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2 Eier gebracht. Brave Leute siud's, recht brav: Leute. Will sie doch einmal be>> suchen. Wann glaubst Du denn, daß der DachSbauer am Sichersten zu Hause ist?" „Das will ich Dir schon sagen," ant wortete der Marxl, „morgen zum Bei spiel ist er den ganzen Tag nicht zn Hause. Weißt, er hat sein Ausnahmst Häusel verkaust, das unten im Thale steht, weil er glaubt, daß er keine Kin der kriegen wird und also sein Lebtag auf dem Hofe sitzen bleiben kann. Und jetzt morgen läßt er vom Häusel die Einrichtung versteigern, Kisten und Ka sten und lauter so alte Sachen. Ist eh angeschlagen auf de Tasel. Na und da hat der Dachsbauer dabei zu thun und kannst ihn im Thalhäusel nnden." Faßte jetzt der Fürnehme den Burschen bei'm Rockslügel und sagte: „Bist Du ein ganzer Kerl, Marx? Bist Du ein Freund?" „Allemal!" betheuerte dieser. „Spiele mit! Wenn Du mich ein mal brauchst, verfüge! Spiele mit, daß ich sie allein sinden kann, morgen, oben im DachShofe. Dn weißt schon...." „Freilich," sagte der Bursche, „und es wird ganz leicht gehen Will heut' noch kundschaften, dann laß ich Dir'S wissen. Verrathen wirft Du mich wohl nicht?" „Mensch, was denkst Dn! Ich hoffe aber auch Du mich nicht. Meine Fran ist nicht eifersüchtig, hat auch keinen Grund dazu; allein erfah ren darf sie's auf keinen Fall, sie würde sich kränken, ganz nnnöthiger Weife, hörst Du?" Der Leser wird endlich ungeduldig. Er will wissen, was es mit diesen zwei en niederträchtigen Gesellen eigentlich ist. Das ist bald berichtet. Der Führ nehme kommt natürlich aus der Stadt, vermuthlich aus einer großen, denn der Mann scheint Welt zn haben. Dort besitzt er ein erheirathetes Bankgeschäft und hier in der Windwend, wie der Ort heißt, genießt er mit seiner Gemah lin stets die Sommerfrische. Herr Poiser ist ein Mann noch nicht einmal in den besten Jahren, denn in solchen ist einer erst glaube ich von fünf zig bis fechszig. Er steht nicht hoch über vierzig; daß seine Frau noch niedriger steht, obzwar sie ihm ziemlich hoch zu stehen kommt, Das ist glaubhaft. Der Lebemann verstand sich auf Naturgenuß und Seligkeit. Schon im vorigen Som mer war er mit dem Bruckmüller Marxl bekannt geworden und hatte mit ihm Freundschaft geschlossen. Denn dieser Bruckmüller-Marxl war ein merkwürdi ger Kumpan. Ein junges,hübsches,findi- ges uud schalkhaftes Bürschlein, wußte er für sich einzunehmen; durch seine ge sunde Naivetät, die aber, näher besehen, nicht immer eine war, gewann er bei den Hcrrenleuten Sitz und Stimme. Er hatte von einem Oheim die Bruck mühle geerbt und wieder verpachtet. Seit er als Knabe Ministrant gewesen, that er unterschiedliche Kirchendicnste, wenn der Meßner oder der Schulmeister einmal nicht vorhanden war. Orgeln konnte er, Lichter anzünden konnte, er mit dem Klingelbeutel konnte er umgehen,und Jedem, der Etwas hineinwarf, schmun zelte er verständnißinnig zu: Nur her mit dem Bußpfennig! Du solltest wohl noch einen zweiten geben! Bei Lust und Festlichkeiten hatte man den Marxl auch gerne, er wußte mancherlei Schwank und Schclmenstück und ver- darb nie Etwas. Anderseits konnte er gar nachdenklich sein. Weil er viel in Büchern las, aber nicht Geschichten und Romane, sondern.Besseres, so hatte er sich das Denken angewöhnt; dachte es aber nicht gerade so den Büchern nach, sondern aus Eigenem, und wie das Le ben just dazu Anlaß gibt. Es war oft erstaunlich und oft drollig, wie das Bürschlein im Bauernloden (er verach tete das Stadtzeuggewand) und Bau ernsprache die tiessinnigsten Dinge vor brachte, und plötzlich ein keckes Hinaus hüpsen in's Schalkhafte, so daß der Zuhörer schließlich nicht klug war da rüber, gehörte er zu den Belehrten oder zu dcn Gefoppten. All' DaS und manch' Anderes zusam men machten ihn gesucht, umworben, so daß auch die städtischen Sommerfrisch ler sich seiner Bekanntschaft befleißigten. Der Bankmann