Newspaper Page Text
2 dem Onkel Hut und Stock reicht. Wäh rend Beide den Speifesaal verlassen, weicht die Spannung aus seinem Gesicht. Dann geht auch er. Einige Tage sind verflossen, für Onkel und Nichte in fliegender Eile. Jeder Tag brachte den beiden Naturfreunden neue Genüsse. Sie wurden nicht müde, die na he und weitere Umgebung Badenweiler's nach allen Richtungen zu durchstreifen. Heute wurde ein Spaziergang nach der „Sophienruhe" gemacht, morgen eine Fahrt auf den„Blauen," undOnkelFernow war in fröhlichster Stimmung. Bekannt schasten hatten sie noch gar nicht gemacht, aber so wenig des Häschens Sinn sonst nach Geselligkeit stand, so erwünscht schien es ihr jetzt zu sein,hier und da anzuknüpfen. Der Onkel merkte wohl, daß es ihr bei der Bekanntschaft Vieler doch nur um die Bekanntschast des Einen zu thun war. Es war ihm auch nicht entgangen, wie dieser Einer ebenso dahin strebte, dem jungen Mädchen näher zu kommen. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, die Wünsche Beider zu ersülkn, aber er liebte es nicht, der Vorsehung vorzugreifen, an deren unsicht barem Walten er mit frommem Glauben hing. „ „Weißt Du, daß ich garnicht böse wäre, wenn demnächst 'mal wieder ein „Heinrich Meyer" uns zu solcher Re»se veranlassen würde,"" sagte er eines Tages scherzend zu seinem Häschen. Das junge Mädchen antwortete nicht sogleich, aber sie sah ihn bittend an, als wollte sie sagen: „Ach, sprich doch nicht von so Etwas," und dabei stieg eine dunkle Rothe langsam in ihrem Gesichtauf. „Diese Reise hätten wir auch ohne besondere Veranlassung gewiß 'mal ausgeführt," entgegnete sie nach einer Weile. Dann saß sie wieder, wie jetzt so und wie es sonst aar ihre Art nicht war, m Gedanken verimnen oa unv ichtr» die Welt um sich her zu vergeben. Seit jenem Mittag, wo sie den Fremden gesehen, der vom ersten Moment an ihr Interesse erregt, trotzdem sie Nichts von ihm wußte, als was sein Aeußeres ihr sagte, war diese Veränderung mit ihr vor gegangen. Onkel Fernow beobachtete sie stillschwei gend, während aus seinem Gesicht die ver schiedenartigsten Empfindungen— Freude, Kummer, Befriedigung aus» und nie derwogten, bis zuletzt der Muthwille die Oberhand gewinnt. Sein Vertrauen aus die Vorsehung war nicht umsonst gewesen. „Ich habe auch die Bekanntschast unse res Tischnachbarn gemacht," sagte er jetzt im gleichgültigen Tone, „des Herrn, der uns vis-a-vis sitzt. Er wünscht auch Dich —" .Was, Du hast ihn kennen gelernt, und ich ich soll nun auch mit ihm bekannt werden! Onkel, liebes Onkelchen, sprich doch, ist es wirklich wahr?" „Ja, läßt Du mich denn zu Wor»-" men, Du Neiner ist es wahr, noch b''' M" aus dem Gesicht, hellen Sonnenschein im Herzen. O,'glückselige Jugend! Lächelnd blickt der Onkel ihr nach. Ob sie mit demselben sröhlichcn Gesicht dahin eilen würde, wenn sie wüßte, daß es der Professor Heinrich Meyer ist, um den sich all' ihre Gedanken drehen? Einige Stunden später finden wir Onkel und Nichte an der Table d'hote, und das junge Mädchen ist wieder ganz das munte re Häschen, als welches wir sie kennen lernten. Verschwunden sind die ernsten G edanken, die gar nicht in das süße Kinder gefichtchcn hineingehörten und es um Jah re älter erscheinen ließen. Frohsinn und Zufriedenheit leuchten wieder aus schönen braunen Augen, die jetzt erwar tungsvoll, als suchten sieEtwas, im Saale