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rechten Hand emSor. „Kennt Ihr Euch noch nicht aus?" Der König schüttelte nachdenkend den Kopf. „Euer Gnaden sind etwas nun ja, es ist ein großer Gedanke, den ich da habe. Wird da drinnen nicht unsere halbe Na tion geboren? Wenn erst einmal die ganze da das Licht der Welt erblickt, und das K°ße sich ja arrangiren, he?" König Wenzel stemmte die Arme in die Seiten Md lachte, daß er fast erstickte, der Schneider über lustig mit. „Meister," sagte der König, nachdem er sich die Thränen au>- den Augen gewischt, „Ihr seid ein Mann, gefallt mir, sagen wir Du zu einander." „Aber gnädiger Herr," rief der Schnei der, „das schickt sich ja nicht!" „Ei, was schickt sich nicht," schrie Wen zel, „das kümmert mich den Teufel. Wenn es mir einfällt, mache ich Dich zum Baron. Qder ist's Dir lieber, wenn ich dich in Wien zu meinem Statthalter ein fetze?" „Na, wenn ich mir daS überlege," sagte der Schneider, „so meine ich, daß daß Letztere ohne das Erstere nicht gut angeht. Ein Statthalter muß doch zum aUermindesten Baron sein, meinst Du nicyt, Wenzel?" „Tu hast Recht, Bruder," entgegnete der König, „und hast Du sonst keinen Wunsch?" Der Schneider dachte nach. Da ver nahm er den Ton einer Elarinette. Er drehte sich um und sah, wie sein Freund Wokurka neben dem Kutscher aus dem Bocke saß und lustig daraus losblies, daß ihm schier die Backen zu platzen drohten. „Wenzel," sagte er dann, „siehst Du, ich thue gern was für meine Freunde. Der Wokurka da ist ein braver Kerl; er wurde erst vor wenigen Stunden mit mir ausser „Böhmischen Krone" hinausge czechischen Hofopernhauses werden?" „Warum Senn nicht," sagte Wenzel, „ich lasse Dir da freie Hand, Du wirft doch wohl noch andere Freunde und Ver wandte haben, die auch ein gutes Plätz chen brauchen, nicht wahr?" „O freilich," antwortete der Schneider, „das freut mich, daß Du mir solches Ver trauen schenkst. Jetzt braucht dir nicht mehr bange zu sein, daß dieses Nest in ei nigen Jahren eine czechische Stadt sein wird." König Wenzel nickte, griff nach einem großen, goldgestickten Tabakbeutel und stopfte sich eine Pfeife. Als er sie an brannte, erleuchtete er den ganzen Kut schenraum, und Meister Brdaczek bemerkte nun, daß neben König Wenzel eine Dame im Wagen saß, deren Schönheit einen mächtigen Zauber auf ihn ausübte. „Ich küss' die Hand," sagte er, „indem er sich tief verneigte; „ich wußte bisher nicht, daß eine Dame in unserer Gesell schaft ist. Das ist wohl deine Tochter, Wenzel?" „Ja, meine Einzige," antwortete der König; „ich sage Dir, Bruder, es ist eine schwere Sache mit den heiratsfähigen Töchtern. Schon lange suche ich einen Mann für sie, glaubst Tu aber, ich fände einen, der mir gefällt? Bist Du lediq, Bruder?" „O freilich," sagte Brdazek und seufzte tief auf. Die Prinzessin antwortete mit einem Seufzer. „Schau," sagte Wenzel, „wenn Du einmal Statthalter bist, wäre das eine Partie für Dich; Tu mußt nämlich beden ken, daß sie meine einzige Erbin ist, und wenn ich einmal das Zeitliche segne . ." Des Königs Stimme zitterte, er wischte sich eine Thräne aus dem Auge. „Reden wir nicht davon, sagte der 2 Sckneider tiefgerührt, „ich liebe die Prin zessin und wenn Du es erlaubst, wollen wir uns noch