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Stadt Baltimore. Unfall auf dec„.llördlichen Central üilayn " Einsturz der Brücke über den Swanil See. Vin Passagier getödict, einer schwer, zwei ahnbeamie leicht verleg. MontagNachmittag gegen 4Uhr begegneten sich der nördlich fahrende Porter und der süd lich fahrende Cockeysviller Accomodatior.szug auf der Elsenbahubrücke über den Swaiiii oder Roland See, 7 Meilen von der Stadl, oderhalb des Rclay House; das Gewicht bei der Züge drückte dergestalt auf die in vorzüg lichem Zustande befindlicheßrücke, daß sie am Begegliungspiiiikte beider Züge zusammen brach. Beide Lokomotiven paffirtni wohlbe halten die Brücke; allein die Oetkarren und Gepäckwagen sanken in das dort etwa 20 Fuß tiefe Wasser; auch die Hintertheile zweier Personen Waggons tauchten in's Wasser. Ein Passagier, Namens Upton Poung, Laildwirth aus Black Rock in Ballimorc-Co., kam nm's Leben ft fein Leichnam ward im Relay-Houfe gelassen. Ein anderer Passa gier, Namens Georg Wicsncr, ein Gypser aus Woodberry, 27 Jahre alt, trug schlimme Verletzungen davon; das rechte Bein wurde unter dem Kniee arg zerquetscht, und aus dem Unterschenkel große Stücke Weichtheile gerissen; auf Weisung des BahnarzteSDr. Thompson schaffte man ihn nach dem Spitalc der „Washington-Universität;" er war so er schöpft, daß er feinen Namen nicht angeben konnte. Dee Lokomotivführer Purdy vom Cockeys viller und Schafiner Harris vom Porter Zuge kamen mir unbedeutenden Verletzungen davon. Sobald im Ealverl-Straßen-Bahnhofe die Knude von dem Unfälle eingelaufen mar, eilt sandte man einen Ausbesserung- oder söge-, nannten Wrackzng an Ort und Stelle, um die Brücke wieder zu repariren. Der 25 Mi nuten nach Uhr von hier nordwärts abzu gehende Abendzug wurde zur üblichen Zeit abgelassen, und seine Fracht und Passagiere sicher über die offene Brückenstelle iraiispor lirt, sooaß iin Bahnverkehre keine Unterbre chung entsinne. Ueber den Unfall ansider „Nördlichen Cen tralbahn" erfahren wir jetzt folgendes Nähere: Am Montag Nachmittag in 4 Uhr begegne ten sich der nach Norden gehende Yorker und der in südlicher Richtung fahrende Cockeys viller AccommodalionSzug auf der Eisen bahnbrücke über den Roland-See, 7 Meilen von Baltimore. Das Gewicht der Züge lastete dermaßen auf der Brücke, daß diese am Begegnungspunktc beider Züge zusammen brach. Ter fforker Zug umfaßte einen Ge päckwagen, einen Nanchwaggon, zwei Passa gierwagqons, in denen ungefähr vierzig bis fünfzig Personen saßen, und mehrere Oellar ren, während der Cockehsviller Zug aus einem Gepäckwagen, einem Ranch- und einen: Pas sagiermaggon bestand. Merkwürdiger Weise harten beide Lokomotiven, als der Zusammen sturz der 76 Fuß langen Brücke erfolgte, ge rade das Mauerwerk an beiden Usern er reicht, dagegen sanken die Oelkarren, die Gepäckwagen und die Hintertheile der Passa gierwaggonS in das Wasser, welches an der betreffenden Stelle ungefähr 25 Fuß tief ist. Die Passagierwaggons blieben beinahe senk recht im Wasser stehen. In dem Gepäckwa gen des Aorker Zuges befanden sich zwei Männer, Namens Upton ?sonng von Wood berrh u.nv Georg Wiesner von Black Rock in der Nähe von CockepSvillc, Baltimore Co. Es wädrte geraume Zeit, bis die Angestellten der Bahn inmitten der allgemeinen Aufre gnng sich der beiden in dem Gepäckwagen be findlichen Männer erinnerten. Sic mußten auf der stelle gerettet werden, aber wie? das war die Frage, die Jeder an sich richtete. Langes Zögern war hier nicht am Platze. Einige brave Männer, die das Herz auf dem rechten Flecke hatten, kletterte an den Enden und Balten der zerbrochenen Brücke und über zertrümmerte Oelkarren aus das Dach des Gepäckwagens, welches um einige Zoll über dem Spiegel des Wassers hervorragte. Es näh te nicht lange, so Hutten sie mit scharfge schli,,enen Acxten in Loch in das Dach ge schlagen und zogen die beiden Männer durch diese Ocfsnung hervor. Hr. i'joung schritt, nachdem er das Dach des Wagens erreicht, mit festem Fuß und ohne Zittern über die Trüm euer, Balten und Schienen bis an's Ufer, dann begann er plötzlich zu wanken, und nur mit dem Beistande einiger Männer vermochte er noch das nahe gelegene HanS des Hrn. Posch zu erreichen. Dorr legte er sich nieder, schloß die Augen, und als man fünizehn Mi nuten später nach ihm sah, war er todt. Geo. Wicsiier, sein Gefährte, konnte nur mit großer Mühe durch die Oefsnung im Dache des Waggons gezogen werden. Es stellte sich heraus, daß er einen doppelten Beinbruch da vongetragen. Er war gänzlich bewnßilos. Man trug ihn iorgiam an's Ufer und schaffte ihn dann nach dem Spital der „Washington- Universität" in Baltimore, wo er noch jetzt darnieder liegt, ebenso bewußtlos wie in dem Augenblicks wo er in dem Gepäckwagen gc funden. Sein Leben hängt an einem Faden, der in jeder Minute zu reißen droht. Äe Doktoren Ward und Ewing von Ballimorc- Eounry und Thompson und Alan P. Smtth von Baltimore waren bald nach dem Zusam- Aiensil'.rz der Brücke an Ort und Stelle, um irgend welchen ärztlichen Beistand zu leisten, falls derselbe nöthig sein sollte. Leider war derselbe sehr von Nöthen, denn mehrere Bahn bcamten und Passagiere waren verletzt, wenn auch gerade nicht sehr gefährlich. Unter die sen Verwundeten befanden sich auch Hr. Sa muel Harris, der Schaffner des chorler Zuges, Hr. John I. Pnrdh, der Lotomptivführcr des Cockehsviller Zuges, Hr. Dan. Hartranff, eit? Ladcndesitzer an der chork Road, Hr. Har vey Minder und Fraü Marjhall. Upton chonng und Georg Wicsner wollten sich auf die Jiägd begeben und hatten den Gepäckwa gen bei/eigen müssen, um ihre Hunoe zu be aufsichtigen. Die meisten Passagiere, unter denen das weibliche Geschlecht sehr stark ver treten war, kamen mit dem Schrecken davon. Auf dem chor ker Acconiinodatloiis - Zuge, der um H 4 Uhr von Baltimore abgegangen war, befanden sich Richter D. E. Emorp, Dr. Austin, Frank Zcnzinger, T. P. Ellicvtt, H. Reese, Dr. Nidgelh, H. Eockäy, Daniel Mil ler, E. R. Wrighl und Major R. T. AUi fon. Tie beiden Lokomotiven wurden, trotz dem sie das User erreichten, beträchtlich be schädigt und können schwerlich wieder reparirl und hergestellt werden. Die Brücke scheint gerade in der Mitte gebrochen zusein; die Bindebalken, welche sie trugen, bogen sich nieder, hielren aber die Brücke noch derart fest, baß die Wagen der beiden Zuge nicht bis auf den Grund des Wassers sanleir. Wären auch die Bmdebalkeu gebrochen, so würden beide Züge mit ihren Wagen und Lokomotiven in die Diese gerollt sein und das Unglück wäre alsoann ein viel größeres geworden. sobald die Runde von dem Unfälle auf dem Calvertslraßen - Bahnhofe in Baltimore euuzelaufm war, fandtc man einen Ansbesse ruugs- ooer sogenannten Wrackzng an Ort und Stelle, um die Brücke zu repariren. 156 Arbeiter machieu sich daran die Trümmer fortzuräumen, diese Arbeit ging jedoch nicht! so schnell, wie man Anfangs dachte. Hr. George E. Willens, der Superintendent der Battiinorer Division der „Nördlichen Cen- iralbahn," sandte gestern folgendes Schreiben mach Baltimore: „Dezember 1. Die Fori-! Schaffung oer Trümmer geht mir langsam vor ?ich, da das tiefe Wasser und der beschrankte Raum, der nnS zum Arbeiten gestattet ist, uns fteoemende Hindernisse in den Weg legen. Uebrigcns liegen nur noch ein Kessel iiud ein Gepäck - Wagen im Wasser. Die größten Schwierigkeiten werden uns fcboch die eijcr men Bmdeballen bereuen, die wir wieder an Ort und Stelle bringen mästen. Ich glaube mcht, daß vor morgen früh ein Zug die Stelle p.ajürcn tanu." . - (Später.) Georg WieSverist Dienstag im Spital der „Washington-Universitär" ge storbe n. Das Beivugtselii hatte sich seit dem Unfälle uicht wieder hei ihm eingestellt. Slbfa P't des Dampfers „Niirn- verg." Der Dantp^r„Nürnberg," Capt. A. Jäger, trat Sounaber'd Nachmittag Punkt 2'Uhr seine Rückfahrt v mtLocust-Poiiit üb-r South cunpton nach Brc merhaven mit 5 Kajütcn- und 53 Zwischendecks - Passagieren an. Iu . der Kajüte fahren Wilhelm aus Balti more, L. M. Jddim'er nebst Familie aus Warren, Ohio, und Thomas Tltlmcinn aus Washington. Man. erwartete, daß -Ex-Priester Gerde mav'.i und Frau hier eintreffen und au? dem Dampfer Passage nehmen würden, doch sie kamen nicht. Bekanntlich befindet sich Hr. Gerdemann noch im Besitze zweier Ueber- ihchrls-Karten dieser Linie, welche auf Sonn abend ausgestellt waren. Seine ans H 219,770.30 gcwerth'te Ladung umfaßt folgende Colli: 87 Oxhos.'e Virgi nier, 78 ditto Ken'.ucky'er uns 22 ditto Marh täliher Taback, 100 Kiuen Teedblait-Taback, 25 Oxhoste und 00 Kisten Blätter-Taback, 3 Oxhoste Taback. 