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Der Deutsche Correspondeut. Baltimore, den 2V Februar tttltl. Gekreuzigt. Sine Scene aus dem amerikanischen Bürger kriege. Es war eine herrliche Julinacht des Jahres 1863, kurz nach dem Siege des General Meade über die Eonsöderirten beiGettysburginPennsylvanien, als eine Sektion von zehn Mann Unionstruppen auf Patrouille sich befand. Bis auf drei konnten diese Leute eine recht bunte Gesellschaft genannt werden. Zwei nämlich waren in Deutschland Of fiziere gewesen, zwei hatten hinter dem Comptoirtische gestanden, einer sogar in Dänemark das theologische Examen ge macht. Zwei andere waren noch soge nannte verbummelte Juristen, ein Deut scher und ein Engländer, und die drei Letz ten waren eingeborene Amerikaner, von deutschen Eltern zwar, doch sagten sie's nicht gern. Die ganze Gesellschaft hatte wohl, das lag klar am Tage, vor nicht langer Zeit, denn alle waren jung, in der Heimath dumme Streiche gemacht und wa ren hierher gekommen, um arbeiten zu lernen. Mit Freuden hatten sie'die Ge legenheit ergriffen, für die Union zu kämpfen, denn zu verlieren war für sie Nichts, als das bischen Leben, und ka men sie glücklich heim, so nahmen sie das Werbegeld inEmpfang, welches die Union, besonders zu Ansang des Krieges, allen Freiwilligen in so reichem Maße gab und das sie in New-Norker Banken niederge legt hatten. Der frühere Lieutenant v. H. führte die kleine-Truppe alle aber waren ge meine Unionssoldaten —und der ehemalige Auscultatvr F. aus dem Posenschen, ein kleiner Mensch, unterhielt durch nie versie gende Schnurren und Witze die Kamera den auf ihrem vorsichtigen und beschwer lichen Marsche. Der Morgen brach an, ein Morgen, so schön wie im Frieden, und das Auge der ' Wandernden fiel auf die zahlreichen lose aufgeworfenen Hügel, in denen die Ge beine Derer ruhten, die noch vor wenigen Tagen in der Vollkraft ihrer Jugend auch zum dämmernden Morgen. Die amerikanische Natur erscheint auf den ersten Moment öde und traurig, weil kein Vogelgesang entzückt, doch bald ent zückt das bunte Gefieder der Vögel, die prächtigen Schmetterlinge, die in tausend Farben schillern, das Auge des Neulings. Durch die riesigen Wipfel der Sykomo ren rauscht der Wind leise und die Sonne steigt majestätisch am Himmel auf, über gießt die herrlichen Fluren mit ihrem Licht und lächelt gerade wie im deutschen Hei mathlande. Ohne es zu verrathen, mochte wohl der eine oder der andere von den Soldaten der srüberen Zeit gedenken, und vielleicht wäre manche stille Thräne geflossen, wenn nicht F., der nun einmal nicht ernst sein konnte, ab und zu einen schlechten Scherz über das hügelige Terrain hingeworfen hätte er meinte die frischen Gräber. Plötzlich, die Truppe war eben an eine kleine Niederlassung gekommen, fiel ein Schuß, gleich noch einer und ein dritter, der einen der Amerikaner sofort todt nie derstreckte. „Vorwärts!" schrie v. H. „Schwär men!" Und im Trabe, während die Ku geln um die Kopse der jkameraden sausten, rief er: „Gerade auf den Stall zu, von dort schießen sie, wenn wir umdrehen, pflanzen sie uns um wie die Hasen, »ur schnell heran." 4 In weniger als einer halben Minute waren die übrig gebliebenen Neun unver sehrt unter einer Treppe angekommen, welche in der Verlängerung eines Giebel sensterS angebracht war, und befanden sich im todten Winkel. Ohne sich zu besinnen, zündeten sie die Treppe an und hörten bald darauf ein Gepolter im Innern des Hauses, wie wenn einige Leute eine Stiege hinablaufen. Schnell wie der Wind «rannten die Unioni sten um das Haus herum und in einen Keller hinein. Daselbst lagen auf den Knien vier Eonföderirte, welche aus den oberen Räumen auf einer Innentreppe herabgekommen waren und baten um Par don. V. H. befahl ihnen, die Waffen nieder zulegen und hieß sie herauskommen. Der kleine Auskultator war aber schon im Hin teren Kellerraume und rief: „Na, man 'raus, es wird hier schon warm, die Bude brennt." Das war in der That so, denn das Holz gebäude hatte von der Vordertreppe aus im Nu Feuer gesangen. Da ereignete sich etwas Entsetzliches. Während die Gefangenen zwischen den Unionisten die