NaöiL-Telegi7crnrnre.
Straßburg, 16. Nov.
Der deutsche Reichskanzler Fürst von
Hohenlohe-Schillingsfürst ist hier ange
kommcn, um seine Geschäfte als kaiser
licher Statthalter in Elsaß-Lothringen ab
znwickeln. Er nahm die Glückwünsche der
Beamten und Delegaten der Communal
räthe der Provinzen zu seiner Ernennung
entgegen. Heute Abend fand ihm
zu Ehren eine Galavorstellung im
Theater statt. Als der Kanzler mit seiner
Familie das Theater betrat, wurde seine
Ankunft durch Trompetengeschmclter angc
kündigl. Das Orchester spielte Weber's
Jnbelouveriure. Am Schluß der Vorstel
' lang erhob sich die ganze Versammlung
und sang Kaiser Wilhelms „Sang an Ae
gir." Darauf hielt der Theaterdirector
im Namen der Bürger eine AbschiedSrcde
und schloß mit der Aufforderung zu einem
donnernden Hoch aus den Kanzler von Ho
henlohe.
Lond on, 17. Nov.
Eine Wiener Depesche an den Standard
meldet, daß das erste Honorar, welches
Kaiser Wilhelm als Komponist verdient
hat, sich jetzt auf dem Wege nach Berlin be
findet. Seinen Statuten gemäß hat der
Wiener Mannergesangverein für seine letzte
Ausführung des „Sang an Aegir" dem
Kaiser Wilhelm einen Dukaten nebst
einem Diplom als Ehrenmitglied über
schickt.
' Messina, 16. Nov.
Heute wurde in der Provinz Messina
und auch in Ealabricn ein heftiger Erdstoß
verspürt und viel Schaden angcrichtet.
Steinerne Kirchen stürzten ein und viele
.Häuser erhielten Nisse. Der obere Theil
eines Leuchtthurmes siel ein und der Wär
ter wurde verletzt. Wie es heißt, kam eine
Frau um's Leben. Die Einwohner sind
in tausend Aengsten. Es wird befürchtet,
daß noch mehr Hiobsposten aus den länd
lichen Bezirken einlrcffen werden.
Pl ym 0 ut h, 16. Nov.
Der Ministerpräsident der Kap-Colonie,
Cecil Rhodes, und Dr. Jameson, der Ver
walter der südafrikanischen privilcgirten
Compagnie, sind heute von Kapstadt hier
eingetrofsen. Sie wurden vom Mayor und
Stadtrath bei der Landung begrüßt.
Archangel, 16. Nov.
Die von Capitän Joseph Wiggins, der
durch seine früheren Entdeckungen in den
Polargegenden sich bereits einen Namen
gemacht hat, geleitete neueste Polarerpedi
tion ist gescheitert. Das zu derselben be
nutzte Schiff ist in der Nähe der Meerenge
von Judgarschar oder Jugar zwischen No
waja Semblja und dem Festlande zu
Grunde gegangen. Die gesammte Beman
nung, einschließlich des CapitÜns, wurde
gerettet.
Brüssel, 16. Nov.
In der Deputirtenkammer reichte heute
der Ministerpräsident de Burlet eine Reihe
von Vorlagen zur Verbesserung der Lage
der Arbeiter ein. Unter denselben befindet
sich eine für die Gründung eines Arbeits
bureaus.
London, 16. Nov.
Der Vorsitzer des Armenischen patrioti
schen Vereins, C. Hagopian, hat dem
Staatssekretär des Aeußcren, dem Earl of
Kimberlcy, nachstehenden von einem Ar
menier geschriebenen Brief übergeben. Der
Name des Schreibers wird nicht mitge
theilt, da Letzterer sich sonst der Gefahr aus
gesetzt haben würde, sein Leben zu verlieren.
Dem Schreiben des Armeniers ist folgen
der Brief von Hagopian beigelcgt: Ich habe
keinen Grund, an der Glaubwürdigkeit der
in dem Schreiben mitgetheilten Einzelhei
ten zu zweifeln, da dieselben durch vollstän
digere amtliche Berichte, welche bei dem bri
tischen Agenten in Armenien eingetrofsen
sind, oder bald eintrefsen werden, vollauf
bestätigt werden.
Die berichteten Vorfälle sind eine Wie
derholung der bulgarischen Gräuel, welche
mit allen scheußlichen Einzelheiten viehi
scher Wollust und empörender Grausamkeit
an wehrlosen Christen und hülfloscn
Frauen und Kindern verübt wurden und
welche mit Vorbedacht geplant und auf
Grund von Befehlen ans Constantinpel
rücksichtslos ausgesührt waren. Zum
Schluß sagt Hagopian, daß die Zett ge
kommen sei, um mit der ganzen bestehenden
Verwaltung von Armenien gründlich auf
zuränmen und dieselbe durch eine andere
von Großbritannien und den übrigen Unter
zeichnern der Berliner Verträge gebilligte
und unter deren unmittelbarer Aufsicht
verwaltete zn ersetzen.
Das Schreiben des Armeniers ist von
Bitlis, unterm 9. Octobcr datirt. Nach
dem der Schreiber gesagt, daß der oberste-
Magnat ein zweiter Nero zu sein scheine,
fährt er fort:
„Der sogenannte Aufstand der Armenier
im Jahre 1893 war eine künstlich angczet
lettc Afsaire, für deren Unterdrückung der
oberste Magnat mit einem Orden bedacht
wurde. In diesem Jahre Hütten die Kur
den armenische Ochsen weggeschleppt und
als die Armenier die Herausgabe derselben
verlangten, wurde ihnen dies verweigert.
Ein Kampf entstand, in welchem zwei Kur
den getödtet und drei verwundet wurden.
Die Kurden trugen sofort ihre Todten Vör
den Gouverneur, indem sic sagten, die
armenischen Soldaten hätten das Land
überfallen und tödtcten und beraub
ten die Kurden. Dies bildete einen
Vorwand für die Zusammenziehung
von Truppen von Fern und Nah. Die
Truppen wurden von einem Pascha und
einem Marschall befehligt nnd wurden nach
dem in Rede stehenden Distrikt geschickt.
Der Paschal soll einen Befehl von Kon
stantinopel, die Armenier mir Stumpf und
Stiel a'.sznrotten, seinen Soldaten vorge
lesen und denselben dann sich um den Hals
gehängt haben, so daß er auf die Brust
bcrabhing. Die Soldaten soll er beschwo
ren haben, den Bcfehl auszuführen, wenn
lle ihren König und ihre Regierung liebten.
Fast alle diese Dinge wurden hier und da
von Soldaten, welche bei dem schrecklichen
Gemetzel belheiligt gewesen waren, erzählt.
