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4 Unschuldig am Galgen. Erst ganz kürzlich ist die Unschuld eines Mannes an den Tag gekommen, der we gen einer vor fast 68 Jahren vonAnderen verübten Mordthat sein Leben am Galgen beschlossen hat. Um jene Zeit wurden die englischen kurzhörnigenßinder, die „Short horns," zuerst in Kentucky eingeführt, unv Dies hatte eine außerordintliche Belebung des Viehhandels zur Folge. Die Mittel punkte der geschäftlichen Abmachungen der Händler waren Louisville, Ky., und Cha rleston, S. C. Die Geschäftsreisen wur den ausschließlich zu Pferde zurückgelegt. In einer Nacht im Juni 1818 sprengte ein reiterloses Pferd in den Hof der aus gedehnten Pflanzung des reichen Planta genbesitzers Hamilton in Barren-Co.,Ky., des angesehensten Mannes in der weilen Umgebung. Dasselbe wurde als dem Dr. John P. Henderson aus der Nähe von Natckez, Miss., gehörig erkannt. Der Letztere hatte den Tag zuvor einige Stun den bei seinem Freunde Hamilton ver weilt und diesem mitgetheilt,er sei aus dem Wege nach Louisville, um dort Sklaven zu kaufen. Die Gegend wurde nach Henver son oder dessen Leiche abgesucht, unv Letz tere schließlich am Eingänge ?n eine sumpfige Schlucht, durch welche der W z sühne, in dichtem Gebüsche versteckt auf gesunden. Im Kopse des Ermordeten staken zahlreiche Schrote; in der Hirn schaale saß der Deckel von derPuloerpsanne einer Reiterpistole sest. DieLehtere, sowie der Hut Henderion's wurden in ver Nähe der Leiche entdeckt. Im Futter des Hu tes fand sich ein Papier eingeklemmt, auf dem die Nummern von 31 Einhunvert- Dollarbanknoten einer Bank in Mississippi verzeichnet waren. Henderson war lebend zuletzt in der Gesellschaft des John C. Hamilton gesehen worden, der ihm ei»e Strecke das Geleit geben und dann nach einer Art Vorwerk seines Vaters, einem Posten des Besitzthums des Letzteren, hatte abbiegen wollen. Unter diesen Umständen drängte sich derVecsacht unwillkürlich aus, daß der junge Hamilton dasVerbrechen ausgesührt habe oder doch an dessen Ausführung betheiligt genesen sei. Er wurde verhastet, jene 31 Hun dertdollarnoten wurden in seiner Tasche gesunden. Fast gleichzeitig wurde ermit« telt, daß Hamilton die mit Messing be schlagene Reiterpistole vor kaum vier Wi chen vom Eol. John Gorin in Glasgow gekaust hatte. Der PsannenSeckel im Schädel des Ermordeten gehörte zu jener Pistole. Die Schrote im Kopfe der Leiche waren genau dieselben, wie sich solche in Patronen unter den Jagdute»!Uien Ha milton's vorfanden; die Patronen hatte der Letztere gleichzeitig mit der Pistole von Gorin übergeben erhalten. Das Wohn haus und die sonstigen Gebäude der Ha müton'schen Pflanzung wurden durchsucht. In einer Scheune fanden sich, im Stroh versteckt, ein Paar stark mitßlut verunrei nigter Beinkleider des jungen Hamilton. Dieser leugnete nicht, daß solche ihm ge hört hätten, seine Schwester mußte Dasselbe bezeugen, sie hatte die Beinkleider wiever holt gewaschen und gebügelt. Wie Letztere in die Scheune unter das Stroh gekommen seien, konnte er nur dahin erklären, daß am Abend, nach welchem das Pferv des Ermordeten aus die Pflanzung kam, ein Sklave ohneEilaubniß einer in versah iar jchast stattfindenden Festlichi-ft beigewohnt habe. Derselbe habe wahrscheinlich Streit bekommen, Blut fei geflossen, der Neger habe seine Hamilton's blutbefleckte Hosen in der Scheune versteckt, habe seine eigenen Kleider genommen und sei entlau fen; jedenfalls