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Der ÄMtM-ÄmsMöml. 53. Jahrgang. Ewiger Frühling. Ihr siagt mich: oö ich glücklich wäre, Und was mich sleis so heiter hielt— Ob ich de nie das herbe, schwere, Das Tasciusloos, wie Ihr gefühlt? Ob nie mein Auge unmuthstruiikeii Sich grillend von der Erde wandt', Ob es denn nie in Feuersuiiken TeS Hasses und des Zorns entbrannt? Ob nie mein Mund in wilder Klage Sich gegen Gott ui d Welt vermaß, Lb stets am Schlüsse aller Tage Das Lächeln mir im Herzen '.aß? So fragt Ihr mich mit düstern Blicken Und schätzt des Leiaitstnns Kern in mir— Litt ick denn nie des Schicksals Tücken? Bin ich denn nicht ein Mensch, wie Ihr?- Wer grub in diese glatte Stirne Mit scharfem Meißel Falten ei? Wer dunkelte mir die Gestirne — Wer raubte mir den Sonnenschein? Wohl hab' auch ich das Leid erfahren, Wohl lag auch ich iu WinteiS Schooß: Doch zog ich mir nach langen lahren Ten eiv'gen Frübling in mir groß. Da ist mein Geist vom Gram erstanden, Da hat mein Mund in Lnst gelacht, Da wünschl' m', daß aus EiieSbanden Auch Quer Herz zum Licht erwacht! Georg A- SNbcrt Wie der Zimmermann Lrhrend sich nach einer Frau um lah. Tie Geschichte eines HeirathSgejuchö. Er war cin rauhbeiniger Geselle, der Zimmermann Jakob Bchrcud, und hatte dabei ein Gemüth wie ein Kind. Er sprach nicht viel, und wenn er es that, so geschah es mit einer polternden Stimme, just als wäre sein Herz voll Groll und Bittcrniß. Das war aber eitel Schein; denn Jakob Bchrend kannte keinen Groll, und sein Herz sehnte sich nach Liebe. Nur einmal in seinem Leben hatte er so Etwas wie bittern Haß empfunden. Das war damals gewesen, als der flotte Fritz Hubert die Schneider-Marie in's Unglück stürzte. Acht Jahre waren seitdem verflos sen. Die Marie hatte er schon geliebt, als sie noch cin kleines Mädchen war, und er hatte ihr Alles zu Gefallen gethan, was er ihr nur an den Augen absehen konnte. Aber dabei hatte er selten ein freundliches Wort zu ihr gesprochen. Mit zierlich gedrechselten Worten konnte er nun einmal nicht aufwarten, uud wenn er der Marie gegenüber wirklich einmal den Versuch wagen wollte, so wurde er roth im Gesicht wie ein gekoch ter Krebs, und die Worte blieben ihm in der Kehle stecken. Mit schönen Eomplimenten und süßen Redensarten wußte der Fritz Hubert ganz anders umzugehen. Er schlängelte sich an die Marie heran, und es dauerte nicht lange, da hatte er sie völlig um garnt. Wie eineSklavin war das uner- Samstag, den 5. August 1893. Sahrene junge Mädchen dem hübschen, aber lcichtscrtigcu Burschen ergeben. Die Leute sagten, das werde kein gutes Ende nehmen, uud sie behielten Recht. Eines Tages hieß es, die Schneider- Marie wäre Mutter eines krästigen Jnngen geworden. Ter Vater des jun gen Weltbürgers aber hatte schon vor etlichen Monaten das Dorf verlassen und war in die nahe Stadt übergesi:- delt. Damals also war es, als Gottlob Behrend zum ersten uud zum letzten Male in seinem Leben das Gesühl des Hasses empfand. Ihm war zu Muthe, als köune erden Fritz Hubert kalten Blutes erwürgen. Nicht weil der leichtsinnige Mensch seinem Glück in den Weg getreten war, sondern weil er die Ehre der Schneider- Marie geschändet nnd das arme Mäd chen sür immer unglücklich gemacht hatte. Drei Tage lang ging Behrend damals in nessinnigen Gedanken umher. Am vierten Tage aber zog er seinen Sonn tagsrock an und ging in die