Einige von ihnen behaupten weinend,
daß die Kurden mehr gcthan hätten und
erklären, sie Hütten bloß die Befehle An
derer ausgeführt. Es heißt daß auf
jeden Soldaten hundert Leute kamen,
die sie umzubringen hatten. Kein
Erbarmen wurde gezeigt, kein Alter noch
Geschlecht wurde von den regulären Sol
daten verschont, selbst dann nicht, wenn die
Opfer flehentlich zu ihren Füßen nieder
sanken. Sechs-bis zehntausend Menschen
wurden von einem solchen Schicksale be
troffen, wie es kaum in den dunkelsten Zei
len des dunkelsten Afrika vorgekommcn kein
durste, denn hier wären wenigstens Frauen
und zarte Kinder verschont geblieben, wäh
rcnd dort in Armenien Weiblichkeit und
Unschuld nur Spott und Hohn waren vor
den grausamen Lüstlingen, die nachdem sie
'-we Brunst gestillt, die Frauen und Müd
")en mit Bayonetten erstachen, Säuglinge
an den Brüsten ihrer Mütter aufspießten
oder ihnen die Köpfe abschlugen.
In einem Orte wurden 300 oder 400
Frauen, nachdem sie die entwürdigendsten
Schändlichkeiten der entmenschten Söld
linge erduldet hatten, in dem unterhalb ge
legenen Thale mit Schwertern und Bajo
netten zerhackt nnd gcsvießt. In einem
anderen Orte flehten 200 weinende und
klagende Frauen um Erbarmen, indem sie
sich dem Befehlshaber zu Füßen warfen,
allein der bludürstige Wütherich befahl sei
nen Soldaten, erst die Frauen zu schänden
und sie dann in ähnlicher Weise, wie vorhin
berichtet, abzuschlachtcn.
In einem anderen Orte wurden einige
sechzig junge Frauen nebst den hübscheren
Mädchen in die Kirche cingeschlossen, zuerst
geschändet und dann abgeschlachtct,sodaß das
Blut in Strömen zur Kirchenlhüre heraus
licf. Noch in einer anderen Ortschaft warf
sich eine Anzahl Frauen in Begleitung ihres
Priesters den Soldaten zu Füßen, um Er
barmen flehend und bethcuernd, daß sic
nichts mit den Schuldigen zu thun hätten.
Alles Bitten und Flehen war vergebens.
Alle wurden dann nach einem andern
Platze geführt und mehreren der hübscheren
Frauen wurde der Vorschlag gemacht,
ihren Glauben zu ändern, in welchem Falle
ihr Leben geschont werden würde. Sie
sagten: „Warum sollten wir Christus ver
leugnen Wir sind nicht mehr als diese
da!" indem sie auf die zerhackten Leiber
von Gatten und Brüdern deuteten: „Tödlct
uns auch!" und die Soldaten ermordeten
sie. Große Mühe gaben sich die Soldaten,
ein durch seine Schönheit ausgezeichnetes
Mädchen zn retten, allein drei oder vier
Soldaten stritten sich um ihren Besitz und
auch sie theilte dann das Schicksal ihrer
Schwestern.
„Aber, wozu diese traurigen Schilderun
gen noch weiter ansspinnen? Es muß
einen Gott im Himmel geben, der in allen
diesen Dingen das Rechte thun muß,
oder Einige »on uns würden den Glauben
an ihn verlieren."
Ein oder zwei Konsuln sind dorthin ge
schickt worden, um die Angelegenheit zu
untersuchen. Wenn statt der Türken die
Christen diese Vorgänge aus Bitlis und der
Gegend, die ich bereist habe, berichteten, so
würde die Sache anders liegen. Jetzt aber
müssen wir sie glauben. Die Magnaten
setzen Schriftstücke im Umlauf und zwingen
die Christen, dieselben zn unterzeichnen,
indem sie mit ihrer Unterschrift erklären,
daß den Rebellen Recht geschehen sei und
daß sie, die Christen, dem Könige und sei
nen Magnaten dafür dankten.
Die Christen von Bitlis wollen die
Schriftstücke nicht unterzeichnen, obgleich
es heißt, daß in einigen der entfernteren
Bezirke die Christen ihren Namen darun
ter gesetzt haben. Den Protestanten sind
die Schriftstücke nicht vorgelegt worden und
bis jetzt sind auch die Protestanten nicht in
Ketten geworfen oder besonders gebraud
schatzt worden. Freilich in letzter Zeit hat
es den Anschein, als ob so etwas auch ihnen
bevorstände."
In einem anderen Briefe heißt es, einige
der regulären Soldaten gaben selbst zu, daß
sie jeder 100 Menschen in scheußlichster
Weise getödtet Hütten und jede geschändete
Frau gleich darauf mit dem Bajonnett er
stochen Hütten.
Zwanzig oder dreißig armenische Dörfer,
scheint es, sind gänzlich zerstört worden und
eine Anzahl Leute wurden in ihren Häu
sern verbrannt, nachdem man durch Kero
sinöl die Flammen angesachl hatte.
Konst an tino pe l, 16. Nov.
Folgender amtlicher Bericht über die
Wirren in Armenien ist heute veröffentlicht
worden: Einige armenische Räuber, die
mit aus dem Auslande gekommenen Waf
fen versehen waren, haben sich einem rebel
lischen Kurdenstamme cingeschlossen, um
Ausschreitungen zu begehen. Sie ver
brannten und verwüsteten mehrere musel
männische Dörfer.
Als Beweis der Grausamkeit dieser Ar
menier wird gemeldet, daß sie einen bor
nehmen Moslem lebendig verbrannt hät
ten. Reguläre Truppen wurden nach dem
Schauplatze der Unruhen abgeschickt, um
sriedlicheßewohner gegen diese Plünderer zu
beschützen.Die ottomanischcnTruppcn haben
nicht nur die friedlichen Bewohner und die
Frauen und Kinder beschützt und geachtet,
sondern haben auch Ordnung und Ruhe
wieder hergestellt. Es ist nicht wahr, daß
die Kurden die Möbeln, die Werthsachen
und das Vieh der flüchtenden Armenier be
schlagnahmt haben. Die Letzteren halten
ihre Werthsachen, ehe sie den Aufstand
in's Werk setzten, in die Berge ge
flüchtet. Die armenischen Frauen, welche
gegenwärtig bei den Kurden sind, gehören
zu den Familien der Räuber und gingen
aus freien Stücken mit ihren Männern
zu den rebellischen Kurden. Betreffs der
Zerstörung der Dörfer ist zn bemerken, daß
es die Armenier waren, welche ihre Habse
ligkciten fortschleppten, ehe sie Räuber
wurden. (?)
New York, 16. Nov.