war seit jener Nacht der Sklave verschwunden. Die Pistole wollte Hamilton dem Henderson auf dessen Eriu chen geliehen haben. Den Besitz der Banknoten erklärte Ha milton, wie folgt: Henderson habe für vas Geld in Kentucky Shorthorns kaufen wol len; er—John C. Hamilton —habe eine Reise nach Mississippi beabsichtigt,um vort Sklaven zu taufen. Mit der Vorausga bung der Mississippinoten in Kentucky und von Kcntuckunoten in Mississippi seien bei derseitige Verluste verbunden gewesen.und so hätten sie die Noten gegenseitig ausge tauscht, er—Hamilton—aber sei dem Hen derson aus die P3lOO nach gegen HlOOO schuldig. So glaubwürdig diese Darstel lung an sich erscheint, so wurde sie doch durch keinerlei Umstände unterstützt und bekräftigt. Selbst über den Erwerb des an Henderson bezahlten Geloes konnteHz milton keine bestimmten Angaben machen, er sagte nur, daß er sehr häufig ein paar Tausend Dollars an Hans gehabt habe, und Dies war bei den Vermögensoerhält nissen der Familie durchaus nicht unwahr scheinlich. In der Untersuchung standen dem An geklagtender mächtige Einfluß und das gro ße Vermögen seinesVaters zurZeite. S hon damals war in Kentucky das Wort gang und gäbe, es sei dort nicht möglich, einen reichen und angesehenen Mann wegen ei nes von demselben begangenen'LerbrechenS zur Strafe zu ziehen. Hamilton wurde von dem ausgezeichne ten Rechtsanwalt Johnßowen vertheidigt. Dieser ebenso gelehrte, als beredte und wegen seiner Rechtlichkeit hochangesehene Jurist bat in 40 Untersuchungen wegen todeswürdiger Verbrechen die Vertheidi gung geführt. In 39 Fällen haben die Prozesse mit Freisprechung der Angeklag ten geendigt. Die Wucht der gegen Ha milton vorgesührten Beweise war, obgleich Letztere nur in sogenannten Anzeichen ovsr Indizien bestanden und trotz des tresflichen Leumunds des jungen Hamilton und des hohen Ansehens, indem die Familie stand,so überwältigend, daß der Angeklagte schuldig befunden, zum Tode verurtheilt und hingerichtet wurde. Sein Vertheidi ger Rowan hatte feine Pflicht in ausge zeichneter Weise gethan. Er hatte den Geschworenen zugerusen, trotz aller für die Schuld des Angeklagten sprechender Umstände sei er von ver Unschuld Hamil ton's mehr überzeugt, als er jemals von der Unschuld eines Angeklagten überzeugt gewesen sei. Nach dem letzten Kriege wurde ein ge wisser Richard H. Rousseau von Louisville als Konsularbeamter in Honduras inMit telamerika angestellt und dort im Jahre 18K9 von seinem Bekannten, dem Pflanzer Col. Gibson von Vicksburg, Mist., in der Stadt Tegueigulpa besucht. Bei dieser Gelegenheit kamen Beide auch aus dieVa milie Hamilton und aus die unaufgeklär ten Schicksale eines früheren Mitgliedes derselben zn Rousseau hat im Lause der Jahre durch eine eigenthümliche Verkettung von Umständen die unzweideu tigen Beweise erlangt, daß Henderson von zwei Fremden ermordet worden und daß Hamilton völlig unschuldig gewesen ist. Ein Großneffe des Hingerichteten wird die Revision des Prozesses beantragen. Folgen des blaue» MsntagS. „Herr Präsident, derf ikZhnen detZach verbältniß mal erzählen, wie sich det jewiß un wahrhaftig zugedragen hat?" Diese Frage richtete kürzlich der Klempner Emil Hase, welcher mit dem Metallvreher Ernst Berndt des gemeinschaftlichen Hausfrie densbruchs angeklagt war, an den Vor sitzenden des Berliner Schöffengerichts und ließ sich nach erhaltener Erlaubniß folgen dermaßen vernehmen: „„Also an den be wußten Morgen—det war en