1000 Säcke Klecsaa meu, 105 Säcke Grasscimerei, 500 Pipen Schweinefett, 22 Kisten eingemachter Aepsei .und Pfirsiche, 1550 Ballen Baumwolle, 535 Süsser gedörrter Aepfclschnrye, Ol Fässer Waizenmehl, 2 Kisten Bücher, 1040 Säcke (105 Tonnen) Leinkuchen, 9000 Schinken, 80 Fässer Pökelschweinestetsch, 500 Säcke Ger berrindc, 5925 Fässer Stärke nnd 10,000 Faß dauben. WeitercS über den Unfall auf der „B altimorc - O h i o - B a h n" l n der Nä h c de s Rel a y Hon s e. Als der durchgehende Expreßzug nach Chi cago, welcher am Mittwoch Abend Ii) Uhr 58 Minuten die Eaindcn-Station verließ, sich dem Relay-House, in dessen Nähe die Be sivungen von Roß Winans und dessen Sohne Tsfioiuas sich befinden, näherte, sah der Loko motivführer eine kurze Strecke vor sich etwa 12 Pfervc M dem Schiencugcleise sich bewe gen. Er ttep, um die Pferde zur Flucht zu bewege, die schrie Dampfpieisc ertönen. Da äb-r an dieser us beiden Seiten des Geleise hohe Erding? sich befinden, so konnten die Thiere nicht au?weichen. Sic rannten vorwärts, blieben dann p'fbtzlich wie gebannt stehe und acht derselben wurde" uach und nach, bevor der Zug zum Halten gebrach- werden konnte, überfahren. Tie letzten vier derselben standen auf einem Hausen und als die Lokomotive diese erreichte, wurden sie nebst dem Tender und Baggagc-Waggon aus dem Geleise und auf die Seite geworfen. Bevor das dritte Pferd unter Sie Räder der Lokomo tive gerieth, sprang der Ingenieur George Buckeq, der seit II Jahren diesen Dienst ver sah, die Entgleisung des Zuges befürchtend, von demselben hinab und zog sich dadurch einen schlimmen Beinbruch zn. Als der Zug endlich stand, wurde derselbe von den erschreck tcn Passagieren in einen Waggon gebracht und sodann' per Telegramm von Camden- Station ein Ingenieur nebst einer neuen Lo- s komoiive rcauirirt, der den Zug dorthin zurück-! brachte. Die alte Lokomotive war bei dem Entgleisen stark beschädigt worden und mußte i ans der Seite des Geleises zurückgelassen wer- > de. Erst des anderen Morgens konnte man ste Behufs Reparirnug nach Mount Elare bringen. Der Ingenieur Bnckey wurse nach seiner Wohnung, Nr. 195, Scottstraße ge bracht, wo ihn die drei Doktoren Walls, Cro zer und Elaggctt in Behandlung nahmen. Der Beinbruch erwies sich so fatal, daß wahrschein lich eine Amputation nothwendig werden wird. Das Eine der getödteten Pferde. 5175 werth, gehört Hrn. Roß WinanS, die übrigen ! sieben, auf §3OOO geschätzt, dessen Sohne an. ! Den vier vordersten Pferden gelang es, den s zermalmenden Lolomotiv Rädern zn entkom men. Verheerendes Feuer in einer Tabacks-Fabrik. Gestern Morgen, 2) Minuten nach 6 Uhr, brach in der Tabacks- Fabrik der Gebr. Marburg an der Süd-Char les-, nahe Camden-Straße, Feuer aus. We nige Minuten, nachdem der Alarm gegeben worden, waren die Tampfspriyen und das Salvagc-EorPS am Platze und boten Alles auf, um dem Umsichgreifen der Flammen ein Ziel zn setzen. Ties war jedoch nicht so leicht, als man Anfangs glaubte. Die Flammen schlugen immer weiter um sich, und es bedurfte der ganzen Anstrengungen der Löschmann schafft das Feuer auf die Marburg'sche Fabrik zu beschränken. Erst gegen 9 Uhr war der Brand völlig bewältigt. Tie drei oberen Stockwerke der Fabrik brannten vollständig aus. Die Firma beklagt jedoch weniger den Verlust ihres Waarenhanses, als den Verlust des Tabacks, der in großen Quantitäten in dem Gebäude aufgehäuft war. Das Wasser, welches die Spritzen in mächtigen Strahlen in die Flammen schleuderten, vernichteten die ganzen TabackSvorräthc, die in dem Gebäude aufgespeichert waren. Die Entstehung des Feuers ist bis jetzt noch nicht in Erfahrung gebracht worden. Es ist festgestellt, daß seit letzten Mittwoch in keinem Ofen des Gebäudes ein Feuer unterhallen wurde und in Folge Dessen ist es bis jetzt noch ein Geheimniß, ob das Feuer durch Unvor sichtigkeit oder durch die Hand eines verruchten Bösewichts entstanden ist. Der Taback, wel cher durch die Flammen und das Wasser ver nichtet wurde, ist drei Jahre alt und von der besten Qualität. Der Preis dieses Tabacks ist innerhalb der letzten Jahre um 300 Prozent gestiegen und in Folge Dessen wird die Ver sicherung den Verlust nur tbeilweise decken. Nachstehend lassen wir die Summen folgen, zu welchem die Firma in den nachstehenden Eompagmen versichert ist: „Fireman's Jnsu ranee Comp, of Baltimore," 514.700; „Wil liamsburgh City," Brooklyn, H 4000; „Fire man's Association," PH ladelphia, K 4000; „Home," Eolumbus, Ohio, K4UOO; „Freiich Insurance Comp.," K 5000; „Deutsch ameri kanische Feucrveisicherungs - Gesellschaft van New - Zork," §6000; „Hanover," N.-Z)., §3500; „Lucoming," Penns., S3SVO; „Ama zon," caiiiciliuali, „Deutsche Fener- BersicheruligS - Gesellschaft von Bussato," §2500; „St. Nicholas" von New - Ljork, -52500; „Quecn'L," London, §2500; „Eom mercial Union," London, K3OOO. Hundert und fünfzig Arbeiter verliere durch dieses Feuer ihre Beschäftigung. Ein Mitglied der Feuerwehr, Namens Jakob Edelmann, fiel von dem Dache eines neben der Fabrik flehenden Gebäudes zur Erde und trug schwere Verletzungen am Kopse davon. El wurde von den Polizisten H. Knight und Rcitey in bewußtlosem Zustande aufgehoben und nach dcni Hause seiner Schwester an der Ecke der Hamburg- und Sharpstr. gebracht. Dr. Woinble ward herbeigerufen und crtlaite den Zustand des Unglücklichen für sehr bedenk lich. Ein anderes Mitglied der Feuerwehr bekam während der Löscharbeitcn cinenKramps aufall und mußte in ein nahegelegenes Haus getragen werden, wo er sich bald wieder er holte. Der ganze Berlust, welchen die Feuers brunst anrichtete, ist bis setzt noch nicht festge stellt worden. D e r M o r d i n H a r f o r d - C o u n t y.— Der Neger Grissin, welcher der Ermordung des Frl. Susan Taylor schuldig befunden worden ist, scheint von seinem Schicksal ganz unberührt zu i in, obgleich er selbst mit Be stimmtheit glaubt, dag er seinen Tod am Galgen erleroen wird. Seine Hinrichtung wird die erste sein, welche jemals in Belair stattfand. Im Beginn dieses Jahrhunderts wurde ein Alaun in Harford-Connty gehängt, die Exekution wurde jedoch nicht in Belair, sondern in Joppa, dem damaligen Hauptorte des EonntyS, vollstreckt. Schuldig des Mordes im ersten Grad c.—Ju Eastou, Talbot-Couniy, spielte sich in d.ii letzten Tagen der Prozeß gegen die beiden Neger George Whecler und George Hincs ach- welche im Juli dieses Jahres eine weiße Frau, Namens Wittman, tödteten. Einer der beiden'.'leger soll die Frau mit einer zerbrochenen Wagende chsel erschlagen haben, während der Andere angellagt war, ihm bei der Äusillhruiig dieser entsetzlichen That be hiilflich gewesen zu sein. Ter Prozeß endete damit, daß die Geschworenen beide Angeklag ten des Mordes im ersten Grade schuldig be fanden. Wenn der Gouverneur nicht ein schreitet, so wird sich in der nächsten Zeit das Schauspiel einer Doppelhinrichtung in Eastou abspielen. Selbstmord im „Renncr t-H on s c." (Große Aufregung in dem Hotel.) Das „Rennerr-House" war MoittagsVornnttag der Schauplatz eines grauenhaften Ereignisses. Frühzeitig am Morgen kam Hr. John T. Stoddcrt von St. Mary'S County, welcher seit einiger Zeit in dem Hotel logirt, zu Hrn. Rennert gelaufen und machte demselben die Mittheilung, baß sein Stubengenosse Hr. William Ögle Key Selbstmord begangen. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nach richt nach allen Seilen und kam auch zu Ohren des Polizisten Reinhardt, welcher denEoroncr Dr. Walker herbeirief, der sofort die nächste heudeu Herren als Geschworeue zujainiiicn berief: L. E. Ballard, Johich B. Egerlon, John Coburn, Robert Johnston, W. C. Spencer, I. B. Manuan, Jodn Russell, F. W. eäones, E. M. Zoster, Charles Maccnphey, A. Pearl und H. Dierken. Die Leichenschau wurde in dem Schlafzimmer des Verstorbenen, welches im dritten Stock werke des Hotels gelegen ist, abgehallen. In diesem Zimmer stehen zwei Betten, in dem einen schlief Key, in dem anderen Hr. Stod dcrl. Der Selbstmörder lag auf seinem Bette und sah so ruhig aus, als ob er schlafe. Bei'm Leichenschau Verhöre wurde zuerst Hr. Stoddcrt vernommen, welcher Folgendes aus sagte: „seit zehn Tagen bewohnte ich mit Key dasselbe Zimmer. Am Samstag Abend gingen wir zusammen durch die Baltimore- Straße, und Key trat in die Apotheke der HH. Coleman et- Rodgers, wo er für 2 Dol lars Morphium-Pillen verlangte. Einer der in jener Apotheke augestellten Leute, Namens Deevers, weigerte sich Anfangs, ihm die Pil len zu verabfolgen) als ahcr Key erzählte, daß er an Schlaflosigkeit leide und die Pillen sei ner Tante Frau BriScoe einhändigen werde, damit diese ihm immer nur eine zur Zeit gebe, hatte Deevers keinen Einwand mehr, wildern bereitete die Pillen und gab sie Key. Am Souuiag Morgen sagte Key wiederholt zu mir, er wolle Selbstmord begehen, leider habe er die Pillen fortgeworfen und wisse jetzt I nicht, woher er das Gift nehmen solle, um feinem Leben ein Ende zu machen. Ich machte ich nach kam, fand ny ecet/in meinem Bette liegen. Er sah sehr blaß aus, rief mich zu sich, und als ich mich über ihn beugte, sagte er: „John, ich bin cm Selbstmörder, leb' wohl!" Ich schenkte ihm >cdoch keinen Glau ben, oa er mir erzählt hatte, er s<i nicht mehr im Bcsiize der Pillen. Gleich darauf erhob er sich und stolperte nach seinem eigenen Bette. Gegen 12 Uhr Nachts kau, Hr. McCoimack in unser Zimmer, und da Key zu dieser Zeit > sehr schwer athmete, so ersuchte ich McCor > mack, nach dem Unglücklichen zu sehen. McC. trat an das Bert, beugte sich über K. und sagte dann: „Er schläft gesund und wird mor gen frisch und wohlauf sein." Morgens um 8 Uhr erwachte ich, stand vom Bette auf, und ergriff Key's Hand, die aus dein Bette heraushing. Sie war lalt, wie Eis. Eine schreckliche Angst ergriff mich. Ich wußte jetzt, daß Key todt sei, aber ich hatte nicht dcu Mulh, in-ch davon zu überzeugen. Ich lief daher zu Hrn. Rennert und theilte ihm das Ereigniß mit." Während der Aussagen des Hrn. stoddcrt! wurde Hr. Jones, einer der Geschworenen, ohnmächtig und mußte aus dem Zimmer ge bracht werden. Hr. Deevers, der Angestellte in Coleman Sc Rogers' Apotheke, war der i zweite Zeuge. Derselbe sagte ans, daß er die Pillen zubereitet. Auf die Frage des Dr. I Walter: „Verkaufen Sie Morphium und andere Gifte ohne weitere Umstände?" cnt gegnelc Hr. Deevers: „Gewöhnlich nicht, wenn aber alte Kunden kommen, so geben wir ihnen, was sie soroern. Ich kenne Hrn. Key schon seit 20 Jahren." Die Geschworenen gaben hierauf einen Wahrspruch ab, welcher dahin lautete, daß der Perslorbcne sich um's Leben gebracht, indem er eine allzugroßc Dosis Morphium zu sich genommen. Bei dem Todten fand man folgendes Schreiben: „Sonntag, 2b. November.