zur Stunde verloben." „Wie Tu mich glücklich machst, Bru der," rief der König, „so gib ihr denn ei nen Verlobungskuß!" Der Schneider erhob sich im Wagen und wollte einen Kuß auf die Stirne sei ner Braut drücken; er neigte sich vor, die Prinzessin zog verschämt ihr Gesicht zurück; immer weiter bückte sich Meister er spitzte schon den Mund zum zärtlichsten aller küsse da verspürte er einen furcht baren Schlag; es war ihm, als ob die Kutsche und er mit ihr zerschmettert wor den wäre. Er richtete sich auf und blickte verwundert um sich. Es war Morgen ge worden und er lag im Schlamme des Li niengrabens, fünf Schuh tiefer, als der Wal!, auf dem er ausgeruht hatte. Ne ben ihm aber stand ein Sicherheitsmann, der ihn erstaunt betrachtete. „Herrgott von Stirnensiedl," sagte er, „so was ist mir noch nicht vorgekommen. Erst fck'äft der Vagabund auf dem Linien wall, dann sängt er zu gesticuliren an, als ob er die gnze Welt umarmen wollte, und nun plumpst er gar in den Graben. Jetzt aber kommen Sie mit mir, Verehrtester!" „Wo ist der König," fragte der Schnei der, „und die Prinzessin?" „Kommen Sie mit mir!" antwortete der Wachmann. „Haben Sie keinen Wagen gesehen, in welchem ein König saß? Und ist der Wo kurka nicht da?" „Lassen Sie das Geschwätz und gehen Sie mit mir," wiederholte der Wachmann. „Sie sind von der Polizei?" klagte der Schneider, der nach und nach zur Besin nung kam; „dann halten Sie ja so zu uns, nicht wahr?" „Sie sind ein Narr," entgegnete der Mann des Gesetzes, „folgen Sie mir!" So leicht aber ergab sich Pan Brdaczek manne einen harten Kampf und ein Stück seines Mantels, den wackeren Böhmen vor die Behörde zu bringen. Tort ließ man in Anbetracht der Umstände Gnade für Recht ergehen und bestrafte den Meister nur wegen Excesses mit 12 Stunden Ar rest. Noch heute aber ist Pan Brdaczek tiessinnig und träumt stundenlang von sei nem Freunde, dem König Wenzel, und der schönen Prinzessin. Ein Yhapcauclaquc vor Gericht. Eine hüsche Verhandlung, die einen Ehapeauclaque vor Gericht führte, hat die ser Tage in Wien stattgefunden. Der Hutmacher Wirth als Kläger und der Studiofe Engelbert als Verklagter stehen sich einander gegenüber. Kläger (einen Elayue explodiren las send): „Hier, meine Herren, sehen Sie einen Elaque, neueste Pariser Mode, fein ster Atlas, Futter schwarze Seide, hoch fein, exquisit. Vor etwa drei Wochen kommt der Herr da zu mir und fragt mich, ob ihm nicht für einen Abend einen Elaaue borgen wolle. Ich sage Ja und nehme diesen funkelnagelneuen Claaue aus der Schachtel. Er paßt wie angegos sen. „Sie zahlen mir für den Abend zwei Gulden," sag' ich und der Herr legt zwei Gulden nieder und ich geb' ihm den Hut ohne Einsatzgeld. Ist das nicht schön genug? Am anderen Morgen kommt der Herr in's Gewölb' gelaufen, legt mir den Hut hin und will gleich wieder fort. „Ich bitte," sag' ich, „warten Sie ein wenig." Er aber meint, er habe keine Zeit. Ich halt' ihn ein bissei bei m Frackschößel und schaue mir den Llague an. Hier ist er. Da sch'n Sie, einen Kratzer über den gan zen Deckel und da einen Bug an der Fe der. Der Herr Student da muß den Hut ! wohl bei einer Katzenmusik getragen und die Sicherheitswache wird ihn eingetrieben haben, denn anders tst eine solche Verun