Kellertreppe emporstiegen, fiel ein Schuß und F., der Liebling der Kameraden, sank lautlos, in den Hinter kopf getroffen, mit zerschmettertem Schä del zu Boden. Er war todt. Einer der Eonsöderirten hatte in einer Anwandlung von Wuth das Gewehr von der Erde ergrissen und den Gegner hin terrücks ermordet. Es ist schwer zu entscheiden, ob die un beschreibliche Wuth der Unionisten größer war, oder das Entsetzen der Gegangenen. Die drei Unschuldigen knieten bleich und mit den Zähnen klappernd vor dem Keller, der Mörder ließ sich ruhig, ohne ein an deres Zeichen, als das des unbändigsten Trotzes auf dem Antlitze, von den sechs Armen, welcheihngepackthatten,nachOben schleppen. V. H. und besonders der Däne waren fast sprachlos über das, was sie jetzt sa hen. Schneller, als wir es erzählen kön nen, war der Mörder zu einem riesigen Baume geschleppt, der auf dem Hofe der kleinen, ganz menschenleeren Ansiedelung seine schattige Krone ausbreitete. Zwei der Unionisten hatten aus den brennen den Seitenwänden des Häuschens eine Anzahl Nägel gerissen und eilten zu dem Baume. „Was wollt Ihr thun?" rief v. H. „Seid menschlich!" bat der Däne. Tech das Nachegesühl überwog in den Herzen der wüthenden Soldaten und wie bemerkt, sie waren Leute von Erzie hung—jede sanftere Regung. In weni ger als zwei Minuten hing der Mörder gekreuzigt am Baume. Durch die linke Hand und den linken Unterschenkel hatten die Wüthenden ihm Nägel getrieben und in den entsetzlichsten Schmerzen wand sich der Unglückliche gleich einer Wettersahne hin und her. Die anderen drei Gefangenen hatten die grausame Exekution mit angesehen und die Todesangst auf dm Gesichtern sprach deutlich genug, daß sie ein ähnliches Schicksal erwarteten. Doch darin hatten sie sich getäuscht. V. H. trat, als er sah, wie der Gekreu zigte mit verzerrtem Antlitze sich in den namenlosesten Schmerzen wand, schnell an ihn heran und schoß ihm eine Kugel durch den Kops. Eine Stunde später war die kleine Truppe mit den drei Gefangenen aus dem Wege nach dem Lager. Aus der Heimkehr dorthin vertrieb der kleine Auskultator ihnen nicht die Zeit mit seinen Einfällen. Er und der andere Kamerad lagen be reits unter der Erde. Bet m Biere deö Kanzlers. Die „Demokratische Eorrespondenz" schreibt: „Die Blätter bringen spalten lange Berichte über die neueste parlamen tarische Soiree, die bei'm Fürsten Bis marck gehalten wurde und in welcher na mentlich die Mitglieder des preußischen Volkswirthschaftsrathes eine hervorragen de Rolle spielten. Hervorragend aller dings nur in dem Sinne, daß sie dem Reichskanzler als bloße Fragmaschinen und als Adresse dienten, an die er seine Reden und Plaudereien zu richtengeruhte. In dieser allerunterthänigsten Umgebung, in welcher jedes zweite Wort ein „Durch laucht" war, fühlte er sich allerdings woh ler als im Parlamente, wo er nur „Flege leien" hinzunehmen hat. Ist es nämlich nicht eine kolossale „Flegelei," wenn z. B. der Abgeordnete Richter verlangt, daß bei den wichtigen Berathungen des Parla ments der betreffende verantwortliche Mi nister zugegen sei? In der Soiree war von mancherlei Din gen die Rede, namentlich aber von den neuen volkswirtschaftlichen und staatsso zialistischen Entwürfen des Kanzlers. Durch alle Auseinandersetzungen des Fürsten Bismarck zog sich wie ein rother Faden der Gedanke hindurch, daß der' Staat jetzt für die „Enterbten der Gesell schast" sorgen müsse. Daß dies nur in der Meise geschehen könne, wie Se. Durch laucht es ausfaßt, verstand sich von selbst. In der Beleuchtung dieses Gedankens ließ nun der Kaiser alle seine Reformen, die Arbeiterversicherung, das neue Zunft wesen, die Uebernahme der Schule, der Polizei und des Armenwesens u. s. w. vor den Augen seiner bewundernden Zu hörer ausmarschiren. Die „Enterbten der Gesellschaft!" Es ist gut, daß diese Aeu ßerung in einer Privatgesellschaft gefallen ist, welche höchstwahrscheinlich nicht von Polizeibeamten überwacht war; es ist auch gut, daß Fürst Bismarck kein Journalist ist und demnach in Versuchung geräth, seine Phrasen etwa als Leitartikel drucken zulassen; sonst würde er unfehlbar auf Grund des Sozialistengesetzes