R. G. Dun L Co.'s Wöchentliche Ueber
sicht über Handel und Gewerbe wird mor
gen Folgendes bringen: In fast allen Ge
schäftszweigen macht sich eine allmähliche
Besserung bemerkbar und das Gefühl der
Hoffnungsfreudigkeit der vorigen Woche
dauert immer noch an. Es wird freilich
Zeit nehmen, um das Geschäft aus seinem
jetzigen gedrückten Zustande cmporzuheben
und wenn der Fortschritt, der gemacht
worden ist, auch nicht ganz den großen Er
wartungen entsprochen hat, so ist derselbe
doch immerhin crmuthigend. Die Ent
scheidung, §50,000,000 Bonds für die Auf
füllung der Schatzamtsreserve anzubieten,
fand bei Bankiers im Allgemeinen An
klang. Es wird allgemein angenommen,
daß die Bonds sofort werden vergriffen
sein. Die Wirkung läßt sich nicht so
leicht voraussehen, denn die formelle
Ankündigung, daß nach einer allge
meinen Umgestaltung der Zollgesctze
cs trotzdem für nöthig gehalten wird, eine
bedeutende Anleihe zn machen, ist ganz da
nach angctban, Zweifel betreffs finanzieller
Beschaffungen für die Zukunft zu erregen.
Die gemeldete Goldeinsuhr von London
mit einem direkten Verlust von §7,500 zu
den gegenwärtigen Wechselcursen ist ver
muthlich darauf berechnet, Bondszeich
nungen zu beeinflussen. Es ist bereits
Gold aus dem Schatzamtc durch Einlösung
von Noten behufs Bezahlung von Bonds
entzogen worden und cs hat den Anschein,
als ob eher Waaren als Gold aus Europa
kommen würden.
Die Wiederaufnahme der Arbeit und die
Zunahme in der Arbeitszeit haben sich mehr
in der Baumwollenindustrie als in anderen
Industriezweigen bcmcrklich gemacht, allein
es macht sich keine Zunahme in der Nach
frage Nach Waaren bemerkbar.
Die Nachfrckge nach fertigen Eisenpro
dukten ist im Ganzen schlechter. Im Westen
hat sich eine unbedeutende Besserung be
merkbar gemacht. Fabrikanten von Wollen
waaren haben für diese Zeit des Jahres
gute Bestellungen; viele fubriziren haupt
sächlich die genannte Sorte Waaren, aber
im Allgemeinen fehlt cs an Aufträgen für
Frühjahrswaaren.
Die Verkäufe von Wolle sind abermals
kleiner, als im letzten Jahre. Specu-
lative Märkte sind zum Theil durch das
Verlangen nach Bonds lebhaft gemacht
worden und Weizen ist um 11 Cents,
Wetschkorn um 11 Cents und Baumwolle
um i/ik Cent in die Höhe gegangen. Zu
fuhren von westlichem Weizen haben in den
zwei Wochen des November 7,871,671
Büschel betragen gegen 12,166,830 im
letzten Jahre, allein atlantische Ausfuhren
in diesen zwei Wochen haben sich blos aus
1,029,355 Büschel belaufen. Dieselben
haben nicht zugcnommen durch das Steigen
der Preise, was zum Theil daraus zurück
zuführen ist, daß eine Unmasse Getreide
zum Füttern des Viehs benutzt worden ist.
Im Oktober kam die Hälfte der Einfuhren
von der Pacificküste für weniger als 50
Cents, so daß der Durchschnittspreis für
alle Ausfuhren nur 50.8 betrug gegen 68.5
im letzten Jahr. Zufuhren von Welschkorn
sind um die .Hälfte geringer gewesen, als
die vom vorigen Jahre und die Ausfuhren
waren unbedeutend. Der Baumwollen
versandt ist andauernd bedeutend, jedoch
wurden Verkäufe nur zu 5.56 Cents auf
zwei Lage hier abgeschlossen und zn solchen
Preisen sind die Profile sehr schlecht.
Die Zahl der Bankerotte in den Ver.
Staaten belief sich während der letzten
Wochen auf 270 gegen 232 im vorigen
Jahre und auf 38 in Canada gegen 36 im
vorigen Jahre.
Washington. D. C., 16. Nov.
Gencralconsul Frank H. Mason in
Frankfurt am Main sagt in einem Spe
zialbericht an das Staatsdepartement, daß
amerikanische Eisenbahnpapiere in Deutsch
land in üblen Geruch gekommen seien und
sucht die Gründe dafür anzugeben und
macht Vorschläge, die anrüchigen Papiere
in der Finanzwelt zu rehabilitiren. Er
sagt, daß in Frankfurt, welches der erste
europäische Geldmarkt war, wo in den
dunklen Tagen unseres Krieges Bundes
schuldscheinc angenommen und wo ameri
kanische Geldanlagen populär wurden,
nicht nur unsere neuen Sicherherten wegen
ihres amerikanischen Ursprungs zurückge
wiesen, sondern daß auch jene seit Jahren
gehaltenen Eisenbahnobligationen und
Actien an Amerika zurückgegeben und ihr
Erlös in weniger gewinnbringenden preußi
schen Consols und andern durch Negie
rungscredit und Aufsicht gesichcrtenWerthen
angelegt würden.
Der Gencralconsul sagt: „Die Wolke, die
über den amerikanischen Eisenbahnpapieren
in Deutschland hängt, wurde hauptsächlich
durch die Enthüllungen der letzten zwei
Jahre betreffs der Verwaltung mehrerer
hervorragender Eisenbahnen gebildet.
Deutsche Kapitalisten erlitten schwere Ver
luste und ihre Verluste dienten dazu, die
Aufmerksamkeit des Publikums und der
Presse schärfer als je auf die Machtaumas
sung und die Nichterfüllung von Verpflich
tungen zu lenken, die, wie es heißt, eine so
häufige Erscheinung bei der Verwaltung
amerikanischer Eisenbahnen geworden sind.
Europäische Besitzer von Schuldscheinen
und Actionäre sind unterrichtet worden,
daß die Gewalt des Präsidenten und der
> Direcloren in vielen bedeutenden Eisen
bahngescltschaften eine fast allmächtige und
an keine Verantworilichkeit gebundene ist.
Sie haben Proteste hinübergcschickt und
> durch Stellvertreter bei den Wahlen ver
sucht, die Kontrolle über das Eigenthum
den Händen von Beamten zu entreißen,
von denen gesagt wurde, daß sie das in sie
gesetzte Vertrauen mißbrauchten, aber sie
haben erfahren, daß alle diese Versuche ver
geblich waren. Daß die Rechnungen eines
ganzen Eisenbahnsystems gefälscht und die
' Werthpapiere im Markte durch erlogene
Ausweise der Einnahmen u. s. w. auf ihrer
Höhe gehalten werden können, sind Erfah
rungen verhültnißmäßig neueren Datums."