staltung gar nicht möglich. Jetzt rechnen Sie, Herr Rath. Elf Gulden kostet mich der Hut und zwei Gulden habeich erhalten. Dreimal war ich bei dem Herrn und zwei mal bei'm Gericht; für Zettversäumniß allein könnte ich 10 Gulden beanspruchen, ich verlange aber nur neun Gulden für den Hut und lasse ihn dann dem Herrn." Richter (den Hut betrachtend): „In der That ist der Hut beschädigt." Verklagter: „Herr Richter, darf ich an den Kläger einige Fragen stellen?" Richter: „Gewiß, fragen Sie!" Verklagter: „Sie haben den Hut heute getragen, nicht wahr?" Kläger: . Ja, warum soll ich denn zwei Hüte mitnehmen?" Verklagter: „Sie trugen ihn auch, als Sie das erste Mal hierher kamen, und die drei Mal, als Sie mich in meiner Woh nung aufsuchten?" Klägerszögernd): „Ja." Verklagter: „Der Hut wurde also von mir einmal, von Ihnen fünf Mal, zusam men sechs Mal getragen; jedes Mal zu zwei Gulden gerechnet, haben Sie ja Ihr Geld erhalten." Kläger: „Ah, da muß ich bitten, ich werde mich doch nicht selbst für meinen Hut zahlen." Der Richter proponirt lachend dem Kläger, sich noch drei Gulden als Schaden ersatz zahlen zu lassen und den Hut zu be halten. Nach längerer Diskussion giebt der Kläger nach und nimmt die drei Gul den, die ihm der Student vorzählt. „Jetzt, meine Herren," ruft der Kläger zu dem Richter und dessen Schreiber, „wer will den Hut? Für drei Gulden ist er feil!" Richter: „Hier werden nicht Hüte ge handelt, thunSiedas in Ihrem Geschäfte." Der Hutmacher machte eine Verbeugung und geht. Das Schreiberlein aber läuft ihm bis unter die Thüre nach, und wenn nicht alle Anzeichen trügen, ist er der glückliche Erstehe? des Hutes geworden. Wie man Familienvater wird. „l'-cet is tl>an Lotion." Mit diesen Worten des Richters Mr. De Nutzen schloß zu London vor kurzer Zeit einer der merkwürdigsten Gerichtsprozesse. Wir brauchen nur den Thatbestand kurz anzu führen, um den Leser mit dem Richter in Uebereinstimmung zu bringen, daß die Wirklichkeit die kühnste Phantasie noch bei Weitem übertrifft. Dr. Tennis Downes, ein im Westend wohlbekannter und gesuchter Arzt, ist, oder besser, war bis vor Kurzem noch der glück liche Vater dreier liebenswürdiger Kinder. Als er am 28. März am Abend nach sei ner Wohnung, Nr. 55 Kentish-Town-Road zurückkehrte, hörte er zu seinem Entsetzen, daß seine zweijährige Tochter Glady allem Anscheine nach von dem Kindermädchen Mary Atkins gestohlen und entführt wor den fei. Dr. Downes setzte sich sofort mit der Polizei in's Einvernehmen und schrieb eine namhafte Belohnung für die Zurück bringung des Kindes aus, ohne daß dies jedoch für einige Tage zu dem gewünsch ten Erfolge geführt hätte. Erst am 4. April gelang es der Polizei, den Aufent halt der Mary Atkins zu ermitteln, welche sich bei einem Robert Gould aufhielt, und wurde dieselbe hierauf sammt ihrem Un- ! terstandsgeber in Haft genommen. Was Mary Atkins aussagte, sowie der weitere Verlauf der Sache, ist geeignet, den be klagenswerthen Dr. Downes für immer aus feinen glücklichen Vaterträumen zu reißen. Mary Atkins behauptete näm- lich gleich bei ihrem ersten Verhöre vor dem Richter und beschwor ihre Aussage, daß die kleine Glady Downes nicht das Kind der Frau Doktorin, sondern ihr ei genes Kind sei, welches am 12. April 