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Sein Namenstag. „O jegerl, Kinder, paßt's auf, Leopold! Ham mer schon g'habt, jetzt kommt auf ja und nein den Vätern sein Namenstag da her, da heißt's jetzt fest dazuschau'n, sonst sitzen mer da wie die Nanerl am Bach." Bei den Kindern der Frau Brenninger zog ob dieser Anredung eine süße Vorah nung von Gugelhupf, Braten und süßem Wein durch das Gemüth, und sie schmieg ten sich liebevoll an die Mutter. Gleich wie bei allen Festlichkeiten in der Familie Brenninger, begannen auch hier die Vor bereitungen mit dem Entwurf des Speise zettels, und zwar nannte die Hausfrau seltsamerweise vorerst jene Gerichte, die nicht gekocht werden sollten. „A Schöberlsuppen is ka Rarität, die macht ma bald, wenn ma Zeit hat, das Rindfleisch hat niemals kan rechten G'sckmack nöt, von dem wer'n nur die Fleischhauer fett. A Zuspeis in der lah reszeit? Da wüßt i wirklich nit, welche, mir stecken gottlob in kan Strafhaus, daß mir Erbsen essen sollten. Mit der Mehl speis vampst ma sich nur den Magen voll, und wann dann was Rechts kummt, kann ma nöt weiter, und bei'm Brate! weiß i nöt aus und nöt ein. Die Ganseln hat der Vater schon im Sommer g'nug kriegt, die Hendeln san aus'n Bachen herausg'wach fen, für's Braten noch zu dürr, und die steirischen Kapau'n aus'n Siowakendör sel, das Stück zu vier Gulden, tragt'n uns nöt. Mir san ehrsame G'ichäftsleut' und kane Bankiers, und deswegen hal's aber auch bei uns kan Krach nöt geben." Nach kurzer Rast fuhr Frau Brennin ger fort: „..Hernach weiß i aber a nöt. was ich den Vätern diesmal auf die Torten setzen lassen soll. Die „Vivat" san mec schon z' fad, „Hochleben" han mer'n auch schon g'nug lassen, also was soll da d'roden verzuckert wer'n?"" Der älteste Sohn ein blonder Knabe, der die Schwierigkeiten der zweiten Volks schulklasse siegreich zu überwinden wußte, piepste schüchtern, man möge auf die Torte den Spruch setzen: „Zum Andenken an Deine trauernde Familie." Empört rief die Mutter: „Tu verdäch tiger Malafiz-Bua, das hast vielleicht am Armenseelentag auf an' Grabkreuz g'le sen, und jetzt möcht'st es anbringen." Die kleine Resi, des Vaters Liebling, meinte: „Am Besten gar nix schreiben, Mutter, denn wo die Buchstaden sind, kommt kan Obst hin, was doch viel besser is." „Plausch nit, bei an Namenstag ist die Torten Nebensach', der Spruch das Meiste. Ich glaub', das G'scheidteste wird sein, ich überlaß die Spruchwahl dem Zuckerbäcker, dem kommen solche Fäll' alle Tag' vor, und der kennt sich besser aus, wie wir, was mer da wa 'nausschreiben könn.', um dem Vater a wahre Freud' z' machen." Sein Namenstag war so gefällig, auf einen Sonntag zu fallen, und da liebt es der Vater, eine Stund' länger, als sonst des Scklafes zu genießen. Allein zwischen Träumen und Wachen hörte er am frühen Morgen ein Geräusch, gleichwie das-ver zweiflungsvolle Plätschern eines Ertrin kenden, dazwischen herzzerreißende Klage rufe. Obgleich des Schwimmens unkun dig, sprang der brave Mann dennoch so fort zur Rettung aus dem Bette, er eilte in's Nebenzimmer und fand die Nesi, welche sich heldenmüthig gegen die mütterlichen Wasckvcrsuche vertheidigte. Sobald vas Kind des Vaters ansichlig wurde, huschte es blitzschnell in seine Arme und schrie: „Wegen Dein Namenstag pritsckeln's mich schon o ganze halbe Stund' mit kaltem Wasser ab, nit wahr, Vater, das