um Hubert auszusuchen. Er wollte ihm sa gen, daß er unverzüglich die Marie zu heirathen habe, widrigenfalls er, Jakob Behrend, sich genöthigt sehe, ihm ohne weitere Umstände das Genick zu bre chn,. Aber er kam zu spät; Fritz Hubert hatte sich bereits das Genick gebrochen. Er war von der dritten Etage eines Neubaues, bei dem er als Anstreicher beschäftigt gewesen, auf das Pflaster herabgestürzt und dort todt liegen ge blieben. So mußte er also uuverrichte ter Sache nach seinem Torfe zurückkeh ren. Seitdem waren, wie gesagt, acht Jahre verflossen. Marie's Knabe, der in der Taufe den Namen Paul erhalten hatte, war cin kräftiger, pausbäckiger Junge geworden, der sich bei einer Ta gelöhner Familie in Pflege befand. Marie, die jetzt fünfundzwanzig Jahre zählte und noch immer ein hübsches Mädchen war, diente bei'm Kausmann des Ortes, der zugleich eine Schenke hielt. Sie war ordentlich und überaus fleißig darüber herrschte nur eine Stlnimc. Alles, was sie erübrigen konnte, verwandte sie für ihren Paul. Sehr viel war es just nicht. Tagtäglich fast sah Behrend die Schneider-Marie, und seine Gefühle für sie hatten sich in der ganzen Zeit nicht geändert. Ihr aber einen Heirathsan trag zu machen, das hätte er nie gewagt. Gewiß gehörte ihr Herz noch dem todten Geliebten, und er, der rauhe, ungeho belte Zimmermann, war gewiß nicht Derjenige der sein Bild aus ihrem Her zen verdrängen konnte. 11. Eines Abends saß Behrend in dem niedrigen vor einer Schüssel voll dampfender Kartoffeln. Sein Appetit war sonst vorzüglich, aber heute mußte er sich zum Esten zwingen. Gar inächtigeGedanken bewegten ihn. Sie waren ihm heute bei der Arbeit ge kommen, als der kleine Paul auf feinem Zimmerplatz spielte. Wie, sagte er sich, sollte es denn nicht möglich sein, dem Jungen einen Vater zu verschassen? Ei nen guteu, zärtlichen Vater, der redlich für ihn sorgte? Ten ganzen Tag hindurch war ihm der Gedanke nicht mehr aus dem Kopf gegangen, und jetzt, gerade bei'm Essen, war ihm eine große Erleuchtung gekom men. Er selbst wollte Vater des Knaben werden. Da war er wenigstens sicher, daß dem Jungen kein Leid geschehe. Aber wenn er den Paul zn sich neh men wollte, dann mußte er auch einen ordentlichen Hausstand haben, und um zu einem solchen zu gelangen, mußte er heirathen, Aber wo nun eine Frau hernehmen? Natürlich konnte von der Marie keine Rede sein. Das Leid wollte er ihr nicht anthun, sie zu einem Schritte zu veran lassen, den sie wohl um ihres Knaben Willen thun würde, der aber ihrem Herzen Pein brächte. Wenn er erst eine Frau hätte, dann würde sie ihm den Knaben schon anver trauen—ganz gewiß! Sie wußte ja, wie er es mit ihm meinte und daß er bei ihm besser ausgehoben wäre, als wie bei be zahlten Leute. Also eiue Frau eine Frau! Da erinnerte er sicy, in der Zeitung öfter Anzeigen gelesen zu haben, durch welche Mädchen einen Mann, nnd an dere, durch welche Männer eine Fran suchten. Konnte er nicht auch diesen Weg beschreiten? Ei gewiß, so gut wie jeder Andere. Da er die Marie nun einmal doch nicht haben sollte, war es am Ende auch ganz egal, welche Fran er bekam, wenn sie nur ordentlich nnd ehrbar war. So war denn sein Enlschlnß bald ge faßt. Am andern Morgen zog er feinen SonntagSanzug an, nin nach der zu gehen. Auf dem Wege traf er Paul, der, Tafel und Lehrsibel unter dem Arm, vergnügt nach der Schnle trabte. „Sag' mal," sprach