1879 von ihr im Queen Eharlotte-Hospitale ge boren wurde, und als dessen Vater sie den mitverhasteten Gould bezeichnete. Sie ' gab an, Anfangs Mai 1879 von dem Vorstande des Hospitals zu Frau Dr. Downes gesandt worden zu fein, welche eine Amme aufzunehmen wünschte. Als sie zu derselben kam, wurde sie von Frau Downes gefragt, ob sie nicht geneigt wäre, ihr Kind abzugeben; sie kenne ein Ehepaar, welches ein Kind zu adoptiren wünsche. Mary Atkins erklärte sich hierzu bereit, wenn sie die Versicherung hätte, daß es zum Besten des Kindes sei, und als sie hierüber von Frau Dr. Downes beruhigt war, ließ sie in Folge deren Ausforderung das Kind bei ihr zurück. Als Tr. Dow nes am Abende desselben Tages nach 'Hause zurückkehrte, fand er seine Frau als Wöchnerin im Bette und in ihren Ar men das eben geborene Töchterlein. Der glückliche Papa konnte sich an dem auf fallend starken und hübschen Kinde nicht satt sehen und holte selbst die während sei ner Abwesenheit aufgenommene Amme, um der kleinen Weltbürgerin rasch zu ih rer Pflegerin zu verhelfen. Mary At . kins war sehr überrascht, zu hören, daß die Frau Doktor bereits entbunden; ihre Ueberraschung wurde aber nicht wenig ge steigert, als sie in dem angeblich Neuge borenen ihr eigenes füns Wochen altes Kind erkannte. Die Wöchnerin bat jedoch die Atkins, zu schweigen, und die Amme schwieg, weil sie glaubte, daß es nur zum Besten des Kindes sei. So wuchs die kleine, zweimal geborene und zweimal getaufte Glady un ter der Pflege ihrer beiden Mütter, zur Freude ihrer beiden Väter heran, als Frau Dr. Downes zur Abwechselung wieder einmal entbunden wurde. Knapp vor dem frohen Familienereignisse kam aber mals eine junge Person mit einem Säug linge, verließ das Haus ohne diesen und gleich darauf zog Frau Dr. Downes die Glocke und als Mary Atkins das Zimmer betrat, fand sie ihre Herrin wieder als Wöchnerin im Bette, ein kleines Mädchen in den Armen haltend, und neben dem Bette ein großes Stück Watte, welches sie auf das Geheiß der Frau Downes ver brannte. Dr. Downes freute sich auch, bei diefem Anlaste zum glücklichen Papa geworden zu sein; Mary Atkins jedoch hatte ihre besonderen Vermuthungen und beschloß daher, ihr Kind von Dr. Downes wegzunehmen, da ihr die Sacke nicht ge fiel und sie schlimme Folgen befürchtete. So erklärte sie den angeblichen Kinder raub. Der öffentliche Ankläger kündigte an, daß er in Folge der zu seiner Kennt niß gelangten Thatsachen seine Anklage wegen Kinderdiebstahls gegen Mary At kins und Robert Goult zurückziehe und wurden dieselben sofort aus der Haft ent lassen. Das Blatt wendete sich um. Mary Atkins wurde zur Klägerin und der Richter erkannte auf Ausfolgung des Kin des. Tr. Downes weigerte sich, dem zu entsprechen; bei der neuerlichen Verhand lung übergab er aber das Kind an Mary Atkins und erklärte, sich nunmehr die Ueberzeugung verschafft zu haben, daß sie wirklich die Mutter des Kindes sei. Ja, taets are strlmgcr tliau Letiou! Man sollte nicht glauben, was einem englischen Doktor der Medizin und geprüften Ge burtshelfer Alles pafsiren kann. Wer weiß, wie er Papa wird! Wie weise ist doch der Herzog von Gloucester, den Shakespeare auf die Frage: „Ist das Euer Sohn?" antworten läßt: „Seine Mutter behauptet es."