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Stadt Baltimore. Der Mrd im .THerwood.HouseV" Auger Eharley Fox, dessen Aussagen we nig Glauben finden, ist ein neuer Augen zeuge, ein gewisser William Todd, aufge taucht. Derselbe sagte vor den Vroßgeschwo renen Folgendes au: ..Ich kam am Dienstag Morgen kurz nach Mitternacht mit den Per sonen, welche zur Zeit der That im „Sher woodHouse" anwe'end waren, nach dem Stationshause, wurde aber bei der Leichen schau-Untersuchung nlcht vernommen. Ich kannte McDonald, wie auch AmoS, und hielt mich am Montag Abend, als die Affaire sich ereignete, im „Sherwood-Honje" auf. McDonald, Wm. klarte, Frank und Henry MeVinius, Harn, Vollbart und Thomas Watcrs standen am Schenktische, als AmoS, Billy Earroll u. A. eintraten. Amos nahte sich dem Schenktisch und sagte: „Laßt uns Ems trinken!" Während der Kellner Jeden fragte, welches Getränk er wünsche, iral Go libart an Amos heran, und betrachtete ihn vom Kopf bis zum Fuß. AmoS machte die Bemerkung, daß ihm dieses Angaffen nichts weniger als angenehm sei, worauf Vollbart sich umwandte, nach dem Platze schritt, wo McDonald stand und mit diesem in leisem lch saß zu dieser Zeit auf ei nem Stuhl neben dem Eßstande uni> sah mit einer gewissen Neugier vein seltsamen Be nehmen Golibart's, McDonald's und der Anderen zu. Während Vollbart zu McDo nald sprach, strich Letzterer seinen Schnurrbart aus eine auffällige Weise und iah immer nach der Richtung, in welcher AmoS stand. Nach her ging Vollbart auf Amos zu und schlug ihn ln's Gesicht, worauf der Angegriffene den Schlag erwiderte. Billy Earroll schlug so dann gleichfalls nach einem der Umstehenden, wenn ich nicht irre, war es Elarke. Amos eilte dann nach der Fayettcstraßen - Thür, augenscheinlich, um sich aus dem Lokale zu entfernen. Ehe er jedoch dieses Borhaben ausführen konnte, wurde er iu eine Ecke ge drängt. Als er dort stand, drang McDonäld auf ihn ein und ich sah, wie dieser ein langes Messer hervorzog und Amos mit demselben einen Stich in den Arm versetzte. Amos beugte sich nieder, entweder vor Schmerz oder um einem andern Schlage oder Stich auszu weichen. McDonald aber erhob sein Messer jetzt zum zweiten Male und grub dasselbe in Amos' Schulter. Ich glaube, das Messer war ein sogenanntes Bowicmesser und hatte eine lange Klinge. Beide Stiche folgten schnell aufeinander. Gleich, nachdem der Unglückliche die Verletzungen empfangen, hörte ich ihn äußern: „Ich bin des Todes!" Auch vernahm ich die Aeußerung: „McDonald, Sic haben ein Messer in der Hand!" Amos eilte zu einer Seitenthllr hinaus; die Bande folgte ihm. Ich trat gleichfalls in's Freie, um zu sehen, wie die Geschichte enden würde. Auf der Straße hob Kolibart einen Ziegel stein auf und wollte denselben nach dem Ver wundeten werfen, aber als dieser sich eben um wandte und seinen Verfolger mit einem bit tenden Blicke ließ derselbe den Stein zur Erde fallen." Widersprechende Siiissaaen. Nicht übereinstimmend mit diesen Aussa gen lautet der Bericht, welchen Hr. Samuel Levy de Geschworenen von der Affaire ab stattete. Hr. Levy sagte Folgendes aus: „Ich begab mich kurz nach Mitternacht von meiner Wohnung Nr. I, Nord Fredcrickstraße, nach dem „Sherwood - House," um einige Er frischnngen zu mir zu nehmen. Während ich an den Schenkftand trat, gewahrte ich zwei Männer (Vollbart und Elarke,) die einen Dritten (Amos) in eine Ecke gedrängt hatten und nach ihm schlugen. Amos bückte sich nieder, als ob er den Schlägen ausweichen wollte, und während er sich in dieser gebückten Stellung verhielt, trat cm Vierter (McDo nald) hinzu und versetzte Amos einen Schlag mit der linken Hand. Ich beobachtete die Streitenden genau, sah aber Nichts in der Hand, mit welcher McDonald auf Amos ein hieb. Durch die nach der Fayettestraße füh rcnoe Thür drängten sich daraus Alle hinaus. Bald nachher kehrten Vollbart, McDonald n. A. in das Lokal zurück und McDonald forderte alle Anwesenden auf, mit ihm zu trinken. Da ich ein Fremder in Baltimore dm und mit der Geschichte Nichts zu thun haben wollte, so verließ ich das Lokal." Anklageschrift der tsroftgeschworenen. Wie wir schon kurz mittheilten, erließen die Vroßgeschworenen des Eriminalgerlchts Don nerstag eine vollständige Anklage gegen Sa muel W.McDonald, Henry Vollbart .Wil liam Elarke wegen vorsätzlicher Ermordung des Bern, Arnos. Die Anklageschrift enthält drei Punkte. Ter erste Punkt besagt, daß die drei genannten Männer Bcrry Amos angrif fen und daß Samuel W.McDonald mit einem gewissen Messer, aus Stahl und Eisen ange fertigt, welches er in der rechten Hand hielt, Berry Amos in die Schulter stach und ihm eine tödtltche Wunde von -2z Zoll Breite und 6 Zoll Tiefe beibrachte, woran der genannte Berry Amos wenige Minuten nachher starb, und daß Henry Golibart und William Clarke anwesend waren und dem besagten McDo nald beistanden, die ruchlose Tha. zu bege hen. Der zweite Punkt der Aullageschrift be schuldigt Hcnry Golibart, Amos erstochen zu haben und klagt McDonald und Clarke als Helfershelfer au. Der dritte Punkt beschul digt William Clarke der That und nennt Mc- Donald und Golibart als Complicen. Die Anklageschrift ist von dem Hülfs-Slaatsan walt Hrn. W. C. N. Carr geschrieben, vom Staatsanwälte A. Leo Knott unterzeichnet und von Hrn. John T. Ford als Obmann der Großgeschworenen indossirt. Charten Aor. Gegen Charlcy Fox, dessen Aussagen mit Bezug aus die Mordthat eine so große Auf reguug unter der hiesigen Bevölkerung her vorgerufen haben, ziehen jetzt mehrere andere Augenzeugen zu Felde und erklären seine Aussagen geradezu für erfunden. Ein hiesi ger Bürger erzählt, daß er in der Nacht des Mordes am „Shcrwood Honse" vorbeiging nnd Amos vor der Thür, die von derFayette- Straßc in das Hotel führt, stehen sah. Er rief: „Kommt heraus, ich prügle Jeden von Euch durch, wenn Ihr Einer nach dem An dern kommt!" Im selben Augenblick aber stürzten Mehrere aus der Thür; Amos lief davon und erst auf der Brücke stieß er den Ruf: „Mord!" aus. Die Zahl der Zeugen, welche bei den bevorstehenden Prozesse, die Aussagen des Lomödlanten Charley Fox zn widerlegen beabsichtigen, soll keine kleine sein. Ta vcrmiflte Messer. Das Messer, mit welchem die Mordthat ausgeführt wurde, ist noch nicht aufgefunden. Donnerstag fand ein in der Nähe des „Sher wood-Housc" wohnender Geschäftsmann ein 12 Zoll langes Messer in seiner Office. Da er das Messer nie zuvor geiehen, so schloß er, daß dasselbe von McDonald bei der Ermor dung ZAmos' gebraucht und später in seine (des Finders) Office geschleudert worden. Er trug die Waffe nach dem Bureau des Chef Geheimpolizisten Crouc, wo es sich jedoch bald herausstellte, daß das Messer Eigen thum einer Frau war, welche die Office des betreffenden Geschäftsmannes an jedem Vor mittage vom Schmutze reinigt. Im „Sher wood-House" wurden während der letzten Tage gründliche Nachforschungen nach dem Messer angestellt, doch ist dasselbe bis jetzt noch nicht gefunden. Der Staatsanwalt wird wahrscheinlich noch in diesen Tagen eine Nachsnchung nach dem Instrumente in denJo-. ncs' Fällen, nahe der Faycttestraßeu - Brücke anordnen. Das Messer wird, wenn es gc funden werden sollte,-ein wichtiges Glied in der Kette der Zeugenaussagen niit Bezug ans den Mord bilden. McDonald in seiner Zelte. Mc-ewnald säugt au, sich in seiner einsa men Zelle im hiesigen Stadtgesängmssc so bequem einzurichten, wie es die Umstände ge statten. Seine Speisen läßt er in der Gny'- schcn Restauration zubereiten; die gewöhn liche Gefänguißkost mundet ihm nicht. Ueber den Mord vermeidet er absichtlich zn reden, dagegen erzählte er einem Berichterstatter, welcher ihn vorgestern besuchte, Manches aus seinem frühere Leben. Mit einem aewiffen Enthusiasmus sprach er vo der Zeit, die er in Tcrre Haute, das er als ein Paradies schil derte, zubrachte. Er läugnete, daß er sich unter ärztlicher Behandlung befinde, weil er keine geistigen Getränke zu sich nehmen könne, um seine Lebensgeister aufzufrischen. Im Gegentheil habe er sich nie gesunder und besser befunden, als gerade jetzt. Er habe über haupt nie eine Vorliebe für geistige Getränke gehabt und während der letzten eben Mo nate sei kein Tropfen Whiskey über seine Lip- Pen gekommen. Das Einzige, worüber Mc- Donald sich mehreren ferner Besucher gegen über beklagte, war Mangel an freier Vcwe guiig, indem die drei Viertelstunden am Vor Mittage und die drei Viertelstunden am Nachmittage, die den Gefangenen zu Spa ziergängen lm Innern des Gebäudes erlaubt sind, ihm nicht genügten. Hrn. Samuel Thompson, seinem Großvater gegenüber, sprach er den Wunsch aus, die Morgenzeituu gen zu lesen, um zu sehen, in welcher Weise sich dieselben über ihn geäußert hätten. Clarke und Golrbart haben eine Zelle ge meinschaftlich. Clarke lies't fast unausgesetzt und erträgt seine Hast mit einem gewissen Gleichmuth. Er findet die Lage seiner Zelle höchst angenehm. Mit Bezug aus den Mord sagt er, daß er keine Ahnung von AmoS' Ver wundung gehabt. Als ihm zuerst die Nach, richt von Amos' Tode zu Ohren gekommen sei, habe er die Sache für einen schlechten Scherz gehalten. Golibart stellt die Behaup tung aus, daß er erst am Dienstag Morgen, als er in seinem .Zimmer im „Sherwood- House" aus dem Schlafe erwachte, von dem Morde hörte. Seinen Freunden gegenüber, die ihn im Gefängnisse besuchten, äußerte er, daß seine Unschuld in kurzer Zeit an de Tag kommen würde und er in wenigen Wochen wieder frei zu kommen hoffe. Tie cllagten vor Gericht stell. Im Eriminalgerichle herrschte Freitag Mor gen erhebliche Aufregung. Die Kunde