Behrend, indem er dem Jnngen mit seiner breiten, schwieligen Hand sanft über das blonde Haar strich, wär's Dir wohl recht, wenn Du wieder einen Vater bekämst?" Der Junge sah ihn erstaunt an. „Warum hab' ich denn keinen Vater?" sragte er. „Ich hab' noch niemals Et was von ihm gehört." „Der ist schon lange todt/ sagte Behrend. „Aber sag' mal, Paul, wärst Du zufrieden, wenn ich Dein Vater würde?" Paul klatschte in die Hände. „Großartig wäre das!" sagte er mit Bestimmtheit. Dann aber glitt ein Schatten über sein Gesicht, uud er mciute: „Ja, ich weiß aber nicht, wie sichTas machen ließe, daß Tu mein Va ter würdest." „Na. vielleicht weiß ich's," entgegnete Behrend schmunzelnd. „Tu wirft ja bald sehen Hast Du heute nicht Deinen Geburtstag?" „Ja, acht Jahre bin ich alt gewor den." Nr. 180. „Schön, Tn sollst auch Envas haben, wenn ich aus der Stadt zurückkomme. Nun geh' hübsch zur Schule." Paul war heute nicht sehr aufmerksam bei'm Unterricht. Zwei Tinge beschäf tigten ihn lebhaft: was der Beh rend ihm wohl aus der Stadl mitbrin gen und wie er es anfangen werde, um fein Vater zu werden. Als endlich die Schule aus war, lief er zu feiner Mutter. Heute durfte er schon Mittags, während der Essenszeit des Gesindes, im Haufe des Kaufman nes vorsprechen feierte er doch scinen Geburtstag. Als Marie thu beschenkt uud geheizt und geküßt hatte, zog er sie heraus in den Garten, um ihr anzuvertrauen, waS der Zimmermann ihm gesagt hatte. „Nun sag' mal. Mutter, ob er's wohl fertig bringen wird, daß er mein Vater wird?" schloß er seine Erzählung. „Schön wär's ja, darüber ist gar nicht zu reden. Marie war über u. über roth gewor den. „schweig doch davon," sagtc sie mit seltsam bewegter Stimme, „der Onkcl Behrend hat sich nur einen Spaß mit Dir gemacht." „Das ist nicht wahr," entgegnete Paul sehr bestimmt. „Der Onkel Beh rend sagt Nichts zum Spaß, der sagt stets die Wahrheit. Und gut ist er mir ganz gewiß, das weiß ich. Und wenn ich.einen Vater bekomme soll, dann will ich keine als den Behrend." — Marie ertappte sich im Lause des Ta ges mehrfach dabei, daß ihre sonst so fleißigen Hände müßig im Schooß ruh ten uud ihre Gedanken mit andere Tingcn beschäftigt waren, als mit der Arbeit. Und als es Abend wnrde, ging sie häusig heraus vor die Thür, um die Torsstraße hinaus zu sehen, ob der Behrend denn noch nicht aus der Stadt zurückkomme. 111. Bchrend hatte sich in den Ztraßen der Zladt umgesehen und endlich gefunden, was er suchte. An einer Hausthür war ciu Schild befestigt, auf dem iu schöner, großer Schrift geschrieben stand: „Bürcan sür schrisliche Arbeiten, klagen nnv Eingaben." Ten Inhaber dieses Bürcaus suchte er aus uud trug ihm sein Anliegen vor: er wolle ein hübsches HeirathSgesuch aus gesetzt haben knapp, damit es in der Zeitung nicht zu theuer werde, aber es müsse doch Alles darin gesagt sein, was der geehrten Damenwelt zu wissen von Nöthen sei. Er sei Profcssionist, vier unddreißig Jahre alt uud im Besitze ei ues kleines Vermögens. So wurde denn die Annonce ausge setzt, und Behrend trug sie ui das Stadtblatt. Da man ihm sagte, daß die Anzeige schon in der am Nachmittag zur Ausgabe gelangenden Zeitnng ab gedruckt werde, beschloß Behreud, so lange in der Stadl zu bleiben, um sich das Blatt mit der inhaltsschweren Pub likation gleich einmal anzusehen. Die Zwischenzeit wollte er benutzen, um sür Paul einige nützliche Tinge cinzu-