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jähriger Barbiergehülfe?" wagte Knolle entrüstet zu repliciren. „Halten Sie's Maul!" schrie derforfche Gendarm, „das werden wir schon heraus bringen; hier ist ja das Signalement." Er las: „Statur: schlank!" Mit trium phirenden Blicken wies der Diener der Gerechtigkeit aus die allerdings etwas hagere Gestalt Knolle's. „Ist der Mann schlank oder ist die Sta tur nicht schlank?" fragte er. „De is mager wie'n dohde Kreih," froh lockte Bauer Nr. I. „Dichtes schwarzes Haar!" las der Gendarm weiter. Nun hatte aber der gute Knolle einen halb kahlen Schädel, und die andere Hälfte war spärlich mit grau-blondem Haar bewachsen. „Dat is Verstellung," meinte Bauer Nr. 2. „Natürlich, das kennen wir Alles schon, die Frechheit unter das Gesindel is heutzu tage groß," sagte der Gendarm. „Aha, warten Sie mal: Besondere Kennzeichen: Schielt stark auf dem rechten Auge! Da wer'n wir ihn schon fassen! Gucken Sie mich mal scharf und grade in's Gesicht, Sie infamer Durchgänger!" Knolle schielte nicht, er hatte sein gan zes Leben lang nicht geschielt, das kann ich ihm feierlichst bezeugen; er glaubte sich also gerettet und sah dem Gendarm so stramm und grade in das brummige Ge sicht, wie nur die helle, lautere Unschuld in ein Gesicht sehen kann. „Er schielt!" rief Bauer Nr. 3. „Nee, he schielt nich!" ries Bauer Nr. 1. Alle vier Männer standen dicht vor dem unglücklichen Reisenden und glotzten und stierten ihn von allen Seiten an, daß seine Augen vor Angst nicht wußten, welche Richtung sie einnehmen sollten, um sich von dcm abscheulichen Verdachte zu rei nigen. „Ja, he schielt doch!" rief jetzt Bauer Nr. 2. „Ob dat linke Og!" bestätigte Bauer Nr. 1. „Näh, ob dat rechte," meinte Bauer Nr. drei. „Das kommt doch ganz darauf an, wo Ihr stehn thut, Ihr dummen Kerls," ent schied der Gendarm; „also schielen thut er, und damit fertig!" „Hören Sie 'mal," so hub jetzt der im .Innersten tief empörte Knolle an; aber weiter kam er nicht. „Das is 'n Lüge!" schrie ihn der Gen darm an; „halten Sie den Mund, bis Sie gefragt werden. Wir wollen jetzt 'mal zu das Frauenzimmer übergehen. Sind Sie das neunzehnjährige Dienstmädchen Babette Krache?" Die ehrsame fünfundvierzigjährigeFrau Knolle glaubte bei dieser Frage in die Erde sinken zu müssen. Sie gluckste müh sam einige unverständliche Töne hervor. „Ja, hett se seggt," rief Bauer Nr. 1. „Ja hat sie gesagt?" fragte doch ein wenig unsicher der Gendarm. „Jawohl, se hctt Ja seggt," bestätigten die beiden Anderen. „Tas ist ihr Glück," sagte der Mann der Gerechtigkeit; „können ja auch 'mal das Signalement vergleichen. Staiur: ouck schlank!" Er warf einen vorwurfsvollen Blick auf die kleine dicke Frau Knolle; das konnte man doch unmöglich schlanke Statur nen nen. „Was die auch immer mit ihre schlanke Statur haben!" <fagte er und schlug grim mig auf das Zeitungsblatt. „Tat hett de Zeitungsschriewer gewiß verlehrt makt," meinte Bauer Nr. 2. „Kann auch sein," gab der Gendarm zu und las weiter: „Besondere Kennzei chen:, Hat starke Anlagen zur Thränen- 2 Fistel, weshalb ihr die Augen fortwährend thränen." Ach, arme Frau Knolle, ihre Augen thränten in diesem entsetzlichen Augen blicke wirtlich; war es nicht