leiv'st Tu nit?" Herr Brenninger war vollkommen in der Lage, die Temperatur von Resi's Waschwasser zu beurtheilen, denn die Nässe ihres Körpers hatte gar bald seine dünne Nachtkleidung durchdrungen. Schnell eilte er in's Schlafzimmer zurück, schlüpfte in den wattirten Schlafrock, und im selben Momente kamen auch die Kinder zum Wunschaufsagen herein. Vor Beginn die ser Vorträge entbrannte jedoch ein hestiger Streit der Geschwister, da Jedes zuerst d'ran kommen wollte; schließlich sprachen sie zu gleicher Zeit, einer den Anoern so gewaltig überschreiend, daß ihre Gesichter purpurrot!) wurden, der Vater kein Wort verstand. Als sie geendigt, begann Frau Bren ningcr, doch bei den ersten Worten über wältigte sie die Rührung, sie fiel ihrem Manne um den Hals und flüsterte ihm laut schluchzend in's dhr: „Geh', Altcr, g'rechtel Dir a paar Gulden, die Dienst boten kommen gleich in's Gratuliren." Wirklich erschienen alsbald Stubenmä del und Köchin an der Schwelle, die Letz tere mit gcrötheten Wangen von des Tazes Anstrengung, und wünschten „zum glorrei chen Namenstag, was sich der gnä' Herr nur selber wünscht." Schnell erwiderte Herr Brenninger: „I dank' Euch vielmals; wißt's, was i mir selber wünsch'? Mein' Kaffee und die Zeitung." Die Mutter fand Dies etwas profan an so wichtigem Tage, allein nichtsdestoweni ger holte sie das Frühstück und das Mor genblatt. Leider jedoch hatte auch das Letztere zum Namenstag beitragen müssen, indem der Leitartikel bei'm Lockerlbrennen die 'Papilloten geliefert. Brummend schlürfte Herr Bienninger seinen kalten Kaffee, dann aber mußte er sich in Toilette Wersen, um die Freundschaft zu empfangen. Frau Brenninger hatte für die erwarteten Gäste im Sitzzimmer kalten Imbiß und Wein aufgestellt, und der Vater mußte sich so häufig „für die Ehr' bedanken," mit so vielen Leuten anzustoßen, daß er am Mit tag die bittere Klage ausstieß: „Mein Kops schieppert mir so, daß i an mein' verka beln Namenstag nimmer weiß, wie i ei gentlich heißen thua!" Zu Mittag geleitete Frau Brenningec ihren Mann siegestrunken zum Tisch und theilte ihm mit, daß die Köchin des Festes wegen nach dem Kochbüchel lauter funkel nagelneue Speisen herg'stellt, die noch nie aus ihrem Tisch gestanden wären. Diese ersten Versuche Waren jedoch so total miß lungen, daß der Vater meinte: „Ihr müßt's rein in Eurem Büchel die Blätter tauscht haben, denn so an Durcheinander von Süß und Sauer hat noch sein Lebtag kein Mensch kocht, keiner gegessen." Vor Erscheinen des Bratens sprach Frau Brenninger eine Art von Festprolog, in welchem sie den großen Kostenaufwand be tonte, da der Jndian ganz in Madeira ge kocht worden sei. Bei'm ersten Bissen rief Herr Brenninger empört: „Das i a Koch büchel! Dein Schustervogel hat kan seinen Mein nit vertragen, schau, daß er wieder hinauskommt." Die Schlußnummer des Diners war nun gekommen, und das Stubenmädchen brachte, festlich gekleidet, die geschmückte Torte. Der vielbeschäftigte Conditor halte wahrscheinlich gemeint, es handle sich hier um ein Brautpaar, denn aus dem süßen Kunstwerk schnäbelten sich zwei Tauben, ringsum standen die Worte: „heut' rei chen wir uns die Hand zum ewigen Lie besbond." Jetzt war es mit der Geduld des Vaters zu Ende. Er rief: „Zun Schnäbeln hab' i nach so einer Kost kan Hamur, und wann i Dir nöt sckon vor et liche zehn Jahr' die Hand g'rcicht h,w'. beut