton an Bertram. Gnädiges Fräulein," war die ruhige Antwort, ich bin Philosoph, Ich ver suche niemals, mit dem Kopf durch die Wand zu dringen. Wenn die Sonne wieder lacht, setze ich meinen Weiterstab weiter, so lange amüsire ich mich in der Riesenbaude. Man muß die Feste feiern, wie sie fallen!" Er war wirklich nicht abzuschütteln, und es war auch unmöglich, vor ihm die Flucht zu ergreifen, denn es regnete unaufhörlich und die abschüssigen Wege glichen schon kleinen Wasserfallen. Die Tanten verwünschten heimlich ihre un glückselige Partie, während Käthchen sich himmlisch amüsirte. Der alte Harfner sang abwechselnd heitere und schwer mllthige Lieder, und seine schöne Ge- fährtin ging ebenso regelmäßig mit dem Teller herum. Dazwischen wurde immer wieder einmal ein Tänzchen gemacht, und der hübsche Ostpreuße wich nicht von KüthchenS Seite. Ihr bereitete der wolkenverhangene Horizort keinen Ber druß, im Gegentheil, sie hätte die Ge fangenschast aus der Riesenbaude noch verlängern mögen. Ihre stummen Gebete wurden erhört. Erst am dritten Tage klärte sich der Himmel aus, als die Tanten schon am Rande der Verzweiflung waren. Jetzt aber ohne Säumen auf die Koppe!" rief Tante Malchen diktato risch. An diese drei Tage werde ich oenien: Ich auch! flüsterte Bertram feinerem 30. Mai das Wiener Schwurgericht reizenden Nachbariü in's Ohr. Tiese drei Tage waren die glücklichsten meines Lebens. Werde ich Sie wiedersehen, Fräulein Käthchen?" Käthchen erröthete heiß und blickte verschämt zu Boden, dann begann derMft Muthmille schon wieder die Oberhand! in ibr, Freilich!" lachte sie. Ich denke, Sie gehen auch aus die Koppe! Tort oben ist keine solche Wüste, daß man sich verfehlen könnte. Auf Wiedersehen! Sie tiltt den Tanten nach. War! Bertram wagte ks nicht, sich den drei Tamen anzuschließen. Die Tanten i hatten ihm zu unverhohlen ihr Miß fallen gezeigt. Er folgte nach einer ! Anstandspaüse. sie ist ein entzückendes Geschöpf chen!" dachte er, als er den steilen Kop-1 venkeael erklomm. .Wenn ich nur ! wüßte, wer sie ist! Sie muß kiner gel hilhfn .tnrnili nniwMr.ll hni hflrtfi ' ihr ganzes Wesen. Was würde Mutter sagen, wenn sie wüßte, daß ich mich in ein Mädchen verliebt habe, deffen Va terSname ich nicht einmal kenne!" Als er daS KoppenhauS erreichte. waren Saal. die Tanten allein im aron Er nahm an ibrem Zisch Platz. ohrnnht die altliifien Tarnen ihn mitltiik samerZ mit einer der beiden Adresse aS. Bertram konnte nicht umhin, verstohlen auf den Namen zu schielen. Er wollte seinen Augen nicht trauen. War es möglich? Wahrhaftig. er hatte recht gesehen. Tante Malchen avreirte i denlluren Zügen: Herrn Steuerrath Reimann, BnS lau." Max Bertram ging plötzlich ein Licht auf über feine reizende Reisebelannt. schaft. In der Freude seiiieS Herzens hätte er am liebsten laut aufgejauchzt. Jetzt begriff er, warum Käthchen so sorglich ihr Inkognito gewahrt hatte, jetzt wurde ihm klar, warum sie sofort seinen Wohnort, Beruf, ja sogar seinen ornamen errathen hatte. Seine Mut ter hatte ihn bei Frau Steuerrath Rei mann angemeldet, und er hatte sich dann selbst durch seine Frage nach der Familie Reimann verrathen. Er konnte das Lachen nicht bezwingen, als er daran dachte, wie der kleine Schalk sich selbst vor ihm schlecht gemacht hatte. Bertram war überglücklich, daß das Räthsel sich so freundlich gelöst hatte; aber er beschloß. Käthchen für ihren Muthmillen ein klein wenig zn strasen. Er trat aus die Platsorm. Dort stand Käthchen vor dem Riesenteleskop und schaute aufmerksam hindurch. Ah, da sind Sie ja!" rief sie ver gnügt. Ich suche gerade Trautena. Jetzt habe ich es. O, wie die Fenster in der Sonne glänzen. Man sollte gar nicht oenien, van es überhaupt einmal geregnet hat." Gnädiges Fräulein," begann Ber tram ernst, ich komme, um mick Ihnen zu empfehlen! Ich will meine Tour abkürzen und direkt nach Hause zurückkehren." Käthchen wurde plötzlich sehr blaß. Ich denke, Sie wollen noch