natürlich, daß ihr bei diesem hochpeinlichen Verhöre das Weinen nahe kam? „Sc thränt!" rief Bauer Nr. 2. „Dunnerhagel, wat thränt de ohlen Ogen," ergänzte Bauer Nr. 3. „Na, natürlich," sagte der Vertreter der Obrigkeit, „das Volk leugnet, bis ih nen der Galgen unter die Nase stoßen thut! Nu man mit!" Tas armeKnolle'fche Ehepaar war von diesem Ueberfalle derartig verblüfft, er starrt und niedergeschlagen, daß es, glaube ich, einem Abgesandten Satan's in diesem Augenblicke direkt in die Hölle gefolgt wäre. Aber als sie sich eben anschickten, mit ihren Peinigern das Wartezimmer zu verlassen, da schien Rettung zu nahen in Gestalt des Stationsvorstehers, der eben nachsehen wollte, wie viele Personen zur Fahrt nach Kiekehaufen vorhanden seien. Unser Knolle sprang ihm mit einem gro ben Satze entgegen und reklamirte seinen Beistand. Erst nach einiger Mühe war es dem Stationsvorsteher gelungen, aus den wir ren Reden der Bauern, des Gendarmen und Knolle's den Sachverhalt zu ergrün den. „Sie sind Herr Knolle?" fragte er end lich diesen; „haben Sie denn nicht irgend ein Papier bei sich, mit dem Sie das be weisen können?" Unser'm Helden fiel es wie Schuppen von den Augen. Er hatte ja vor seiner Abreise in aller Eile seine alten Familten papiere zusammengerafft, da .er sie doch wahrscheinlich bei der voraussichtlichen Erbsckastsabwickelnng in Kiekehausen ge brauchen würde. Er konnte also dem Stationsvorsteher seinen alten vergilbten Taufschein und noch mehrere andere At teste vorzeigen, wodurch seine Identität glänzend festgestellt war. „Ja, warum haben Sie denn das nicht gleich gefagt, Sie Tämelack, Sie?" schrie jetzt der Gendarm, und holte mit der Hand aus, als wollte er unserm Helden Eins herunterhauen; „was utzen Sie denn die Leute?" „Ja, wat hett de Schapskop de Lüd sor'n Buurn," sagte Bauer Nr. 1 und wollte auf den armen Knolle los. „Mien schönen hundert Mark," rief Bauer Nr. 3. „Wat, Dien schöne hundert Mark," schrie Bauer Nr. 2 zurück, und ließ ab von dem erschrockenen Knolle, „mien schöne hundert Mark, ick hes den Kerl fast holen." „De hundert Mark har ick to kregen," rief Bauer Nr. 1, „ick hef dat toerst in de Zeitung lesen." „Ja, un wenn ick den Schandarm nich Holl har?" frug Bauer Nr. 3, „dat Geld is mien Geld!" „Wat, wat is dien?" rief Bauer Nr. 2; „Du häst wohl lang keen Prügels kre gen?" In kurzer Zeit waren die drei Bauern in thätlichstem Streite über die steckbrief lich versprochenen hundert Mark: Ich will den Leser mit den unzarten Einzelheiten des Zankes verschonen, und nur erzählen, daß uuscr Freund Knolle die gute Gele genheit benutzte und mit seiner zitternden Gattin das unselige Wartezimmer verließ. Sie setzten sich direkt in die Postchaise und stiegen einige Stunden später in Kiekehau sen wohlbehalten aus. „Können Sie mir vielleicht sagen, wo das Haus von Frau Plumpmeyer ist?" fragte Knolle den ihm zuerst in Kiekehau sen begegnenden Menschen. „Ach, die arme Frau Plumpmeyer," sagte der Gefragte und zeigte unserm Freunde das Haus, das sich ganz in der Nähe besand. Entfernung gab es über haupt nicht viel in Kiekehausen. Knolle und Frau traten in das ihnen bezeichnete Haus, dessen Thüre zu ihrer Verwunderung offen stand. Sie traten serner in ein sehr reinlich