Montag— begegne ik Berndt'n in der Jnvaliden str'aße, un wie det nu so is, wen« sik zwei olle Freinde treffen dhun, da wurde erst Eener uf'nDiensteid genommmen.Schließ licherweise wurden wir denn einig, det wir blau machen wollten, un Berndt forderte mir uf, i! sollt mit ihm in dat Müller'sche Lokal an der Chausseestraße gehen, indem da immer en Stammgast dhätesind, der en janz vermoster Kerl wäre un immer voller Witze dhäte stecken. Na, wir jehn denn nu hin, un richtig, der Witzenmacher, wat eben der Agent Simon is, der hefte als Zeuge hier is, war och da. Er machte denn och allerhand Feez, so setzte er zum Beispiel zehn Seidel gegen, det ik nich zwanzigmal schnell hintereinander „die Katze tritt die Treppe krumm!" sagen könnte, un ik verlor och die zehn Seidel. Hernachens nahmen wir den Würfelbecher und trudelten uns einige Seidel aus, und Simon zeigte uns ein neies Würfelspiel, wat er „christlich sozial" nennen dhat, un wobei ik nich blos wieder die ganze Zeche, sondern och mein sämmtlichst Jelv, wat ik bei wir hadde ik jlobe, et sind so an vie zwee Mark gewesen—verlieren dhat. Nu hörte ik natierlich uf un sitze so jcsal tene Hände an'n Disch, als Simsn mit eenem Male meinen joldenen Trauring in't Ooge kriegt. Ihnen jeht det wohl oock so,als wie mir,sagte er denn un zeigte mir dabei seinen Ring, mir sind die Finger so dick jeworden, dct ick den Ring absolut nicht wieder runter kriegen kann." Ick sage denn nu „jawoll," sage ick und halte ihm meine Hand hin, „da möchte ich dreist zehn Thaler wetten, det Sie den Ring nicht runter kriegen." Er dreht da denn erst so'» blsken d'ran un sagt dann: Zehn Dhaler brauchen Sie nicht zu setzen, aber wenn Sie zehn Seivel pariren wollen, die will ick halten un den Ring runterziehen." Ick wußte denn nu, det er verspielen würde denn seit zehn Jahren is der Ring nicht von meinem Fi nger gewesen un nehme die Wette an. Ick setze mir nur so an't eene Ende von'n Disch un stemme mir so mit eene Hand gegen,un er setzt sich an't andere Ende unv hat meine andere Hand zu fasten und fängt an, mit den Ring zu exerziren. Un wat zmeenen Sie woll? Der Schlaukopp kriegt ihn durch det Drehen un Ziehen un Reißm, wobei er viele Spucke anwenden dhat un ick eene Menge Schmerze» aus stehen mußte, richtig runter. Nu soll ick die zehn Seidel jeden; weil ick nu aber schon jenug jedrunlen un ooch keen Jelv bei mir hatte, so sage ick,ick wollte die zehn Seidel us'n andermal jeden. Als Simon nu aber den Ring so lange in Pfand be halten wollte, da wurde ick falsch, un det kann mirkeener verdenken, denn wat wür de woll meine Frau, wo ick zehn Jahre mit verheirathet bin, sagen, wenn ick ohne den Trauring nach Hause kommen dhäte. Ick muckte denn nu eklich uf, und mein Freinv Berndt stand mir natierlich bei.wodrus der Agent denn woll einsehen Kh»t, det dieZe schichte für ihn windig werden konnte,denn mit eenem Male warf er den Ring uf'» Fußboden und jing raus. Nu kam aber die Wirthin und schimpfte, det wir ihre besten Jäste vertreiben dhäten, un sagte, wir sollten det Lokal verlassen. Wir sagen denn nu natierlich, erst wollen wir den Ring wiederhaben, und suchen nach ih n. Nu fing sie an zu schimpfen, und wir schimpften natierlich wieder un dem Ring. Endlich sanden wir ihn unv wollten jerade fortjehen, da kam auch schon der Schutzmann, den die Wirthin hatte ho len lasten, und wir mußten mit zur Wache. So is et jewesen, un nu frage ick eenen Menschen,kann ick denn ohne meinenTrau» ring nach Hause jehn, un is det eenyaus frtedensbruch, wenn wir ihn suchen, un die Wirthin schimpft uns aus? Ick bitte den hohen Gerichtshof um unsere Frei sprechung.""