Der Gencralconsul spricht daun mit Lob
von einer fähigen Schrift des Dr. Alfred
von der Leyden, eines sachverständigen
hohen Beamten, über die finanzielle und
Betriebs-Leitung amerikanischer Eisenbah
nen, in welcher die Mängel und Schwächen
des gegenwärtigen Systems mit kundiger
Hand bloßgettellt werden und sagt, es
würde ein nationales Unglück sein, unsere
gesetzmäßigen Unternehmungen noch weiter
der Hülse des auswärtigen Kapitals zu be
rauben, was aber eintreten müßte, wenn
keine Abhülse geschaffen würde.
Der Gencralconsul sagt dann weiter:
„Die einstimmige Antwo-t deutscher Fi
nanzleute aus die Frage, was erforderlich
sei, um in Europa das Vertrauen zu ame
rikanischen Eisenbahnpapieren wieder herzu
stellcn, lautet, daß solche Corporationen
unter die Controllc eines umfassenden
Bundesgesetzes gebracht werden sollten."
Mason sagt, das deutsche System ließe
sich allerdings nicht vollständig auf Ame
rika anwenden, fügt aber zum Schluffe
hinzu: „Viele, deren Erfahrungen und
Interessen in beiden Ländern sie zu einer
Meinungsäußerung berechtigen, glauben,
daß es möglich sein sollte, ein Gesetz zu er
lassen, das wenigstens aus alle jene Bahn
gescllschaften Anwendung finden könnte,
die dem zwischenstaatlichen Handelsgesetz
unterworfen sind und das etwa die folgen
den Punkte enthalten sollte:
1. Regelung der Wahlen von Eisenbahn
bcamlen, so daß solche Wahlen frei und
offen sein und direct und gerecht die
Wünsche und Interessen der Besitzer von
Werthpapicren vertreten sollen.
2. «Lchassung eines nationalen Bureaus
für Veröffentlichung, Jnspection und Kon
trolle, das für regelmäßige Bekanntmachung
beglaubigter Berichte sorgt, die genau und
vollständig die Einnahmen, Ausgaben
u. s. w. angcven.
3. Jede Verletzung des Gesetzes durch
einen Act der Willkür oder absichtliche
Mißvcrwaltung ist als ein Verbrechen an
zusehen, das Gesüngnißstrafe nach sich zieht
und es den Bundesbeamten zur Pflicht
macht, das Prozeßverfahren einzuleiten.
4. Völlige Revision des Verfahrens, wo
nach Gerichtshöfe jetzt Masseuverwalter für
Eisenbahnen ernennen und Nichlwählbar
keit des Präsidenten und der Direktoren
einer bankerotten Bahn zum Amte eines
Masscnvcrwalters desselben Eigcnlhums.
Ehe nicht Schritte in der angedeuteten
Richtung geschehen, werden alle amerikani
schen Eisenbahnpapiere mit verdächtigen
Augen angesehen werden und andere ame
rikanische Werlhpapiere werden mehr oder
weniger darunter leiden.
Capitän James E. White, Gencral-
Director des Eisenbahn - Postdienstes
hat dem Generalpostmeister seinen Jahres
bericht eingehändigt. Die wichtigsten That
sachen und Zahlen des Berichtes sind be
reits mit dem Berichte des zweiten Gene
ralhülfspostmeisters angeführt worden.
Capitän White verbreitet sich jedoch aus
führlich iiber die Unterbrechung des Dien
stes in Folge der Streiks während des
vorigen Sommers. Er macht aus seine
im vorigen Jahre gemachte Empfehlung
aufmerksam, daß ein Gesetz erlassen wer
den solle, wonach die Verzögerung, oder
Zurückhaltung irgend eines Zuges aus ir
gend einer Eisenbahn in den Ver. Staaten
auf welchem Postsachen befördert werden,'
für einzelne Personen wie auch für
Organisationen zn einem strafwürdigen
Vergehen gestempelt werden soll. Er
sagt ferner, daß das Corps der als
Clerks angestellten Beamten rcorganisirt
werden solle. Vergleicht man die Arbeit,
die Zahl der zurückgclegten Meilen und
die Zahl der Clerks im Jahre 1894 mit
den nämlichen angegebenen Punkten indem
Bericht für 1881, in welchem Jahre die
letzte Reorganisation des Dienstes stausand,
so stellt sich heraus, daß die Clerks jetzt ver
pflichtet sind, fast 50 Prozent mehr Arbeit
Per Kopf zu verrichten als im Jahre
1881; der Dienst ist verwickelter und die
Ablieferung der Postsachen in den verschie
denen Staaten schwieriger geworden. Die
Clerks sind ferner größerer Lebensgefahr
ausgesctzt wegen der größeren Geschwindig
keit der Züge und nehmen größere per
sönliche Verantwortlichkeit auf sich, als
in 1881. Die Organisation, welche
damals vollständig genügte, um den
Anforderungen des Dienstes zu entspre
chen, ist jetzt durchaus unzureichend und
der Gencral-Director ist der Ansicht,
daß die Gerechtigkeit gegen die Leute und
die Gerechtigkeit gegen die wichtigen Pflich
ten, deren Erfüllung ihnen obliegt, gebie
terisch verlange, daß der Dienst den jetzigen
Anforderungen gemäß umgestaltet werden
solle. Die Methode der Anstellung auf
Grund des Civildienstgesetzcs wird als sehr
vortrefflich geschildert nnd darauf aufmerk
sam gemacht, daß nach diesemPtane ein weit
größerer Prozentsatz von Leuten, welche
auf Probe angestellt wurden, dauernde An
stellung erlangen, als nach dem alten
Plane, wo die Altstellung nach Gunst und
Gabe erfolgte.
Städtisches.
Gerüchte ohne Begründung.
Im Rathhause schwirrten gestern Nach
mittag allerlei Gerüchte über angebliche
bevorstehende Personalveränderungen in
verschiedenen wichtigen Departements der
städtischen Verwaltung herum. So hieß
cs unter Anderem, daß nicht der bewährte
langjährige Hilss - Oberbaucommissär
Moody der Nachfolger des für das Amt des
Comptrollers ausersehcnen Oberbaucom
missärs Jones werden würde, sondern
John McCarthy, der Vorsteher des Stra
ßendepartements.
Ferner hieß es, daß der Baucommissär
Eisendraht seine Office werde räumen müs
sen, daß der Mayor ihn ersucht habe, seine
Resignation cinzureichen.
Schließlich verlautete, daß der Mayor
beabsichtige, seine bei der letzten Wahl un
terlegenen politischen Freunde John C.
Schubert und Roger C. Sullivan in der
städtischen Verwaltung unterzubringen.
Nachforschungen haben aber ergeben, daß
alle diese Gerüchte völlig aus der Lust ge
griffen waren.