und sonsti ger Strafbestimmungen wegen, Aufrei zung zu gegenseitigem Hasse und wegen Verfolgung sozialistischer Ziele in Ankla gezustand versetzt werden. Etwas ande res nämlich, als die Sorge des Vaters für die „Enterbten der Gesellschaft" und deren Einsetzung in ihre Rechte, hat der Sozialismus selbst niemals erstrebt. Frei lich, wenn zwei dasselbe thun, ist es nicht dasselbe, und wenn Fürst Bismarck etwas sagt ja, Bauer, das iß ganz was An deres !... Freie Institutionen können nur in ei mem freien Staate gedeihen. Die Vor aussetzung aller staatssozialistischen Re formen, wenn diese gesund sein wollen, ist die, daß sie aus freier Thätigkeit des Vol kes erwachsen und mit freier Thätigkeit der Betheiligten gehandhabt werden. Das kritische Wort der Prüfung muß' ebenso frei sein, wie die Verwaltung des sen, was im Interesse der einzelnen Be völkerungsschichten geschossen wird. Was kann eine Arbeiterversicherung, auch noch so umfassend angelegt, auf die IDauer Gutes wirken, wenn sie nicht von den Ar beitern selbst verwaltet, sondern von oben herunter dirigirt und durch ein Heer von Beamten geleitet -wird? Sie wird ein mächtiges Element weiter zur Ausbildung des bureaukratischen Despotismus. Was soll ein Volkswirthschaftsrath, wenn ihm nur die einseitigsten Interessen, nicht aber die Majorität, die Kleinbürger, Hand werker, Bauern und Arbeiter vertreten sind? Es ist einfach eine Dekoration, welche die Bestimmung hat, die Verant wortlichkeit für Das zu tragen, was der leitende Staatsmann nicht auf feine eige nen Schultern nehmen will. Was soll die Wiederbelebung zu einer Zeit, wo we gen der enormen Großsabriktion die ein zelnen Gewerbe gar nicht mehr zu unter scheiden und von einanderzu trennen sind? Sie kann höchstens dazu dienen, reaktio nären Bestrebungen Vorschub zu leisten und die freie Bewegung auch auf solchen Gebieten zu hindern, bis wohin die all mächtige Bureaukratie noch nicht hat drin gen können. Endlich, was sollen alle diese staatssozialistischen Einrichtungen, wenn zahllose Bürger ihrer politischen Rechte beraubt sind, wenn diese öffentliche Meinung geknebelt oder korrumpirt, die Gerechtigkeit theuer, das Parlament ohn mächtig und die Verhetzung der Interessen und der Parteien allgemein ist? Der Kanzler meint freilich, er könne auch auf dem sozialistischen Gebiete ope riren, wie an den grünen Tischen der Di plomatie. Er fühlt das Bedürfniß, Etwas zu thun, und nun greift er in den vollen Hausen hinein und schüttelt Reformen so zusagen aus dem Aermel. Aber sie passen zu seinem System wie die Faust auf's Auge, und über dieses Mißverhältniß kann sich auch der genialste Dilettant nicht hinwegsetzen. Man kann wohl bei'm Biere interessant und unterhaltend da rüber plaudern, aber was in der Praxis dabei herauskommt, das kann nichts ande res sein, als wachsende Verwirrung und wachsender Despotismus, in welchen das wenige Gute, das die Entwürfe in sich bergen, völlig verloren geht. Soziale Reformen können nur in und mit einem freien Staate verwirklicht werden; das ist der Satz, an dessen Felsenfestigkeit alle so zialistischen Pläne des Kanzlers scheitern werden." Teutsche Schreckensbotschaft. Günther Friedrich Woldemar, Fürst von Gottes Gnaden, Hat sich, weh! im Januar Höchsten Zorns entladen. Weil der Landtag schier enorm Auf sein Recht versessen, „In unangemess'ner Form" Theilweis sich vergessen. Weil er o Bekümmerniß! Sträfliches ersehnt hat Und petita, Tückisch abgelehnt hat. Weil Gesuche er gestellt Und Anträge schrecklich Und verweigert, weh! das Geld, Das dem Staat erklecklich. Weil er Lorvlllssiiuuin Schwer dadurch gekränkt hat Und des Herrn Ungnade d'rum Auf sein Haupt gelenkt hat. Also daß nach strengem Schluß. Strafend diese Sünden, Lippe's Lvreniskimuk« Solches thät' vertünden: Uns'res Herzens tiefsten Groll Soll das Land vernehmen, Und der frevle Landtag soll Seines Thuns sich schämen! Sprach's. Da wurden schreckensbleich Bauern, Bürger, Ritter, Und durch Lippe-Detmolds Reich Ging ein Angstgezitter. Furcht erfaßte Land und Leut' Ob des Fürsten Zeilen: Schrecken liegt gebreitet heut' Ueber —zwanzig Meilen. tZNadtxradaych.t