Newspaper Page Text
2 kauseu und auch Mancherlei für den neuen Haushalt zu bestellen. Denn daß dieser jetzt unwiderruflich gegründet werde, Das stand fest. So verfloß die Zeit nntcr allerlei Ge schäften sehr schnell, uud als er nach Er ledigung des letzten ein Gasthaus auf suchte, kam auch fchon die Zeitung, dic sein Hcirathsgefuch enthalten sollte. Da stand es denn auch in der That schön uud deutlich! „Ein Profefs., stattl. Erschei nung, 34 lahrc, im Besitz eig. Ver mögens, wünscht sich zu verheira then. Achtbare, nicht zu junge Da men, welche auf dieses ernstgemeinte Gesuchsrcslektiren, wollen ihre w.Adr. X. ?>. 29 an die Exp. d. Ztg. einsen den." Behrend las die Anzeige mehrmals mit ernster Miene durch und nickte be friedigt mit dem Kopf. Daß da stand: „stattliche Erscheinung," war zwar nicht ganz nach seinem Geschmack, Das war ein eigenmächtiges Urtheil des Herrn, der die Annonce aufgesetzt aber am Ende mochte er ja wohl als stattlich gel ten; das hatten die Herren vom Mili tär ja auch angenommen, als sie ihn zu den Kürassieren genommen. <Zr kaufte sich ein Exemplar des Blattes, steckte es in die Tauche und trat ziemlich befrie digt den Heimweg an. Inzwischen war die Zeitnng auch in das jungfräuliche Gemach eines älteren Fräuleins gelangt, mit Namen Theodo linde Schwertsteugel. Sie lebte von den Zinsen eines anständigen Vermö gens, und da sie sich einer vortrefflichen Gesundheit erfreute, fehlte ihr eigentlich Nichts auf der Welt, als ein Mann. Tas hätte nun freilich Fräulein Theodolinde um keinen Preis eingestan den,Tas heißt keiner anderen Person — sich selbst mochte sie es nicht verheimli chen. In der That, sie sehnte sich glü henden Herzens nach einem männlichen Gesährten, und unsere Leser werden das dem armen, ältlichen Fräulein gewiß nicht zur Sünde anrechnen. Theodolinde saß mit einer Stickerei am Fcnster, als die Zeitung kam. Sie legte die Arbeit zur Seite und begann das Blatt nach der Art vieler Damen, von „hinten" zu lesen, das heißt, sie sing mit den Annoncen an. Da siel ihr Blick auf Behrend's Hei rathSgcfuch. Halblaut begann sie zu lesen, indem sie die abgekürzten Worte ergänzte: „Ein Professor, stattliche Erschei nung, 3-1 Jahre alt " u. s. w. Sinnend ließ sie das Blatt in den Schooß sinken. Ei, Theodolinde. das wär Etwas für Dich! Ein Professor, und gar eine statt liche Erscheinung; Zweifellos fehlte es dem armen Menschen, der feine Jahre gewiß in der Studirstube verbracht hatte, an Tamenbekanntschast. Schade, daß er noch so jung war. Erst vicrunddreißig Jahre! Aber sagte er denn nicht in seiner An nonce, daß er sich nur an „nicht zu junge," also an ältliche Tamen wende? O gewiß, man hatte es hier mit ei nem achtbaren, ernsten und überaus vernünftigen Herrn zu thun, der von der flatterhaften, tändelnden Jugend Nichts wissen wollte, sondern ernste, ge fetzte' Damen vorzog, mit denen er sich auch vernünftig nnd erbaulich unterhal ten konnte. Und alt. was man so „alt" nennt, war sie ja noch nicht. Erst vierzig nein noch nicht ganz vierzig Jahr., son- dern erst neununddreißig und acht Mo nate. Also knapp über fünfunddrcißig so ungefähr in feinem Alter.— Je mehr sie sich die Sache überlegte, desto passender erschien ihr die Partie. Der Herr Professor hätte blind fein müssen, wenn er die Bortheile, dic sich ihm boten, nicht eingesehen hätte. Kur; entschlösse setzte sie sich an ih ren Schreibtisch und schrieb solgenden Brief: „„Sehr geehrter Herr! Tief gerührt von den edlen Gesin nungen, die sich in Ihrer Anzeige^. 