Eapt. Duffy „gerechtfertigt".
Mayor Hopkins sah gestern Nachmittag
den ihm vom Polizeichcf zugestelllen Recht
fertigungsbericht des Capt. Dufsy über sei
nen Antbeil an der Verhaftung und Gesan
genhaltung der 14 Wahlrichter der 16tcn
Ward durch und erklärte dann, daß Dufsy
vollständig correkt gehandelt habe, von jeder
Schuld freizusprechcn sei, und seine Stel
lung als Capitän in der Centralstation
bcibehalten werde. Die Einzelnheiten des
Berichtes des Capt. Dufsy bekannt zu ge
ben, weigerte sich jedoch der Mayor sehr
entschieden.
Ehrenvoll freigesprochen.
Vaclav Jakupka von 1013 W. 18. Str.
stand heute vor den Geschworenen in des
Bundesrichters Allcn's Gericht unter der
Anklage, einen Brief sehr unanständigen
und beleidigenden Inhalts an Frau Lizzie
Haworka, eine Landsmännin, gesandt zu
haben. Seinem Vertheidiger, Herrn Jo
seph Epstein, gelang cs im Laufe der Ver
handlungen, den Geschworenen klar zu
machen, daß die Anklage nichts Weiler als
eine Verschwörung der Nachbarn des Ja
kupka, ihn zu ruiniren resp. in's Zuchthaus
zu bringen, wäre. Dieses Komplott wurde
derartig klar gelegt, daß der Richter von
einer Vernehmung der Entlastungszeugen
Abstand nahm und dem Gesuch der Ver
teidigung, den Angeklagten ehrenvoll srei
zusprechen, sofort entsprach. Jakupka will
nunmehr gegen die Haworka und die mein
eidigen Zeugen ver Anklage criminalgericht
lich Vorgehen. .
Ein Vorlreugungs-jDrozeß.
Der Contrakt für die Asphalt-Pflaste
rung der St. Louis Ave. auf der Strecke
zwischen der Ogden Ave. und der 26. Str.,
welcher noch gar nicht vergeben ist, hat be
reits eine gerichtliche Klage hcraufbeschwo
rcn.
William I. Hall, der Eigenthümer des
Grundstückes No. 1735 W. 23. Str., Ecke
der St. Louis Ave., hat nämlich gestern im
Kreisgericht gegen den Oberbaucommissär
Jones ein Mandamusverfahrcn anhängig
gemacht, um ihn zu zwingen, den Contrakt
für die Pflasterung an den niedrigsten
Bieter, James A. W. P ine, und nicht an
die Trinidad Asphalt Paving Co., die
zwcitniedrigste Bietcrin zu vergeben, wie
der Oberbaucommissär angeblich beabsich
tige.
Der Kläger behauptet, daß Pine alle Be
dingungen des Contkaktes zu erfüllen sich
verpflichtet habe, und daß trotz seines auf
§28,324 lautenden niedrigsten Angebotes
der Oberbaucommissär den Contrakt an die
Trinidad Co. vergeben wolle, welche für die
Arbeit §28,978 verlangt.
Freiberg's Opernhaus.
In Freiberg's Opernhaus kommt mor
gen Abend das Volksstück „Nord und Süd"
oder der „deutsch-französische Krieg" zur
Aufführung. Die Rollen sind vorzüglich
besetzt.
Ueberfahren und getödtet.
Heute früh kurz vor 10 Uhr wurde im
Rangirbühnhofe der Burlington Bahn, an
der 16. Str. und Centre Ave., der an der
genannten Bahn als Weichensteller ange
stellte 35jährige und No. 1019 W. 19. Str.
wohnende Michael Donühue, als er Weichen
stellte, von der Lokomotive No. 2 über
fahren und aus der Stelle getödtet. Der
Lokomotivführer und der Heizer wurden in
Haft genommen.
- Josef Ponctzky und Hugo Luke, zwei
14jährige Bur'chen, wurden gestern von
dem Privatpolizisten der Northwestern
bahn Wilhelm Raber, dabei abgefaßt, daß
sie auf dem Frachtbahnhof der genannten
Bahn an der 16. Str. nahe Halsted die
Lufebremscn - Vorrichtungen, Gummi
lchläuche und Messingverschlüsse, abdrchten
und in einem Sacke steckten. Die beiden
kleinen Diebe wurden heute dem Richter
Eberhard vorgeführt und von diesem auf
51 Tage nach der Bridewell gesandt.
Abendblatt 1 Cent, 6 Cents die Woche.
Diebereien und Hehlereien
Auf der Westseite in voller Blüthe.
Die Polizei machtlos.
Die gestern dem Criminalgericht über
wiesenen zwei Eiscnbahn-Frachtwagen-
Plünderer Joe Mareck und William Coyle
und deren bisher noch nicht abgcurtheilter
Kumpan Anton Smith haben die schönste
Aussicht, auf längere Zeit freies Quartier
im Jolietcr Staatshotel zu erhalten. Denn
die St. Paul und Burlington Bahnen er
hoben heute vor Richter Dooley nicht
weniger als 6 Einbrnchsanklagen gegen das
Trio. Sie werden von dein Privatdetektiv
der Pan Handle Bahn, George Lee be
schuldigt, an verschiedenen Tagen mit den
werthvollstcn Frachtgütern beladene Wagen
der St. Paul Bahn (welche der Pan
Handle Bahn zum Transport nach dem
Osten übergeben worden waren nnd welche
in den Frachtbahnhöfen an der W. 23. und
S. Rockwell Str. standen) erbrochen und
gehörig ausgeplündert zu haben: und zwar
am 8., 16., 19., 24., 27. Oktober und 1.
November.
Bei diesen Plünderungen wurden seine
Seidenwaaren, Handschuhe, Sammle,
Juwelen im Werthe von mehreren lausend
Dollars gestohlen. Die Polizei will Be
weise in Händen haben, nach welchen die
Drei und verschiedene andere Helfershelfer
ihre bei den verschiedenen Plünderungen
gemachte Beute bei Hehlern auf der West
seite unterbrachten. Da es aber sehr schwer
ist, Haussuchungsbefehle von Richtern zu
erlangen, ohne untrügliche Beweise für die
Hehlerei beizubringen, so ist die Polizei
vorläufig machtlos. Die Polizei-Officiere
des W. Maxwell Str.--District tbeilten
unserem Berichterstatter mit, daß massen
haft derartige Diebshöhlen, „Fences" auf
der Westseite, an Wilson-, Henry-, Canal-,
Judd-, Jesferson-, Ewing-, Halstcd-, Ban
ker-, Union-, Deplaincs-,« Brown Straße
existirten; daß vor den Altgen der Polizei
große Kisten mit solchen gestohlenen Waaren
auf Frachtwagen geladen und nach aus
wärts gesandt werden, aber es den De
tectives absolut unmöglich ist, dies zu
verhindern, weil erstens keine Kläger
erscheinen, zweitens die Leute ihr Geschäft
ohne jegliche Licenz betreiben und die
Polizei daher außer Stande ist, hier zu
controlliren. Müßten diese Leutchen, die
zusehends reich werden, einen Gewerbe
schein herausnehmen, alle ihre Einkäufe
(wie die Trödler und Pfandleiher) täglich
genau eintragen, dann würde manche
Beute denselben entrissen und den Bestoh
lenen zurückgegeben werden können. Unter
den gegenwärtigen Verhältnissen ist cs der
Polizei nahezu unmöglich diesen Hehlern
und ihren Lieferanten das Handwerk zu
legen. Dies ist auch der Grund, warum so
viele Verbrechen ungcsühnt bleiben müssen.