hatte sich verbreitet, daß McDonald, Golibart und Clarke vorgeführt werden würden und im Nu war jeder Platz in- und außerhalb des Bar reanS mit Menschen angefüllt. Da auch die Großgeschworencn nicht, wie gewöhnlich, ab traten und der Achtb. W. P. Whyte sein Er scheinen machte, so erhielt die Vermuthung volle Bestätigung. Und man hatte sich nicht getäuscht. E erhellt, daß kurz nach N Uhr keine wei. teren Geschäfte mehr vorlagen und Richter Gilinor den Ex-Gouverneur Whyte nach dem Gerichte bitten ließ. Als der Letztere dort an kam, bemerkte Richter Gilmor zu Hrn. Whyte, daß der Termin des Gerichts sich seinem Schlüsse nähere und es sowohl im Interesse des Gesetzes als der Gesangcnen liege, daß ihnen die Gelegenheit zur baldigen Prozessi rung gegeben werde. Hr. Whyte hatte Nichts dagegen einzuwenden und Richter Gilmor er ließ nunmehr einen Befehl,an den Jail-Ward ein, die Angeklagten in'S Gericht zu bringen. ' Der gerade mit Gefangenen nach der Jail zu riickkehrcnde Wagen nahm den Befehl mit und derselbe wurde ungesäumt dem Wardein Irwin übergeben. Dieser hieß sofort Mc- Donald, Golibart und Clarke sich ohne Ver zug zur Arbeit bereit zu machen. Es scheint, daß das Geheiß nicht ganz unerwartet kam, denn alle Drei waren nach wenigen Minueen absahrtsscrtlg. McDonald wurde speziell, Golibart und Elarke zusammengesesselt und zum Besteigen des Gefänanißwagens aufge fordert. Eine besondere Kutsche hatte mau schicklicher Weise nicht beschafft. Kurz vor 12 Uhr fuhr die „Black Maria" am nördlichen Eingange des Gerichts an der Lcxinglonstraße vor und schuelb stiegen, unter Begleitung der Gehlllfs-Wardeine G. Wilson und Carter, Golibart und Clarke aus, eilten die Stiegen hinauf und waren bald den Mengen entschwunden. Alle Drei wurden zunächst nach dem für Gefangene bestimmten Verschlage gebracht, wo man ihnen die Kesseln abnahm. Präzise 12 Uhr nahm Hr. I. T. Ford, Ob mann der Großgeschworenen, Platz neben dem Richter Gilmor und dieser gab dem Scheriff Befehl, die Gefangenen vorzuführen, nachdem zuvor Hr. Whyte auf die Anfrage des Rich ters, ob die Gefangenen für ihr Erscheinen bereit seien, beiahend geantwortet hatte. Alle Drei wurden nunmehr nach dem für Ange klagte bestimmten Platze gebracht. Jedes Auge war auf 'sie gerichtet und erst nach einigen lautcnßufen der Bailiffs, welche Ruhe geboten, war es dem Richter möglich, dem Gerichlsaktuar Befehl zur Vorlesung der Anklageschrift zu geben. Hr. H. T. Mcloney, Clerk des Aktuars befahl nunmehr den Gefangenen, sich zu er heben, die rechte Hand in die Höhe zu halten und die Anklageakte zu vernehmen. Wäh- rend (Vollbart und Clarke die rechte Hand er hoben, hielt McDonald Anfangs die Nnke, ersichtlich etwas außer Fassung, in die Höhe, bemerkte aber schnell seinen Irrthum und folgte dem Beispiele seiner Mitgefangenen. Nachdem der Clerk die Borlcsung der An klageschrist (siehe an anderer Stelle unserer heutigen Nr.) begonnen, ließen alle drei Ge fangene die Hände wieder fallen, blieben aber stehen, bis nach etwas mehr als tü Minuten der Clerk fertig war. Zum Schlüsse frug der Clerk jeden der Gefangenen: „Samuel W. McDonald (Golibart und Clarke), was sagen Sie, sind Sie der Anklage schuldig oder nicht schuldig, die gegen Sie in der Schrift erhoben worden ist?" Alle Drei beantworteten die Frage mit deutlicher Stimme: „Nicht schul dig." Es wurde bemerkt, daß alle Drei un verwandt ans den Clerk blickten und nur Mc- Donald zwei Male zur Seite, einmal auf Hrn. Whyte und das andere Mal auf die Menschenmenge, schaute. Richter Gilmor frug jetzt Hrn. Whyte, wann er prozeßbereit sein würde. Hr. Whyte erwiederte, daß er als einer der Cominisiäre auf Selten des Staates zur Schlichtung der Grenzfrage zwischen Birgiuien und Mary land ernannt worden sei. Tie Commission werde in Kurzem zusammentreten und einen erheblichen Theil seiner Zeit in Anspruch neh men. Auch werde Nachricht von der Mutter McDonald's erwartet, um zu erfahren, wen sie als Anwalt für ihren Sohn zu bestellen wünsche. Er möchte deshalb das Gericht er suchen, den Prozeß McDonald's bis zum nächsten (Oktober) Termine zu verschieben. Auch habe man von McDonald selbst noch keine bestimmte Weisung über diese Ange legenheit erhallen. Richter Gilmor erwiederte, daß der Antrag des Hru. Whyte Berücksichtigung verdiene. Staalsanwall Kirott wies darauf hin, daß die Graud-Jury Pünktlich die Sache unter sucht habe und von ferner Seite kein Grnnd zum Aufichube vorhanden sei. Hr. Whyte antwortete, daß durch die in den Zeitungen gemachten Mittheilungen das Publikum sich in großer Aufregung befinde und der Auf schnbs-Antrag wohl in Ordnung sei. Richter Gilmor entschied schließlich, daß der Prozeß McDonald's bis zum Oktober verschoben werde und verlegte bis dahin auch die Pro zesse Golibarl's und Clarke's, nachdem diese auf Befragen mittheilten, daß sie noch keine Anwälte besüßen. Nunmehr brachte man die Angeklagten in den Verschlag zurück, von wo sie bald der Jailwagen, dieses Mal, um der Menschen menge zn entgehen, auf einem Umwege nach der Jail entführte. Die große Menschenmenge, welche vor nnd in dem Gerichte der Vorführung der Ange klagten beiwohnte, war bald wieder ver schwunden. Es wurde wahrgenommen, daß die als "l'-cuov-Ken" bekannte Sorte von Leuten stark vertreten war. Als McDonald das Gericht verließ, grüßte er einige ihm zunickende Bekannte, wie er denn überhaupt den größten Gleichmuth an den Tag legte. Auch Freitag erhielten mir einige Verwandte und ein Anwalt Zutritt zur Zail, um Mc- Donald zu besuchen. Auch Angehörige Go libart's und Clarke's sprachen vor. Alle Drei erhalten, da sie reichlich Geld haben, die Speisen lhcilwcisc von Guy's und theilweise aus der Pnvatküche des Wardeins. Ange hörige haben ihre Zellen mit einigen Bequem lichkeiten versehen, im Ucbrigen aber wird zwischen ihnen und den anderen Gefangenen kein Unterschied gemacht. Tas Aussehen es Trio's im Gesiingntsse. McDonald, ein großer junger Mann mit blondem Haare, großen blauen Augen und breiter Stirn trug einen einfachen schwarzen Anzug, schaute unerschrocken d'rein und schien entschlossen, die Fassung nicht zu verlieren. Er mächte freundliche Miene zum bösen Spiele, konnte aber dann und wann ein ner vöses Zittern der Hände nicht verbergen. Sein Schnnrrbar war sorgfältig gekämmt und wurde mehrere Male von ihm gedreht. Als die Aufforderung erging, die rechte Hand zu erheben, folgten Golibart und Clarke so fort, McDonald mit etwas Zögern, obwohl er nachher der Erste war, der seinen Collcgen sagte, ivenn sie die Hand wieder sinken lassen körnten. Golibart stand zunächst neben McDonald, trug einen dunkelblauen Anzug, hatte das Haar knapp gescheitelt und blickte fest, aber doch mit besorgten Zügen, d'rein. Golibart hat das Aussehen eines Sports und scheint über seine Lage weit mehr erstaunt, als er schrocken zu fein. Clarke, der kleinste der Drei, trug einen einfachen grauen Anzug, ist schwächlicher Sta tur, hat kleine graue Augen und blickte un verwandt aus den Aktuar, als dieser die lange Anklageschrift verlas. Ein Besuch im Stadtgeföugnisse. -Unter dem Schatten des Gal gens. Der Sinrtchtungsve fcyl für den Neger Charles H. Jones.—McDonald, Golibart nnd Clarke. Infolge einer Einladung des Scheriffs be suchten wir Montrg Mittag um 1 Uhr das Stadlgefängniß, weil einem dort delinirten Verbrecher, dem des Mordes an Edward Berry, farbig, überführtm Neger Charles H. Jones der Hinrichtuiigsbeschl vorgelesen wer den sollte. Das Stadlgefängniß ist, infolge seiner schönen Lage nnd seiner massiven Mauern, ein angenehmer, kühler Platz, besonders für den, welcher ihn freiwillig besucht und das schöne Bewußtsein hat, daß er sich nur einen Check geben zu lassen vrancht, um denselben wieder verlassen zu können. Nachdem die zn dem feierlichen Akte einge ladenen Berichterstatter sich unter dem Portal etwas abgekühlt hatten, führte sie Capt. Ir win nach dem elegant eingerichteten Besuchs zimmer, wohin bald darauf der Verbrecher gebracht wurde. Jones ist ein junger Mulatte von etwa 20 Jahren, klein aber fest gebaut, mit intelligen tem, fast hüb che! Gesichte, er war leicht und reinlich gekleidet und sein ganzes Austreten bekundete, daß er sich entweder der furchtba ren Situation nicht bewußt war, oder aber, daß er längst seinen Frieden mit der Welt ge macht hatte. Der Scheriff ließ ihn nicht lange warten, sondern begann sofort mit Verlesung des To desurtheils, welches folgendermaßen lautete: „Der Staat Maryland. An den Scheriff der Stadt Baltimore! Indem der Neger Charles Henry Jones im Criminalgerichte der Stadt Baltimore während des Januarter mines des Jahres 1874 des Mordes im ersten Grade überführt wurde und da ihn das be sagte Gericht verurthcill hat, daß er am Halse gehängt werden soll, bis er todt ist; Deshalb werden Sic hierdurch angewiesen, angehalten und wird Ihnen befohlen, daß Sie am Freitag, den 7. August d. 1., um zwei Uhr Nachm. oder vorher den besagten Charles Henry Jones aus seiner Zelle nehmen und ihn sicher nach dem Galgen der genannten Stadt, dem Hmrichtungsorte der Uebelthäter, führen und dann dort den besagten Charles Henry Jones am Halse aufhängen, bis er todt ist, wofür Sie hierdurch genügend Gewalt und Ermächtigung haben. Gegeben unter meiner Hand und dem qro Ben Siegel des Staates Maryland in der Stadt Annapolis am 27. Juni im Jahre des Herrn 1874 und im 97. Jahre der Unabhän gigkeit der Ver. Staaten. Durch den Gou verneur James Black Groome. R. C. Holli day, Staatssekretär." Der Delinquent hörte aufmerksam zu, ver rieth jedoch nicht die geringste Bewegung, uud