umherirren. Dabei bleibt ihr Blick zu fällig aus dem neben ihr liegenden Eou vert hasten, und —als ob ein Gespenst sie erschaue schreckt sie empor. „„Himmel, da steht es ja schwarz auf weiß, „Dr. Heinrich Meyer," o Onkel,sieh doch und laß uns die Plätze wechseln,"" ringt es sich angstvoll von ihren Lippen. „Wer mag es denn sein, der die —" „Es istderProfessor Dr. Heinrich Mey er, der um die Ehre bittet, den Platz an Ihrer Seite einnehmen zu dürfen," spricht jetzt eine Stimme hinter ihr, und großer Gott, er steht vor ihr, Er— Hein rich Meyer! Convulsivisch wogen ihre Gedanken durcheinander, verwirrt und ungläubig blickt sie von Einem zum Andern, während die beiden Herren wie ein paar gute alte Bekannte sich die Hände schütteln. „Sie müssen nämlich wissen, Herr Pro fessor, daß meine Nichte eine gewisse Anti pathie gegen Ihren Namen hegte," sagte jetzt Onkel Fernow, indem er schelmisch lä chelnd zu dem jungen Mädchen hinblickt, das noch mit allen Zeichen der Ueberra schung dasitzt. „Eine Antipathie, die so „Ader Lnlel, wie kannst Du Das nur sagen," spricht schnell das Häschen dazwi schen. „Antipathie ist doch etwas ganz Anderes." „Ja, ja, Tu hast ganzßecht, es Ist schon mehr, als Antipathie, es ist —" „Onkel" es ist das eine Wort ihre Entgegnung, aber sie braucht auch Nichts weiter zu sagen, der Onkel versteht sie. Beruhigend drückt er ihre Hand, und in dem er den Professor aufforderte, an ih rer anderen Seite Platz zu nehmen, weiß er dem Gespräch eine so anregende Wen dung zu geben, daß sehr bald nichts An deres, als Heiterkeit die kleine Gruppe zu beseelen scheint. Nie war der Onkel red seliger, nie leuchteten Häschen's Augen in hellerem Glänze, nie sprachen des Profes sors ernste Mienen so deutlich Befriedigung aus. Gle»^' Me, der die Hind-" seinem Lc>'' N"n ' der Bekanntschaft nicht vermögen. Wech selvoll, wie das Leben, sind die Gestalten, die uns begegnen. Flüchtig geht man an Vielen vorüber, gleichgültig zieht man mit Anderen dieselbe Straße und findet nicht einen einzigen Berührungspunkt auf dem ganzen Wege. Wenigen nur fühlt man sich wahrhaft verwandt. DasGlück aber, das diese Wenigen uns geben, scheint wie eine Gottesgabe aus einer besseren Welt zu uns herabgesandt. Das empfanden der ernste Mann und das fröhliche Mädchen, deren Wege sich ge kreuzt, um sich nicht mehr zu trennen. Im mer sah man dießeiden zusammen, biswei len allein, meist in Begleitung des Onkels, und fester und fester knüpfte sich dasßand, das sie umschlungen. Häschens Verhält niß zum Onkel war dasselbe geblieben und doch ein anderes geworden! Aengstlich vermied sie jetzt einAlleinsein mit ihm, noch ängstlicher vermied sie den Namen, der ihr noch vor Kurzem so ver haßt und nun je nun, der allertheuerste geworden! Und Onkel Fernow? Er hatte es ja gewußt, daß jetzt der Rechte gekommen, längst, bevor das junge Mäd chen in der Unschuld ihres Herzens ihm ihr Empfinden verrathen, und er hatte diesen Rechten schätzen gelernt. Ohne Groll sah er dem Tag der Entscheidung entgegen. Und dieser Tag kam. Sie saßen wieder auf Häschen? Lieb lingsplatz in der That einem Plätzchen, wie man es lieblicher und lauschiger sich kaum denken kann. Aus einer Anhöhe, einem Ausläufer des Schwarzwaldes, ste hen die Ueberreste einer alten Burg, und an dies verwitterte Gemäuer angelehnt, umrankt von Epheu und Schlinggewächsen, ist ein Ruhesitz