Zwei Lx-Vo!izisten vor dem Richter.
Charles Pehlke und Charles Stern,
welche früher den blauen Rock der städti
schen Polizei trugen, fingen vor einiger
Zeit unter der Firma Pehlke L Stern eine
Wirthschaft an No. 813 West 14. Straße,
nahe Lincoln, an. Das Geschäft ging an
fangs so gut, daß sich Pehlke sogar im
Frühjahr entschloß, Alderman zu werden
und als unabhängiger republikanischer
Candidat der 13. Ward lief, aber geschla
gen wurde. Seit diesem Durchfall sing es
an, etwas schlechter zu gehen. Während
Pehlke und Stern früher Alles baar be
zahlten, waren sie (wie der Erstere heute
dem Richter Dooley mittheilte) jetzt ge
nölhigt, auf Credit zu kaufen. So gab
Stern ant 15. ds. Mts. Philipp Blum,
dem Agenten der Sptrituoienhändler Katz,
Weil L May, No. 64 Shermanstraße,
einen Auftrag aut Schnaps, sagte demselben
aber ausdrücklich, er wolle die Rechnung
sofort bei Empfang der Waare bezahlen.
Blum brachte die bestellte Waaren ge
stern in den Saloon und wurde dieselbe
von Pehlke abgenommen. Als aber Blum
die Bezahlung der Rechnung verlangte,
wurde ihm bedeutet, daß dieselbe bezahlt
werden würde, wenn die Wirthschastsbe
sitzer Geld zn entbehren hätten. Blum
verlangte nun entweder die sofortige Wie
dergabe seiner Waaren oder Geld. Da
aber Pehlke und Stern hiervon nichts
wissen, und ihn noch obendrein noch narren
wollten, begab sich Blum sofort nach der
13. Str.-Station und nahm dort einen
Haftbefehl gegen die beiden Wirthe heraus.
Heute standen die Herren Ex-Polizisten
vor dem Richter Dooley, (dein sie früher
manchen armen Sünder vorgeführt hatten)
unter der Anklage des Erlangens von
Waaren unter falschen Vorspiegelungen.
Nach Vernehmung der Zeugen stellte der
Richter die Beiden bis zum 19. unter je
§3OO Bürgschaft.
Ein alter Schwindel.
Die Polizei der Cottage Grove Ave.-
Skation verhaftete am Donnerstag Abend
Louis E. Brown und einen gewissen
Doepke, die angeklagt waren, mehrere
Leute an der Aberdeen und West Madison
Straße mit falschem Papiergeld beschwin
delt zu haben. Da diese Angelegenheit die
Bundcshchörden anbetraf, so wurde Capt.
Porter, der Chef der Bundespolizei benach
richtigt.
Dieser begab sich sofort nach der Station
und nahm Browne ins Verhör. Anfangs
weigerte sich derselbe ebenso, wie er es den
Polizeibeamten gegenüber gcthan hatte.
Schließlich rückte er jedoch mit der Wahrheit
heraus. Er sagte, er sei in Dunlap,
lowa, zn Hause und seine Schuld bestehe
darin, daß er von Doepke und mehreren
anderen Leuten Geld erhalten habe, ans das
Versprechen hin, ihnen ausgezeichnet nach
gemachles Papiergeld verschaffen zu wollen.
Solches habe er aber weder besessen, noch
überhaupt eine Gelegenheit gehabt, sich zu
verschaffen. Daraufhin erklärte Capt.
Porter, daß er keinen Grund habe, gegen
Brown vorzugehen, da dieser sich keines
Verbrechens schuldig gemacht, mit dem die
Bundesbehörden sich zu befassen Hütten.
Er gäbe aber der Polizei den Rath, Brown
wegen Schwindels belangen zu lassen.
Doepke mußte natürlich auf freien Fuß
gesetzt werden, da durch Browns Gesiändn iß
erwiesen war, daß er gänzlich unschuldig
war.
Stürmische Gerichtsscene.
Während der gestrigen Verhandlungen
in dem Ehescheidungsprozeß Stiles vor
Richter Erving kam es zwischen dem Zeu
gen Herrn Wardrop und dem Anwalt des
Herrn Stiles, HerrWalker, zu einem schar
fen Wortwechsel, der zur Folge hatte, daß
der Richter Wardrop wegen Mißachtung
des Gerichts, zu einer Strafe von §SO ver
donnerte. Wardrop gerieth nämlich über
das Kreuzverhör, welchem er von Walker
unterzogen wurde, so inZorn, daß er diesem
zurief: „Sie sind ein Lügner! Ich werde
Ihnen den Schädel einhauen!"
Die langgesuchten
Franklin'schen Geschmeide endlich gefunden.
Dem Polizeilieutenant Mahoney und
und den Dcteclives Halle und Creed ist cs
endlich gelungen, die dem Bilderrahnvn-
Fabrikanten S. Franklin von No. 408 S.
Morganstr. gestohlenen Brillanten auizu
sinden und die ganze Gesellschaft, welche an
dem Diebstahl bethciligt ist, dem starken
Arme des Gesetzes zu überantworten. Wir
haben den Fall wiederholt besprochen und
erübrigt uns nur noch mitzutheilen, auf
welche Weise die Polizei erfuhr, wo sich die
werthvolleu Steine betäuben. Der diebische
OfsiccjungcFemberg, welcher dießeraubung
des Prinzipals mit dem Einbrecher Joyce
geplant und ausführte, hatte, wie wir gestern
berichteten, den Detectives mitgetheilt, daß
er vor seiner Flucht nach New Bork die die
Brillanten enthaltende Casseite an der
Harrisonstr.-Brücke in den Fluß geworfen
hätte.