als der Beamte geendet hatte und sich persönlich an ihn wandte und ihm sagte, daß er auf Erden Nichts mehr zu hoffen habe, daß der Gouverneur fest entschlossen sei, ihn für fiiu Verbrechen büßen zu lassen, antwortete er nur einige Male mit dem seiner Race ei genen Kit-, Der Scheriff wandte sich sodann an den Wardein mit der Bemerkung, den Verbrecher streng zu bcwah ren, ihn aber außerdem mild zu behandeln bis zum Tage der Hinrichtung. I Als b Scheriff fertig war, würde Jone nach der Zelle Nr. 5 im Souterrain des Ge bäudes zurückgeführt. Er ging festen Schrit tes nach feiner Zelle, sah weder Rechts, noch Links und betrat schließlich den in dessen Inneren er bald verschwand^ Es waren bei der Verlesung des Hinrich tung - Befehles außer den vertchiedenen Be richterstattern der Zeitungen W. F. Mc- Kewen, Aktuar des Eriininal - Gerichts, Eol. I. H. Solhorn, N. A. Brainard, Agent der Chestcrstuß - Dampfer, A. W. Duke, M. W. Parker, Wardein Irwin u. A. zugegen. Die Vorlesung des Befehls erfolgte'im Parlor deS Wardeins. Jones hat, wie sich der Leser erinnern wird, am 13. Januar d. I. den Neger Edward Berry in der Union-Straße erstochen. Beide Neger waren Freunde, sie spielten an jenem Sonntage Karten und gerietheu in Streit, woraus sie sich auf die Straße begaben, um die Sache auszufechten. Bei diesem Zwei kämpfe brauchte Jones ein Messer und wurde zum Mörder. Als vorgestern der Verürtheilte erfuhr, daß der Gouverneur den Befehl zu seiner Hinrich tung unterzeichnet habe, stand er gerade an der Thüre feiner Zelle, mit dem Lesen eines religiösen Buches beschäftigt. Jones theilte dem Berichterstatter mit, daß Vater Gore von det St. Franziskuskirche, Ecke der Cal vert- und Pleasantsttaße, ihn wöchentlich zwei Male besuche und auch häufig barmherzige Schwestern mit ihm beteten. elonald, Golibart und Slarte. Nachdem der Verbrecher abgeführt war, ging der Berichterstatter mit seinen Collcgen nach dem Inneren des Gefängnisses. Mc- Donald, Golibart und Clarke standen an dem großen Gitter der inneren Halle und un terhiclten sich mit ihren Freunden. McDo nald und Golibart sind ungefähr in einem Alter und haben auch äußerlich eine merk würdige Aehnlichkcit, Beide haben blonde Schnurrbarte, ihre Kleidung war leicht und elegant. Ob sie eine Ahnung oder Vorah nung von der Begebenheit hatten, welche die Gerichtsbeamten und Berichterstatter der Presse in's Gefängniß führte? Möglich, aber in ihrem Benehmen war Nichts zu be merken; die beiden Herrchen schienen es für einen bedeutenden Jux zu halten, daß man sie in diesen heißen Tagen dort eingesperrt uud so in liebevollster Weise gegen den Son nenstich geschützt. Clarke saß in der Ecke am großen Gitter, ans einem Schemel, er ist be deutend älter, als seine beiden Genossen, und schien die Situation weit besser zu begreifen, denn er war niedergeschlagen und mürrisch trotz der sreundltchen Begrüßungen und Auf munterung, welche ihm von verschiedenen Gästen wurden. McDonald hat sich ein eigenes Bett nach der Zelle bringen lassen nnd verwendet augen- Icheinlich große Aufmerksamkeit aus seine Toilette. Auch Bücher und Zeitungen hat er sich bringen lassen, und man sagt, daß er viel lief't. McTonald wird ans der Privat küche des Wardeins verköstigt, Golibart und Clarke erhalten ihr Essen aus der Stadt. McDonald und Golibart unterhalten eine lebhafte Correspondenz. Abfahrt des Dpfrs. „Rürnberg." Der Dämpfer „Nürnberg," Capt. Jäger, trat Sonnabend Nachmittag Punkt 2 Uhr seine Rückfahrt vonLocust-Point über South ampton nach Bremerhaven mit 44 Cajüten- Passagicren, nämlich Frl.Nannie Gail, F.W. Fclgner nebst Frau, I. J.Wentz, jnn., Frau , Laura Treusch, Major Edgar G. Dawson, Frau Dawson, Wm. Terrell Dawson, Frl. Louise Dawson, I. Hill Dawson und Edgar R. Dawson aus Baltimore, Consul Johann Hitz nebst Familie, Frau M. Wraughau, yrau Dr. I. Krainvf, Anton Ebcrle, Gen. Hillyer, L. G. Marini, H. Seniken, Frau Pendleton nebst Säugling uud Dienstboten, Wilhelm Wnrdemann undFrls.Lydia, Laura und Mathilde Würdeinanu aus Washington, D. C., Wm. Cooper aus Norfolk, Va., Da niel Stent, Frau Amalie Stein nebst Kin dern, Frl. Rahel Kaiser, Frl. Bertha Stein und die Knaben M. uud S. Stein aus Pitts bnrg, Pa., Friedrich Hengehold nebst Frau und R. Reinbold nebst Familie aus Einem nati und Pastor A. S. L.Sparling aus Eng land; sowie 57 Zwischendecks-Passagieren an. Seine auf 118,452.35 gewerthete La dung umfaßt folgende Colli: 74 Oxhofle Blättertaback, 239 Oxhoste Maryländer und Ohio'er, 135 Oxhofte Maryländer, 174 Or hofte Ohio'er, 181 Oxhofle Virginier, lyo Oyhoste Kentucky'er und 10 Oxhofte Bayta back, 148 Oxhofle Virginer nnd 238 Oxhoste Kentucky'er Tabacksrippcn, 500 Fässer Harz, 1 Partie Faßdauben, 100 Fässer Waizcn mchl, 50 Kisten Maismehl, 50 Fässer Pökel rindfleisch und 256 Säcke Mais. Von 12 bis 2 Uhr herrschte auf der Werste der europäischen Dampfer ein ungemein reges Leben, theils in Folge der Anwesenheit einer großen Anzahl Washingtoner, die ihren schei denden Freunden auf längere Zeit Lebewohl sagen wollten, theils wert zum ersten Male ein Exttazug der „Baltimore-Ohio-Bahir" von der Canldenstraßen - Station zur Be quemlichkeit von Passagieren aus der Stadt und ihren Freunden bis an die Werfte fuhr. Ein Palast-Waggon, welcher den Schweizer General-Eonfnl Hrn. Hitz, Richter Hillyer und Andere als Passagiere für die „Nürn berg" nebst deren Begleitern von Washington gebracht, wurde an zwei andere Waggons ge hängt. sodaß der erste derartige Exkursionszug aus drei Waggons bestand. Die beiden Er steren wären mit Herren und Damen ans Baltimore gefüllt. Hrn. F. W. Felgner, dem bekannten Tabackshändler, der aus längere Zeit sich nach Deutschland begibt, sowie Hrn. Daniel Stein, der mit feiner Familie seinen Aufenthalt in Deutschland auf zehn Jahre zu verlängern gedenkt, gaben Schaaren von Be kannten und Verwandten das Geleitc. Frei tag Abend erhielt Hr. Stein in der Wohnung feines Schwiegervaters Hrn. N. Äeyser ein Abschiedskränzchcn, das ihm Gelegenheit gab, von über 200 Freunden sich zu verabschieden. Zu den Begleitern der abreisenden Touri sten gehörten unter Anderem die HH. F. F. Schleus, Wm. E. Hooper nebst Familie, Theodor Hooper und I. C. Bridgcs. Als die „Nürnberg" bereits in ziemlicher Entfer nung nur noch undeutlich zu unterscheiden war, führte der Exttazug die Ausflügler nach dem Camdcnstr.-Bahnhofe zurück, wo er !3 Uhr wieder anlaugte. Ankunft des Dvfrs. „Baltimore." Der Dampfer „Baltimore," Capt. Lilien- Hain, legte Montag früh j7 Uhr an feiner Werfte auf Locust - Point an. Er verließ Bremerhaven om 10., Southampton am 13. Juiff, paffirte am selbigen Nachmittage um 3 Uhr die Xveäles und traf am Sonnabende Nachmittags Z 2 Uhr am Cap Henry ein. Er halte leichte Ostwinde bei glatter See in den ersten Tagen der Fahrt, später aber starke Südstürme. Auf der Höhe des Woolfrocks stieß er aus die entmastete Brigg „Eleanor" von Jarmouth, England, die die Nothftagge aufgezogen hatte; sie war mit einer unbekann ten Barke zusammengestoßen und arg beschä digt. Die „Baltimore" nahm sie in'ö Schlep tau und bugsirte sie wohlbehalten nach Pen cance, ihrem AbfahrtsHafen. Von hier setzte sie am 14. Juni Nachmittag 3 Uhr die Fahrt fort. Am 16. sprach sie erncir amerikanischen Dreimaster, am 17. die englische Barke „D. P. G. M.," am 19. einen östlich fahrenden Dampfer der „National Linie;" am 21. Juni begegnete sie mehreren großen Eisbergen, am 22. der englischen Barke „K. N. R. P.," am 23. dem englischen Dreimaster „Zealandia" von London; auf der Höhe der Scilly Jnseln den Dampfern „Hohenzollern" und „Sile sta." „Baltimore" brachte zwei Cajüten (Frl.S. Lapowöka ans Polen und Carl Che valier aus Frankreich) und 237 Zwischen decks - Passagiere, darunter Carl Sachse und B. Davidssohn aus Baltimore und I. Kros ker aus St. Lonis; die Mehrheit der Ein wanderer sind Böhmen, Polen und Schwei zer. Der Dampier brachte folgende Ladung: von Bremen 6 Fässer Genevre für N. N., 2 Kisten Wetz- und Schleifsteine für Gebrüder Louis, 1 Kiste Tabacks-Probcnfür E. Wenck, I Stückfaß Pfeffergurken für A. Schumacher K Comp., 10 Kisten Würste für Prior K von Cöllen, 3 Ballen Kräuter für A. Vogelcr K Comp., 1 Kiste Gemälde und 2657 leere Säcke für A. Schumacher Sc Comp., 3 Pallete Ef fekten für I. Hemmeter, 1 Kiste Baumwol lenwaareii und 2 ditto Bitterwasser für Lt. N., 107 Kisten Wein für Samuel Barth, 4 ditto für Joh. Zeltner, 9 Kisten Glaswaarcn für Holländer e Prechtel, 1 Kiste Porzelan waaren für Prior Sc von Cöllen und 16 Rah men für Thomas M. Norris; von South ampton 1 Kiste Kausinannswaaren für I. D. Morrison; 1 ditto Bürsten für Thomsen, Lilly sc Comp., 300 Slücksässer Ale in Fla schen und 15 ditto Pickels für W.J. Walters sc Comp., 2886 Kisten Weißblech für N. N., 1 Kiste und 2 Stücksäffer Apothekermaaren für Thomsen, Lilly sc Comp.; von Havre 1 Packet Kaufmannswaaren für Kiiizon sc Hofsmann, 1 ditto für F. H. Schallns und 4 ditto für L'Abbe Dubreuil. Ei nw anderer für Birginien. Unter den mit dem Dampfer „Nürnberg" ab gegangenen Passagieren befanden sich der Ehrw. Dr. Sparliug, in der britischen Navy angesteckt, und seine Schwester Mab. Wrang- Hain. Beide haben 2000 Acker Land nahe Norfolk und andere LiinderfUrcken in Orange- und Albemarle-Counties angekauft, und keh ren nunmehr nach England zurück, um Co lonisten zur Ansiedlnng in Birginien zu ge winnen. Der „Mirror" bringt folgenden Bericht über die am Dreinigkeits-Sonntage in der Diözese B a l t i m or e für den Papst statt aefundenen Gcldsamnilungen: Cathedrale P 375.88; St. Mrchael's