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2 habe ihm später nachgesagt, er habe Geld genommen! Pfui, so Etwas wür de er nie thun. Doch den Dank, den er iu den Augen der schönen Frau las, dafür hätte er Alles eingesetzt. Sonst sprach er über fein Verhältniß zu der schönen Polin nicht viel. Wie es zwi schen ihnen stand, Das habe ich leider noch mehr, als genug, erfahren. „Nun, was sagst Du zu ihm jetzt?" frug mich der Professor triumphirend, als Franz Werner sich entfernt hatte, „ist er nicht werth, daß man sich seiner annimmt?" Was sollte ich sagen? Ich war in eimr Art von Rausch, gerade wie mein Mann, wir waren Beide sas zinirt. Aber ich saßte mich. ..Schafs' ihn fort," sagte ich, „er paßt nicht für uns. Er könnte sich zwischen uns drängen. Es ist besser, wir sühren unser stilles Leben weiter." „Bist Tu auch eifersüchtig, wie alle anderen Frauen?" sagte der Professor. „Ich dachte, darüber wärest Du hinaus. Du weißt eben nicht, was Freundschaft ist." Der Arme sollte eS an seinem eigenen Leibe crsahren. So kam denn Franz Werner Mittag für Mittag zu uns. Er hatte sich im Gasthof des Städtchens cingcmiethet. Schließlich kam er kaum mehr ans un serm Haus heraus. Er brachte Das mit, was uns in Sterkow so fehlte: das großstädtische Wesen, das Wissen von Allem, so das D'rübcrstehen über Allem. Er sprach immerzn, immer von sich, Alles, was vorkam, hatte einen Be zug aus ihn. Was er setzt ansaugen werde? Mit der Beamten karriere war er natürlich fsrtig. Aber Das brauchte er gar nicht. Er hatte ja so viele andere Talente, er hatte die Wahl, ob er Maler werden wollte, Bildhauer, Dichter oder Jour nalist. AlleS Das verstand er, wenn man ihn hörte. Die Pläne, die er ent wickelte, waren großartig, mein Mann und ich hörten ihm immer iiurstauucud zu, wenn er Das vor uns austhat. Au Allem sand er gleich die schwachen Sei ten heraus und wie er es anders und besser macheu werde. Sein Leben wäre noch nicht zu Ende, wie die Philister meinten: er habe die Kette deS Ticnstcs abgestreift, jetzt sollte es erst recht beginnen Nur von der Musik verstand er nicht viel. Aber ich sollte ihm doch immer singen. Lauter gefühlvolle Lieder: „Schubert," sagte er, „singen Sie Schu bert! Das erweicht die Seele." Ueber diesen Gesprächen regte sich in meinem Manne wieder die Neigung zur Schriftsteller«. Es war in der Nach barschaft ein Hügel mit Hcidengräbern aufgedeckt worden. Daran stndirte er nun, verglich und schrieb bis tief in die Nacht. So frisch, wie jetzt, habe er sich lange nicht gefühlt, Das danke er seinem Franz Werner. Wäre er meinen ego ististischen Rathschlägen gefolgt, nm wie viel Seclenficude wäreu wir Beide ge kommen! Für mich hatte Franz Werner immer Zeit. Ich Hing ihm aus dem Wege so viel, wie möglich; aber wie war DaS zu machen, auseinandergepsercht, wie wir waren. Zur Ausführung eines seiner Pläne kam Werner nicht. Es war zu Vielerlei, was ihm durch den Kopf ging. Manchmal denke ich jetzt, es müsse ein Stück Größenwahn in ihm stecken, denn seine Pläne wuchsen immer höher und phantastischer. Wenn er nicht bei mir war, las er ans seinem Zimmer Romane; die brach te er mir, und darüber sprachen wir. Wie es in den Romanen zugeht, wissen Sie ja. Immer von der Liebe. So begann er auch mit mir von ber Liebe sprechen. Er schalt, er höhnte, er spot tete aus sie, dax ich sie vertheidigen mnßte. Der schlaue Verführer, der er war!.... Ich habe schon gesagt, daß er mich gleich am ersten Abend in einen Rausch versetzt hatte. Ich suchte den Rausch abzuschütteln, ich klammerte mich an meinen Mann. Werner merkte Das wohl, aber er war der Herrschaft, die er über mich übte, schon zu sicher. Weun ich meinen Mann in seiner Gegenwart liebkoste, sah er mich nur so spöttisch an, daß ich roth wurde und zurücktrat. Wir hatten noch nicht daö kleinste Wort mit einander gewechselt, das uns schuldig machen konnte. Da war ich schon im Muude aller Klatschschwestern des Städtchens! Natürlich meine ver ehrten Eolleginnen voran. Eines Ta ges kam mein Mann ganz erregt nach Hause. Man hatte ihm gesteckt, zwi schen Werner und mir sei es nicht