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Sommernachtfrieden. Unter den Bäumen Waldgeister träumen, Still küßt die Erde des Mondlichtes Strahl; Nah' und in Weiten Glühwürmchen gleiten, Duftende Blumen, sie grüßen vom Thal. .. .Hier in dem Herzen Banne die Schmerzen, Sommcrnachtfrieden umhülle den Sinn! Laß es gelingen, Breite die Schwingen, Zieh', ach, die ruhelos Wandernde hin! Morgrngcwittcr. Als in aller Früh' Es gewittert Hot heit, Dees is," Hot mei Ald g'fagt, „A groß Seltenheit." „Ha!" han i g'fagt d'ruff, „Sell is woll nil trne: Wann i Owends zur Kneip' geh', Gewittert'S all'S in der Früh !" Eine liebe junge Frau. Eine Verhandlung, die an's Tragiko mische streifte, spielte, sich neulich in Wien vor dem Strafrichter des! Be zirksgerichtes Hernals ab. Eine hübsche junge Frau, die Schueidermeistersgattin Barbara Süßel, hatte sich wegeu wie derholter Mißhandlungen, die sie an ih rem 63-jährigen Gatten Josef Süßel verübt hatte, strafgerichtlich zu verant worten. Die vom Staatsanwalt ver tretene Anklage legte der angeklagten Frau zur Last, daß sie am 21. v. M. ihren Gatten mit einem Regenschirm derart geprügelt hätte, daß der Mann seither arbeitsunfähig ist. Richter (zu dem alten Manne): Ja, was war denn die Ursache, dak Ähre Frau Sie so unbarmherzig geschlagen hat? Herr Süßel: Wissen S', Herr kaiser licher Rath, i hab' mit meiner Seligen 32 Jahr, gnat g'lebt, na und wie's halt gestorben war, hat (mit einem scheuen Seitenblick auf die Augetlagie) die mich g'heirath', eigeutli nit mich, sondern mein Geld hat's g'heirath'. Ja, Herr kaiserlicher Rath, sie hat mi schon oft g'schlagen und abgefahren is sie mir a schon einmal mit 400 fl. nach Italien. Richter (zur Angeklagten): Ist Das wahr? Angekl.: Ja, ich war damals krank und bin nach Bergamo in Italien ge fahren. Richter: Und da haben Sie Ihrem Manne das Geld mitgenommen? (Mit einem Blick auf die vor Gesundheit strotzende Frau) Es muß eine sehr ge sunde Luft in Bergamo sein? Angekl.: Ich werde mir doch Geld mitnehmen dürfen, wenn ich krankheits halber nach Italien muß? Zu waS bin ich denn verheirathet? Herr Sußel: Nit wahr, Herr Rich ter, abg'fahr'n is sie mir damals! Richter: Lasten wirDas, kommen wir zu jener Scene am 21. Juni, schildern Sie mir die. Herr Süßel: Herr Richter, mir hab'n an klan Dispnt g'habt un da is sie, wie sie dies schon oft than hat, auf mi herg'sall'u und hat mi mit'n Regen schreckli g'haut, daß i, Herr kaiserlicher Rath, alser kniender vor ihr g'leg'n bin un sie bitt hab', sie möcht' mi nit so jämmerlich hau'n. Sie aber hat nit ehnder ausg'hört, als bis der Regen schirm in Fransen g'haut war. (Er zeigt die Trümmer des Regenschirmes oem Richter vor): Richter: Sie haben auch Verletzun gen erlitten? Herr Süßel: Freili, i hab' müssen glei in's Stefaniefpital und dort Ha ben's mir an Verband ang'legt. Der Herr Primär hat g'sagt, i muß mi glei niederleg'n. Richter: Nnn, haben Sie das ge than? Herr Sußel: Na, i heb' mi nit z'Haus traut drei Tag. Angekl.: Ich bitte. Herr Richter, er giebt mir jetzt kein Geld mehr, waS soll ich da thun? Staatanwalt: Erlauben Sie, wenn Sie den alten Mann schlagen, soll er Ihnen jetzt auch noch Geld geben? Angekl.: Aber ich bitt', z'was habe ich denn den geheirath? Richter: Damit Sie ihn durchhauen, gewiß nicht! Herr Süßel: I bitt', Herr Richter, machen Sie's nur nit zuriiig, i fürcht' mi, daß 's mi dann wieder schlagt, sie hat mir ja droht, daß sie mi no hmol in d'Arbeit nehmen wird. Richter: Dann holen Sie die Polizei zn Hülfe. Herr Sußel: Ja, wenn Dies so leicht wär'! Sie spirrt sich mit mir ein und haut mi dann durch und geht dann fort, als wenn nix g'wefen wär'. Richter: Und verzeihen würden Sie ihr nicht? Süßel: Nein! I kann mit ihr nix ausricht'n, vor mir hat's kau Resekt, vielleicht wird's G'richt mit ihr fertig wcr'n! Die Staatsanwaltschaft bean tragt die Abtretung der Akten an das Landesgericht, weil die