29 insofern aussprechen, als Sie bei der von Ihnen beabsichtigten ehe lichen Verbindung einem achtbaren, wenn auch ältern Mädchen den Vor rang zu geben gedenken vor einem jungen, dessen Schöuheit ja allerdings einer schnellen Vergänglichkeit unter worfen ist, stehe ich nicht an, Ihnen osfen zu erklären, daß ich gern bereit bin, Ihnen die Hand zum Ehebunde zu reichen. Meine matericllcn Ver hältniffe sind nicht ungünstig: ich be sitze ein Vermögen, das mir einen jährlichen Znisgenuß vonZWO Mk. abwirft. Tiefe Summe allein würde ja schon genüge, dic Kosten eines be scheidenen, vorläufig ja noch kinder losen Haushalts (ich erröthe, indem ich DieS niederschreibe) zu bestreiten. Sie sehen, geehrter Heer, daß es keine materiellen Rücksichten sind, dic mich bei der Beantwortung Ihrer Annonce leiten. Am nächsten Montag, Nachmittags drei Uhr, können Sie mich in der Eonditorei „zum süßen Engel" tref fen. Ich werde eine gelbe Rose an der Brust trageu und bitte Sic, sich ebenfalls mit einer solchen zu fchmük k n. Vorläufig zeichne ich nur Theodolinde."" Der Brief wurde couvcrtirt und ab gesandt. Als Fräulein Theodolinde sich Abends zu Bett legte, umschwebten lieb liche Bilder ihren Geist. Ihre Tränme hoben Ne zu seligen Sphären empor. IV. Als Jakob Behrcnd ans der Stadt zurückkam, suchte er zunächst Paul auf. Der Knabe saß allein in der Wohn stube der Tagelöhner-Familie, bei de, er untergebracht war und beschäftigte sich mit seinen Schularbeiten. Die Haus leute waren noch nicht vom Felde zurück gekehrt. „So," sagte Behrend. indem er einen Schulsack auf den Tisch legte, „darin kannst Tu Deine Tafel und Dein Buch thun. Das wird für den Winter gut sein. Da hängst Du den Sack über den Ruckni, nnd brauchst Dir dann dic Hände nicht zu erfrieren. Und hier ist ein Strohhut, und da sind ein Paar Stiefel. Ja, ja, paffen werden sie schon, ich hab' Dir ja neulich das Maß genom men, ohne daß Du's gemerkt hast.... Aber was fällt Dir denn ein Junge, Du bist wohl närrisch." Paul hatte Schulsack, Strohhut und Stiefel an sein Herz gedrückt und dann die Hand seines vätcrlichcn Frenndes mit stürmischen Küssen bedeckt. „Ich danke, danke," stammelte er un ter Thränen. „Das ist ja Unsinn, Paul," sagte der Zimmermann, dem es bei den stürmi schen Liebkosungen des Knaben ganz wunderlich zu Muthe wurde. „Du brauchst mir gar nicht zu danken. Sei nur immer hübsch brav und mache Deiner Mutter recht viel Freude." Sie bemerkten Beide nicht, daß sie an der Thüre stand, die Mutter, und mit glühendem Gesicht die Scene beobach tete. Leise entfernte sie sich wieder. „Du mnßt auch mein Bater werden," sagte Paul, indem er sich in der Verwir rung mit einem der neucnStiesel über's Gesicht suhr, um seine Thränen abzu wischen. „Ich hab' Jhr's auch heute gesagt." „Was? Was hast Dn gethan?" fragte Behreud. „Ich hab' Jhr's gesagt, daß Du mein Bater werden mußt." Behrend machte gewaltige Anstren glingen zu sprechen, aber es kamen nur einige glucksende Töne aus seiuer Kehle. „Sie meint, es wär' nur ein Spaß von Dir," fuhr der Knabe fort. „So, Das meint sie?" brachte Beh rend endlich heraus. „Nun, dann sage ihr nur, daß es durchaus kein Spaß von mir ist, sondern daß ich entschlossen bin, so zu handeln und nicht anders. Sage ihr nnr, daß ich heute schon die Möbeln bestellt habe surfen neuenHaus halt lauter gute, gediegene Sachen. Und sag' ihr auch, daß Du es gut ha beu sollst bei mir, so gut wie ein Prinz. Nun adieu, Paul. Kommst Du mor gen auf meinen Zimmerplatz? Es wäre mir lieb, wenn Du hin kämst." „Ja freilich werde ich kommen in den neuen Stiefeln." „Natürlich in den neuen Stiefeln. Barfuß darfst Du mir nicht mehr lau. fen; hast Du gehört? Na, dann gieb mir mal 'n Knß. Die „stattliche Erscheinung" —ja, so stand es ja in seiner Heirathsannonce bengte sich nieder, und der Kuabe schlang seine Arme um den Hals des wetterfesten Mannes und gab ihm einen herzhaften Kuß." „Und nochmals viel Dank, und ich werde Dir danken mein Leben lang." rief Paul. „Sich, sich, wie schön Du dic Worte setzen kannst," sagte Behrcnd, indem er sich noch einmal umblickte. „Das bring' ich nicht fertig, und wenn ich mich auf den Kopf stelle. Hab's nie fertig gebracht. Ich wär' vielleicht ein ganz anderer Kerl, wenn ich's gekonnt hätte. Na, gute Nacht." Er konnte Marie nicht