tz23o; St. Jakobus 195; St. Peter's PtBl;St.Alphonsus 130; St. Ignatius K 169; St. Patrick's GI68; St. Vmcent's 150; St. John's I 120; Heil. Ären; tz 92.50; St. Martin's 43.69; St. Anne's 40; St. Bridget's tz2s. Der Ertrag der ganzen Diözese wird nach des Erz- Kanzler's Starrßericht über D3OOO bettagen. Unter den Contribuenten befand sich auch der Achtb. I. L. Carroll mit 50. New Jork giebt gemeimglichGso.oVV, Boston u.s. w., sodaß die ganze Sammlung in den Per. Staaten reichlich 100,000 erreichen dürfte. Das deutsche Theater. (Die Win ter - Saison der „Concordia.") Daß die „Eoncordia" entschlossen ist. im nächsten Win ter die hiesige deutsche Bühne der Gunst des Publikums im vollsten Maße würdig zu ma chen, steht außer Frage. Die bisher getrof fencn Vorbereitungen und Engagements ge ben den besten Hoffnungen Ralliii. Hr. Gu stav Schereuberg, bekanntlich mit der Direk tion betraut, hat bereits eünge namhafte künst lerische Kräfte engagirt, reis't aber mit dcni nächsten Hamburger Dampfer von New Z)ork nach Deutschland ab, um das Personal der Bühne im Sinne der Unternehmer zu vervoll ständigen und durch die Beschaffung neuerer Werke allen Anforderungen an ein gutes Rc pertoir Rechnung zu tragen. Hr. S. macht selbstverständlich die Reise ausschließlich im Interesse der „Concordia," und werden dieKo stcn vornehmlich von den Freunden der deut schen Bühne getragen. Hr. S. gedenkt, in nerhalb 2 bis 3 Monaten wieder zurückzu kehren. Zu den bis jetzt cngagirtcn Kräften gehört auch Hr. Hahn, der tüchtige Charakter- und Heldendarsteller. Der„Schwcizcr-Verein vonßal ti in orc." Unier obigem Namen hat sich, wie wir bereits meldeten, hier am 8. Juni ein Bcreiu gebildet, welcher aus Schweizern und deren Abkömmlingen bc steht. Zweck des Vereins ist, seine Mitglieder bei vorkommenden Krankheitsfällen zu unter stützen, den Angehörigen gestorbener Mitglie der im Nothfälle die Begräbnißkosten zu cr leickttc, und dafür zn sorgen, daß Bildung, Geselligkeit und Anhänglichkeit an die alle Hcimath unter den Mitgliedern gefördert wer den. Beamte des Vereins sind folgende Her ren: I. R. Fellmann, Präsident; Jakob Kistler, Vice-Präsident; A. Grünauer, cor respondirender und protokollircnder Sekretär; E. Anderfuhren, Finanz-Sekretär, und Georg Spahn, Schatzmeister. Der Berein zählt bis letzt etwa 20 Mitglieder, was in Anbetracht der geringen Anzahl von Schweizer, welche in und um Baltimore wohnen, gewiß ein erfreuliches Resultat für das junge Unterneh me ist, und in der letzten Versammlung hatte der Verein die Freude, seine Mitglieder zahl wiederum vermehrt zn sehen. Die Zu sammcnkünfte finden regelmäßig jeden Sonn tag Vormittag um 10 Uhr im Vokale des Hrn. A. Grünauer, Nr. 35, Nord - Calven- Straße statt. Dem Bundes-Vorstand des „Grütli Bundes" in St. Lonis, Mo., dem „Grütli-Verein" in Washington, D. C., und der „Hclvetia" in Newark, N.-J., werden Exemplare der Statuten zugeschickt werden. Es wird ferner an die in und um Baltimore wohnenden Schweizer eine Einladung ergc hen, sich dem Verein anzuschließen, und der Präsident ermahnte am Schluß der gestrigen Sitzung die anwesenden Mitglieder, nach besten Kräften die Erweiterung der Gesell schaft zu fördern. Di e Co unt y.P o li z ei. Die kürz lich für die an Baltimore grenzenden Distrikte von Baltimore-County ernannte Polizeibe hörde versammelte sich vorgestern in dem Bü rcau der Counry Commissärc und schloß einen Contrakt mit Hrn. Straßburger ab Betreffs der Lieferung der Uniformen. Hr. W. Pole, welcher als Polizist für den dritten Bezirk er nannt war, lehnte die ihm zugewiesene Stel lung ab und an seiner Stelle wurde Daniel Hoff ernannt. Die Wasserscheu. Ein uns vorlie gender intercssanterßericht lautet: „Die große Gefahr der Ansteckung von Wasserscheu besteht darin, daß die Mehrzahl des Publikums einen tollen von einem gesunden Hunde nicht unter scheiden kann. Wäre dies nicht der Fall, so wäre keine Gefahr vorhanden. Sie halten andere harmlose Krankheiten für Hundswuth. Die allgemein vom Volke augenommcneDiag nose der Wasserscheu besteht aus drei Punkten: I) Daß man wüthenden Hunden nur in heißem Wetter begegnet. 2) Daß er das Wasser scheut und nicht trinken will. 3) Daß er bissig ist. Keiner dieser Punkte ist zutreffend. Eine an dere und ebenso unrichtige Ansicht ist,daß jeder umherlaufende Hund, welcher Jemand gebissen hat, wasserscheu ist, und gelödtet werden muß. Dr. Dallon empfiehlt folgende Verhaltungs maßregeln: 1) Ein kranker Hund, gleichviel an welcher Krankheit er leidet, sollte mit größ ter Vorsicht bewacht werden. 2) Em kranker Hund, der unruhig ist, ist verdächtig, da dieses ein Symptom der Wasserscheu ist. 3) Ein Hund, der krank und unruhig ist und einen Heißhunger hat, alles anriecht,StückchenTuch, Holz, Kohlen, Ziegel, Mörtel oder seinen eige nen D— frißt, ist ein gefährliches Thier; das Thier soll sofort an die Kette gelegt und festge halten werden, bis sein Zustand genau erkannt ist. 4) Falls der Hund durch irgend welche Symptome verrathen sollte, daß seinOrtssiun oder Geruchssinn gelitten hat, wenn er z. B. versuchen sollte, durch eine geschlossene Thüre zu gehen, so ist es mehr als wahrscheinlich, daß er toll ist, und sollte man ihn sofort an die Kette legen. 5) Falls Jemand von einem Hunde gebissen werden sollte, der im Gering sten der Wasserscheu verdächtig ist, so soll man sofort die Wunde mit Höllenstein ätzen. Der Höllenstein sollte wie eine Bleifedcr zugespitzt sein, damit man den Boden der Wunde errei chen und alleTheile der Wunde berühren kann. Dieses sollte so lange geschehen, bis der Patient nichts mehr fühlt. Auf diese Weise wird das Airstcckungsgift zerstört. Die Polizei sollte ermächtigt werden, alle Hunde, welche Symp tomevoil Wasserscheu zeigen, einzusaugen und an einen Ort zu bringen, der unter spezieller Aussicht der Sanitäts-Behörden steht." Noch eine Hinrichtung. Gleich zeitig mit der über den in hiesigem Gefäng nisse befindlichen Farbigen Chas. H. Jones verhängten Todesstrafe hat Gouverneur Groome auch das Todesurthcil über den Far bigen Ernst smith unterzeichnet, der in Tal bot-Connty wegen eines, am 10. April d. I. an dem weißen Mädchen Kate Bartlett ver übten schändlichen Verbrechens zum Tode verurthcilt worden ist. Smith soll gleich falls am 7. August gehängt werden, und ist dahin lautender Befehl an den Schcriff von Talbot-Co. ergangen. Die Hinrichtung fin det in Easton statt. Smith, erst 18 Jahre alt, galt' bisher für eines der beriichtigstcn Subjekte von Talbot-Co. Selbstmord eines Deutschen.— Am Samstag wurde die Leiche eines Mannes von etwa 50 Jahren, fünf Fuß sieben Zoll hoch, mit grau melirtem Barle, auf dem frü heren Landgute des Vaters Dolan an der Bel air Road hinter Brchm's Brauerei gefunden. Der Todte war mit gestreisten Hosen, neuen Halbstiefeln und einem Tuchrock bekleidet; in der Nähe der Leiche lag ein Filzhut, in wel chem das Wort „Waverley" stand. In den Taschen fand man ein rothes, baumwollenes Taschentuch, eine Brille mit Stahlciufassniig, ein Binocle, einen Schlüsselbund, einen Ring und ein Taschenbuch, welches tzl enthielt. Fcr ner fand man ein halbleeres Gläschen mit Blausäure, einen Löffel und ein Trinkglas. Schon am Freitag sahen verschiedene Leute den Mann dort liegen, sie glaubten jedoch, er schlafe und kümmerten sich nicht weiter um ihn Friedensrichter Burgan berief am Samstag eine Leichenschau-Jury, welche erkannte, daß sich der Mann vergiftet habe. Der Friedens richter ordnete die Beerdigung an. Man ver muthet, daß der Selbstmörder ein Deutscher war. In seinem Nmizbuche, aus dem fast alle Blätter gerissen waren, standen die deut schen Wörter: „Baumöl und Wermuthjaft." Tod eines bekannten Musikers. —Louis Rückert, ein bekannter hiesiger Musi ker, starb Sonntag Morgen nach kurzer Krank heit in seinem 38. Lebensjahre. Der Ver storbene war einer unserer tüchtigsten und ta ientvollsteil Musiker und im vorigen Winter Mitglied des Pcabody-Orchesters. Er stand bei Allen, die ihn kannten, in hoher Achtung und die Nachricht von seinem Tode wird ui vielen Kreisen tiefe Betrübniß erregen. Baltimorcr Sterblichkeits-Ta belle. Verflossene Woche wurden 193 Personen, 103 männlichen und 90 weiblichen Geschlechts, worunter 29 Farbige und 11 Todtgeborene, aus Baltimore beerdigt; 52 mehr, als in der Vorwoche, 32 weniger, als in der Parallelwoche von 1872, aber resp. 17, 41, 5, 36, 78, 72 und 53 mehr, als in den correjpondirenden Wochen von 1373, '7l, '7O, '69, '6B, '67 und '66. Es waren 105 noch Berichte aus dem Innern des Staates. (Aus Prince George's County.) Der Colorado Kartoffelkäfer hat sein Erscheinen jetzt auch in Prince George's County gemacht und richtet auf den dortigen Feldern große Verwüstungen an. (Verkauf eines Landguts.) Die unter dem Namen "<>lü ?