sallerl's mir sicker nit ein." Dann stürmte der Vater in's Kaffeehaus. Als Herr Brenninger am Zpätabsnde heimkam, empfing ihn seine Gattin mit den Worten: „Die Nesi muß sich von dem süßen G'fraß den Magen verdorben haben, sie brennt völlig vor lauter Hitz, 's gibt halt ewig ka Freud' ohne a bisse! an Ver druß." Eppes von MiStehkS. Heut will ich mohl in kurze Worte be weise, Mister Löb, daß die Mensch all' mißtehken sen, und daß lehn Mensch in der Welt rScht saunde Gedanke Hot, eksept er loßt sein Gedanke ruhle und regulete vun're Quell, die gescheiter is, wie alle Mensche. Nau will ich nit lang auswennig rum schweze un will grad an Fäkts Halt nemme un ich will hoffe, daß hie und da ehner vun den viele Leser, der Verstand enug Hot, um zu wisse, was ich inehn, und der es dann de annere verzählen und auslege thut. Du bist mistehken, wan Du denkst, es is a Unterschied zwischen hohe und reiche Leut un arme Schaffleut, Bauer oder Tagelöhner. Ich will pruhse, daß der Unterschied zwischen einem Bettelmann un einem König nit größer is, was ihre Gcöß anbelangt, als der Unterschied zwischen zweh junge Katze vun ehner Aelt. Es deht wenig Unnerschied machen zu uns, ob ich oder Du große oder klehne DreÄkäser wären, wann wir doch mobl Dreckkäser sein müßten. All' die Dreckkäser, es macht niks aus, wie groß und wie dick sie sich uff blose, un ah die Grumbierekäfer. klehne un große, könne sich nit mehner. wie tüch tig fatt esse, un wan sie sell for a weil ge thu hen. müsse sie hin, wo mir Alle hin müsse, sor die Bibel sagt: Von Staub bist Du und zu Staub mußt Du wieder zu rück. Wo is nau der Unnerschied zwischen Könige un Baure, Bikbakses, Drucker un Dreckkäser? Guck us die Königin Viitoria in Eng' land, die is gewiß ehns vun den Reichste un Höchste. Well, der annere Tag is sie die Steg nunner geborzelt, Hot sich a paar Knoche verstrehnt un hat do gelege just wie Du. Mister Löb, wie do kerzlick wege Deine Auge die Doktors hinnich Dir wa ren. All der Unnerschied zwischen Dir. Mister Löb, un der Königin Viktoria is der, das» sie niehr Geld Hot wie Du, but sell hoscht Du ah genug, wann die Hart leibige mol denke, dem liebe Gott die Ge duld geht aus un wie ehrliche Leut sie Dich bezahle. Oskohrs waren um die Königin, wie sie gesallen war, gleich a halbes Dutzend vun de beste Doktors un Ser vants herum, hen sie ussgehobe un in's Bett geschafft, aber die Schmerze hen sie ihr nicht nemme könne; sie Hot freilich uft'm beste Bett gelege, zugedeckt mit Sei den un Purpur, aber sie Hot ebe doch ihre Schmerze tragen muffen, just wie der arm Lazarus, wie die Hund seine Geschwüre geleckt hen. Die grobe Doktors hen sie nit mehr gehatt, als die Hund ven arm Lazarus gehatt hen. Soffere Hot sie müsse wie ehnig epper, wann ihm so eppes pas stet, un wann sie nit Acht gebt, werd sie dra zu leide habe, bis sie sterbt un zu Staub wird wie der Arme oder wie ehnig klehnig Jnselt. Mit dem Ben un seiner Frah wzren die Leut ab mißtehken. Sie hen gemehnt, es wär große Ehnigkeit zwische ihne, ober do kerzlich hab' ick selber geiehne, wie der Ben un sein Alte Suntag Morgens mita ner zum Nacklmol ganze ien, un sckon am seine Owet sin sie ausgefalle über'm Mi ke» un ben ananer verschölle und oersiutl. daß die Nocbbere beigeiprunge sen, um sie vum feckte zu balre. Nau sagen die Leut', es wär a Sckand, daß sie zum Nackt,nol gange wären. Sell is aber wieder a Mistehk. Es Nachtmohl gehn war recht, ober das Schelten un Fluchen war der Mistehk. Ich hab noch a Haufe derartige MI?