sehen, die sich d'ranßen in einem Winkel gedrückt hatte und unfreiwillig Zeugiu des ganzen Gesprächs geworden war. Als Behrend schon eine ganze Strecke von dem Hause entsernt war, eilte sie in die Stube nnd drückte ihren Knaben weinend an's Herz. „Warum weinst Du denn Mutter?" fragte Paul. „Gar keine Ursache dazu. Sieh' nur was Onkel Behrend mir mit gebracht hat." Am andern Nachmittag kam Paul in wilden Sätzen dem Behrend'schcnZim merplatz zugelansen. „Sie will," rics er schon von Weitem, „sie will." Ganz athemlos kam er an. „Sie will," wiederhalte er, „sie will, daß Tu mein Bater wirst. Ich soll Dir's sagen. Sie will Dich Heira then." Behrend wurde feuerroth im Gesicht, befühlte sich die Stirn, die Ohren, sing zu würgen an und brachte dann endlich hervor: „Mich heirathen will sie? Paul, Junge bedenke, was Tu sagst! Heirathen? Hat sie gesagt: Heira then? Pank, buchstabiere mir mal das Wort. Wie hat sie gesagt?" „Sie hat gesagt, sie will Dich Heira then. Als ich gesagt habe, daß Du ganz bestimmt mein Vater werden willst, hat sie gesagt, ja, es wär' gut, sie wollte ja herzlich gern, wenn sie Dir nicht zu schlecht wäre. Da hab' ich ihr natür lich ausgeredet." „Tas hast Du brav gemacht, Junge, ganz brav gemacht. ...Zu schlecht? Millionen Donnerwetter noch' mal, den würden wir todt schlagen, wir Beide, Du und ich Aber hat sie wirklich vom Heirathen gesprochen, Paul? Bom Hei. .ra. .then? Merk' wohl auf, Paul, was ich sage " „Ja, Das hat sie gesprochen, und sie hat gesagt, daß ich Dir's sagen darf, weil Du sonst vielleicht doch nicht die Worte so setzen könntest, hat sie gesagt." „Ja, da hat sie den Nagel ans den Kopf getroffen, Paul, Das hat sie. Ich kann die Worte nicht so setzen, Das stimmt auch. Deshalb mußt Du jetzt gleich mit mir gehen zn Deiner Mutter. Komm', setz' Dich auf meinen Rücken." Im Augenblick hatte er den Knaben auf die Schultern genommen und rannte nun spornstreichs dic Dorfstraße ent lang zum Hause des Kaufmanns. Er ging in die Schenkstube, die um diese Zeit stets leer war, und ließ Marie bit ten, zu ihm zu kommen. Sie kam, uud ihr Gesicht glühte und sie schlug die Augen zu Boden. „Marie," begann er, nachdem er lange Zeit nach Worten gesucht hatte, „hier bin ich, und hier ist Dein Junge, der Paul Und da bist Du, Ma, rie, Du bist auch da Nun meine ich, wir drei, so wie wir hier alle Drei beisammen sind " „So münen wir auch beisammen bleiben," sagte Paul. „So stimmt's," rief Behrcnd mit mächtig polternder Stimme, „so ist's richtig! Der Junge kann die Worte setzen, daß man erstaunen muß. Aus dem muß mal ein Gelehrter werden, Marie, das ist das Richtige. Was meinst Du, Marie.—lassen wir ihn zu eincm Gelehrten in die Lehre geben?" Marie hatte ihr Gesicht hinter der Schürze verborgen. Sie schluchzte leise. Behrend sah sich rathlos nach Paul um und stieß ihn an. „Du," sagte er, „nun helf' mir mal fort. Wie war das mit dem Heira then?" „Ja, Mutter hat gesagt: sie will." Hörst Du, Marie, was der Paul sagt? Es wär' das erste Mal, daß er mich belogen hätte " Sie weinte leise. Endlich sagte sie: „Nein, er hat nicht gelogen. Ich fürchtete nnr. daß ich Dir zu schlecht sei." Jakob Behrend sah sich grimmig in der Stube um, ob etwa Einer da wäre, der eine gleiche frevelhafte Meinung äußern könne; da er aber keinen solchen Bösewicht sand, wandte er sich Marie zn, ergriff sie mit beiden Armen und drückte sie an seine Brust—so vorsichtig und behutsam, wie man ein leicht zer brechliches Prozellanstück behandelt. Und nun war er nicht wenig erstaunt, als sie ihr Köpfchen an ihn anlehnte und ihre Arme um seinen Hals schlang. Also sie war ihm gut, es widerstrebte ihr nicht, daß er sie umfangen hielt und an sich drückte! O Wunder, aller Wun der! Wie wenn er es nun gar noch wagte, einen Kuß auf ihre Locken zu drücken, auf die schönen blonden Locken? Und wirklich, er wollte es versuchen — aber siehe da hielt sie ihm nicht