— Ich sterbe in Frieden mit der Menschheit. Ich wünsche, daß Dr. Smith von Virginicn mei ner armen, guten und so schwer heimgesuchten Familie in dieser trüben Stunde zur Seite stehe. Wm. O. Key." Der Verstorbene war ein Tohu des Hrn.H. G. S. Key von Leonardtown und vor dem Kriege einer der reichsten Bürger Maryland'?. Auch ipar er ein Verwandter des Dichters des NationalllideS: "I'iioKmr p.nn-leil ti-rnaer." Kurz vor Ausbruch des Krieges kaufte er von jtlstem damals in Louisiana ivohn.yoen Bru der tio Grundstück für >150,000. Während . jes Krieg aber verlor er Alles und nachdem er eine Zeitlang das „St. CbaileS-Hotel" iu Ncw-Orleans geführt, übernahm er imJakre 1869 das „New-Pork Hotel" in New-Pork. Vor etwa zehn Tagen kam er nach Baltimore, um eine Erbichastsangelegenheit zu ordnen. Sein Bruder Henry, von welchem er das Grundstück in Louisiana kaufte, ertränkte sich vor einem Jahre in Philadelphia. Auch war er ein Vetter jenes Philip B. Key, der vor vielen Jahren vom Gen. Sicktes in Washing- ton erschossen wurde. EineMutter tödtct ihr eigenes Kind. Vergangenen Freitag verursachte ! die Frau des Hrn. Karl Fischer, an der Port ! Road wohnhaft, den Tod ihres sechs Wochen ! alten Kindes, indem sie es auf die Erde warf. Die Frau litt zu dieser Zeit an einem Anfall von Geisteszerrüttung, und ihr Gatte hatte > soeben das Haus verlassen, um Hülfe zu su ! chen. Die Leichenschau - Commission fällte, nachdem sie die Ansichten des Dr. Reiche ron Waverly über den Geisteszustand der unglück lichen Frau, sowie das Zeugniß von deren Ehemann und Geschwistern vernommen, ein den Umständen entsprechendes Verdikt. Frau Fischer wurde am Samstage vor das Gericht in Towsontown gebracht, das sie in das Ar menhaus des Eomttys sandte. Hr. Fischer ! ist ein Bluintiimachcr und ein sehr tüchtiger z und fleißiger Geschäftsmann. Tod eines Arztes. Dr. Alexander > F. Dulin, ein bekannter praklizireiider Arzt > von Baltimore, starb am Mittwoch Nachmtt ! tag im 6. Lebensjahre in seiner Wohnung i Nr. 83, West-Monument- zwischen Park- und i Eathedralstraße. Vor etwa 6 Wochen war er ! nach einem fast 44-jährigen Aufenthalte in ! Europa, wo er eine Heilung von einer Läh ! mung, an der er schon seit Jahren litt, suchte, zurückgekehrt. Dr. Dulin wurde im Jahre 1806 in Fairsax County, Virg., geboren und bcsuchrc das medizinische Eolleg in Philadel phia. Bon dorr kam er nach Baltimore, wo er an 42 Jahre als praklischer Arzt wirkte. Vor circa 1.9 Jahren wurde ihm die Stelle ei nes Professors an der „Universitär von Ma rylano" angeboten, was er jedoch ablehnte. Professor N. R. Smith und Dr. Whitridge sind die einzigen noch lebenden Aerzte in un serer Stadt, welche etwa zu gleicher Zeit mit Dr. Dulin gradiiirten. Ein trauriges Ereign iß. SonlliagMittag kurz nach >2 Uhr ivurdeFrau Therese Schmidt, die Gattin des Küsters der deutschen evangelischen Kirche an der Ecke der Greenjlraße und Cioer-AUey, in ihrer Woh nuiig Nr. 19, Süd-Greenstraße, plötzlich krank und starb nach 15 Minnlen. Dr. I. G. Gillis wurde herbeigerufen, konnte aber selbstverständlich in diesem Falle keine Hülse mehr leisten. Kurze Zeit vor ihrem Ende sprach Frau Schmidl, die erst 21 Jahre alt war, ganz fröhlich mit ihrer Schwestee und Mutter und hatte sicher keine Ahnung, daß ihr Ende so nahe sei. Sie hinterläßt zwei Kinder. Dr. Mackall ward von dem traun gen Ereignisse benachrichtigt; er sprach seine Ansicht dahin aus, daß der Tod in Folge ei nes Herzlerdens einstanden sei. Hr. Schmidt befand sich gerade in der Kirche, als ihm die Mittheilung von dem Ableben feiner Frau überbracht wurde. Die Gemeinde wurde von dem traurigen Vorfalle in Kenntniß gesetzt und verließ das Gotteshaus in höchster Auf regung. Tb dt li chcr Ausga Ii g. Jakob Edel mann, welcher am Freitag Morgen bei dem Brande der Marburg'schen Tabacksfabrik von dem Dache des Siebert'schen Nachbarhauses an derS.-Charlcsstraße stürzte, erlag Sonntag den Verletzungen. Das traurige Ende E's hat allseitiges Bedauern hervorgerufen. Ter Unglückliche, dessen Tod gestern Vormittag um 7 Uhr eintrat, stieg während der Feuers brunst auf das Dach der Siebert'schen Wirth schast neben dem brennenden Fabrikgebäude. Dieses Dach ist sehr steil und war bei dem Feuer durch das niedertropfente Wasser zu gleich äußerst glatt und schlüpfrig geworden. Edelmann rutschte aus und stürzte in den hinter dem Hanse befindlichen Hofraum. Man brachte ihn kurz nach dem Unglücksfall nach der Wohnung seiner Schwester an der Ecke der Hamburg- und Sharpstraße, wo er trotz der Anstrengungen der Doktoren Womdle und Webster gestern Vormittag sein Leben aushauchte. Der Todte ward von dem Lei chenhcstatter Hrn. MearS in einen Sarg ge legt und nach dem Hause einer anderen, in 'Nr. 239, Williamstraße, lebenden Schwester g> schafft. Beerdig unge n.—Am Freitag Morgen starb in seiner Wohnung, Nr 199, Frederick Avenue, der Apotheker Hr. Julius Heinrich Richter nach langwierigem Sicchthnme an der Schwindsucht. Die Beisetzung der sterblichen Ueberrestc sandSonntag Nachmittag umer sehr großem Gefolge von Verwandten, Freunden und Bekannten aus der „Western Eenietery" statt. Das Leichenbcgängniß war eines der größten, welches seit Langem im westlichen Stadttheile stattgefunden; es folgten viele Aerzte und Berufsgenossen des Verstorbenen, sowie Vertreter der „Baltimorcr Schützen- Gesellschaft" und der >st. Johannis-Gemeinde dein Sorge. Der Leichenzug stand unter Lei tung des Hrn. Johann Meeth von der Re publican-Straße; der mit vielen kostbaren Blumen dekorirte Sarg von Rojenholz war in dem Etablissement des Hrn. I. Paulus an der Frederick-Äveuue angefertigt. Pastor I. Pistcr von der st. Johannis-Kirche hielt im Trauerhaufe und am Grabe Leichenreden. Am Grabe sang der Gesangverein „Frohsinn" unter Leitung seines Dirigenten Hrn. E. Heins zwei Lieder. Als Bahrtuchträger sungirten die Hy. Adalbert Belitz, Gustav Sicgmund, Johann Slebrecht, Emil Rautmann, Jakob Morbach und Joh. Brown. Der Verstorbene wurde am 27. Juni 1842 zu GödeiiSvurg in Kurhesscn geboren, kam tu seinem 15. Jahre nach Bremen, wo er seine pharmaceutischen Studien mit großer Auszeichnung vollendete und 8 Jahre blieb; 1865 kam er nach Balti more, wo er noch in demselben Jahre die von ihm bis an sein Ende geführte Apotheke etablirtc. Er heirathcte im Jahre 1868 und hinterläßt eine Wittwe und einen Sohn von 6 Jahren. Der bekannte Apotheker Hr. A. Richter (Ecke des Broadway und der Mulli ken.Straße) ist ein Bruder und ein früherer Associe des Verstorbenen. Außerdem hinter läßt er in Deutschland mehrere Geschwister, eine betagte Mutter und eine 90 jährige Groß mutter. Er litt seit sechs Jahren an mehreren körperlichen Gebrechen; un Jahre 1871 be suchte er mehrere Heilanstalten in Deutschland, gebrauchte namentlich warme Bäder, die aber anscheinend nur wenig wirkten, was ihn be wog, nach dreimonatlicher Abwesenheit hierher zurückzukehren. Er versah, obgleich sehr lei dend, 'cm Geschäft fleißig und'gewissenhast, bis ihn vor einigen Tagen ecn Blutsturz an das Krankenbett fesselte und seinem Dasein ein Ziel setzte. Er hatte sich während seines neuuiälirigell Hierseins viele Freunde erwor ben, die fein frühes Hinscheiden tief betrauern. Namentlich wird er den armen Kranken an der Frederick-Road, denen er mit Rath und Thal in höchst uneigennütziger Weise beige standen, unvergeßlich bleiben. Bat timorer S l erb lich k eit s-T a bell e.— Verwichene Woche wurden 142 Per sonen, 64 männlichen uns 78 weiblichen Ge schlechts, worunter 24 Farbige und 6 Todt geborene, aus Baltimore beerdigt; 3 mehr, denn in der Vorwoche, gerade so viele, wie in der Parallel Woche von 1872, aber resp. 22, 13, 20, 28, 21, 46, 40 und 60 mehr, denn IN den correspoudireuden Wochen von 1873, '7l, '7O, '69, '6B, '67, '66 und '65. Tvd l 11 ch c r Unfall. Frau Ber tha Pfniidl fandMoiitagNachmittag kurz vor 5 Uhr in dem Hause ihrer Nichte Frau Mer cer, Nr. 350, N.-Smckerslr., ganz zufällig ihren Tod. Sie ging mir einem Kinde der Frau Mercer auf dem Arme eine Treppe herab, als ye plötzlich ausglitt, zu Boden stürzte und oen Halswirbel brach. Der Tod trat augenblicklich ein. Dr. Prackall wird heute eine Leichenichan abhalten. Wahrsche int ich tödtlicher Unfall. 'Als JohannHofmann Montag Vormittag Uhr für ein zu errichtendes Eishaus in der Brehni'scheu (frühe, en Neißendörfer'schcn) Brauerei unweit der Beiair - Road mit der dazu nöthigen Ausgrabung beschäftigt war, glitt ein zum Aufhissen von Erde benutzter schwerer Eimer vom Seilhaken ab und stürzte ihm aus den Kopf. Als n an den besinnungs los Niedergestreckten aushob, ermillclte man, daß ihm die Hiruschaate gebrochen war. Er wurde sofort nach dem Spitalc der „Wash ington-Universität" geschasst, wo er gestern Abend um 7 Uhr das Bewußtsein noch nicht wiedererlangt hatte. Schreckliche Unfälle in derßai. (Zwei Pclwneu ertrunken.) Der Dampfer „Wilmington" traf Montag Vormittag von New Orleans hier ein. Ter Eapiläii des Dampfers berichtet, daß er in der Bai den Schooucr „Bradh" in leckem Zustande an traf. Er nahm das Fahrzeug in's Schlepp tau; plötzlich aber sank das Schiff, und zwei Seeleute, Namens T. S. Toby und Mich,el Sheridan, fanden ihren Tod in den Finthen. Die übrigen Mitglieder der Mannschaft des Schooners retteten sich an Bord des Dam pfers. —(Sechs Personen ertrunken.) Das Fahr zeug „Mayflowcr" stieß am Soniiiag Mor gen m 0 Uhr in der Nahe von Kent-Jslano mit einem unbekannten Schoouer zusammen und sank in wenigen Minuten, sechs am Bord befindliche Personen, Namens Johann Bauer, Johann Schmivtseld, George War ner, James M. Kimm, Joseph Tillmaun und ein Unbekannter, kamen in den Wellen um. Bauer und Schmidtfcld waren