ganz richtig, er möge anspassen. „Die schänd lichen Verleumder," rief er zornig. „Was er machen solle?" srug er mich. „Schick' ihn fort," sagte ich. „Die Leute haben Recht, Das muß auffallen." Aber nun meldete sich der unglückselige Eigensinn des Professors. Sollte er seine Theorie mit der Freundschaft fal len lassen wegen der losen Mäuler bos hafter Frauenzimmer? Nun erst recht nicht. Einen Frennd in der Noth, den müsse man durch Dick uud Dünn hal ten." " Der Rechtsanwalt: „Merkte er denn gar Nichts?" Die Dame (bitter): „Er hatte ja sei ne Grundsätze über die Freundschaft, wie er seinen kleinen Knaben lehrte. Das genügte ihm." Sie fuhr fort: „„Da kam mir ein Einfall, der mich retten sollte, der mich gerade direkt in's Verderben gerissen hat. „Ich bin so lange nicht in Berlin ge wesen," sagte ich zum Professor, „ich möchte meine Mutter wiedersehe». Laß mich aus ein paar Wochen hin." Ich rang ihm die Erlaubniß geradezu ab. Meine Vorbereitungen waren rasch getrofsen. Wie ich von meinem Manne Abschied nahm, konnte ich mich nicht loswinden von feinem Halse. „Nimm's nicht so tragisch," sagte er. Werner sah mich nur mit seinem tiefen, spötti schen Blick an. Auf dem Wege nach Berlin wollte ich noch eine Bekannte aufsuchen, die auf eiu Gut geheirathet hat. Eineu Tag blieb ich dort. Als ich am Abend bei der Station des Gutes in das Coupee stieg, stand Frauz Werner neben mir und stieg mit mir ein. „Du wolltest mir cntsliehen," sagte er. „Umsonst." Ich war in seiner Gewalt. „Und Das ist Alles," sagte die Dame „Es sollte wohl so sein!"" Der Rechtsanwalt sah sie stumm an; er athmete heftig; er war offenbar er regt. „Der Schändliche," brach er heraus. „Sprechen Sie nicht so von ihm," sagte die Dame, „ich kann Das nicht hören." „Und wie verlies die Sache weiter?" srug der Rechtsanwalt. „Wir lebten eine Zeitlang zusammen in Paris, an derßiviera, in der Schweiz; das Geld bekam ich von Mama. Die Briefe, die mein Mann an mich schrieb, unterschlug er. Ich bin ihm wohl nach und nach eine trübselige Gesellschaft ge wordcu, denn ich dachte viel an Ster kow. Da bekam er eines Tages einen Brief aus dem Poscn'schen. Er müsse dringend wegen der Gutsangclegenheit mit dem Ehepaar conferiren; seine Ehre hänge davon ab. Er brachte mich noch nach Frankfnrt. Dort trennten wir uns. Ich habe ihn seitdem nicht mehr gesehen. Ich habe gehört, daß er mit der Polin in Berlin war." „Sie sind eine arme Frau," sagte der Rechtsanwalt. „Ich habe wirklich Mit leid mit Ihnen. Und glauben Sie, daß keine Versöhnung möglich ist?" „Mit wem?" srug die Dame eifrig. Der Rechtsanwalt: „Natürlich mit Ihrem Mann!" , Die Dame gedehnt: „Mit meinem Mann? Nein Das ist unmöglich. Ich dachte mit ihm...." Anschluß verpaßt. (Bon M. Schopp. l Der Oberst Bärenklau hatte eine sehr guteNacht verbracht von 19 Uhr Abends bis in den späten Morgen hinein zu schlafen, ohne nur einmal erwacht zu sein, Das war eine Leistung, tcrener sich lauge nicht rühmen konnte. Sehr mit sich selbst zufrieden, trat er aus dem Schlafkabinet in das Wohnzimmer, das zugleich Empfangs-, Arbeits- u. Rauch salon war; was braucht ein Oberst a. D., der noch dazu seinen Grundsätzen, als Junggeselle sterben zu wollen, treu geblieben, mehr? Die Hände in den Taschen der kurzen Joppe, blieb er mit einem behaglichen Schmunzeln auf den Lippen auf der Schwelle stehen, dann strich er den langen weißen Bart, be trachtete die Saffianfchuhc, die er gestern zum Geschenk erhalten hatte, und ließ dann wohlgefällig seine Blicke über den Kaffeetisch schweisen. Das mnßte man seiner Wirthin lassen ! sie verstand eS, alles gemüthlich und nett zu arrangiren, man fühlte sich ganz heimisch, wo sie ge waltet hatte. Die dampfende Thee maschine aus dem mit schneeweißem Lei nen gedeckten Tische, frisches Weißdrod und prachtvolle Landbntter, neben der auffallend kleinen Tasse aus weißem Porzellan die Zeitung, selbst Pfeift und Tabaksdose fehlten nicht konnte man fich's behaglicher wünschen? Anch der Peter war schon da und blinzelte mit den grünen Augen, die wie Smaragde aus dem schwarzen Kopfe schillerten, zu dem Obersten