><M ttoinr" bekannte Farm des Hrn. H. H. Rafin in Kent County wurde vor einigen Tagen um ?70 pro Mar gen an Hrn. R. W. L. Rafin in Baltimore verkauft. (Tödtlicher Unfall.) Ein kleines Kind des in der Nähe von Woodstock, Howard- County, wohnenden Hrn. Joseph Nash wurde ain 20. Juni von einem Frachtzuge übersah, ren und augenblicklich getödtet. (Auch ein Vergnügen.) In Westmiiister, Carroll County, wird am 4. Juli ei Turnier stattfinden. Sobald dasselbe sein Ende er reicht hat, werden 5000 Cenrstücke über die Rennbahn verstreut und allen Knaben unter 17 Jahren steht es frei, die Centstücke aufzu sammeln und sich um dieselben zu balgen. Die Knaben müssen jedoch barfuß gehen. Neben der Bahn werden natürlich die edlen Bäter dieser Knaben stehen und sich köstlich über ihre balgenden Sprößlinge freuen. Ob ein derartiges Vergnügen dazu beiträgt, einen veredelnden oder wohlthätigen Eindruck auf die jugendlichen Herzen auszuüben, darnach scheu nicht im Alindesten cefragt zu werden. (Waldbrand.) In den Wäldern aus den South-Mountains, nordöstlich von BoonS boro', wüthet seit einigen Tagen ein schreck licher Brand, welcher bereits große Strecken Waldland in Asche gelegt hat. (Konnten sich nicht einigen.) Die Ge schworenen ,n dem Expropriirungs-Prozesse der „Maryland - Pennsylvanier Eisenbahn- Compagnie" gegen Kirkpatrick Ewing, welche während der letzten Tage in Ady's Hotcl zu Towsontown ihre Berathungen abhielten, haben sich nicht zu einigen vermocht und sind entlassen worden. (Schießunsall.) Während am Freitag Nachmittag zwei Söhne des Dr. Foulke voii Catonsville m der Nähe jenes Städtchens jagten, entlud sich plötzlich die Flinte in den Händen eines der beiden Knaben und die La düng fuhr dem Andern in die Magcnqcqcnd Die empfangenen Verletzungen sollen nicht ! lebensgefährlich sein. John Halifax^Gcnllcman. Aus dem Englischen von Sophia Verena (Fortsetzung.) Um der Unterhaltung eine andcreWen dnng zu geben, begann John von vcm Minister Percival zu sprechen. Seine letzte Rede hat mir sehr gefallen; er scheint ein klarer Kopf, ein rechtlicher Mann zu sein, trotz seines verdrießlichen Widerspruches gegen die Bill. Er wird sich nie wieder dagegen oppo niren. Ja, Mylord, ich bin überzeugt, er bleibt seiner Ansicht getreu bis zum Tode. Das mag sein — und dennoch —, der Graf lächrltc. Herr Halisax, ich habe so eben Nachrichten durch eine Taubenpost er halten—meine Vögel stiegen schnell höchst wichtige Nachrichten für uns und unsere Partei. Gestern, in dem Vorzim mer des Unterhauses, ist der MinisterPer cival erschossen worden. Wir fuhren entsetzt empor, Vor einer Stunde hallen wir seine letzte Rede gele sen und jetzt war sein Mund so plötz lich verstummt! O, John, —, rief die Mutter mit thrä nenvollen Augen seine armen, vater losen Kinder! Und während sie ausmerkiam und theil nahmsvoll der traurigen Geschichte zuhör ten, blickten sie ab und zu auf ihre glückli chen, spielenden Kleinen, und dachten wie manches Ellernpaar an diesem Tage in England that an das attlicheHaus in London, in welchem die Wittwe mit rh rcnWaisen ihren theurenZodtcir beweinten. Mag er ein großer Staatsmann gewesen sein oder nicht, jedenfalls war er ein guter Mensch. Viele gedenken noch mit Trauer seines frühzeitigen Todes, und Andere, welche ihn vielleicht im Leben nicht leiden mochten, beklagten doch, wie alle biederen Herzen in England, den hingcopsertenMi nister. Möglicherweise gehörte der Graf Lux more nicht zu den Letzteren. Mit leichtem Tone sagte er: Ueftlliöseut. in zmeo! Ich werde die Heiligsprechung des armen Bellingham beantragen. Jetzt, da Percival todt ist, wird eine augenbliche Neuwahl erfolgen, und von dieser Wahl hängt die Emanci pation der Katholiken ab. Herr Halifax, Sie würden uns große Dienste im Parla ment leisten können. Meinen Sie? Wollen Sie ich liebe ein offenes Aussprechen wollen Sie eintreten? In das Parlament treten! John Hali fax ein Mitglied des Parlamentes! Ursula und ich waren über die so Plötzlich hinge stellte Möglichkeit ganz erstarrt, während es für John kein so neuer Gedanke zn sein schien. Ich versichere Sie, nichts ist leichter, fuhr der Graf fort, Sie können sogleich Deputirler für einen Wahlkreis in der Nähe —es ist ein Wahlflecken meiner Familie. Für den eine Ihnen zusagende Person so lange eintreten soll, bis Lord Ravenel mündig ist so theilte es mir Herr Brown mit. Ein leichtes Stirnrunzeln des Grasen zeigte, daß er nicht ganz zufrieden war. Derartige Verträge und Uebereinkünfte waren damals in Beziehungen zu dem Parlamente etwas Gewöhnliches, wie sie es noch jetzt im Dienste der Kirche sind, wurden aber trotzdem nicht gern so öffent, lich gemacht und lieber mit einem gewissen Scheine des Rechtes umwebt. Jetzt hatte der Verwalter des Grasen die Sache bei'm wahren Namen genannt, und das Unred liche derhandlungswcise sprang klar in die Augen. Der junge Lord Ravenel fühlte es; sich nennen hörend, hatte er sich zu uns gewandt, um dem Gespräche zu lauschen, doch er drehte sich hastig wieder um, während eine flammende Nöthe sein Antlitz übergoß. Nicht so der Gras, sein Valcr. Die leise Regung des Mißver gnügens war vollkommen verschwunden, als er vonNeuem die Unterhaltung begann. Brown ist (darf ich ihnen eine Prise anbieten, HerrHalifar? was, nicht ein mal von des Prinzregenten eigener Mi schung?) Brown ist unbedingt e>n würdi ger Mann, nur etwas zu voreilig in sei nen Schlußsolgerungen. Für jetzt ist es noch gar nicht bestimmt, ob mein Sohn sich für die Kirche das beißt den Prie sterstand oder die politische Lausbahn entscheidet. Doch um zum Hauptgegen stande unseres Gespräches zurückzukehren Frau Halifax, wollen Sie nicht meine Verbündete werden und Ihren Herrn Ge mahl meinem Vorschlage geneigt machen? Möchten Sie ihn nicht als Deputirler des alten, ehrwürdigen Wahlflcckens Kings well sehen? Kingswell! Es war ein zurückgekomme nes, armseliges Dorf, in dem John die letzten Ueberreste mir zugehörender Lände reien verwaltete, welche ich von meinem Vater geerbt halte. Kingswell! es stehen ja kaum ein Dutzend Häuser in dem Orte! Je weniger, desto besser, meine liebe Frau Halifax. Tie Mahl würde mich wenig kosten wenig Mühe, und das Land würde sehr viel gewinnen durch Ih res Mannes entschiedenes Talent und große Redlichkeit, Natürlich muß er sein Geschäft ausgeben und unabhängig daste hen; er ist dazu befähigt, in der Politik eine glänzende Rolle zu spielen, und es würde mir eine Freude und Ehre zu glei cher Zeit sein, wenn ich etwas zum Errei chen dieses Zieles beigetragen hätte. Herr Halisax, Sie werden aus meinen Vorschlag eingehen und als Eandidat für Kingswell auftreten? Unter keiner Bedingung, um keinerVor theile willen, welche Sie, Herr Gras, mir bieten können. Lord Luxmore schien kaum seinen Ohren zu klauen. Mein lieber Herr Sie sind einer der außergewöhnlichsten Männer darf ich noch einmal nach den Gründen Ihrer Weigerung fragen? Ich habe deren mehrere, doch einGrund wird vollkommen ausreichen. Obgleich es mir lieb wäre, Einfluß, vielleicht sogar Macht, zn gewinnen, so würde doch der letzte meiner Wünsche, politischer Einfluß sein. Sie könnten ja leicht diesem unwillkom menen Besitz aus dem Wege geben, erwi derie der Graf, denn die Hälfte des Unter hauses besteht aus stummen Mitgliedern, die abstimmen, wie wir es wünschen. Dazu passe ick entschieden nicht, My lord; diese Stelle einzunehmen, wäre mei nem Charakter durchaus unmöglich. Ehe die politische Ueberzeugung nicht aufhört, eine Waare zu sein, käuflich für benMeist bietendcn, ehe dem Volke nicht offen und frei gestattet wird, seine ehrlichen Vertreter selbst zu wählen, muß ich durchaus ver weigern, einer derselben zu werden. Wollen wir das Gespräch nicht fallen las sen ? Mit Vergnügen mein Herr. So wurde die gewichtige Frage als er ledigt betlachtet und anscheinend verges sen, indem sich die Unterhaltung gewöhn lichen Dingen zuwandte. Der Gras, der wie man sagte, jetzt, da seine Vergnü gungen schaal und leer für ihn wurden, seinen Geist aus die Lieblingsneigung des Alters, die Politik, richtete, schien ein zusehen, daß er es mit John Halifax nicht verderben dürfe. Es mußte ihm einleuchten, daß es in diesen Tagen der Verwirrung und Parteistreitigkeilen, da man zuerst den Schrei „des Volkes" etwas zu beach ten begann, bester sei, den jungen Mann sich nicht zum Feinde zu machen, der mit einigen Anderen in der Mckte jener Kluft stand, welche zwischen der Aristokratie und dem Volke bis jetzt unausfütlbar gewesen war, nun aber nach und nach geringer wurde. Der Gras blieb noch einige Zeit, und dann verabschiedete er sich mit einer so graziösen Herablassung, welche des Prrnz regenten würdig gewesen wäre, indem er den sanften, schüchternen Lord Ravenel mit sich nahm, der wohl kaum während des ganzen Besuches sechs Worte gespro chen haben mochte. Sowohl John als Ursula waren froh, da er gegangen war. Wahrlich, John, er hat nicht großen Nutzen von seinem Besuche gehabt und ich hoffe, wir werden sür's Erste keinen Gra sen wieoer in unserem stillen Hause sehen. Kinder, kommt zum Mittagseffen hec > ein! Doch der Eindruck, welchen seine Lord schaft zurückgelassen, war ein unbehagli cher, er wurde nicht so schnell überwunden und wählte sogar bis zu jener Stunde oft der ruhigsten und glücklichsten des gan zen Tages wenn die Kinder zu Bett gebracht waren und wir drei Aelteren uns in gemüthlicher Stille um das Kamin feuer setzten. Ursula und ich nahmen heute lange den Platz allein ein. Wie spät John heute Abend bleibt! sagte sie mehr als ein Mal, und ich konnte bemerken, wie sie auf jedes Geräusch, je den Fußtritt lauschte, ohne sich jedoch zu erheben, denn sie kannte seinen Schritt, seine Art zu klingeln ganz genau. Jetzt kommt er! —. riefen wir Beide gleichzeitig und fühlten uns sroh und be ruhigt, als John eintrat. Freude und Leben kam immer mit ihm. Welche Sorgen und Mühsale ihn auch d'raußen getroffen-, und sie waren schwer genug sie schienen stets vergessen zu fein, sobald er an die Thür seines Hauses trat; und welche kleinen häuslichen Be schwerden wir gehabt, auch wir gedachten ihrer nicht mehr, sobald wir seiner ansich tig wurden. Guten Abend, Onkel Phineas! Die Kinder sind doch alle wohl, mein Liebling? Ein Feuer im Kamin, das ist herrlich! Heute Abend ist es frisch d'raußen wie im November. John, wenn Du eineSchwäche