Deutsche. Hr. Thomas T. Green, der Eigenthümer des Schooners, wurde von zwei Farmern geret tet, während ein Matrose, Namens Win. R. Page, sich auf einem schwimmenden Balken an'S Ufer rettete. Das untergegangene Fahrzeug war mit 050 Bushel Austern bela den. Eine wichtige wundärztliche Operation. Hr. Kraus, ein in Pcnn sylvamen ansässiger Bürger kam vor einigen Tagen nach Baltimore nnd ersuchte Tr. John N. Atonmemcr, eine Geschwulst von riesen hafter Größe, die sich in seinem Nacken gebil det hatte, zu entfernen. Mehrere Wundärzte jn Peniljqlvaiiieii hatten sich geweigert, die Operation vorzunehmen. Auch Tr. M. rieth dem Patienten Anfangs von der Operation ab, da dieser aber darauf bestand, so ging der Doktor an das gefährliche Unternehmen, und es gelang ihm, die Geschwulst, die aus einer verhärteten Masse und aus Bälgen bestand, glücklich zu entfernen, und zwar theilweije mil- tclst dcs Messers und theilweisc mittelst Weiß > Hitze. Das Gefährliche der Operation bestand ' darin, daß ein Theil der Geschwulst ans der v-rrotis faß und von derselben abgebrannt werden mußte. Dr. Selkers von Pennsylva nien und einige andere Aerzte standen dem ! Dr. Monmonier während der Operation zur Seite. Der Patient hat sich so weil erholt, daß er im Stande war, am Sonnabend nach seinem Heimathsorte abzureisen. Wundärztliche Operation. Das kleine Kind des Hrn. James Cooper in Woodberry verschluckte vor einigen Tagen ein Maiskorn, welches unglücklicher Weise in die Luftröhre gerieth und daselbst stecken bticb. Am letzten Dienstage öffneten Dr. G. H. Eames und die Professoren N. R. und A. P. Smith die Luftröhre und zogen das Korn heraus. Das Kind befindet sich jetzt vollkom men wobl. Verhaftung eines Ex-Priesters. Der Ex Priester John McGill wardMon tag in New Port wegen Beckelns verhaftet. McGill war in früheren Jahren in Baltimore als Priester thätig; da er aber den Whiskey allzusehr liebte, so wurde er seines Amtes ent setzt und aus der Gememschaft der Priester ausgestoßen. Seit jener Zeit ist er von Stufe zn Stufe gesunken. Vor wenigen Wochen mußte er wegen Trunkenheit mehrere Tage im New-Porker Gesängnisse zubringen. Des Mordangrifsesfreige sprä che Ii. —Fast die ganze Montags-Siyung des Eriminalgcrichts füllte der aus Towsontown nach Baltimore verlegte Prozeß Georg Karl's wegen Angrisses in mörderischer Abficht auf den betagten Georg Groß aus. Den Staats anwalt A. Leo Knött unterstützte D. I. Mc- Jnto'h bei den Verhandlungen, während der Angeklagte, ein schlanker Mann in mittleren Jahren mit augenscheinlich schwächlicher Ge sundheit von den Advokaten Whitney, Bow man und Newman vertheidigt wurde. Hr. Groß, ein Greis von nahezu 70 Jahren, auf welchen am Abende des kl. August 1873 der Mordangriff auf der Liberty - Noao verübt worden war, trat zunächst auf dcnZeugenstand. Nach seiner Aussage wohnen er und Karl et wa acht Meilen von der Stadt an der Liberty- Road; sie sind Nachbarn, aber seit zwei oder drei Jahren hat zwischen ihnen ein alter Groll bestanden. An vem fraglichen Abende zwi schen 8 und 9 Uhr es herrschte große Dun kelheit verließ er seine Wohnung und ging eine kurze Strecke die Chaussee hinab in der Richtung nach der Stadt, um nachzusehen, ob sein Enkel Georg Schneider, der mit einem Fuder Stroh nach der Stadt gefahren, auf der Rückkehr begriffen war. Da sei Karl aus dem an der anderen Seite der Chaussee gele genen Wirtkshause der Frau Schneider her ausgekommen, habe „Guten Abend" geboten und unter einem Fluche gesagt: „Jetzt habe ich Euch gerade, wohin ich Euch haben will!" D'ranf habe ihm Karl mit einem scharfen In strumente einen Schlag auf den Kopf versetzt und dadurch eine Kopfwunde, die ihn zwei Wochen an's Bett fesselte, beigebracht; Karl habe ihn ferner hinten in den linken Ober schenkel gestochen, worauf der Gestochene nie dergesunken, und auf seine Hülferuse seine Tochter Frau Schneider und mehrere Nach barn zu seinemßeistaiide herbeigeeilt seien und ihn heim gebracht hätten. Frau Schneider bekundete, daß sie des Va ters Geschrei vernommen und gehört, wie er gesagt habe, Karl tödte ihn. Dr. H. I. Hebb hatte den Greis eine halbe Stunde nach feiner Verwundung gesehen und dessen Znstand damals für höchst bedenklich ge halten; die Wunde blutete fo park, daß er sie sofort schließen und eine Compresse anlegen mußte; die Sitzbein-Arterie iscbla iicit) war durchschnitten. Zeuge erläuterte an einem Bcckenknochen den Lauf, die Lage und anatomische Umgebung der Arterie. Der Gerichtshof ließ jetzt eine halbstündige Pause eintreten; um H 2 Uhr begann das Ent lastungszeugen-Verhör und endete gegen 3Uhr. Ans demselben ergab sich, daß Karl zuerst von Croß mit einem Messer augegriffen worden war, und Richter Gilmor sprach den Angeklag ten frei. Patente erhielten verflossene Woche folgende Erfinder: Friedrich W. Malder in Baltimore auf einen verbesseitenSatrel; Carl G.Sommer dahier aufeinGeschäfts-Abzeichen für Eingemachtes; D. M. Zanzinger in Washington, D. C., auf eine Verbesserung bel'm Baue eiserner Schiffe; N. W. Burchell ebendaselbst auf ein Gejchäcks-Abzeichen für Spezerci und andere Waaren; Charles H. Bowen cbendort aus eine verbesserte Turbine (Schneckenrad); N. K. Ellsworth ebendaselbst uvf einen Spucknapf-Heber und-Halter; Em ma R. Adams in Washington auf einen ver besserten Nähmashinen - Tisch; N. Wiard ebendort auf eine Wassern,laufs-Vorrichtnng inDampftcsseln; Johann Oesterling in Whee ling, West-Va., auf eine Verbesserung in der Aniertigung gewisser ( iemmoll) Glaswaa rcn. Die Au s d rücke „Grn nd; ins" un d „P a ch t." Seit mehreren Tagen war der Eontrakr Prozeß von Wilson K Hunting ge gen Wilhelm S. Rayner im Common Pleas- Gerichte in Verhandlung; der Verklagte hatte von den Klägern unter dem Uebereinkommen, in Gestalt von Grundzinsen Zahlung zu lei sten, Bauhol; und Bretter verlangt und gab an, er habe die vereinbarte Zahlung angebo ten. Die Kläger behaupteten, darunter seien After-Grundziiisen GnO-iri-ounäreats) gewe sen. Ihr Anwalt Reynolds machte gellend, unter Händlern mit Grundzinsen (rsuts) sei cS allgemeiner, Jedem bekannter und von Je dem verstanoener Brauch, daß, wenn man den Ausdruck "reut" gebrauche, damit ein ursprünglicher, kein After-Grundzins, und bei Benutzung des Wortes "lsns-'' ein Origs> nal-, kein Afterpacht gemeint sei; ferner gelte ein Pachtübertragungs-Abkomt.ien durch Ue bertragnng eines Afterpachtes nicht als aus geführt. Gestern erkannten die Geschworenen den Klägern zu. Zur Nachricht für Seefahrer! „In Verfolg der Bekanntmachung vom 4. August d. I. bringt die unterzeichnete Be hörde in Bezug aus das heute ausgelegte Leuchtschiff „Weser" folgende nähere Be stimmungen zur Kenntnißnahme: Das Schiff ist bei 22—24 Meter (12—13 Faden engl.) Wassertiese auf N. B. 53, 54ff00, O. L. 7, 48J81 von Grecnwich verankert. Man peilt von Bord desselben, mißweisend 1. die Schlüsseltonne S. O. 4,00 Seem. 2. Kirch rhurm Wangerooge S. 4 W. 0,59 Seem. 3. Leuchtthurm Wangerooge S. A O. 7,18 Seem. Das schissist in der Wasserlinie 40 Meier lang, roth angestrichen und trägt mit weißen Buchstaben die Bezeichnung „Weser." Als Tagcszeichen trägt das Schiff an den Spitzen der drei Pfahlmasten drei rothe runde Körbe. Als Nachtzeichcn brennen von Son nenuntergang bis Sonnenaufgang au diesen Masten in horizontaler Linie, 11,9 Meter über dem Wasserspiegel, drei feste weiße Feuer (Lmscnapparatc 6. Ordnung). Während der gleichen Zeitdauer wird am Fockstag 1,8 Me ter über der Riegclnng des Schisses eine bren nende Strom - Laterne unterhalten werden. Bei'm Verlassen der Station wird das Leucht schiff eine schwarze Flagge an der Gaffel auf ziehen und die Tag- und Nachtzeichen ent fernen. Sobald Nebel eintritt, wird am Bord des Schiffes alle zwei Minuten die Schiffsglocke 5 Mal angeschlagen werden. Schiffe, welche Gefahr laufen, das rechte Fahrwasser zu versetzten, werden vom Leucht schiffe ans durch Kanonenschüsse und Zeichen mittelst der internationalen Flaggensignale gewarnt werden. Bremen, den 10. Oktober Ü874. Die Deputation sür Häfen und Eisen bahnen." DerConkurs derFirmaGebrü derHe i l b ro un. —Jn dem im Februar 1873 anhängig gemachten Prozesse von Ed ward Hlggins, zun., Assigncttars der banke rotten Louis nnd Moritz Heilbronu, gegen deren Mutter Ratzel Heitbromi hatte der Klä ger gleich von Anfang an die Beschlagnahme des Grund- und sonstigen Eigenthums der Verklagten bewirkt, nno die Letztere am 3. April 1873 durch ihren Advokaten Marshall die Kasftrung des Beschlagnahme-Erlasses be antragt. Erst letzten Sonnabend, nachdem am Freitage der Hauptprozeß gegen die Ver klagte, die bekanntlich als bevorzugte Gläu bigeren H 9221.30 iu die Eoukursmasse zurück zahlen soll, entschieden worden, kam obiger Kassmmgs - Antrag im Bundeskreisgerichte zur Erörterung; die Verklagte suchte ihn durch folgende Einwände gegen die Beschlagnahme zu stützen: 1. das Gesetz rechtfertige diese nicht; 2. die Verklagte denke nicht daran, m der Absicht, das ConkurSversahren zu hindern oder ihre Gläubiger zu betrügen, ihr Eigen thum zu verlaufen, fortzuschaffen oder irgend wie darüber zu verfügen; 3. die Beschlag nahme sei aus anderweitigen Gründen null und nichtig. Oberst Marshall bemerkte Be treffs des 3. EinwandeS, Bundesgerichte be iäßen zur Ausstellung von Beschlagnahme- Erlassen und zur Entgegennahme oder Ver antwortlichmachung von im Namen der Ver. Staaten genommenen Bürgschafren in Er mangelung eines die Beschlägnahme - Gesetze Martzland's annehmenden Eongreß-Erlasses teure GerichlSbarlett; die in diesem Prozesse gestellte Caution von H 18,000 hätte dem Staate Maryland, nicht den Ver. Staaten gestellt werden