Die Casette wurde gestern aus dem
Wasser gezogen, aber die Brillanten in der
selben n'cht gefunden. Gestern Nachmittag
erhielt der genannte Polizeilieutenant von
einem gewissen Aronson einen Wink, wo
sich diese Brillianten befänden. In aller
Stille begaben sich die Detectives Hall und
Creed heute nach der Wohnung des der
zeitigen unrechtmäßigen Besitzers der Brilli
anten, Charles Leis, welcher in 51 —53
Washington Boulevard unter der Firma
„Palmer Bicycle Co." eine Bicyclc-Re
paraturwerkstätte hatte. Der Herr war
anfangs über den aus ihn geworfenen Ver
dacht sehr aufgebracht und verlegte sich aufs
Leugnen. Als ihm aber die Detectives den
Haftbefehl vorzeigten, brach er zusammen
und gestand, daß er die Brillianten besäße
und sich dieselben in seiner Wohnung 542
Milwaukee Ave. befänden.
Er begleitete die Polizisten dorthin und
in einem Waschtisch verborgen, fand nian
die seit Monaten gesuchten Geschmeide.
Leis halte bis vor etwa sechs Monaten auch
in der Franklin'schen Fabrik gearbeitet,
und wußte ebenso wie der Officejunge, daß
diese zum Unterpfand gegebenen Brillian
ten, sich in der Pult-Schublade des Herrn
Franklin befanden. Es unterliegt nun
wohl keinen Zweifel, daß die Drei, Stein
berg, Joyce und Leis den Diebstahl ge
plant und ausgeführt hatten. Leis stand
heule vor Richter Dooley unter der 'Anklage
der Hehlerei und wurde bis zum 20. unter
«8300 Bürgschaft gestellt. Während dieser
Zeit wird die Angelegenheit direct vor den
Großgeschworenen gebracht werden.
Schwer verwundet.
Eugene L. La Mont jagt dem jungen Joseph
Battlcs eine Kugel in die linke Brust.
In der Wirthschaft von C. I. Creig,
No. 80 Wellsstr., kam cs heute Morgen
um ij2 Uhr zwischen dem 22jährigen Fuhr
mann Joseph Battles und dem jungen
Franzosen Eugene C. La Mont zu einem
vcrhüngnißvollen streit über die Beglei
chung der Zeche. Die beiden jungen Leute
waren bisher gute Freunde gewesen. Im
Verlause des Streites zog La Mont seinen
Revolver hervor und schoß Battles eine
Kugel in die linke Brust. Bald waren der
Patrouille- und Ambulanzwagen zur
Stelle.
Battles wurde nach dem Alexiancr-
Hospital gebracht, wo der amtirende Haus
arzt eine Behandlung der Wunds ausführle
und den Verband anlegte. Der Arzt er
klärte jedoch, bei dem kritischen Zustande,
in welchem sich der Verwundete befand,
keinen Versuch machen zu können, die Lage
der Kugel sestzuslellen. Heute Morgen
wurde Battles nach seiner Wohnung ge
bracht. Sein Zustand sollte so gefährlich
sein, daß Richter Kersten noch auf keine
Bürgschaft erkannte, bis ein neuer Bericht
über den Verwundeten vorgelegt werde. La
Mont wurde deshalb vorläufig ohne Zu
lassung von Bürgschaft festgehalten.
Lieirathsscheine.
Folgende Heirathsscheine wurden gestern
von Herrn Salmonson im Bureau des
Conmy-Clerks ausgestellt:
Alter.
Julius Thiel, Emma Geister 24—19
Mathias Busch, Augusta Ehoiy 24—18
Wm. E. Neunuebet, Bertha Topp 24—21
Andzy Tndeck, Maryanna Pstrony... .24—20
Fred. Nau, Sophie Waterstradt 25—21
Ottilis N. Fasana, Mollie Weinmann.Bo—2o
James I. Dussicy, Kate Dussicy 28—28
Jorgine Sjorsleo, Jorgen Jorgensen. 18—23
Jacob Bilek, Mary Baumruk 24—21
John Anselm, Mary Wiese 29—22
Alfred 2uud, Maria Sandberg 37—32
Martin I. Dootittle, Jofie E. Eastlack.3o—-26
Karl Fritz, Minna Brandt 25 —19
Wladislaw Telinski, Marie Petsch... .40—27
Johann Vaggror, Anna Blacek 24—23
Duncan A. Stanley, Hedwig Herling.26—lß
Rudolph Manthey. Jda Elevin 25—24
David Steinbcrg, Jnlia Jacobson... .23—22
Bohumil Konvalinka, Mary Simandl.2l—l7
Andrew I. Anderson, Selma Mary
Ecklnnd Zl—2B
Thomas Kroon, Efsie Van der Wall. .21—18
Jozef Szymansky, Maryanna Kaz
marek 35—30
Jonas Sziemaitis, Marijena Grak
hauskaits 22 18
William E. Miller, MinnieKenzle... .21 19
Knute A. Pool, Bertha Knntson 28—25
Pautina Kastosc. .28—21
John Smetana, Mary Eaponch 21 19
Bruno Barwig, Rozatia Zukowska.. I 22
Louis Guy, Mary V. L'Ecuyer 28—16
Gabriel Speisman, Lizzie Weinstein. .24—22
Herman Herfurth, Bertha Friedrich.. .30—24
Frank Kop. Martha Retznei 25—21
Andrew Johnson, Sarah Erickson... .34—22
Karl Kabitz, Anna Durek 38 25
Alfred Gustafson, Lillie Larson .25—26
Henry G. Lindner, Karte W. Stnnz.. .24—-20
John W. Earter, Frau Etta Foster... .43—33
Robert Burkhardt, Frau Christiane
Becker 83—37
Frank Hahn, Frieda Metzger 34—19
Seit Veröffentlichung unseres gestrigen
Berichts erwirkt:
Vincent Owen Peulay, Sarah Hüll
Bevit Z . .Z 2 32
Michael Rosener, Anna Bruschke .. H 20
Henry Obenauf, Emma Wittmann ...24—18
Joseph Konicek. Agnieska Danbek... .29—18
Albert E. Werner. R'osella Kremm... .42—32
Henry L. Carrier, Grace Baß 21—18
Wojtiech Raster, Warynna Belatowitz 28—18
William Werner, Lizzie Deitz 28 25
Frank Schuh, Annie Kriha 28—22
John A. Becker, Dora Ehlers 25—20
Horace S. Macon. Anna Garland ...37—36
Anton Mechalck, Francisca Jacek 80 23
Hubert Gerth, Katharina Boode 30—37
Jsaac M. Booth, Adelaide Gilles 48—35
'Michael I. Bonrke, Regina McCarthy 25—22
John Cooney, Bridget Woods 28 22
Emma Hayer, Ignatius I. Pottkes'ke.26—2B
Albert Belfuß, Theresa Shilka 24—19
Die „Franz Gindcle Printing Co."
ist zahlungsunfähig geworden. Die Ver
bindlichkeiten belaufen sich auf über
§26,000.