Freunde in Breslau besuchen; stammelte sie. Allerdings!" entgegnete Bertram. Aber ich habe meine Absicht auf- gegeben. Sie haben mir die Familie des Steuerraths Reimann als so un liebenswürdig geschildert, daß ich be greiflicherweise nicht darauf brenne, diese Bekanntschaft zu machen." Käthchens Augen füllten sied mit Thränen. Ich sprach ja nur von der Toch ter!" flüsterte sie in grenzenloser Ver legenheit. Ich schließe von der Tochter aus die Eltern!" entgegnete Bertram ernst. Aber die Eltern sind wahre Pracht menschen!" rief Käthchen eifrig. Ich denke, Sie kennen den Steuer rath nur ganz flüchtig?" forschte Mar. Käthchen blickte zu Boden. Aus ihrem reizenden Gesichtchen kämpften Aerger und Verlegenheit. Sie hatte sich in der eigenen Falle gefangen. Sollte sie jetzt Farbe bekennen und sich auslachen lassen? Was war das? Da lachte ja schon Bertram laut und lustig. Fräulein Käthchen Reimann," rief er, Ihr Jncognito ist durchschaut. Verzeihen Sie den kleinen Scherz, den ich mir mit Ihnen erlaubte, es war nur Revanche!" Käthchen schlug fröhlich in die dar gebotene Hand und lachte herzlich mit. Bertram stellte sich jetzt in aller Form den Tanten vor und wurde in Gnaden als Reifemarschall angenom men. Gemeinschaftlich mit den Tarnen flihr er nach beendeter Tour nach Bres lau, und acht Tage später war er Käth- chens glücklicher Bräutigam. Beim Verlobungsfest brachte er einen Toast! aus die Riesenbaude aus. In den drei Regentagen daselbst habe ich das Glück meines Lebens ge- funden!" schloß er strahlend. Warte nur ab," rief Käthchen übermüthig. Dir werden noch die Augen aufgehen! Wenn wir zehn Jahre verhcirathet sind, wirst Tu die Riesen baude verwünschen und klagen: Tort bin ich aus dem Regen in die Traufe gekommen!" Bertrain antwortete nicht. Er zog es vor, dem holden Schalt mit Küssen den Mund zu schließen. Der Roman des Defraudanten. Ein sonderbarer Kriminalprozeß hat beschäftigt. ES handelte sich um einen Tiurnisten (Taglohn Schreiber) des Wiener Landgerichts, der einen größe ren Geldbetrag aus der gerichtlichen Tepofitenkalie veruntreut hatte. Tas I an sich schor, glücklicherweise ein seltener Fall. Ganz ungewöhnlich. geradezu komisch stellten sich aber' die näheren Umstände heraus. Ter Tiurnift. Rudolf Samer. ein junger Man mit Kahlkopf, hatte aus einem Balle die Familie des Sessel fabrikanten Tiwifch kennen gelernt. Er, redete den Leuten ein, daß er eine große Erbschaft zu krwartkn habe, und machte, ! da er ihnen auch geistig weitaus über ! legen war, auf sie Alle kinen Vorzug 1 lichen Eindruck. Tiwifch hatte zwei heirathsfähige Töchter. Anna und Jose-! sine. Samer hielt alsbald um die eine - derselben an, um die altere Anna natür- j lich. wie eS sich gebührt. Er kam nun , ikkN UveitkN AKkNd j dik iramiltt UNd unternahm dann mit Anna einen Spauerganq. bei dem die Schwester, Josefine als Gardedame mitging. Als- bald erwuchs aus diesem anfangs mehr vernunftmaßiqen Erwägungen ent kprungenen Verkebr mit den beiden Schwestern ein wirkliches Liebesverhalt- reichische Dramatiker. Grillpnrzer und Anzengruber, aus österreichischen Amts bureaus hervorgegangen sind, hat jeder kleine österreichische Amtsschreiber seinen Dichterlordeer in der Tischladc liege. Auch Sanier hielt sich sür eine Dich ter und i diesem Glauben wurde er durch seine Beziehung zu den zioei Schwestern nur noch bestärkt. Ten erstens fand er in Josefine eine empfängt liche Seele, die sei Dichten verstand und schätzte. Deswegen sattelte er eigentlich von Anna zu Josefine um. Zweitens erschien ihm das sonderbare Doppelverhaltuiß zu den Schwestern, in das er hier gerathen war, als ein romantisches Erlebniß, wie es eben wirklich nur gottbegnadeten Dichtern pasfiren kann. Selbstverständlich nahm er die Ge legenheit sofort beim Schöpfe und dra matisirte ohne Säumen seine Geschichte mit den zwei Schwester. Darüber aber unterließ er es nicht, auch das Drama feines Lebens recht poetisch oder wenigstens