sollen. Ohne sich näher aus Äetnmpwiig dieser Einwände einzulassen, be haupteten des Klägers Anwälte Wallis und Loney das Gegentheil; der Gerichtshof war derselben Ansicht und wies den Kasstruiigs- Antrag ab. Hierauf stellte Oberit Marshall die Anträge ans neuen Prozeß (der erste siel am Freitage gegen die Verklagte aus) und auf Urtheils - weil der Geschworenen Wahlspruch der Bedeutung der vorliegenden Belege und den Weisungen des Gerichtshofes widerstreite: die Geschworenen Härten die An gaben, die der Verklagten sür lausende Haus halt Ausgaben bezahlten Summen seien ge setzwidrige Bevorzugnngszahlungen Seitens der Söhne, irriger Weise als Belege ange nommen. Auch diese beiden Anträge ans neuen Prozeß und Urrhelts-Sistirung ver warf der Gerichtshof. Treiben von Vieh durch die tragen ist schon so oft von der Bevölke rung derselben getadelt worden, und doch wie derholt es sich immer wieder. Am Mittwoch > Nachmittag stürmte eine wild gewordene Büf- I fclluh, gefolgt von einer großen Anzahl von Knalen, du ch die Lexuiglon-und Parkpraße, und wurde zwar gluctticherweisc eingcfangeii bevor sie ein Unheil anrichien konnte; doch sollte diesem Unfuge ein für alle Male durch umfassende und firenge Verordnungen Ein- Hall gethan werden. Eine ägyptische Königstochter. Historischer Roman von Georg EberS. (Fortsetzung.) Zehntes apiittl. Amasis empfing seinen Sohn mit einem schallenden Gelächter und rief, nicht ach tend ans sein bleiches und verstörtes Ant litz: Hab' ick Dir's nicht gleich gesagt, daß es für einen schlichten Aegypter keine leichte Arbeit sei, den feinsten hellenischen Fuchs zu sangen? Ich gäbe zehn Städte meines Reiches darum, hätte ich dabei sein können, wie Du in dem vermeinten schnellzüngigen Athener den stotternden Lyder erkanntest! Psamlik wurde immer bleicher. Er zitterte vor Zorn und erviderle mit ge preßter Stimme: Es ist nicht schön, mein Vater, daß dieser Deinem Sohne ange thane Schimpf Dich erfreut. Wäre es nicht um Kambyses willen, so hätte der unverschämte Lyder, hei den ewigen Göt tern, heute zum Letztenmal das Licht der Sonne gesehen! Aber was kümmert's Dich, wenn ick, Dein Sohn, zur Ziel scheibe des Spottes dieses griechischen Bettlerpacks werde! Schmähe nicht diejenigen, welche Dir bewiesen haben, daß sie klüger sind als Du. Klüger klüger? Mein Plan war jo fem und kunstvoll angelegt, daß.... Die feinsten Gewebe zerreißen am leich testen. Daß mir der hellenische Ränkeschmied nicht entgehen konnte, wenn sich nicht ge gen jedes Herkommen, der Gesandte einer fremden Macht zum Retter jenes von uns zum Tode Verurtheilten aufgeworfen hätte. Du irrst, mein Sohn! Hier ist von keiner Vollstreckung eines Richterspruches, sondern von dem Gelingen oder Mißgtük ken einer persönlichen Rache die Rede. Die Werkzeuge derselben waren aber die Beamten des Königs, und darum ist das Geringste, was ich zu meiner Genug thuung von Dir fordern muß, daß Du den König von Persien um die Bestrafung eines Mannes ersuchst, welcher sich unbe rufen in die Vollstreckung Deiner Befehle mischte. Solches Vergehen wird in Per sien, wo sich vor dem Willen des Königs Alles wie vor der Gottheit beugt, richtig beurtheilt werden. Kambyses ist uns eine Bestrafung des Gyges schuldig. Ich aber werde keineswegs eine solche beantragen, denn ich bekenne, daß ich mich über die Rettung des Phanes freue. Gyges hat meine Seele vor dem Vorwurf, unschuldiges Blut vergossen zu haben be wabrt, und Dich verhindert, grausame Rache an einem Manne zu nehmen, dem Dein Vater verpflicht ist. So willst DuKambyses den ganzenVor fail verschweigen? Nein! Ich werde ihm denselben in einem Briefe scherzhast, wie das meine Art ist, darstellen und ihn zu gleicher Zeit vor bereiten, daß sich derselbe, unserer Rache mit knapper Noch entgangen, bemühen werde, die Macht der Perser gegen Aegyp ten aufzureizen und meinen Schwiegersohn ersuchen, dem Verläumder sein Ohr zu verschließen. Die Freundschaft des Krö sus und Gyges wird uns nützlicher, als der Haß des Phanes gefährlich sein. Ist das Dein letztes Wort? Willst Du mir keine Genugthuung verschaffen? Nein! Es bleibt bei dem, was ich ge sagt habe. So zittre nicht allein vor Phanes, son dein vor einem Zweiten, den wir in unse ren unv der Dich in seinen Händen hält! Du willst mit drohen, willst das gestern geknüpfte Band wieder zerreißen? Psamlik, Psamtlk, ich ratbe Dir zu bedenken, daß Du vor Deinem Könige, Deinem Vater stehst! Du aber erinnere Dich daran, daß ich Dein Sohn bin; denn wenn Du mich wiederum zwingst zu vergessen, daß Dick die Götter zu meinem Erzeuger gemacht haben und ich keine Hülfe von Dir erwar ten darf, so werde ich mit eigenen Waffen zu kämpfen wissen! Ich wäre neugierig, dieselben kennen zu lernen! Ich brauche sie nicht vor Dir zu verber gen. Erfahre denn, daß ich und meine Freunde, die Priester, den Augenarzt Ne benchari in unserer Hand halten! Amasis erbleichte. Ehe Du ahnen konntest, daß Kambyses um Deine Tochter freien werde, schicktest Du diesen Mann, um einen Mitwisser der Herkunft meiner sogenannten Schwester Nitetis aus Aegypten zu entfernen, nach dem entlegenen Persien. Dort weilt er noch und wird auf den leisesten Wink der Priesterschast dem betrogenen Könige mit theilen, daß Du ihm, statt der eigenen, die Tochter Deines entthronten Vorgängers Hzphra zu übersenden wagtest. Alle Pa piere des Arztes sind in unserem Besitze; das wichtigste unter ihnen, ein eigenhän diger Brief von Dir, verspricht seinem Vater, dem Geburtshelfer, tausend goldne Ringe, wenn er selbst den Prie stern verheimlichen wolle, daß Nitetis ei nem andern, als Deinem Hause ent stammte. Wer besitzt diese Papiere? fragte Ama sis mit eisiger Stimme. Tie Priesterschast. Und diese redet aus Deinem Munde? Du sagst es. Wiederhole denn, was Du begehrst. Ersuche Kambyies um die Bestrafung des Gyges und gib mir freie Vollmacht, den entkommenen Phanes nach meinem Gutdünken zu verfolgen. Ist das Alles? Leiste den Priestern einen Eid, daß Du von jetzt an den Hellenen neue Tempel ihrer Lügengötter in Aegypten auszurich ten verwehren und befehlen willst, saß man den Bau des Apollo-Heiligthums zu Memphis einstelle. Ich erwartete dergleichen Forderungen; hat man doch eine scharse Waffe gegen mich erfunden. Ich bin bereit, denWnn fchen meiner Feinde, zu denen Du Dich gesellt hast, nachzugeben: aber auch ich muß zwei Bedingungen stellen. Ersten oerlange ich den besagten Brief, welchen ich allerdings an den Vater des Neben chari unvorsichligerWeise geschrieben habe, zurück. Ließe ich euch denselben, so wäre ich sicher, statt euer König zu bleiben, der erbärmlichste Sllav elender Priestertänle zu werden. Dein Wunsch ist billig; Du sollst das Schreiben erhalten, wenn Kein zweites Wenn! Höre vielmehr, baß ich Deinen Wunich, Kambyies um die Bestrafung ves Gyges zu bitten, sür so unklug halte, daß ich ihn nickt erfüllen werde. Jetzt verlaß mich und tritt mir nicht eher vor Augen, als bis ich Dich rufen lasse. Gestern halte ich einen Sohn gewonnen, um ihn heule wieder zu verlie ren. Steh aus! Ich verlange keine Zei chen einer Demuth und Liebe, welche Du niemals gekannt hast. Bedarfst Du eines Trostes, eines Rathes, so wende Dich an die Priester und sieh', ob sie Dir den Va ter ersetzen werden. Sage Neithotep, in dessen Händen Tu weiches Wachs bist, er habe das rechte Mittet gesunden, mir Dinge abzutrotzen, die ich ihm sonst ver sagt haben würde. Um Aegypten groß zu erhalten, war ich bisher zu jedem per sönlichen Opfer bereit; nun ich aber sehe, daß die Priesterschast sich nicht scheut, mir mit dem Verrathe des Vaterlandes zu dro hen, um ihre eigenen Zwecke zu erreichen, könnt' ich mich leicht bewogen fühlen, die bevorzugte Kaste sür gefährlichere Feinde meines Reiches zu halten, als selbst die Peiser. Hütet euch, hütet euch! Dießmat gebe ich den Ränken meiner Feinde nach, denn ich selbst habe durch väterlche Schwäche eine Gefahr über Aegypten her ausbeschworen; in Zukunft aber will ich, bei der großenNetth, meinerHerrin, hand greiflich beweisen, daß ich König bin und eher die ganze Priesterschast als den klein sten Bcuchtheil meinesWillenS opfern mag. Schweig und verlaß mich! Ter Thronerbe entfernte sich; der Kö nig aber bedurfte diesmal langer Zeit, um scheinbar fröhlich vor die Gäste seinesHau jes treten zu können. Psamlik begab sich sogleich zum Ober befehlshaber der einheimischen Truppen und befahl ihm, das ungeschickte Werkzeug > feiner vereitelten Rache, den ägyptischen Hauptmann, in die Steinbrüche der The bais za verbannen; die äthiopischen Kne > ger aber in ihre Heimath zurückzusenden. ! Kann eilte er zum Oberpriester der Reith, um ihm mitzutheilen, was er von dem Könige erzwungen habe. Neithotep schüttelte bedenklich das kluge Haupt üb r die drohenden Worte des Amans, unv verabschiedete den Throner ben nach einer kurzen Reihe von Ermah nungen, ohne welche er ihn niemals von sich zu lassen pflegte. Psamtik begab sich in seine Wohnung. Seine fehlgeschlagene Rache, der neue unheilvolle Bruch mit seinem Vater, die Furcht vor dem Spotte der Fremden, das Gefübt leiner Abhängigkeit von dem Wil len der Priester, der Glaube an ein finste res Geschick, welches von Geburt an über seinem Haupte schwebe, bedrückten sein Herz und umnebelten seinen Geist. Von einer schönen Gattin und fünf blü henden Kindern war ihm Nichts geblie ben, als eine Tochter und ein kleiner Knabe, den er innig liebte. Zu dieftm zog es ihn jetzt, bei diesem hoffte er Trost und neuen Lebensmuth zu finden. Das blaue Auge unv der lachende Mund seines Sohnes waren die einzigen Dinge, welche das frostige Herz dieses Mannes erwärmen konnten. , Wo ist mein Sohn? fragte