Mißhandlungen, welche der Greis von seiner Gattin er litten hatte, eine schwere körperliche Ver letzung involviren. Der Richter gab diesem Antrage Folge. Parlamentarische Rrdrlilüthc. Zu Nutz und Frommen humorfroher Leute stellte die „Franks. Ztg." eine Reihe „geflügelter Worte," welche in dem aufgelösten Reichstage gesprochen worden sind, zusammen. Manche der Worte sind allerdings schon viel früher gefallen, so bestimmt Alexander Meyer's Ausspruch: „Das Bier, das nicht ge trunken wird, hat seinen Beruf ver fehlt." Staatssekretär von Stephan ist in dcr Zusammenstellung mit folgenden Worten vertreten: „Unser Telephon-- wesen ist ein Kind, das noch in den Ge burtswehen liegt " Ihm reiht sich Hr. Direktor Kayser würdig mit dem Satze an : „West-Afrika war früher das Schmerzenskind der Branntweinausfuhr aus dem Kavlaude." Sehr schön meinte der „Renomnnrbauer" Lutz: „Das Schwein ist die Viehzucht des kleinen Mannes." Hr. Rickert sagte öfters: „Wenn Dies in diesem Falle der Fall ist;" Hr. Schmidt (Sachsen): „Dieser springende Punkt muß zur Sprache ge bracht werden;" Hr. von Mirbach: „Es steht ein idealer Hintergrund auf dem Spiele;" Hr. Stöcker, von der Ab grenzung der Gebiete für die Missionen in Afrika sprechend, rief begeistert: „D>e Missionäre haben Millionen von leben digen Christcnkiiidern geschaffen." (11. Februar 1890). Hr. Hammacher sprach von „Steuer gesetzen. die in die Leidenschasten und Vorurtheile dcr Menschen eingreifen." Hr. Marquardseu warnte am 23. Januar 1890 (bei der Schweinedebatte): .Man soll das Kind mit dem Bade nicht nach der sanitären Seite hin ausschüt ten." —Hr. Bebel sprach am 4. Mai 1890 von „einer Fabrik, die sich aus's hohe Roß setzt." —Hr. v. Euny meinte, „seine nationalliberalen Freunde sträub ten sich bis zu einem gewissen Grade." —Hr. Gutfleisch sagte am 13. April 1890: „College Singer hat mit feinem eigenthümlichen Beigeschmack betont.. ." Erwähnt mag bei dieser Gelegenheit auch ein Wort des „Preußen-Fressers" Sigl sein, der sich als Reichstags-Ab gcordneter in Berlin jetzt über seinen Preußeuhaß selbst lustig zu machen scheint. Als er gefragt wurde, wie ihm Berlin, das er bis dahin nicht kannte, eigentlich gesalle. erwiderte er: „Die Stadt ist ganz schön —es sind mir nnr zu viele Preußen d'rin!" Einer Zusammenstellung von Rede blüthen aus früheren parlamentarischen Sessionen entnehmen wir noch folgende Aussprüche: In der Sitzung des Abge ordnetenhauses vom 21. Januar 1886 nannte der Abgeordnete von Minnige rode „das Schwein die Nährmutter un serer Landwirthe." Eine zoologisch gleich merkwürdige Beobachtung gab ein anderer Conservativer in der Reichs tagssitzung vom 22. Februar zum Be sten, indem er im Brustton echtester Ueberzeugung die Behauptung ausstell te: „Auf 29 Deutsche kommt immer ein Schaas!" Weniger drastisch, aber für Naturfor scher gewiß sehr interessant ist ein Aus ruf, den der Sozialdemokrat Kayser in der Reichstagssitzung vom 7. April 1886 gethan hat: „Der Abgeordnete Ackermann und seine Freunde sollten sich doch nicht immer auf ein besonderes sitt liches Pserd werfen!" Die menschliche Anatomie verdankt eine nene Entdek kung dem Hrn. Hofprediger Stöcker, der am 39. März 1886 im Reichstage er klärte: „Die wahren Arbeiter sind mo ralisch durch und durch, bis in das Herz, bis zum letzten Knochen." Hr. Stöckcr wird seine Entdeckung gewiß gern „in das nackte Licht stellen," ein sinnreicher Ausdruck, den ein anderer in derselben Sitzung gebrauchte. In das Gebiet der merkwürdigen Er scheinungen gehört es, wenn der Abge ordnete v. Zedlitz im Abgeordnetenhause constatiren konnte: Retourkutsche hat wenigstens gezogen." Wir haben schon manche Kutschen gesehen, die ge zogen wurden, aber eine ziehende Kutsche ist uns noch niemals unter die Augen gekommen. Nicht minder merkwürdig ist die Thatsache, mit der ein Ausspruch des Abgeordneten Rickert in der Reichs tagssitzung vom 8. Februar 1886 be kannt