—Da die Beweisaufnahme in der That ergab, daß der wie vorstehend vom Angeklagten geschilderte Sachverhalt der Wahrheit entsprach, so wurde ein frei sprechendes Urtheil gefällt, und erhielten die Angeklagten vom Präsidenten nur die wohlgemeinte Ermahnung mit aus den Weg, in Zukunft nicht wieder „blau" zu machen. Die Trittkfrage. Durch die auffallende Zunahme desVer brauchs berauschender betränke veranlaßt, hatte der Schweizer Bundesrath das stati stische Bureau des Landes, sowie eine be sondereCommission beaustragt. imZn- und Auslande alles aus die Triaksrage bezüg liche Material zu sammeln, zu sichten und eingehenden Bericht zu erstatten. Letzte rer ist soeben erschienen; einzelne Theile seiner Darlegungen, die von allgemeinstem Interesse sind, entnehmen wir demselben um so lieber, als alle Arbeiten des statisti sliscken Bureaus der Schweiz sich durch Zuverlässigkeit und Gründlichkeit auszeich nen. In den nachverzeichneten Ländern wur den in ven fünf fahren bis Ende 188? durchschnittlich unv jährlich an berauschen den Getränken auf den Kopf der BZoölke rung verbraucht (ein Liter Svirituoien zu einem Alkoholgehalte von 50 Prozenten angenommen): in V.Spirituosen. L. W-in. e. Bier. Canada ».<>B 0.2!» 8.51 Norwegen 3.W I.W t 5.30 Ver. Siaalen ~ 4.79 2.64 3t.30 Großbritannien u. Irland 5.37 ?.yl> tIZ,9Z bestreich Ungarn. S.7K 22,!>> 28.42 Frankreich 7.23 1i?.20 21.1 t) Rußland 8.03 unbekannt 4.55 Schweden 8.14 0.3» tt.Oi» Deutschland 8.l?0 e.o» Belgien 5,20 3.7«) n.9.20 Schweiz 9.40 55.VÖ 37-50 Niederlande 9.87 2.5,7 27.»0 Dänemark 18.SO 1.00 33.33 Diese Zahlen rmoersprechen einzelnen bisher weit verbreiteten Annahmen. Sie lehren, daß die im Norden wodnenvenLöl ker nickt den meisten Durst baben, daß die Deutschen, die Engländer und die Bewohner der Ler. Smaten im Verhält nisse zu den Angehörigen anderer Na tionen sich großer Mäßigkeit rühmen kön nen. Der Franzose genießt durchschnittlich mehr Alkohol, nicht blos, als der Englän der, sondern sogar mehr, als der Schwede und Schweizer. Der Gehalt der Spiri tuosen an Alkohol wird durchschnittlich zu 50, der des Weines zu 125, der des Bie res zu 5 Prozent angenommen. Danach verzehrt der Franzose jährlich 19.67. oer Engländer 10 03, der Schweizer 13.15 Liter Alkohol, der Däne aber, der jährlich 18.90 Liter Spirituosen zu sich nimmt, trinkt so wenig Wein und Bier, daß sein Gesammtverbrauch an Alkohol jährlich nur 12.22 Liter beirägt. Der Belgier kommt mit einemAlkoholconsum von 12.6.ZLtlecn dem Schweizer sehr nahe, während der Deutsche nur 8.30 Liter Alkohol hinter die Binde gießtoder,genau genommen, noch et was weniger.denn bei elnerZeitseyung des Alkoholgebaltes von Bier zu 5 Prozent ist der englischePorter angenommen, während das deutsche „Lager" keine 5 Proz. Alko hol enthält. Sonach verbrauchen die Franzsien die größte Menge desjenigen Stosses, welcher die eigenthümlichen, die wohlthätigen unv die schlimmen Wirkungen der berauschen den Getränke bedingt. Ihnen zunächst kommen die Belgier, Schweizer, Dänen, Engländer und Deutschen. Diesen Er gebnissen der sorgfältigsten Ermittelungen gegenüber, welche jemals aus diesem Ge biete angestellt worden sind, erscheint die Thatsache doppelt auffallend, daß inFrank reich Trunkenheit verhältnißmäßig äußerst