besitzest, so ist es die für Käminseucr; Du bist ein richtiger Salamander. Er lachte, während er seine Hände an der Flamme erwärmte. Ja, ich könnte eher Hunger als Kälte ertragen. Liebe, unsere einzige Extravaganz ist aber auch der etwas reichliche Verbrauch von Kohlen. Sieh, wie das lustig brennt! Ich mag zn gern ein großes Feuer haben! Sie nannte ihn „einen Verschwender" aber sie küßte die Stirn, welche er zu ihr niederbeugte und schaute ihn an mit einem Blick, der deutlich sagte, sie würde, wenn es zu seinem Besten und seinem Behagen erforderlich wäre, das ganze Haus in Brennmaterial verwandeln. Die Kleinen sind doch alle zu Bett? Ja, sie schienen die Absicht zu haben, die halbe Nacht wach zu liegen -- die un artigen Knabe um von Longfield zu prechen; selten sah ich die Kinder so voller Entzücken. Wirklich? Mir schien der Ton fast trau rig, in dem John sprach, es kam mir auch vor, als ob er weniger theilnahmsvoll der kleinen Familienchronik lausche, welche täglich wundervoll neue Begebenheiten brachte, die Ursula und ich ebenso gern erzählten, als er ihnen zuhörte, und deren stiller Reiz nach des Tages Last und Mü hen, für ihn wie das sanfte Rauschen grüner Bäume war, wie er sagte. Heute verstummten seine Fragen bald. Mein lrcber John, Du scheinst sehr ab gespannt. Etwas. Tu bist wohl ungewöhnlich beschäftigt gewesen. Ja, sehr. Ich sowohl wie seine Frau kannten und wußten, was diese kurzen Antworten zu bedeuten hatten; so wandt? ich mich zum Tische, auf dem Guy's beflecktes Schreibe buch lag und ebenso sehr der Hülfe des Onkels Phineas bedurfte, wie Edwin'S wunderbare Rechenexempel und ließ die trauliche Ecke am Kamin den Beiden. Bald setzte sich John in meinen beque men Armstuhl und konnte man bemerken, wie matt und erschöpft er war scwohl an Leib als Seele so abge spannt, wie er mir selten vorgekommen. Es schmerzte mich, zu sehen, wie müde und zusammengesunken seine hohe, kräftige Gestalt war welche scharfen Linien, um sci nenMund lagen,Linien,die seinGesicht, bei dem Alter von zweiunddreißig Jahren, noch nicht zu zeigen brauchte. Und seine Augen- wirklich, es schienen kaum John's klare, liebe Augen zu sein, cls sie mit die ser stumpfen Ruhe, durch die dann wieder ein ängstliches Zucken blitzte, in die rothen Gluthen starrten. Endlich ermannte er sich und betrachtete Ursula's Arbeit. Schon wieder kleine Röckchcn, Liebe! Du nähst zu fleißig. Mütter müssen immer thätig sein, und ich glaube, es giebt keine Knaben, die so schnell ihre Kleider verwachsen, wie die uusrigen; es wäre ganz schön, wenn nur das Zeug sich nicht so leicht abtrüge. Ein Seufzer, ein tiefer, schmerzlicher Seufzer, stieg aus dem Herzen des Va ters. Das heißt, nicht zn schnell für meine flinken, geschickten Finger, sagte Uisula hastig. Sieh nur, John, wie hübsch die ser Besatz ist, doch ich werde nichts mehr davon machen, denn in Longfield wird mir keine Zeit zu so feinen Arbeiten blei ben. Ihr Mann nahm die zierliche Stickerei bewundernd in seine Hand, und indem er sie wieder zurückgab, sagte er langsam: Würde es Dir eine große Enttäuschung sein, wenn wir wenn wir nicht nach Longfield zogen? Nicht nach Longfield ziehen? Der un willkürliche Ausruf zeigte deutlich, wie sie an dem Plane gehangen. Ich fürchte ich weiß, es ist hart aber ich fürchte dennoch, wir können uns die Mehrausgabe nicht gestatten. Bist Du sehr betrübt darüber? Ja! erwiderte sie wahr und offen, denn Ursula vermochte sich nie zu verstellen. Mehr noch dauern mich die Kinder. Ach, die armen Kinder! Ursula nähte eine Weile besonders eif rig, bis der trübe Blick immer mehr und mehr verschwand; da sie ihr Angesicht ih rem Manne zukehrte, war es wieder klar und hell und ans ihrer Stimme war jede Trauer verschwunden, als sie John anre dete: Nun sage mir Alles, gräme Dich nicht um die Kinder, sondern vertraue mir Deinen Kummer! Er erzählte ihr wie er ihr stets Alles mittheilte daß ihn heute mehrere Ver luste getroffen hätten, daß auch manche Geschästsschulden wohl nie einkommen würden, und so schiene es ihm unmöglich, wenigstens unklug, dieses Jahr größere Ausgaben zu machen; er müsse sich lieber noch etwas einschränken. Ursula hörte aus merksam zn, ohne eine Frage oder Klage laut werden zu lassen. Ist das nun Alles? sagte sie sehr sanft. Alles. Dann sorge Dich nicht so, John! Ich bin schon wieder beruhigt. Für die Kin der werden wir eine Entschädigung ersin nen; wir haben ja alle so viele andere Vergnügungen, daß es wirklich nicht so hart ist, diese eine aufzugeben. Er sagte in einem Flüstern, fast so leise wie das eines Liebenden: Ich könnte Alles in der Welt aufgeben, nur Dich und sie nicht. Nachdem noch über Tische eine leichte Andeutung gemacht wurde: Onkel Phi neas, haben Sie gehört, daß wir nicht nachLongfield ziehen können? war dieTache abgethan. Für dieses Jahr wenigstens war unser arkadischer Traum beendet. Aber John's sorgenvoller Blick wich immer noch nicht. Es schien, als wenn, trotz seiner unermüdlichen Thätigkeit, trotz seines Ringens uud Streitens gegen die Sorgen und Mühseligkeiten, diese jetzt eine Höhe erreicht hätten, daß sie drohten, über seinem Haupte zusammenzuschlagen. Der Zeitpunkt schien eingetreten zu sein, da der stärkste, muthigsteMann seine Kraft erlah men sühlt und sich am Rande des Abgru ndes stehen siebt, mit dem schreckensvollen Bewußtsein, daß sein Sturz die ihm Theu ersten im Leben mit in das Elend hinein retßl. -- Sein Angesicht war bleich und hohl, seine Bewegungen zeigten eine nie gesehene Ruhelosigkeit, bei dem geringsten Laut schreckte er in nervöser Reizbarkeit zu sammen; selbst ein hastiges Wort, einAch ten auf Kleinigkeiten bewies, daß seine in nere Pein größer war, als seine Selbstbe herrschung. Ursula, die bei Wertem lebhaftere und erregtere Natur vonßeiden, war heute Abend unendlich sanst und ge duloig. Sie beobachtete John nicht, noch quälte sie ihn durch lästige Fragen; die kluge Frau saß stick mit ihrer Arbeit be schäftigt, ab und zu machte sie irgend eine harmlose Bemerkung, damit das Schwei gen nicht zu drückend werde und er ihre j eigene Angst um ihn nicht bemerke. End- lich fing er doch einen ihrer sorgenvollen ! Blicke auf. Nein, Ursula, ich bin nicht krank, sei ganz unbesorgt, mein Kopf schmerzt mich nur, lab ihn mich an Deine Brust lehnen, wie die Kinder es so gern thun. Sein Haupt sank aus ihre Schulter nie der; sanft gebettet ruhte dort das arme, müde Haupt, bis nach und nach der herbe, qualvolle Gesichtsausdruck verschwand und es wieder John's natürliches Antlitz war, auf das eine stille, friedliche Ruhe sich breitete, wie sie auf den süßen Kinderge sichtern lag, die im Traume wohl Alles über Longfield vergessen hatten. Endlich schlummerte auch er ein. Ursula, machte mir ein Zeichen, mich ganz still zu verhalten. Das Ticken der Uhr nnd das leise Knistern des Feuers waren die einzigen Laute in dem Zimmer, j Sie nähte ruhig weiter, bis sie ihre Arbeit vollendet, dann ließ sie die Hände müßig im Schoeße ruhen. Ihre Wange lehnte sich leffe an John's Haar, und in ihren Augen, welche so aufmerksam das kleine Röckchen zu betrachten schienen, sah ick große, helle Thränen sich sammeln und niederrollen; dennoch war ihrßlick heitör, ja glücklich, als ob sie an ihres Herzens Schätze dachte, Kinder und Gatte ihre Eigensten, Theuersten, die ihr erhalten waren in Gesundheit, und in dem, was besser ist, in der vollkommenen Einigkeit der Liebe. Diesen unendlichen Segen die Gewißheit, sein Trost, seine Freuds zu sein die Wonne, seine Kin der in der Furcht Gottes und in der Ach tung gegen ihren Vater zu erziehen diese kostbaren Besitzthümer hätte sie, die treue Galtin und Mutler, nicht für alle Schätze der Erde hingegeben, Was war das? Erstaunt blickten wir uns an, als die Klingel am Hause noch in dieser späten Stunde so heftig gezogen wurde, daß John erwachte und selbst die Kinder erschreckt aus dem Schlafe empor suhren; und all' der Lärm wurde durch einen Bedienten des Grafen Luxmore ver ursacht, welcher einen Brics überbrachte. Nachdem die Platter den Grund der Stö rung erfahren, lies sie hinaus, ihre Kleinen zu beruhigen. Als sie zurückkam, stand John noch mit dem offenen Briefe in der Hand; er hatte auf meine Frage, was er enthalte, nur geantwortet, ich solle es so gleich hören. So wie Uriula eintrat, reichte er ihr wortlos das Schreiben. Ein Blick darauf, und ein Freudenschrei ent stieg ihrer Brust. O Gott, TeineWege sind unerforschlich; Deine Güte zu uns war wunderbar! Der an John gerichtete Brief lautete wie folgt: Mein Herr! Nachdem Ihre Frau, Ursula Halifax, das von ihrem verstorbenen Vater zu ih rer Mündigkeit festgesetzte Alter erreicht hat, werde ich das ihr zugehörende Ver mögen, Kapital nebst allen Zinsen wel ches bis jetzt nach dem Testament des ver storbenen Herrn March Esqr. von mir als Vormund und Eurator verwaltet worden ist Ihne in einem Monat, von dem heutigen Datum an, gegen Quit tung auszahlen. Ich bin, mein Herr, der Ihrige Richard Brithwood. Wunderbar! —wunderbar! war Alles, was ich zu jagen vermochte. Daß ein schlechter Manu, seinen eigenen Zwecken dienend, einen anderen bösen Menschen zu einer That der Gerechtigkeit getrieben und daß aus ihren eigennützigen Ab sichten ein für uns so glückliches Resultat erzielt wurde, war gewiß eine wunderbare Fügung der Vorsehung. Als die Nolh am größten, als John's Kraft im Unter liegen war da kam die Hülfe. L, John, John! nun brauchst Du nicht mehr so anstrengend zu arbeiten! Das waren Ursula's erste Worte, da sie in Thränen an seinem Herzen lag. Auch er war in großer