angebracht, von welchem man den entzückendsten Rundblick in die Weite genießt. „Fernhin die blauen Vogesen, näher der blinkende Rhein. Zahllos die Städte und Dörser in Dust und Sonnen- So ist das Bild, das eben in diesem Augenblick in ganz besonders schöner Be leuchtung dem Auge des Beschauers sich bot. Die Sonne warf ihre letzten Strah len auf die Vogesen, so daß die Spitzen der Berge, goldig umsäumt, gleich rosigen Wolken am Himmel zu schweben schienen, während das entfliehende Tageslicht die ganze Landschaft mit jenem unbeschreibli chen Zauber umwob, der der Dämmerung vorangeht. Hingerissen von der Naturschönheit, sa ßen die beiden Liebenden eine Weile still schweigend nebeneinander, als wagten sie nicht, die hehre Still? der' Natur zu bre chen, aber mächtiger, denn je, weckte diese Stunde in Beider Herzen die Sehnsucht nach vollem Besitz. "'danken waren heim -5-b wieder am „O, Ilse, meineGeliebte, sprich es aus, daß Du bei mir bleiben willst, immer und ewig." Sie antwortete nicht, aber der Blick ih rer Augen sagte mehr, als Worte vermö gen. Still war's wieder ringsum. Leise be gannen die Schatten der Dämmerung nie derzusinken. Von den Bergen herunter sah man die Heelden heimwärts ziehen und hörte die Glocken erklingen, während unten im Thal hier und da ein Licht auf tauchte. Das junge Paar sah und hörte von Alledem Nichts. In Selbstvergessen heit genossen sie ihr junges Glück. Sie hatte dasKöpschen an seine Brust gelehnt, und er sah zärtlich zu ihr hernieder. Er nannte sie seine Ilse, und sie wunderte sich, daß sie bislang immer das „Häschen" und nie die Ilse hatte sein wollen so schön klang ihr jetzt ihr Name! „Wenn Du wüßtest, meine Ilse, wie ost ich diesen Namen schon ausgesprochen in Sehnsucht, in Liebe, in Hoffen, in Ban gen! Aber Du hast Du mich je schon Heinrich genannt? Und nun gar Heinrich Meyer! Wirst Du Dich gewöhnen können an diesen Dir so verhaßten Namen?" »Heinrich, mein Heinrich, die Frage kann Dein Ernst nicht sein, denn Du mußt mich schon besser kennen! Hat denn der Name mit unserer Liebe 'was zu schaf fen?" Fragend mit dem unschuldigen Kin derblick, sahen die schönen Rehaugen zu ihm empor. Ueberglücklich zog er sie an sich. „Kei ne andere Antwort habe ich erwartet, mein herziges Lieb. Der Name hat allerdings Nichts, gar Nichts mit unserer Liebe zu schaffen.- Das ist auch meine Meinung, aber Deine Antwort erleichtert mir doch die kleine Beichte, die ich Dir nun able gen muß: Ich habe Dir erzählt, daß ich mich in den letzten Jahren vielfach mit Schriftstel lers beschäftigte, ich verschwieg Dir jedoch mein Pseudonym. So ahntest Du nicht, daß ich unter meinem Schriftstellernamen mich Dir bekannt gemacht." „Deinem Schriftstellernamen? Also beißt Du nicht Meyer?" Fast wießedau ?rn klang es aus ihrer Stimme. „Ich 'vt«ße Heinrich v. Förch. Der Heinrich Meyer Sber war mir der beste Prüfstein für Deine Lieh??. ich Deine Antipathie gegen diesen Namen fahren, daher könnte ich mich nicht entschlie ßen, ihn abzulegen. Zürnt meine Ilse mir wegen dieser Täuschung?" „Wie kann ich Dir zürnen? und was thut der Name? Wehmüthig zwar wär's mir gewesen, wenn ich Dich jetzt anders nen nen sollte, als Heinrich." „Ei sieh' doch, so hat sich unsere Mei nung geändert?" Da stand der Onkel, der unbemerkt herangetreten und die letz ten Worte des jungenMädchens verstanden Häschen an seiner