gemacht hat: „Der Herr Vorred ner reitet noch auf diesem Aviso herum." Der ehemaligen katholischen Abthei lung im preußischen Kultusministerium sagte Freiherr v. Treskow am 22. Febr. desselben Jahres im Abgeordnetenhaus!: nach: „Eine weitere Thätigkeit dieser Abtheilung bestand in der Verlegung von Feiertagen und Sonntagen auf die Woche." Mit natürlichen Dingen ist Dies jedenfalls ebenso wenig zugegan gen, wie ein höchst sonderbarer Vor gang, den der Finanzminister v. Scholz in der Sitzung des Abgeordnetenhauses am 22. Januar 1886 mit folgenden bc redten Worten geschildert hat: „Das ist der alte eiienlus viriusus, der seit Lan gem wie ein Unstern über den Reform pläncn der Regierung schwebt, von allen Seiten aber nur als spanische Wand vorgeschoben wird, hinter der man sich verbirgt, um nicht Farbe zu bekennen." Welch' ein phantasievolles Bild! Der jetzige Unterstaatssekretär für El saß-Lothringen, damalige Landrath von Köller, war es, der in der Reichstags- Sitzung vom 9. April 1886 folgende tiessinnige Erklärung zum Besten gab: „Eine Unwahrheit ist Das, was nicht wahr ist, und eine ausgesprochene Un wahrheit." Beinahe aus derselben Höhe steht der vom Abgeordneten v. Schalscha ausgesprochene Gedanke: „Das Geld ist das Blut im Verkehrswesen, und wenn das Blut im Verkehr stockt, ist eö Blut stockung." Der Reichstag war geistlos genug, diese weise Betrachtung mit Ge lächter auszunehmen. Hr. v. Schalscha ließ sich aber dadurch nicht b.irren. Aus der verständnißlosen Gegenwart sloh er in eine bessere Vergangenheit und kün digte diesen Entschluß mit den klassischen Worten an: „Wenn ich in den Topf der Geschichte greife." In derselben Rede machte er dem bekannten Hambnrger Abgeordneten Wörmann, dcm „König von Kamerun," eine sensationelle Mit theilung, indem er ihm zuries: „Ihre Väter, Hr. Wörmann, werden Ihnen dasür nicht dankbar sein." Abg. Rik kert rief am 30. Januar 1886 im Abge ordnetenhause mit erhobener Stimme aus: „Wer, wie ich, in den liDstprovin zen der preußischen Monarchie geboren, erzogen und gelebt hat " Niemand war gezwungen, diese harm losen Glossen, wenn sie ihn nicht inte ressilten, zu Ende zu lesen, und wer es trotzdem geihan bat. Der Hai es sich selbst, um mit dem Abg. Dirichlet (Ab geordnetenhaus, 26. Januar zu sprechen, „in die Schuhe zu schreiben." Ter Kaiser in Gefahr. Der deutsche Kaiser ist dieser Tage einem unvermeidlich scheinenden Unfall glücklich entronnen. Kurz nach 9 Uhr Abends verließ er in Begleituug des dienstthuenden Flügeladjntanten in ei nem vierspännigen Wagen die Kaiser Franz-Grenadicr-Kaserne an der Blü cherstraße, wo er den Abend bei dessen Ossiziercorps verbracht, um sich nach dem neuen Palais bei Potsdam zurück zu begeben. Als die Equipage bei Wannsee die ziemlich abschüssige Strecke zwischen dem Bahnhof und dem Kaiser pavillon befuhr, kam dieselbe aus eine frisch aufgeschüttete Stelle, welche zwei vorher dort fahrenden mit lang heraus ragenden Bretterstapeln beladcnen Wa gen zum Hinderniß geworden war. Die beideuGesährte waren direkt in einander hineingefahren und versperrten die Stra ße. Das Gesährt des Kaisers näherte sich in rasendem Tempo; glücklicherweise waren mehrere aus einem Ansslnge be findliche Berliner Herren in dichter Nä he, welche den KuNcher. der, durch das Latcrncnlicht des eigenen Wagens ge blendet, in der herrschenden Finsterniß Nichts bemerkt hatte, auf die drohende Gefahr durch laute „Halt!-"Rufe auf merksam machten. Dicht vor dem aus dem Bretterwagcu hcrausrageudeu Bal ken gelang es dem Kutscher auch glück lich. die Pserde zu pariren und die kai serliche Kutsch' zum Stehen zu bringen. Der iieg v"m Bocke, um die Pferde auf der schmalen intakt gebliebe nen Wegstrecke langsam vorwärts zu führen, uud so wurde im letzten Augen blicke dieGesahr glücklich abgewandt, und der Kaiser konnte feinen Heimweg nach dem neuen Palais beendigen. Der Größenwahn ist der Wahn der Kleinen. 5