gehaltenes Wohnzimmer, ans dessen Haupttische noch eine Kaffeekanne mit allem Zubehör stand. „Merlwürdig," fagteKnolle, „dasHaus ist schon wieder bewohnt." Da hörte er plötzlich einen durchdringenden Schrei ne ben sich, und als Knolle sich umgedreht hatte, da stieß auch er einen durchdringen den Schrei aus. Seine Stiefschwieger mutter stand lebendig vor ihm. Die alte Dame stürzte zuerst auf Frau Knolle los und küßte sie heftig, und dann stürzte sie aus Hrn. Knolle los und küßte auch ihn heftig. „Ach Kinder, Kinder, wie bin ich glück lich, daß Ihr mich besucht, daß Ihr zu mir kommt in meinem UngfWel" Sie erzählte jetzt den halberstarrten Knolle's, daß ihr Dienstmädchen sie um all' ihr Hab' und Gut bestohlen, und mit einem Barbiergehülfen davon gelaufen sei. Da ward es im Haupte des Herrn Negiftrators ganz unheimlich hell. Er ließ sich das davon gelaufene Dienstmäd chen näher beschreiben. Es war kein Zwei fel: das war dieselbe Person, die ihm die Nachricht vom Tode der Schwiegermutter überbracht und ihn um das Reisegeld be schwindelt hatte. Und dafür hatte er sel ber in jenem schrecklichen Wartezimmer so viel leiden müssen! O Verhängniß und irdische Ungerechtigkeit! Nachdem die drei Personen ihre Erleb nisse und Gedanken ausgetauscht hatten, waren sie alle drei recht niedergeschlagen. Frau Plumpmeyer war eine arme Frau geworden; das kleine Haus, das Einzige, was die ungetreue Magd nicht mitgenom men hatte, war bitterwenig werth. Sie war aus die Mildthätigkeit ihrer Stief kinder angewiesen, und bat Knolle flehent lich, er möge sie wieder nach A. in sein Haus mitnehmen: die früheren MißHel ligkeiten sollten auch nie wieder vorkom men. Knolle und Frau waren wirklich von Herzen gutmüthige Menschen, und übri gens—was sollten sie thun? Sie mußten den Bitten der alten Frau nachgeben, und andern Tags befanden sich die drei auf der Rückreise nach D. Wenn der mehrfach genannte und ci tirte Theaterschriftsteller Wilhelm Shake speare und unsere eigenen Erfahrungen einigermaßen Berücksichtigung verdienen, so ist es Thatsache, daß im Menschenda sein dickt neben der höchsten Tragik oft die niedrigste Komik zu finden ist. Daß die Conflikte des Alltags-Lebens sich aber zu weilen auch gemäß den strengen Anforde rungen der dramatischen Kunst entwickeln, davon lieferte unser guter Knolle ein sel tenes Beispiel. Ist denn das nicht die höchste tragische Sühne, wenn Jemand auszieht, seine Schwiegermutter zu beer ben, u.diese dann lebendig mit nachHause nehmen muß? Brauche ich besonders zu erwähnen, daß Knolle die Heimreise in sehr deprimirter Stimmung zurücklegte? Und doch war unser Held so gutmüthig, daß er eigens eine Droschke nehmen wollte, um die etwas angegriffene Stieffchwieger mutter von der Eisenbahn nach seinem Hause zu fahren. Frau Plumpmeyer dankte ihm durch einen stummen Hände druck. Als unsere Freunde um die Ecke bogen, um den nächsten Droschkenhalteplatz zu erreichen, sahen sie, wie in den einen der noch vorhandenen zwei Wagen eben ein Herr und eine Dame einstiegen. Fast zu gleicher Zeit hatten Frau Plumpmeyer und unter Knolle die Beiden erkannt Frau Plumpmeyer ihre durchgebrannte Magd nebst Barbiergehülfen, und Herr Knolle jene Todesbotschaft bringende Schwindlerin. Fünf