er den ersten u Höfling, welcher ihm in den Weg trat. ck So eben hat der König den Prinzen 5 Nechv mit seiner Wärterin holen lassen, antwortete der Diener. Der Haushosmeisler des Thronerben näherte sich jetzt demselben und reichte ihm einen versiegelten aus Papyrus geschriebe- nen Brief, indem er, sich tief verneigend, sagle: Von Deinem Vater, dem Könige! Psamftk erbrach in zorniger Hast das gelbe Wachs des Siegels, welches das " Namensschild des Königs trug und las: Ich habe Deinen Sohn zu mir kommen s lassen, damit er nicht wie Du zum blinden Werkzeuge der Priester heranwachsen und ? vergessen möge, was er sich selbst und >ei- i nem Vaterlanve schuldig sei. Ich werde s für seine Erziehung Sorge tragen, denn l die Eindrücke der Kindheit sind nachwir- b teiid aus das ganze spätere Leben. Willst Z Du Necho sehen, so habe ich nichts dage gen; doch mußt Du mich vorher von Dei- nem Wunsche benachrichtigen lassen. Ter Thronerbe biß sich die Lippen blu- " tig, um seinen Zorn den ringsumher ste- ö henven Dienern zu verbergen. Der Wunsch seines Vaters und Königs war ! nach ägyptischer Sitte eben so bindend als der strengste Befehl. Einige Augenblicke sann er schweigend nach; dann lies er nach Jägern, Hunoen, Bogen und Lanzen, " schwang sich aus einen leichlenWagen u. ließ b sich von seinem Nosselenker in das westlich gelegene Marschland fahren, um dort, die Geschöpfe der Wildniß mit Meute unvGe schoß verfolgend, zu vergessen, was sein - Herz bedrückte und statt an seinem entron- l neuen Feinde an den Thieren seinen Zorn s zu kühlen. i Gyges war gleich nach der Unterredung seines Vaters mit Amasis sreigelassen und - von den Genossen mit lautem Jubel em- 5 pfangen worden. Der Pharao schien die k Gefangennahme des Sohnes seinesFreun- des durch doppelte Güte wieder gut macheu l zu wollen, denn er beichenkte ihn noch am selbigen Tage mit einem kostbaren Wagen, welchen zwei edle braune Rosse zogen und ! bat ihn, ein kunstreiches Damenspiet zum s Andenken an Sais mit nach Persien zu c nehmen. Die Steine dieses Spieles be stanoen aus Elfenbein und Ebenholz. In s einigen derselben waren Linnsprüche mit r Hierogiyphenzeichen von Gold und Silber r eingelegt. r Amasis lachte viel mit seinen Gästen r über die List des Gyges, ließ die jungen i Helden ungezwungen mit seiner Familie t verkehren und behandelte sie ganz wie ein ! ein heiterer Vaier seine munteren Söhne, r Nur bei den Mahlzeiten bewies er, daß : der Acgyptcr in ihm sein Recht fordere, > denn die Perser mußten an einem beson- i deren Tische essen. Er würde sich nach i dem Glauben seiner Värer verunreinigt j haben, wenn mit den Aremoen an einer i Tafel seine Mahlzeit eingenommen hätte, l Als Amasis endlich drei Tage ach der Freilassung des GyzeS erklärte, daß seine i Tochter Nitetis in zwei Wochen zur Ab reise nach Asien bereit sein werde, so be- dauerten olle Perser nicht länger in Ae- i gypten bleiben zu dürsen. Krösus gefiel sich im Umgänge mit dem > samischen Dichter und Bildhauer. Gyges i theilte die Vorliebe seines Vaters für die hellenischen Künstler. Darias, welcher ! sich schon zu Babylon mit Sternkunde be- i schäftigt halte, war eines Abends, als er i den Himmel beobachtete, unerklärlicher i Weise von dem greisen Oberpriester der Reith angereoet uno eingeladen worden, ihm auf den höchsten Pylon, der Haupl- j sternwarte des Tempels zu folgen. Der wißbegierige Jüngling halte sich das nicht i zweimal sagen lassen, und sammelte all nächtlich, den Lehren des Greises lau schend, neue Kenntnisse. Psamtik traf einst den Fremden bei sei nem Meister und fragte Neithotep, als sich Darias enlieritte, wie er dazu komme, diesen Perser in ägyptische Geheimnisse einzuweihen? Ich lehre ihn, antwortete der Oberprie ster, Dinge, welche jeder gelehrte Ehal däer zu Babylon eben so gut weiß als wir, und mache uns dadurch einen Mann , zum Freunde, dessen Gestirne die besKam byses überstrahlen, wie die Sonne den Mond. Dieser Darius, sage ich Dir, wird einstmals ein mächtiger Herrscher werden; ja ich habe seinen Planeten selbst über Aegypten leuchten sehen. Dem Wei sen ziemt es, nicht allein in ver Gegenwart zu verweilen, sondern auch in die Zukunft zu schauen, nicht nur seinen Weg, sondern auch dessen Umgebungen zu betrachten. Kommst Du an einem Hause vorbei, so weißt Tu nicht, ob Dir in ihm kein Wohl thäter für die Zukunft auferzogen wird. Laß nichts unbeachtet, was an Deinem Pfade steht; vor Allem blicke hinauf zu den Sternen. Wie der Hund des Nachts sonder Schlaf aus die Diebe lauert, so wache ich seit fünfzig Jahren aus die Wanderer am Himmel, die ewi gen im Aether glühenden Verkünder des Schicksals, welche dem Nienschen Morgen und Abend, Sommer und Winter, aber aach Glück und Unglück, Ruhm und Schande oocausdestiminen. Sie, die Untrüglichen, haben mir in Darius eine Pflanze gezeigt, welche zum großen Baum erwachsen wird. Bartja waren diese nächtlichen Lehr stunven feines Freundes willkommen, denn sie veranlaßten denselben, länger als gewöhnlich zu schlafen und erleichter ten ihm also seine heimlichen Morgenritte nachNaukcalis, auf welchen ihn Zophyrus, den er zu seinem Vertrauten gemacht hatte, zu begleiten pflegte. Während er selbst bei Sappho verweilte, bemühte sich sein Frennv und seine Dienerschaft, einige Springhasen, Schnepftn, Pe likane oder Schalale zu erlegen. Die Heimgckehlten behaupteten dann, dem Mentor Krösus gegenüber, sich aus ihren Ausslügen der Lieblingsbeschäf tigung vornehmer Perser, dem edlen Waidwerk, ergeben zu Häven. Niemand bemerkte die Veränderung, weiche in dem innersten Wesen desKömgs sohnes durch die Macht der ersten Liede vor sich ging, außer Tachot, der Tochter des Amasis. Diese hegte seit dem ersten Tage, an welchem Bartja zu ihr gereoet halte, eine glühende Leidenjchafl für den schönen Jüngling. Mit den zarten Fühl säven der Liebe erkannte sie schnell, daß sich etwas Fremdes zwischen sie uno ihn gestellt haben müsse. Wenn Bartja ihr früher gleich einem Bruder begegnet war, und ihre Nähe gesucht halte, so vermied er jetzt sorgfältig ihr vertraulich zu nahen. Er ahnte ihrGeheimmß uno meinte, wenn er sie nur freundlich ansähe, ein Verbre chen an seiner Liebe sur Sappho zu bege hen. Die arme Königstochter grämte sich über die Kälte des Jünglings uno machte Nitetis zu ihrer Vertrauten. Diese ermu lhigte sie und baute Luftschlösser mit ihr. Die beiden Jungfrauen mallen sich i aus, wie herrlich es sein würde, wenn sie, - au zwei fürstliche Brüder vermählt, ohne sich von einander trennen zu brauchen, an - einein Hose leben dürften. Aber Tag , aus Tag verstrich, und der schöne Königs ; sobn zeigte sich dem Mädchen immer selte i ner, und wenn er kam, so verkehrte er mit - Tachot kühl und förmlich. Trotzdem mußte sich die Arme sagen, . daß Bartja während seines Aufenthalts in , Aegypten schöner und männlicher gewor- ! den sei. Ein stolzes und dennoch müdes Selbstbewußtsein strahlte jetzt aus seinen großen Äugen, und statt das früheren ju gendlichen Uebermnthes breitete sich nickt selten eine eigenthümlich tränmerischeßuhe über sein ganzes Wesen. Die rosigen Wangen hatten an Farbe verloren; aber das kleioele ihn gut, viel besser a s sie. die, gleich ihm, von Tag z Tag bleicher wurde. Melitta, die alte Sklavin der Rhodopis, war zur Beschützerin der Liebenden ge worden. Sie Halle Bartja und Sappho eines Morgens überrascht, war aber von dem Königssohne so reichlich beschenkt, von seiner Schönheit so vollkommen be zaubert, von ihrem Herzblatte so innig gebeten und so süß umschmeichelt worden, daß sie versprach, ihrer Herrin gegenüber reinen Mund zu hallen, und endlich, dem Triebe alter Frauen, junge Liebespaare zu begünstigen, folgend, den Zusammen künften der Beiden alle nur denkbare Hülfe angeveihen ließ. Die Alte iah schon ihr „süßeS TöchterchiN" als Beherrscherin der halben Welt, nannte sie, wenn sie mit ihr allein war, „Fürstin" und „Königin," und erblickte sich selbst in mancher schwa chen Stunde als reichgejchmückte Würden ttägerin am persftchen Hofe. Elftes Kapitel. Drei Tage vor der zur Avreise der Ni teüs beslimmlen Zeit hatte Rhodopis eine große Anzahl von Gästen, unter denen sich Krösus uo Gyzes befanden, nach Naukratis gelaven. Während des Gastmahls sollten sich, von der Nacht uno der Sklavin beschütz!, die beiden Liebenden im Garten treffen. Ais Melitta sich überzeugt halte, daß die Tischgespräche im besten Gange waren, öffnete sie die Pforle, ließ den Königsfehn in den Garten treten und führte ihm das liebende Mädchen entgegen. Dann ent fernte sie sich, um die Beiden durch Hän detlalschen vor jedem unbcrusenen Lauscher zu warnen. Nur noch dreiTaze lang werde ich Dich in meiner Nähe wissen, flüsterte Sappho. Weißt Du, manchmal kommt mir's vor, als hatt' ich Dich gestern zum Erstenmale gesehen; gewöhnlich mein' ich aber, daß Du mir schon eine Ewigkeit gehörtest und ich Dich lieb gehabt hätte, so lang ich lebe! Auch ich glaube immer, daß ich Dich so lang ich lebe besitze; denn ich kann mir nicht vvlstellen, daß ich einmal gelebt ha ben soll ohne Dich. Wäre die Trennungszeit nur erst vor vorüber! O, glaube mir, sie vergeht schneller, als Du meinst. Das Warten wird uns frei lich lang, sehr lang vorkommen; wenn wir aber wieder beisammen sind, so denk' ich, daß es uns sein muß, als hätten wir uns erst eben Lebenwohl gesagt. Siehst Du, io ist's mir jeden Tag ergangen. Wie hab' ich mir den Morgen und Dich herbei gesehnt; wenn er aber da war, und Tu an meiner Seile saßest, so glaubte ich, ich hätte Dich gar nicht von mir gelassen, und Deine Hano ruhte noch von gestern er auf meinem Haupte. Und dennoch überkommt mich eine mir sonst unbekannte