Abendblatt 1 Cent, 6 Cents die Woche.
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"Ick Inrb« etn.-r 17 NLkrs Irinx! »in KatarrN im
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Untre, teil bin Ilooä's Bsrsnpnrill!> tür mein«! Nei
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nn einer rikniieben Krunkbeit leiöen, Itocxls
Bnrsnpnriiin xebrnuoken unci von ikren Bekmvrren
rveröen bekreit xveröen." rVri. r. Runn, 6deek,nnn
nn öer ItvnnsviNe unö I'erre Unute-Disenbnbu;
617 Ouernsez- Btr., Vineenues, InU.
UUBBLMI
ttoocl'B PMSN Ueiien bebelkeit, nervöse«-
Ungerechtfertigte Beschuldigung?
Angebliche Bestechung eines städtischen In
spektors bei der Pflasterung der lvest
Madison Straße.
angeblicher ehemaliger Angestellter
des städtischen Ingenieurs - Amtes hat vor
dem Spezial-Steuer-Comite der Chicagoer
Grundeigenlhumsbörse Aussagen gemacht,
welche ein schlechtes Licht aus gewisse städti
sche Angestellte und Beamte Wersen würden,
wenn ihre Begründung nachgcwiesen
würde.
Unter Anderem sagte der betreffende Herr
etwa Folgendes aus: Als die Pflasterung
der West Madison Straße aus der Strecke
zwischen der 40sten Straße und Cicero im
Gange war, wurde von dem städtischen
Inspektor der Strecke dem Straßenanu ge
meldet, daß das zu der Pflasterung ver
wendete Material durchaus nicht den Le- <
dinqungen des Contraktcs entspreche und
durchaus unbrauchbar sei. Das Straßen
amt sandte einen zweiten Inspektor zur
Revision ans, und dieser wurde von den
Eontraktoren betrunken gemacht und mit
§3OO bestochen, sodaß er bei seiner Rückkehr
nach dem Nathhause den Bericht abstaltele,
daß die Pflasterung der Straße "nll
sei.
Das Resultat sei gewesen, daß die ur
sprünglich condemnirte Arbeit gulgeheißcn
wurde und daß die Contractoren ihr Geld
in voll ausbezahlt erhielten.
Straßenamtssuperintendent McCarth er
klärte heute Vormittag, daß die Pflaste
rung der Madisonstraße zwischen der 40.
Straße und Cicero in der Zeit zwischen
den 15. Juli und den 13. Oktober dieses
Jahres von dem inzwischen verstorbenen
Contraktor Pat Farrell ausgeführt wurde,
und daß während der ganzen Zeit keine
Klagen über schlechte Qualität des bei der
Pflasterung verwendeten Materials in sei
nem Departement erhoben worden seien.
Außerdem könne er mit Bestimmtheit er
klären, daß außer den regulären Inspekto
ren keine anderen Inspektoren zur Revi
sion der Arbeiten ausgeschickl worden seien,. H
Verhaftung mit Hindernissen.
Lin Lonstabler verhaftet, weil er einen
Schwindler feftnebmen will.
»
Wir berichteten gestern bereits von der
Verhaftung des notorischen Schwindlers,
des Kapitäns der in Wirklichkeit gar nicht
eristirenden „Merchants Police", James
B. Lcckie. Er war von einem gewissen
Eckcrmann beschuldigt, ihn unter dem
Vorgeben, als Spezialpolizisten unler
zubringen um §25 beschwindelt zu haben.
Er stellte vor Richter Dooley Bürgschaft
und verließ mit dem Vorsatze, bald wieder
einen anderen hcreinzulegen, den Gerichts-,
saal.
Gestern Abend begab sich der Konstabler
der Richters Severson, Gustav Kruckstcin,
mit einem Hastsbefehl ausgerüstet und
von einigen Assistenten begleitet, nach
Leckeie Wohnung, 1551 Carroll Ave., um
ihn auf eine neue Anklage hin zu verhaften.
Doch die Verhaftung ging nicht so leicht
von statten. Leckeie Frau öffnete als
das Klopfen an die Thür Hörle, das Fenster
und warf eine Quantität rolhen Pfeffer
auf den klopfenden Konstabler. Doch
trotzdem diesem eine Menge dieses rotbcn
Zeuges in die Augen flog und er fürchter
liche Schmerzen ausstand, ging Kruckstein
mit seinen Mannen doch in die Wohnung
und brachten nach langem Widerstande den
Schwindler nach Hotel Gilbert.
Die neue Anklage war von einem gewis
sen Albert Hindle, der in der Nähe von
Keokuk, Ja., wohnt und den Leckie am
Dienstag auf die alte Art und Weise um
HIBO beschwindelt hatte. Er hatte ihm eine
Stelle mit §55 Gehalt versprochen und sich
§l5O als Caution stellen lassen. Die be
treffenden Dokumente, Anstellungspalent
und Depositenschein waren „James B.
Leckie, Capt. os Mcrchants Police" unter
zeichnet. Als Hindle bald daraus aus
fand, daß er hereingefallen war, ging er
ohne Weiteres zu Richter Severson und
ließ sich gegen Leckie einen Haftsbefehl
wegen Schwindels ausstellcn.
Dieser Haftbefehl wurde dem Konstabler
Kruckstein zur Vollstreckung übergeben.
In Begleitung des Hindle begab sich der
Mann des Gesetzes zu Leckie, und Hindle
theilte diesem mit, daß er anderer Meinung
geworden, die Stelle nicht annehmen und
sein Geld zurückhaben wollte. Anfangs
wollte Leckie mit dem Mammon nicht her
ausrückcn, doch schließlich gab er §IOO und
versprach den Rest zu geben, wenn die Bei
den am Donnerstag Abend bei ihm vor
sprechen würden. Damit gab sich Hindle
zufrieden.
Im Laufe des Donnerstags ließ sich Leckie
von Richter Eberhardt einen Haftbefehl
gegen Hindle und Kruckstcin wegen Er
langens von Geld unter falschen Vorspie
gelungen ausstellen und wandte sich an
den Konstaber Hall, um am Abend, (wenn
die Beiden nach dem Rest des Geld
kommen in seine, Leckie's, Wohnung
kommen würden dort zu verhaften.
Davon aber bekam Kruckstein Wind und
gtng zur verabredeten Zeit nicht hin. Erit
gestern Abend ging er, mit einem HastH
bcfehl ausgerüstet, hin und versicherte sich
Leckie's. Kruckstein stellte sich Freilag früh
selbst und wurde bis zum 21. unter §3OO
Bürgschaft gestellt.
Wer Arbeiter irgend welcher Art braucht,
der schicke eine Anzeige an das Abendblatt. W
Preis 10 Cents, wenn nicht mehr als 10
Wörter, jedes weitere Wort 1 Cent.