Minuten später be fanden sich die Beiden in den Händen der Polizei, die ihnen nach einem scharfen Verhöre den größten Theil der erbeuteten Habseligkeiten wieder abnahm. Und wenn ich hier den Schluß consta tiren kann, daß unser Held, Herr Regi strator Cornelius Knolle, nach etlichen Jahren seine Stiefschwiegermutter noch um ein Erklekliches beerbte, so ist damit, glaube ich, der poetischen Gerechtigkeit in vollstem Maße Genugthuung geworden. (5n TLarning. Geliebter Printer! Uskohrs es batt mich wohl niks, wann ich Euch anred, „ge liebter Drucker," denn Ihr kumint doch net for mich, denn ich bin en „Old Maid" oder was mer uf gut Deitfch en alte Jungfer heeßt, awer ich kann ewe net annerster —> ich gleich Euch ewe un wann Ihr ah net kummt. Oh mei! was truwelt's mich, daß ich so erbermlich ufdrückle muß un keh Mannskerl in der ganz Welt meh ep pes um mich gebt! Wär ich doch just noch emol jung! Un des is, wovon ich heut en Stück for dei geglichene Zeiting schreibe will, zur Warning for annere Mäd. Ich bin nau 47 Johr alt. Ich heb about so viel Tschäns uf dere Welt, wie en Böbtail-Kuh in der Fliegezeit. Sell fegt mer der Spiegel wann ich nei guck un seh wie viel Runzle ich im Gesicht hab un die pflaumige Hoor betracht unnig meiner Nas. Wie ich 18 Johr alt war, do wär ich kehm Mädel aus'm Weg gange, for ich kann's versichere, ich war ohne Bustels un falsche Wade ehne vun die beste Po sture im Eounty, un Tschänses for heiern hat ich plenty gehatt. Awer ich war zu partikuler un sell is die Mistehk, wu schier alle Mäd mache, die keh BKnner kriege. Der Fred war net gut genung, weil er just en Schuhmacher war. Den John hab ich fortgeschickt, weil er krumme Behn ge hatt Hot. Den Jim hab ich net wolle, weil der Scheriff sei Däddy ausverkahft Hot. Den Bill hab ich hehmgeschickt, weil er vor der Hochzig Hot heire wolle (seller hät ich nochderhand genumme, wann er wieder kumme wär, awer er is net.) Der Däv hab ich gesackt, weil er finf Johr älter war wie ich un alleweil gäb ich nix drum, wann er zehn Johr älter wär. En jun ger Witmann, der zu mir kumme is, hab ich net verlangt, weil er en Wittmann war un alleweil däht ich tfchumpe for die Tschäns, wann just en Wittmann kumme däht. Well, so is es ewe fortgange vun Johr zu Johr. Ich hab all mei Schulkamerade un sogar zweh vun meine jüngere Schwe ster? heire sehne —just ich närrisch Mädel bin ledig gebliewe, weil ich zu partikuler war. For sell sag ich zu alle Mäd: Seid net zu partikuler, wann ihr heiern wollt. Uskohrs, es gebt ah viele Mäd, die zu arig in der Horry sen, un die mehne, wann's emol spucke däht, dernoh müßt der Buh sie heire. Seller Trick recommend ich net, es schmeißt zu viel Eäses in die Eourt, un eb ich en Mann im Eourthaus such, wollt ich dann doch als noch lieber en alte Jungfer fein. Awer ich sag so viel, wann en dießender Wittmann zu euch kummt un frogt euch for's Heiern —langt zu! Schiebt's kehn Dag ab! Es is en Elend, en alte Jungfer zu sein. Un niemals hab ich sell mehner ausge sunne, wie letzte Winter bei dem ferchter lich kalte Wetter. Es war zum Haaraus reiße! Wann ihr des do druckt un ihr kummt ehnige Zeit do herum, dann verloßt euch druff, ich mach's recht mit euch. Die Alt Sällu. (YrrlGaz.)