hinüber. Er hatte ein Faible für weiße Tischtücher und warme Theemaschinen, und da er consequent seine Neigungen durchzuführen bestrebt war, auch fein Herr bei den Gewohn heiten des langjährigen schwarzen Haus gefährten gern ein Ange zudrückte, hielt er trotz des groben Etiketten-Verstoßes den Platz auf dem Tische sür sich reser vat. „Morgen, Peter !" sagte der Oberst uud ließ sich auf dem Sopha nieder. „Hast wohl heute lange auf mich ge wartet, alter Freund?" Peter erwiderte die Begrüßung durch einen eleganten Buckel; stieg graziös über Pfeife und Zeitung hinweg und ließ sich an der Seite seines Gebieters nieder, wo er durch behagliches Schnur ren seinen tiefen Seelenfrieden knnd that, „Ja, ja, alter Kerl, war gestern ein famoser Tag, he?" Der Oberst strich liebkosend über das weiche, schwarze Fell goß sich eine Tasse Thee ein und be- trachtete wieder die rothen Saffianfchuhc mit der Goldstickerei an seinen Füßen. ~'Ne kleine Hexe ist's, ein Blitzmädel," brummte er in den Bart, „macht mich noch am Ende ganz närrisch ; allerlieb ste kleine Hexe! was sie für Angen hat und so ein vernünftiges Mädel hm, hm —" er dachte daran, wie er sie gestern durch den lichtübcrstrahlten Saal geführt, wie aller Blicke ihnen folgten und er im Spiegel bemerkte, was für ein schönes Paar sie seien. Daß sein Kopf schneeweiß war uud der lange Bart keine Spnr mehr von seiner ehe maligen Schwärze zeigte was thut Das? Gebeugt hatte ihn das Alter nicht, nie verleugnete seine stramme, ausrechte Haltung den Soldaten, sein Herz war jung geblieben trotz der 67 Jahre. Wie sie ihm schmeichelte, sei nen Schwächen zu begegnen wußte, sich über sei» Lob freute der Oberst schmunzelte wieder und drückte sogar ein Auge zu, während das andere zwin kerte uud blinzelte Wetter noch mal, was sie für frische, rothe Lippen hatte, wie der Kuß schmeckte, den sie ihm bci'm Abschied gegeben! Unwillkürlich spitzten sich seine Lippen und dann sah er wieder wohlgefällig auf die Saffiaufchuhe. Sie hatte ihm eine Freude machen, ihn mit Etwas überraschen, wollen des halb hatte sie sie gestickt; er müßte sie aber auch immer tragen und ab und zu an sie denken; wie sie das Alles '.sagte, der Bransekops, der Wildfang! Ganz warm war es ihm dabei geworden unter dem Waffenrock; wenn es nicht zu lächerlich wäre, hätte er wirklich gedacht, daß sein Herz anfinge zu galoppieren. Aber es ist auch gar zu nett, ihr kleines, weiches Händchen zu streicheln, ih<em Plaudern zu lauschen wie ein Mühlenrad geht der kleine Mund und wenn sie lacht und die Perleiizähuc zeigt, und der Schalk aus den übermüthigen Augen spricht man müßte wirklich von Eis sein, wenn man dabei kalt nnd .ruhig bleiben sollte. Er hat immer eine Vor liebe für kastanienbraunes, glänzendes Haar und den Namen Lilly gehabt Lilly von Holten entspricht seinen Idealen so außerordentlich, daß man wirklich annehmen könnte, sie wäre sür ihn geschaffen; daß sie die Erbin eines unermeßlichen Vermögens ist, hat da mit Nichts zu thun, absolut Nichts. Aber wo führen ihn die Gedanken hin! Es ist gerade, als töne aus dem Summen und Brodeln in der Theema schine ein reizendes Mährchen und es nähme Gestalt an und tanzte vor seinen Augen neckisch dahin; sie ist wirklich 'ne Hexe, diese kleine Lilly. Beinahe hätte der Oberst das Klopsen an der Thür überhört; um nicht als Träumer entlarvt zu werden, griff er rasch nach der Zeitung, hielt sie ausge breitet vor sich hin nnd rief „Herein !" Eine weiße Schürze zeigte sich in der Thürspalte. dann solgte ein kleiner, schwarzer Schuh „Haha, die Anna," dachte Herr v. Bärenklan und ein sehr hübscher, blonder Kops, den ein weißes Häubchen kotett kleidete, nickte dem alten Herrn ein sast vertrauliches „Guten Morgen" zu. „Guten Morgen, mein hübsches Kind," klang es zurück, und seine Blicke ruhten mit demselben wohlgefälligen Ausdruck auf ihr, als vorher aus den Saffianschuhen, „nun, was bringen Sie?" „Einen Brief sür Sie, Herr Oberst," sagte Anna knixend und trat näher, hielt sich aber in gemessener Entfernung von ihm, „er ist durch einen Boten über bracht, Antwort wäre nicht nöthig."