- tehks, so groß wie a Heustock, die überall unnich die Leut zu sehne sen a dehl davon kumme verleicht noch. Ich will m»l erst sehne, ob mei Schreibes ah eppes hat, eh Ick noch mehner Papier Verderb. Es wär ah a Mistehk, wann mer a lange Storie schreibe deht, eb mir wißt, ob's eppes hat oder »it. Nau meint sell. Ich schreib nau nimmermehr über MistehkS, eksept es kummt Ehner un beweist mir, daß des eppes gehat Hot. Wien und Berlin. Vor Kurzem hatten die Briefe des Wie ner Correfpondenten der „Köln. Ztg." ei nen Streit über die Vorzüge der Städte Wien, Berlin und Paris hervorgerufen und das Lob, welches Berlin gespendet wurde, brachte Wiener Feuilletonisten in Harnisch. Jetzt kommt eine Vergleichung von Wien und Berlin aus der Feder des Allwieners Ed. Pötzl im „Wiener Tagebl." und dieser meint: Wien seine ruhm vollste Zeit nickt mehr vor sich, während Berlin aussteige. Pötzl fragt: Warum lassen uns die begeisterten Verehrer im Stich, während die täglichen KOMO Gäste Berlin's so viel zur Bewegtheit der Phy siognomie deffelben beitragen? Die Ant wort liegt sehr nahe: Nach Berlin fährt man in Geschäften, »ach Wien zum Ver gnügen. Und das letztere ist ein theurer Spaß, der stets zur reislichen Ueberlegung herausfordert. Die Berliner sind geneigt, so fährt Pötzl fort, allem Wienerischen, insbesonvere aber dem Wiener selbst, auf das Liebenswür digste entgegenzukommen. Unvergessen ist ihnen der kürzeste Ausenthalt in Wien ge blieben; als seinsinnige Menschen schwär men sie für Oper und Burg, loben den Wiener Ehic in Kleidung und Geräthen, preisen den Fiaker als die vorzüglichste „Gondel" der Welt nur finden sie alle diese Genüsse, so wie dos materielle Lebe« in Wien theuer. Eine Berliner Hausfrau, welcke lange in Wien gelebt hat, gab ihrem Ideale duick folgenden Wunsch Ausdruck: „Ich wöckte in Wien leben, in Berlin aber einkaufen!" Ja, es ist billiger in Ber lin, und dos ist wahrscheinlich mit einer der Gründe für sein Ausblühen. Eine un sichtbare Hand hält Alles innerhalb gewis ser bürgnlicher Grenzen, von den Bau werken angefangen bis zur Bullerstulle hinab. Das Kunstgewerbe steht aus einer hohen Stufe, allein es besaßt sich weoer mit veirücktem Tand, der als Modearti kel Tausende kostet und nach wenigen Jah ren werthlvs ist, noch gibt es zu Klagen über hohe Preise Anlaß. In allen Thea» tern deren Berlin ein Dutzend durch schnittlich wohlbejuchter gegen süns Wiener Thealer zäblt sind die Preise unter vem Niveau der hiesigen. Selbst die Agioteure begnügen sich, ganz besondere Fälle an»- genommen, mit einem bescheidenen Ge winn. Gegen sünszig Pfennige Ausgels kann man lederzeit von ihnen Karlen ha ben. Darum geht aber auch ihr Hansel jobrous jahrein schwunghaft, während ihre Wiener Eollegen monatelang au-z den Töven saugen müssen. Die Droickce zweiter Klasse, welcke nickt etwa demselben Vorurlheiie ausgesetzt ist, wie bei uns der Ecmsortable, siihrl sür seckszig Pfennige zu jeder? Tbealer, und niemals wirb es dem Kulsäer einsallen, ein Trinkgeld z» ver langen. Als ick sür eine derartige -Vidrt einmal nack Wiener Gewohnheit zwanzig Pseiinige über die Taxe gab, dankte der Kuyckcr sehr und mackte dazu ein Gesickt, ols ob er dächte: „gewiß elu De- sroudent, dieser Kunde!"" 5