Aufregung. Jetzt, da die Bürde von ihm genommen, schien er erst recht zu fühlen, wie furchtbar die Verantwortung wie erlödtend die Angst gewesen war. Tank sei Gott! Aus alle Fälle bist Du jetzt gesichert, nun ist für Dich und die Kinder gesorgt! Er war sehr blaß, und zitternd setzte er sich nieder. Ursula kniete an seiner Seite und legte ihre Arme um ihn leise schlich ich aus dem Zim mer. Als ich wieder zurückkehrte, standen sie Beide am Kamine und sahen so froh und zufrieden aus, wie es nach einem so un vermutheten Glücksfalle wohl nur natür lich war. Ich brachte ihnen meine Gra tulation in einer scherzhaften Weise dar, denn wir Alle hatten John's Gewohnheit angenommen, unter einer heiteren Aeuße rung oft eine tiefe Bewegung zu verber gen. Ja, er ist nun ein reicher Mann vergessen Sie niemals, Ihren Bruder mit besonderer Ehrfurcht von jetzt an zu be handeln, Phineas! Uno D.ffne Schwester auch! Ten setzten Tcidc gehen Sie sieht noch jung und hübsch aus nicht? Wie sä'ön und prächtig ihr das grauseidene Kleid stehen wird? John, wahrhaftig. Tu solltest Tick schämen - Du ein Familienvater? Du der größte Mühlendesitzer in En derly! In seinem innigen Blick auf sie lag dennoch eine gewisse Abwehrung. Nein, Ursula, erst muß ich Deine und der Kin der Zukunft gesichert haben, ehe ich daran denken könnte sagte er fest. Wir sind gesichert vollständig ge- . sichert wenn wir Dich haben. O, Phineas, Helsen Sie mir, daß er die Sache! von meinem Standpunkte aus betrachtet; ! erklären auch Sie ihm, daß es der seligste Tag meines Lebens sein wird, an dem ich ihn glücklich in der Erfüllung seines Her zenswunsches sehe. Wir saßen noch ein Weilchen beieinan der, indem wir über den seltsamen Wechsel unserer Verhältnisse sprachen, denn sie lie ßen mich wie immer fühlen, daß all' das Ihrige mein sei; endlich nahm Ursula ihr Licht, um nach ihrem Zimmer zu gehen. Liebe! rief Jvhn, als sie schon im Be griff war, die Thür zu schließen. Sie wandte sich um, er blickle sie an, mit je nem schalkhasten, sogar etwas muthwilli gen Blitzen seiner Augen, das an seine Knabenzeit erinnerte, und fragte lächelnd: Frau Halifar, wann darf ich mir die Ehre nehmen, Ihre langschwcisigcn, grauen Pony's zu bestellen? Zweiter >vad. Erstes Kapitel. Einige Wochen später fand unsere Ue bersiedlung nach Loi'gfield statt, das nu für viele Jahre der Wohnsitz der Familie wurde. Longfield! glückliches Loiigfield! Süße traute Heimath, in der Friede, Freude, Liebe waltete in der die Kinder aus wuchsen und zum Leben erblühten, indes sen wir uns dem Alter zuneigte. Wie an der theuren Stätte unsere Tage so still und doch so inhaltreich verflossen, wie Jahr auf Jahr Wechsel und Reise in und ! um uns hervorbrachte, während Gottes ! gnädiges Vaterauge stets und unwandel- z bar über uns wachte, seine Hand unseren Ein- uns Ausgang segnete, unser Hab und Gut beschützte und mehrte, und uns ! das höchste Glück dadurch verlieh, daß wir ein Haus bildeten, in welchem wir wie „Brüder in Eintracht beieinander lebten." Geliebtes Longfield in der Erinnerung an i Dich wird mein altes Herz wieder warm - und jung, obgleich es, dem Grabe nahe, schon langsamer schlägt. Wie aber soll ich es beschreiben, dieses Familienplätzchen, welches Allen so be- j kannt und vertraut, daß es eigentlich kei ner Beschreibung bedarf. Wir fanden den Wohnort llein und be schränkt bei unserer Ankunft. Von der Landstraße nach einer Feldumsriedigung abbiegend, gelangte man durch ein Gitter, das „weiße Thor" genannt, aus einem schmalen Wege zum Flusse hinunler, von dem eine grüne Anhöhe emporstieg, aus welcher das Haus, ein einfaches Pachter- Haus, stand. Es enthielt ein Wohnzim mer, drei anständige Schlafstuben, Küche und Wirthschastsgelasse. In der Scheune und der Milchkammer richttten wir noch einige bewohnbare Räume her, in deren einen Guy und Edwin süß und ruhig schliefen, ob auch die Decke so niedrig war, daß der Vater sich fast jedes Mal an den Kops stieß, wenn er Morgens kam, die Knaben zu wecken. Alle Fenster standen IM Sommer offen, und Vögel, sogar Fle dermäuse, benutzten das, um zum Entzücken der Kinder ein- und auszufliegen, Ein anderes, großes Vergnügen des kleinen Volkes bestand darin, daß wir in dem er sten Jahre unseres Aufenthaltes uns der Küche als Eßzimmer bedienen mußten und von zuweilen durch die offene Thür Ed win s und Muriel's Tauben uns ihren Bef ach abstatten, ja wohl gar eine ernst hafte Henne gackernd hereinstolzirte. Ob unser Hausstand in dieser Atmosphäre der Liebe und Nachsicht ebenio wohlerzogen war, wie unsere Kinder, vermag ich nicht zu sogen, gewiß aber ist es, daß aus vie lem System der „Freiheit, Brüderlichkeit und Gleichheit," zu welchem uns dießaum beichränkling inLongfield zwang, uns keine Unannehmlichkeit, kein Nachttheil erwuchs. Diese Worte, an sich so wahr und schön, welche nur durch die falsche Deutung ih ren hehren Sinn eingebüßt haben, fingen damals an in Europa zu verklingen, um dem ebenso unrichtig aufgefaßten Rufe: Oloire! gluirg! Platz zu macheu diese Worte erinnern mich an ein Ereigniß, wel ches zuerst die süße, wohlthuende Gleich mäßigkeit unseres Stilllebens unterbrach. Es war an einem goldigen September' morgen, da Ursula mit mir und den Kin dern nach dem Strome gegangen war, an dessen Ufer wir faßen und Pläne entwar fen, um eine Brücke über das Wasser und einen Stall für John's Pferd erbauen zu können die Mutter hatte immer noch auf die grauen Pony's verzichtet; denn nachdem die nothwendigen Verbesserun gen in Longfield vorgenommen waren und John ein bedeutendes Vermächtniß für Iran und Kinder ausgesetzt hatte, ehe er für sein Geschäft etwas von Ursula's Ver mögen nahm, fanden wir uns keineswegs so reich, um große Veränderungen in un lerer Lebensweise einzuführen.' Ja, Frau Halifax war noch nicht im Besitze der grauen, langschweifigenPony's, aber was fragte sie darnach. Ihr höchstes Glück be stand ja doch darin, dieKindcr fröhlich und kräftig erblühen, des geliebten Mannes Antlitz von Sorgen frei zu sehen, und zu wissen, daß er ohne Zweifel jetzt der Er füllung seines Herzenswunsches nahe sei denn war er nicht heute hinübergegan gen, um die Pachtung der Mühlen zu un terzeichnen? Ursula sah nach ihrer Uhr, und wir be rechneten mit einer fast kindischen Freude, ob nicht gerade jetzt vielleicht der bedeu tungsvolle Augenblick gekommen sei, in welchem er das wichtige Dokument unter schreibe, als Guy in voller Eile herbeilies, uns zu erzählen, daß ein Wagen mit vier Pferden am weißen Thore hatte und der Bediente es zu öffnen versuche, um dann hindurch zu fahren. Wer kann es sein? Die Pferde müssen angehalten werden, sie würden sonstJohn's schönen, neuen Kiesweg verderben, auf den er so stolz ist. Onkel Phineas, bitte, wollen Sie einmal nachsehen, wer kommt? Wem sollte ich begegnen? Gewiß der letz ten Person, die ich zu finden erwartete, die wir in beinahe zehn Jahren nicht ein mal in der Familie gesehen, noch von ihr gesprochen hatten Lady Earolineßrith wood, in einem Reise kleide von grünem Tuche und einem Reithute mit langen Fe dern, heiterer und fröhlicher als je, wenn auch ihr reizendes Gesicht, trotz der Schminke, sein Verblühen nicht mehr ver bergen konnte, und ihr lebhaftes Wesen weniger anmuthig war als sonst, weil es etwasLautes, Dreistes angenommen halte. Ist dies Longfield? Wohnt hier Herr Halifax ruvu I iou, Sie sind es, Herr Fletscher? Mit der freundlichsten Herablassung und in der besten Laune reichte sie mir die Hand. Sie bestand darauf, dieEgui page zurückzuschicken und mich zu Fuß nach dem Fluffe zu begleiten, damit es eine Uebcrraschung, eine kleine „Scene" gäbe. Da Ursula den Wagen fortsahren hörte, schien sie keinen Besuch zu erwarten; sie stand in der kleinen Vertiefung, welche der Fluß einst gebildet, Walter auf ihrem Arme tragend, während ihre rechte Hand Guy festhielt, der mit seinen weißen, nack ten Füß.n im Wasser herumplätscherte; Edwin, der einzige der Knaben, der uns nie Sorge und Mühe verursachte, spielte ru hig und gelassen im Sande an Muriel'S Seite. Lady Caroline klatschte in ihre Hände: fZiuva, bruvlt-Biiua! Ein reizendes Fa miliengemälbe, Frau Halifax! Lady Earoline Brithwood! Ursula ließ die Kinder los und beeilte sich, ihre cüte Bekannte zu begrüßen, die sie seit ihren Mädchentagen nicht wiederge sehen. Vielleicht war es diese Erinnerung, welche sie so bewegte, daß sie nicht nur mit Herzlichkeit, nein, sogar vollerHerzlichkeit in das kränkliche, abgespannte Antlitz blickte, tu dem das holdselige Lächeln nicht mehr das kommende Alter zu verdecken ver mochte. Es ist schon manches Jahr dahinge schwunden, seit wir uns zum letzten Male sahen, Cousine Caroline, und wir sind Beide verändert. Sie sind es gewiß mit dies' drei gro ßen Knaben an Ihrer Seite. Ist das kleine Mädchen auch Ihr Kind? Ach ja, ich erinnere mich, William erzählte mir da von arme Kleine! Und mit ängstlicher Scheu wandte sie sich von der blinden Mntiel, unserem „Segen", unserem Frie denskinde. Wollen Sie uns nicht in das Haus be gleiten? Mein Mann ist nur nach Enderly hinübergerittcn; er wird bald zurückkeh ren. Und wird er sich fienen, mich zu sehen? Mich soll's wundern. Eigentlich furchte ich mich ein Wenig vor Ihrem gestrengen Herrn und Gebieter—nicht Ursula? Den noch aber bliebe ich gern hier. Ursula wiederholte fröhlich lächelnd ihre Einladung. Sie war selbst so glücklich und dankerfüllt darüber, daß sie sich sehnte von ihrer Glückseligkeit Anderen mitzu theilen. So gingen wir, von den Kin dern gefolgt, dem Hause zu, Unter dem großen,z prächtigen Nußbäume, bei