Bangigkeit, wenn ich an die Scheidesluiide denke. Ich sürchte mich nrcht so sehr vor ihr. Freilich wird mein Herz bluten, wenn Tu mir Lebewohl sagst; aber ich weiß, daß Tu wiederkommen und mich nicht vergessen wirst. Melitta hat das Orakel befragen wollen, ob Du mir treu bleibst; sie wollte auch zu einem allen Weibe gehen, das soeben au- Phryzicn angekommen ist und bei Nacht aus gezogenen Stricken weiffagen kann. Dazu braucht sie, der Reinigungen wegen, Weihrauch, Styrar, mondsörmige Kuchen und Biälter von wilden Dornsträuchern; aber ich habe mir das Astes verbeten, denn mein Herz weiß ja besser als Pytbia, Striäe und Opser rauch, daß Du nur treu bleiben und mich lieb behalten wirst. Uno Dein Vertrauen betrügt Dich nicht! Aber ich bin doch nicht ganz ohne Ban gigkeit gewesen, denn ichhabe, wie dieMäd chenzu thun pflegen,wohl hundertmal in ein Mohnblatt geblasen und darauf geschla gen . Wenn cS knallte, dann jubelte ich: Er wiro Dich nicht vergessen! Wenn das Blättlein aber ohne jeden Laut zerriß, so wurde ich betrübt. Doch es ließ fast immer den erwünschten Ton vernehmen, und ich durste viel öfter fröhlich, als trau rig sein. Und so soll es bleiben! Ja, so muß es bleiben! Sprich aber lei ser, Liebster, damit uns Knakias, der dort zum Nile geht, um Wasser zu schöpfen, nicht bemerkt. Ja, ich will leise sprechen. So! Jetzt streich' ich Dir D in Haar zurück und slüstre in Dein Ohr: Ich tteve Dich! Hast Du's verstanden? Was man gerne hört, sagt mein Ahne, das versteht sich leicht; doch hättest Du mir eben auch in's Ohr gerufen: Ich hasse Dich! so würde mir Dein Blick trotzdem mit tausend Sttmmen zugejubelt haben, daß Du mich liebst. Des Auges stum mer Mund ist viel beredter, als alle Zun gen in der ganzen Welt. Könnt' ich nur, wie Tu, die schöne Sprache der Hellenen reden, dann wollt' ich O, ich freue mich, daß Du nicht besser sprichst; denn könntest Tu mir Alles sa gen, was Tu fühlst, so würdest Du mir, mein ich, weit weniger zärtlich in die Augen schauen. Was sind denn Worte!? Hörst Du dort die Nachtigall? Der Reve Gabe ward ihr nicht zu Theil und dennoch glaub' ich, daß ich sie ver stehe. Willst Tu mir's anvertrauen? Ich möchte gerne wissen, was Büibül, wie wir Perser die Nachtigall benennen, mit ihrem Liebsten, dort d'rüben in dem Ro senbuiche, zu verbandeln hat. Darfst Du verrathen, was der Bogel spricht? Ich will Dir's leise sagen! Philomele singt dem Gatten zu: Ich liebe Dick! Uiid seine Antwort lauiet, höre nur: Ilys, ito, itys. Und was heißt Ito, Ito? Ich nehm' es an, ich nehm' es an! Unv Itys? Das mußte man, um's richtig zu ver stehen, schon künstlich deuten. Jtys ist ein Kreis; der Kreis bedeutet, so ward ich belehrt, die Ewigkeit, denn er hat keinen Anfang und kein Ende. D'rum ruft die Nachtigall: Ich nehm' es an für alle Ewigkeil! Und wenn ich Dir nun sag': Ick liebe Dich? So geb' ich, wie die Sängerin der Nacht, Dir sudelnd wieder: Ich nehm' es an, für heut', sür morgen, für die Ewig keit! O welche Nacht, wie Alles ruht und schweigt; ich höre selbst die Nachtigall nicht mehr. Dort d'rüben im Akaziendaume, dessen Müthentrauben so fußen Dutt ver senden, weilt sie jetzt. Ter Palmen Kro nen spiegeln sich im Nil und zwischen ib nen schimmert des Mondes Bild gleich ei nem weißen Schwan. Und seine Strahlen fesseln mit Silber fäden Alles, was da lebt. D'rum liel die ganze Welt, wie ein gefangnes Weib, in ttesemSchwcigen da und regt sich nicht. Ich könnte jetzt, so froh, wie ich bin, nicht lachen und noch viel weniger mit lauter Stimme sprechen. So flüstere oder singe! , Tu hast recht. Gieb mir mein Sailen ipiet! Ich vanke Dir. Laß mich mein Haupt an Deinen Busen lehnen und Dir ern stilles Friedensliedlein singen. All man der Lyver, der zu Sparta weilte, hat es erdacht, die stille Nacht zu preisen. Jetzt lausche mir, denn dieses sauste Schlummer lied muß lcrse, leise von deaLippen wehen. Küß' mich nicht mebr, nein, bitte, küß' mich nicht, bevor ich fertig bin; dann aber sordr' ich selbst den Kuß zum Dank: schien die Älwpc^ in schluimutriidcr ES schlafen d>c Schluchten der Blatter Schaar, Der Wurm, den die nazrciidc Erde gcvar. Die Thiere der Bge, fie lrauul^ Nun, Geliebter; mein Kuß? Ich hatte vor Lauschen das Küssen ver gessen, wie ich vorhin vor Küssen da tauschen vergaß. Tu Loser! Ist mein Liebchen nicht schön? Schön, wie Alles, was Du singst. Und die großen hellenischen Sänger dichten. Auch darin geb' ich Dir Recht. Habt ihr in Persten keine Sänger? Wie magst Tu also fragen? Könnte ein Volk sich edlcrcrGesühle rühmen, wenn es den Gesang verachtete? Aber ihr habt doch recht schlimme Sit ten. Nun? Ihr nehmt so vielcnlrauen zur Ehe! Meine Sappho.... Versteh' mich nicht falsch! Sieh, ich habe Dich so lieb, daß ich Nichts will, als Dich glücklich sehen und Dein ganzes Da sein the.len zu dürfen. Verstößt Du, wenn Du mich allein zum Weibe nimmst, gegen die Titten Deiner Heimath, sollte man Dich Deiner Treu; wegen verachten, so nimm Dir andere Weiber neben mir; aber erst laß mich nur zwei, nur drei Jahre lang Dich ganz allein besitzen. Willst Tu das, Bartsa? Ich will. Und dann, wenn meine Zeit vorüber ist und Tu der Sitte Deines Landes nach geben mußt, denn aaS Liebe wirst Du keine Zweite heimführen, so laß mich Dei ne erste Lklavin bleiben. O, ich habe mir das so herrlich ausgemalt! Wenn Tu iu den Krieg ziehst, so sehe ich Dir die Tiara auf die Locken, so gürte ich Dir das Schwert um und gebe Dir die Lanzen in die Hand. Wenn Du als Sieger heim kehrst, dann bekränze ick Dich zuerst. Rei test Du zur Jagd, so schnalle ich Dir die Sporen an, und gehst Du zum Gastmahle, dann schmücke und salbe ich Dich, winde Dir Pappel- undßosenkränze und schlinge sie um Deine Stirn und Deine Schultern. Bist Du verwundet, so pflege ich Dich, bist Tu krank, so weiche ich nicht von Dei ner Seile, bist Du glücklich, dann ziehe ich mich zurück und weide mich aus der Ferne an Deiner Ebre und Deinem Woblergehen, vielleicht rufst Du mich dann zu Dir und Dein Kuß sagt mir, daß Du mit Deiner Sappho zufrieden bist, daß Du mich noch mmer liebst. O Sappho, wärest Tu doch heute schon mein Weib! Wer einen so großen Schatz besitzt, wie ich in Dir, der mag ihn hüten, aber nickt nach andern Schätzen, die doch nur, mit ihm verglichen, ärmlich sein kön nen, streben. Wer Dich geliebt, liebt keine andere mehr! In meiner Heimath ist eS zwar der Brauch, daß jeder Manu viele Weiber heimführt; aber dies wird nur gestattet, keineswegs durch ein Gesetz befohlen. Auch mein Vater hatte zwar hundert Sklavinnen, aber nur eine rechte, echte, wahre Galtin, unsere Mutter Kas sandane. Und ich werde Deine Kassandane sein? Nein, meine Sappho, denn was Tu mir wirst, war noch keinem Mann sein Gemahl! Wann kommst Tu mich zu holen? Sobald ich kann und darf. Nun will ich wobl gedudig warten! Und werde ich Nachricht von Dir erhal ten? Ich schreibe Dir lange, langeßriefe und trage allen Winden Grüße sür Dich aus Thu' das, mein Liebchen; und was die Briese anbelangt, so übergid sie dem Bo ten, welcher Nitetis von Zeit zu Zeit Nachrichten aus Aegypten überbringen wird. Wo find' ich ibn? Ich werde emen Mann zu Naukratis anstellen, der Alles, was Tu ihm zukontt men läßt, besorgen soll. Das Nähere will ich mit Melitta besprechen. Wir dürsen ihr vertrauen, denn sie ist klug und treu; doch habe ick noch eine an dere Freundin, welche mich nach Dir am meisten liebt, und die auch ich nach Dir am liebsten babe. Tu meinst Deine Großmutter Rhodo piS? Meine treue Pflegerin nnd Lehrerin! Sie ist ein edles Weib! Mein Vater Krösus hält sie für die trefflichste der Frauen, und er kennt die Menschen, wie der Arzt die Kräuter und die Wurzeln. In jenen, weiß er, schlummert arges Gift, in diesen Tropfen, welche Heilung spen den, und Rhodopis, so sagte Kröfus oft, gleicht einer Rose, welche Dust verleiht und Labungsöl sür schwache Kranke spen det, selbst wenn sie welkend Blatt auf Blatt verliert und in Geduld des Windes wartet, der sie ganz verweht. O, daß sie tange lebe! Liebster Mann, gewähre mir noch eine große Bitte! Sie ist gewährt, schon eh' ich sie ver nommen. Laß Rhodopis, wenn Du mich heim wärts führst, nicht in Aeanpten zurück. Sie soll uns so gen. O, sie ist so gut und liebt mich so innig, daß sie, was mich beglücken mag, beglückt, und daß, was meinem Herzen iheuer ist, auch ihrem lie benswert!) erscheinen muß. Sie sei der erste Gast in unserem Hause! Wie gut Du bist! Jetzt bin ich ganz zu frieden und beruhigt. Die guie Greinn bedarf ja meiner! Sie kann nickt leben ohne mich, ihr Kind. Ich lache ihr die trüben Sorgen fort, und wenn sie, mich betehrend, bei mir sitzt, wenn sie mir Lie der singt, wenn sie mir zeigt, wie man oen Griffel führt, die Laute schlägt, dann glänzt ein reineres Licht von ihrer Stirn, uno alle Furchen, die der Gram gepflügt, sie glätten sich, ihr mildes Auge lacht, und sie vergißt so manchen bösen Tag, indem sie froh der Gegenwart genießt. Ich frage sie, bevor mir scheiden, ob sie uns in meine ferne Heimctth folgen will? O, wie bin ick froh! Und weißt Tu auch, daß mir die erste Zeit der Trennung gar nicht furchtbar scheint? Jetzt darf ich Dir, als meinem Mann und Herrn, wohl Alles sagen, was mich schmerzt und freut; vor Anderen aber muß ich schweigsam sein. So misse, Liebster, daß wir, wenn ihr in eure Heimath zieht, zwei kleine Gäste in unserem Hause erwarten; des guten Pha nes Kinder, jenes Mannes, für den Dein Freund, der Sohn des Krösus, eine so edle That begangen hat. Ich will für die Kleinen immerdar wie eine Mutter forgen. und wenn sie brav gewesen sind, dann werde ich ihnen schöne Mährchen singen von einem Königssohne, einem starkenHel