mit Hinwegsetzung über manche bis zur Strafbarkeit prosaischen Schwierigkeiten auszugestalten. Er ging also weiterhin jede zweiten Abend mit oen beiden schmettern spazieren. aber jetzt war Anna nur mehr scheinbar Braut, Josesiiie nur mehr scheinbar Gardedame. In Wirklichkeit waren die Rollen vertauscht, während vor den Augen der Familie Alles beim Alten geblieben war. Die Familie bereitete die Brautaus stattung für Anna vor, Samer selbst arbeitete im Vereine mit Josefine heim lich an deren Brautausstattung zwei Brautausstattungen um einen Mann. Tas Geld dafür hatte freilich Samer nicht. Die Zustimmung der Eltern Diwisch zum Austausch der Bräute glaubte er auch nicht erlangen zu können. Wie diese Verknotung der prosaischen Schmierigkeiten lösen? Man durchhaut sie mit dem Meffer einer poetischen Ent führung der Josefine in Verbindung mit einer Veruntreuung von Gerichts geldern, die ja gleichfalls schon längst Bürgerrecht in, Reiche der dramatischen Poesie erlangt hat. So waren die ersten Akte dieses Lebensdramas glück lich aufgebaut. Die letzten Akte brach ten die Unterschlagung und die Verur theilung Samer's zu drei Jahren schme ren Kerkers wegen Veruntreuung von fl. 14,00 gerichtlicher Depositen. Sehr eigenartig war das Verhör des Ange klagten, der sich als ein ebenso über spannter als dünkelhafter Mensch Prä sentirte, recht verschämt benahmen sich natürlich die beiden unglücklichen Mäd chen, echt wienerisch war die Zeugen aussage des Vaters Diwisch. Hier noch der Bericht darüber: Der Vater der beiden Mädchen, Ses selsabrikant Josef Diwisch, gibt an, er habe leider dem Angeklagten Alles ge- glaubt, weil er doch wußte, daß er aus anständiger bürgerlicher Familie stamme. Später erst sei eS ihm ausgesallen. daß er mit der jüngeren Tochter schöner" rede, als mit der Braut. Wie ich ihn darüber zur Rede gestellt, hat er gesagt: Ich hab die ganze Familie gern." Präs.: Ich konstatire, daß dieser Zeuge sich als ein höchst ehrenwerthsr Charakter bewiesen hat. Er hat nicht nur AlleS zurückgestellt, was ihm der Angeklagte zur Ausbewahrung gegeben hat, sondern arch 15 fl., die ihm der Angeklagte schuldig gewesen und von dem veruntreuten Gelde bezahlt hat, ferner 20 fl. 30 kr., welche der Ange klagte für die Mädchen bei Spazier gäugen ausgelegt, zu Handen des Ge richtes depouirt, weil er von solchem Gelde nichts wissen wollte. Alle Achtung vor solcher Ehrenhaftigkeit ! Vertheidiger : Herr Tiwifch, ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, daß es mit dem Angeklagten im Kopse nicht richtig ist? Zeuge: O, der Mann is sehr ge scheidt, i glaub, er is gescheidter wie i und wie Sie, Herr Tokior, er hat uns Alle zum Narren gehalten! Tem sind nit die Haar aus Dummheit ausgegangen. Sinftuß de ärtnern's aus die csundhkit. In unserer Zeit, die sich durch einen besonders großen Reichthum von Krank heiten auszeichnet, ist das Gärtnern vom hygienischen Standpunkte aus beson ders zu empfehlen Es giebt nämlich kaum eine andere Körperthätigkeit, vielleicht das Schwimmen ausgenom men die alle Organe, Glieder und Gelenke in so gleichmäßiger Weise übt und stärkt, wie das Arbeiten im Gar ten. Sport, Turnen und Spiele lall' das beschäftigt immer nur gewisse ! Körpertbeile und ist einseitig. TaS Handwerk vollenvs ist o einieing. vag es sehr haurig Berkruppelungen und Mißgeftaltungen zur Folge hat. Da hingegen bildet das Gärtnern den Kor per vollständig harmonisch aus. Arme. Beine. Rückgrat und Unterleib Alles wird abwechselnd geübt und gestärkt, ES kann daher auch nicht Wunder mh men, wenn die Gärtner die gesündesten. harmom'ch ausgebildet Menlchen sind. Unsers Zeit wird gilt tHlIN, dS Arbeiten im Garten unter die diateti tchen Heilmittel auszunedmen. Klein Irrthum. A. : Der Wein, den cit mir da vor geletzt haben, schmeckt aber sehr gut." B. . TaS glaube ich: er ist aber auch fUn'zig apre an. A.: Tonnerwettkr. mu der aber brillant gewesen sein, als er noch -unz war!" J A