dem niedrigen Gehege, welches den Blumen garten vor dem Eindringen der Kühe und Zchaafe schützte, stand Ursula still und beulete aus die Gegend, über die Felder fort nach den gegenüberliegenden, bewal deten Bergen hin. Ist das nicht eine schöne Aussicht? fragte Guy, das Kleid der Fremden leise berührend; denn in der Almosphäie der Liebe und des Vertrauens, in der unsere Kinder lebten, war ihnen Furcht und Blö digkeit unbekannt. Eine sehr hübsche Landschaft, mein klei ncr Freund. Dort ist der Baumbcrg. Vater will ihn Nachmittag besuchen und uns alle mitnehmen. Magst Tu gern mit Deinem Vater spazieren gehen? Od wir's gern thun? Und die frischen Kindcrgesichter wurden noch Heller durch das freudige Lächeln, das auf allen er glänzte. Dieses Lächeln erzählte genug von dem gesegneten Familienleben, von dem Glücke dieses Hauses. Lady Earoline lachte ein lautes, scharfes Lachen. Nun, meine Liebe, ich sehe, wie die Zachen sieben. Es scheint, Sie bereuen es nicht, John Halifax, den Lohgerber, > geheirathet zu haben? Bereuen! Nein, nur ich! heftig werden! Ich habe es ja von Ansang an gesagt, er sei ein edler Mensch, und das findet der Gras, mein Vater, jetzt auch; aber nun gar erst ! William, für den ist Ihr Mann ein wahrhafter Held. Meinen Sie Lord Navenel? Ach ja, mein kleiner Bruddr ist jetzt ein ! großer Mann geworden, und entjrtzlich bigott dabei; er möchte unsere ganze Fa milie wieder zu so eisrigen Katholiken ma chen, wie sie zu jener Zeit war, da drei oder vier ihrer Mitglieder ihre Köpfe für den König Jakob opferten. Außerdem ist er ein guter Knabe armer William; ich sollte lieber nicht von ihm sprechen. Ursula erkundigte sich böslich nach dem Befinden ihres Vetters Brithwood. Pah! ich glaube, er ist ganz wohl, wie immer. Sein letzter crstaunensivertber Akt der Redlichkeit gegen Herr Halifar bat > ibm zwar einen Gichtansall zugezogen >ui!i n'impii-to; wenn sie einmal wieder > zusammentreffen, wird sich das Alles ge ordnet haben, denke. Mein Mann hat Herrn Brithwood nie etwas nachgetragen. Ich würde ihn wahrhastig nicht ankla gen, wenn er's gethan hätte. Aber Sie wissen ja, es ist die Zeit der Wahlen und der Gras wünscht einen unserer Freun:e als Abgeordneten für Kingswell zu sehen, Herr Halisax besitzt einige kleine Grund stücke dort, nicht? Sie gehören Herrn Fletschcr, John führt nur die Geschäfte Still! still! nur nichts von Geschäfte", davon verstehe ich kein Wort; ich weiß nur, baß sie Ihres Mannes bedürfen unv deshalb gut mit ihm stehen möchten. Ist das klar genug. Vollkommen! doch tragen Sie keine worfle, John hegt durchaus weder Groll noch Uebclwollen gegen Herrn Brithwood. War, dies zu hören, der Grund ihres Be iuches, Lac Caroline? Aber —uro Diou! was sollte aus der Welt werden, wenn wir Alle so ge rade heraus wären, wie Sie, FrarrUrsrsia? Hier auf dem Lande mag diese Freimü thigkeit schon hingehen, da klingt sie sogar allerliebst, Nein, meine Liebe, ich kam ja, weshalb wohl eigentlich? Vermuth lich weil ich Lust dazu hatte die ge wöhnliche Triebfeder der meisten meiner Handlungen. Ist dies Ihr imllo a mau- Kor? Nun, erfolgt keine Einladung zum Mittagessen, Cousine? Natürlich, erwiderte die Mutter, ob gleich es mir vorkam, als ob die Aufforde rung sie später etwas bedrücke, wohl m dem Zweifel, ob John auch ganz zufrieden damit sein würde; doch sowohl in kleinen, wie in wichtigen Dingen hatte sie stets das volle Vertrauen zu ihm, daß, wenn sie bandelte, wie sie es nach ihrem Gewis sen für recht hielt, dies der beste, sicherste Weg zu seinem Herzen sei. So war Lady Caroline sür diesen Tag unser Gast ein seltener Gast aber sie war so liebenswürdig, daß sie sich bald wie zu Hause fühlte und uns gar nicht genicle. Guy, der schon von der Wiege an ein kleiner, siiner Herr war, warf sich zu ihrem Bewunderer und Ritter auf, der >hr dienend aus Tritt und Schritt folgte; Edwin zeigte ihr seine Tauben und Wal tber brachte ihr mit süßem, schüchternem Erröthen ein „kleines Blümsen" dar, und dann bestanden alle drei Knaben darauf, sie, als höchsten Beweis ihrer Zuneigung, zu dem schönen, noch nicht eine Woche al ten Kälbchen zu führen. Lachend folgte sie den Kindern, wäh rend sie ihnen erzählte, wie sie kürzlich in Sicilien einen kleinen, acht Tage alte Prinzen gesehen habe, den Sohn von Louis Phillip, dem jungeiiHerzoge von Orleans, und der Prinzessin Marie Amelie. Uvd glaubt mir, Kinder, er war nicht halb su niedlich, wie Euer schneeweißes Kälbchen. Ach, Ursula, zuweilen bin ich des Lebens an den Höfen müde; ich wollte gleich Schülerin werden, wenn nur ein hübsches Arkadien zu finden wäre. Giebt es ein schönereSArkadicn, als die Heimath, das liebe, eigene Haus? Das eigene Haus! Ihr Gesicht drückte Widerwillen, Furcht und Verachtung aus. Ich erinnere mich, gehört zu haben, daß der Squire, seit seiner Rückkehr aus dem Auslande, ganz in die Fußtapsen seines Baters getreten sei und täglich, vom Morgen bis zum Abend, aus dem Zu stande der Trunkenheit nicht herauskomme. Ist Ihr Gatte sehr verändert, Ursula? fragte Lady Caroline nach kurzem Schwei gen. Er muß fast noch ein junger Mann sein: o, wie herrlich die Jugend ist! Man sagt, John sähe älter aus, als er ist, ich aber kann es nicht finden. Wieder ein Stückchen Arkadien! Kön nen solche Träume zurWirllichkcit werden, besonders in England, dem Paradiese der Ehemänner, in dem der erste Gatte im Königreich ein so glänzendes Beispiel der Untreue giebt? Wie urtheilt Ihr häusli chen, in steter Zurückgezcgenheit lebenden britischen Frauen über meine Freundin, die Prinzessin von Wales? Gott möge ihr beistehen und sie zu ei ner ebenso guten Frau machen, wie sie eine schwer beleidigte, beklagenswerthe. Gattin ist! erwiderte Ursula trübe. Wunderbar! Kann aus einer beleidig ten, beklagenswerthe Gattin eine gute Frau gemacht werden? Wenn Sie anzu geben vermögen, wie das möglich ist, dann können Sie sich auf diese Erfindung ein Patent ausstellen lassen, Frau Halifar. Der Gegenstand berührte die eigenen Verhältnisse der Lady Earoline zu sehr, deshalb wandte Ursula das Gespräch da von ab, indem sie ihre Cousine fragte, ob sie jetzt in England zu bleiben gedenke. Eela äepvncl! Sie wurde plötzlich sehr ernst. Die frische Landluft macht mich ganz müde wollen wir nicht hineinges hen? Das Millag-essen war bereitet, der Tisch gedeckt. Es war heute wie immer ein einfaches Mahl, denn weder der Vater noch einer von uns, fragte viel nach feinen leckeren Gerichten; aber ich bin fest über zeugt, wenn wir in einer Hütte gelebt hätten und Kartoffeln und Salz unsere Nahrung gewesen wäre, fo würde unsere Mahlzeit sauder uud appetitlich und unsere Hütte so wohnlich und zierlich, als möglich gewesen sein; denn die Mutler der Familie besaß im höchsten Grade die unschätzbare, schönste Gabe einer Frau: Anmuth, Ord nung und Behaglichkeit um sich zu ver breiten, wo sie sich bewegte. Wir waren nicht im Geringsten über unsern einfachen Mitlagstisch verlegen, an dem für keinen zufällig kommenden Gast jemals Umstände gemacht wurden. Hatten wir auch wenig Silberzeug, so gab es doch schneeweiße Tisckgedccke, hübsches Porzellan und stets einen >chönen, frischen Strauß als Schmuck der Tafel. Dazu drangen durch die geöffneten Fenster die Wohlgerüche aus dem Blumengarten, während auf der anderen Seite die grü nen Zweige der Ulme wehten, so daß es war, als ob wir im Freien speisten. Die Knaben waren noch alle um Lady Caro line in einem kleinen Cabinet ver dem Eß zimmer versammelt, in welchem sie stets ihre Lehrstunden nahmen, Muriel saß wie gewöhnlich auf derThürschwclle, mit einer ihrer Tauben spielend, die sich gewöhnt hatten, aus ihrer Schulter oder ihrem Kopfe zu sitzen, als ich das Kind leise vor hinsprechen Hörle: Vater kommt! Woher, mein Liebling? Von dem Pachthofe jetzt ist er aus dem Kieswege. Er steht still gewiß pflückt er einen Zweig des schönen Jas mins, der am Brunnen blüht. Nun, Täubchen, fliege fort, mein Vater ist da! Und im nächsten Augenblick wiederhol ten die Knaben als mehrstimmiges Echo: Vater ist da! Er stand vor der Hausthür, hob die Kinder eins nach dem andern empor und hatte einen Kuß, ein inniges Wort für je des dieser gute, liebevolle Vater! Ein feierlicher, heiliger Name, denGolt selbst fordert und sich begelegt hat! Glück lich die Kinder, welche das Wort: „Vater" in seiner tiefen, großen Bedeutung verstehen lernten, denen von dem ersten klaren Bewußtsein an, das in ihren jun- gen Seelen ausging, ihr Vater das gewe- ien ist, was alte Väter in ihren Familien sein sollten, das wahre Abbild, der treue Stellvertreter hier auf Erden, des Vaters j im Himmel, der zugleich die Gerechtigkeit, ! die Weisheit und die vollkommenste Liebe ! ist. Aber glücklich auch, zweifach gesegnet, die Frau, welche für ihre Kinder einen solchen Vater besitzt! Ursula kam herbei denn fein Auge spähte schon nach ihr umher und sie erhielt die Umarmung, ohne die er nie mals von ihr schied oder zurückkehrte. Ist Dein Geschäft gut beendet, ist Alle geordnet und festgesetzt, John? Vollständig. Wie froh ich bin! rief sie mit einem zweiten Kuß, der sonst nicht so leicht ! öffentlich gegeben wurde, doch heute als > Glückwunsch galt. John war im Begriff, mehr zu erzählen, als Ursula fast zögernd ! sagte: Wir haben heute einen Gast. L.ty Caroline trat lachend aus dem Zimmer hervor. Sie haben mich licht erwartet, wie ich sehe; bin ick auch willkommen? Ein >edes Willkommen, das meine Frau ! ihren Gästen giebt, schließt auch das mcr > nigc in sich. ! Doch obgleich John's W-i-n Hostich > war, so lag dennoch eine gewisse Zuruck-