den, der sich ein schlichtes Mädchen zum Weibe nahm; und wenn ich dann be schreibe, wie der Prinz, der junge Helo zu schauen war, so wirst Du hell vor mei nen Augen flehen, und, ohne daß mein Pärchen Etwas merkt, beschreib' ich Dich vom Kopfe bis zum Fuß. Mein Held er freut sich Deines hohen Wuchses, ihn zie ren Deine goldnen Locken. Dein blaues Augenpaar schmückt seine Stirn, und Dei ner Kleider königliche Pracht umgiebl auch seine prangende Gestalt; Dein edles Herz, Dein treuer wadrer Sinn, die Ehrfurcht vor den Göttern, die Dich ziert, die Tap serteil, Dein hoherHeioenmuih, kurz Alles, was an Dir mir lieb und werth, Das wird dem Helden ineines zu Theil. T>e Kinder werden lauschen! Und wenn sie ausrasen werden: O wie lieben wir de Königssohn, wie ist er schön und gut; ach, könnten wir den edlen Jüngling sehen dann presse ich sie liebend an me-n Herz l und küsse sie, so wie ich Dich geküßt, und ! auch der Kinder Wunsch ist dann erfüllt,! denn, weil Du ja in meinem Herzen thronst, z fo bist Du in mir lebend, ihnen nah, und, wie sie mich, umarmen sie auch Dich! Ich aber geh' zu meinem Schwesterlein, Alossa, uno erzähle ihr von Allem, wa ich aus meiner Fahrt gesehen habe. Und wenn ich der Griechen Anmuth, denGtanz ihrer Werke und die Schönheit ihrer Frau en preise, so will ich Dein holdes Wcien schildern, als das Bild cer golonenAphro oite. Ick weroe ihr von Deiner Tugend, Deiner Schönheit und Silttamttil, von Deinem Sange, dessen Wohllau selbst die Nachtigall, wenn sie ihn hören dari, zum Lauschen zwingt, von Deiner Liebe, Dei ner Zärtlichkeit gar viel erzählen. Dwß Alles übertrage ich von Dir aus Eyvris' göttlicbeGestaU und küsse meine Schwester, wenn sie rast: O Aphrodite, könnte ich Sich sehen! Horch, was war Das, da klatscht die Wärterin! Leo' wohl, wir müssen soc.! auf baldiges Wledcrs.hcn! Noch einen Kuß! Leb' wohl! Melitta war auf ihrem Posten, von Müdigkeit und Atter überwältigt, einge schlafen. Endlich wurde sie durch ein lautes Geräusch aus ihren Träumen geris sen . klatschte sogleich in die Hände, um das Paar zu warnen und Sappho her beizurufen, denn sie an den Sternen, daß der Morgen nicht mehr fern sei. Als sich die Alte mit ihrer Schutzbefoh lenen dem Hause näherte, bemerkte sie, daß jenes Geräusch, welches sie vorher geweckt halte, von denGästen ausgehe, die sich zum Ausbruch anschickten. Zur höchsten Eile drängend, schob sie das erschreäte Mädchen durch die Hinter thlirc in das hau?, führte sie in ihrSchlas zimmer und wollte eben beginnen vieJung ran zu entkleiden, als Rhodopis ein' trat. Du bist noch aus, Sappho? fragte die selbe Was bedeutet das, mein Kind? Melitta bebte und hatte eine Lüge auf den Lippenz Sappho aber warf sich ihrer Großmutter au die Brust, umfchlang sie zärtlieb, kühle sie voller Innigkeit und er zählte ihr ohne Rückhalt die Geschichte ih rer Liebe. Rhodopis erbleichte. Verlaß uns! herrschte sie der Sklavin zu. Dann stellte sie sich vor ihre Enkelin, legte die Hände auf ihre Schultern und sprach: Sich' mir in die Augen, Sappho! Kannst Du mich noch ansehen, ebenso hei ter, ebenso kindlich rein, als vor der An kunft jenes Persers? Das Mädchen schaute lächelnd und freudig zu der Großmutter empor; da zog sie Rhovopis an ihre Brust, küßte sie und sprach: Seit Du die Kinderschuhe aus gezogen hast, war ich bestrebt, Dich zu einer würdigen Jungfrau zu machen und Dich vor der Liebe zu bewahren. Ich wollte Dir bald einen passenden Gatten er wählen und Dich ihm nach hellenischer Sitte zum Weibe geben; aber die Götter haben es anders gewollt. Eros spottet aller Schranken, welche Menschenhände ihm entgezenzuücllen vermögen; das heiße äolische Blut in Deinen Adern hat Liebe geiordert, das stürmische Herz Deiner les bischen Ahnen klopst auch in Deinerßrust. Das Geschehene ist nicht zu ändern. Be wahre denn die Freudenstunden dieser Deiner reinen ersten Liebe, wie ein kostba res Eigenthum in dem Hanse Deiner Er innerung, denn die Gegenwart eines je den Menschen wird früher oder später so arm und öde, daß er solcher Erinnerungs schätze bedarf, um nicht zu verschmachten. Gedenke des schönen Knaben in der Stille sage ihm Lebewohl, wenn er in seine Hei malh zurückkehrt, aber hüte Dich auf ein Wiederseben zu hoffen. Der Sinn der Perser ist leicht und wankelmüthig; alles Neue reizt ihn, altes Fremde nimmt er aus mit offenen Armen. Dein anmuthiges Wesen hat dem Königs s.kne wohl gefallen. Jetzt glüht er für Dich, aber er ist jung und schön, von allen Seiten umworben und ein Perser. Gieb Tu ihn aus, damit er Dich nicht aufgebe! Wie sollt' ich, Großmutter! Hab' ich ihm nicht Treue für die Ewigkeit geschworen? Ihr Kinder spielt mit dieser Ewigkeit, als sei sie ein Augenblick! Was Deinen Schwur betrifft, so tadle ch ibn; aber ich freue mich, daß Du an ihm festhältst, denn ich verabscheue jenes frevelnde Sprichwort, welches lehrt, Zeus höre nicht die Schwüre der Liebenden. Warum sollte die Gott heit den in Beziehung auf dasHeiligste im Menschen geleisteten Eid geringer achten, als eine Betheuerung, welche kleinliche Fragen des Mein nnd Dein betrifft? Halle denn, was Tu versprochen, vergiß nie mals Deiner Liebe, gewöhne Dich aber an den Gedanken, der Person des Gelieh en entsagen zu müssen. Niemals, Großmutter! Wäre denn Bartja mein Freund geworden, wenn ich ihm nickt vertrauen könnte? Gerade, weil er ein Perser ist, der die Wahrhaftigkeit seine scbönstc Tugend nennt, darf ich zu versichtlich Hessen, oaß er seines Schwures gedenken und mich, trotz der Unsitte der Asiaten, zu seinem einzigen Wciee machen werde. Und wenn er seines Schwurcs vergißt, so wirst Du Deine Jugend elend vertrau ern und mit vergiftetem Herzen O gute, liebe Großmutter, höre aus so schreckliche Dinge zu reden! Wenn Tu ihn kennen würdest, wie ich ihn kenne, so müßtest Tu mit mir jauchzen und mir zu geben, daß wohl der Nil versiegen und die Pyramiden einstürzen mögen, mein Bart j.r aber mich nicht betrügen kann! Das Mädchen sprach diese Worte mit so freudiger Zuversicht, mit so überzeugender Gewißheit, und ihre dunklen von Thränen erfüllten Augen glänzten dabei so warm und selig, daß auch das Antlitz der Grei sin wieder freundlich wurde. Sappho schlang nun noch einmal ihre Arme um den Hals der Großmutter, er zählte ihr jedes Wort, welches der Ge lieble zu ihr gesprochen hatte, und endete ihre lange Rede mit dem Ausrufe: O Großmutter, ich bin so glücklich, so glück lich! Und wenn Tu nun gar mit uns nach Pcrsien kommst, dann hab' ich nichts mehr ! von den Unsterblichen zu erbitten. Nur zu bald werden sich Deine Arme wieder nach lbncn ausstrecken. senfzteßho dopis. Nur mit neidischem Blick betrach ten sie das Glück der Sterblichen und wä gen uns das Schlimme mit verschwenderi schen, das Gute mit kargen Händen zu.— Geh jetzt in's Bett, mein Kind, und bete mit mir, daß dieß Alles ein glückliches Ende iirhmen möge. Einem Kinde habe ich meinen Morgengruß gebracht, einer Jungfrau sage ich gute Nacht; mögest Du mir a.s Gattin eben fv freudig Deinen Mund zum Kusse bieien, als eben jetzt. Morgen will ich euretwegen mit Krösus reden. Von seinem Ausspruche wird es abhängen, ob ich Dir gestatten kann, die Rückkehr des Persers zu erwarten, oder ob ich Dich beschwören muß, den Königsfehn zu vergessen, um bald die Hausfrau eines Hellenen meiner Wahl zu werden. Schlafe wohl, mein Liebling, schlummre ruhig; Deine alte Großmutter wacht für Dich! Sappho entschlief von seligen Träumen eingewiegt; Rkodopis aber schaute mit offenen Augen bald lächelnd, bald bedenk lich die Stirn runzelnd, in die aufgehende Sonne und den lichten Tag. Am folgenden Morgen ließ Rhodopis Krösus ersuchen, ihr eine Stunde zu schen ken. Sie erzählte dem Greise ohne Umschwcif, was sie von Sappho erfahren hatte, und schloß ihre Rede Mit den Worten: Ich weiß nicht, welche Ansprüche die Perser an die Gattin eines Fürsten machen; kann Dir aber sagen, daß mir Sappho des ersten aller Könige würdig zu sein scheint. Sie stammt von einem ev.en freien Vater und ich habe gehört, daß nach euren Gesetzen ganz allein der Pater die Herkunft des Kindes bestimmt. Auch in Aegypten ge nießen die Nack kommen der Sklavin gleiche Rechte mi: denen der Fürsteittockler, wenn beide demselben Erzeuger ihr Dasein ver danken. Ich habe Dir schweigend zugehört, ant wortete Krösus, und muß Dir sagen, daß ich edensowcnig als Du iu diesem Augen blicke weiß, od ich mich fleaen darf, oder ob ich dicie Liebe bcliazen soll. —Kam vyses und Kassanoanc, die Mutter Bart ja's und des Königs, wünschten schon vor unserer Adresse den Prinzen zu rerbeira theu. Ter König ielbst erfreut sich bis heule keiner Nachkommen. Sollte er kin derlos bleiben, so beruht die einzige Hoff nung aus die Fortpflanzung des Ge schlechts seines Pater? Eyrns aus Balisa, venu der große Grüneer der persischen Macht rühmte sich nur zweier Söhne, des Kam'oyses und des Freundes Deiner En kelin. Dieser Letztere ist der Stolz aller Pecser, der Liebling des ganzen Hofes und Landes, die Hoffnung aller Würden träger nnd Unterthanen. Ec ist eben so schön als edel, even so ttigendhast als lie benswelth. Wohl verlangt man von den Könlgssöhnen, daß sie sich mitWeibcrn aus ihrem, dem Geschlechte der Achämcni den, vermählen, aber die' Perser haben eins unbegrenzte Porliebe sür alles Fremoe uno würden, von der Schönheit Deiner Enleliu entzückt, von Bartsa's Liebe zu ihr nachsichtig gemacht, gar bald den Ber uoß gegen d'.e alte Sitte vergeben, zumal jedwede That, welche der König gut heißt, teinen Einwand der Unterthanen zuläßt. Auch liefert die iranische Geschichte Bei spiele genug, daß selbst Sklavinnen Köni ge engten.' Die Mutler de Herrschers,