Poiser hatte mit ihm Freundschaft geschlossen, nnd diese Freundschaft gedachte der lluge Ge schäftsmann nun auch zu fruktifiziren. Was sie miteinander heute verabredet haben, wissen wir. Was morgen ge schehen soll, Das vermuthen wir, uud wie es ausgefallen ist, DaS sollen wir bald hören. Der Dachshof! Der Marxl geht im Dachshof immer einmal aus und ein, hatte er gesagt. Daß der Dachsbauer frisch und heiter, wie er, seinVetter war und eigentlich inAllem sein bester Kame rad, daS hatte der Marxl demFührneh mcn nicht gesagt. Nun ging er zu sei nem Vetter und erzählte ihm die ganze Geschichte. Anfangs war der Dachs bauer wüst aufgebracht darüber, daß dieser „Stadtzodel" sein Weib besuchen wollte, dann lachte er tüchtig, und hernach gingen die zwei im Schachen spazieren und verabredteten etwaS. Am nächsten Frühmorgen stand der Fürnehme am Bach uud angelte. Nichts wollte anbeißen, gar Nichts. Na doch! Er hatte, was, schnell empor an der Angel hing das patschige Gefafer einer Graswurzel. Gleichzeitig stupste ihn etwas von hinten. Der Zeigefinger deS Ma xl war's. „Willst Fische haben?" fragte dieser lustig. „Also komm' mit, nach der Messe sühre ich Dich nach dem Dachs- Hof. Ich hab' sie schon hergerichtet, es geht leicht. Ter Bauer ist bei'm Thal- Häusel unten nnd kommt vor Abend nicht nach Hause." „Ein goldener Kerl bist Du!" rief Herr Poiser, „ein diamantener. Ganz unbezahlbar bist Du." „Ich verlang' eh' Nichts," sagte der Bursche. Während der Marxl bei der Messe war, ließ der Fürnehme seiner Gemahlin sagen, sie brauche hente nicht ans ihn zu warten mit dem Diner, er habe eine Bergpartie vor. Und nachher gingen die Beiden hinaus zum Dachshofe. Ter Marxl führte den Freund durch ein Hinterthürchen hinein in die Gemacht kammer. Da gab es Flachs und Rauchfleisch und Speck nnd Schmerer und lauter so gute Sachen. „Da wartest, sagte der Marxl, „kannst Dich derweil auf die Truhe setzen, sie ist leer, für alle Fälle, die Bäuerin wird bald kommen, um Speck zu holen für die Knödeln. Ich geh' jetzt. Schön brav sein!" Der Führnehme fand sich allein in der Kammer, die nur durch ein einziges Oberfensterlein kümmerlich beleuchtet war. Der prickelnde und mürselnde Geruch des G'macht's (so nennt man die Borräthe von Fleisch, Spcck u. f. w.) muthete ihn gar eigen an das i>t so pikant ! Die Maus bei'm Schmerer, ha, das ist so pikant! Die Katz' bei'm Speck ! Das ist doch einmal pikant! Charmant! Es kommt wer. Das ist sie. Um Gotteswillen, nein. Das ist sie nicht! Das sind Männer schritte. Durch line Spalte guckt er in's Vorgelaß höllverdamnit! Der Bauer!... In der Kammer stand eine große alte Truhe, sie war nicht versperrt. Hastig und leise öffnete der Herr Poiser den Deckel, huschte hinein aus einen Wust von schmutziger Wäsche und senkte vorsichtig über sich den Trudcndeckel zu. Das Prickeln war auch hier wieder sehr pikant, doch der Führnehme war jetzt weniger Nase als Odr. Der Dachs baue? war in die Kammer getreten, tastete eine Weile an der Truhe herum und rief dann nach einem Knecht. „Geh', Franzi," sagt- er, als Dieser kam, „hüls mir die Truhen Ta hinaus tragen aus den Karren, ich führ' sie > zum Häusel hinab, ich sie auch ver steigern." ..Aber Bauer, was wirst denn kriegen für den Scherben?" lachte der Knecht. „Glaub' Das nicht. Franzi! Es ist ein altes Möbel. Für so 'was gibt's Liebhaber heutzutage. Mir verstellt'S da nur den Platz; ihre Fetzen und Lumpen kann die Bäuerin auch in einen anderen Winkel schmeißen. Schau Du der Deckel klappelt. So!" Er drehte den Schlüssel um und steckte ihn in die Tasche. „Geh', Franzl, fass' an !" Also wurde die Truhe hinausgetra gen, auf den zweiräderigen Karren ge schoben und zu Thal gezogen. Der Fürnehme war schon mit allerlei Vehi keln spazieren gefahren—auf einem sol chen aber noch nicht. Halb in den Lappen vergraben, dachte er sich einen ganzen Rattenkönig von Flüchen und Verwünschungen gegen den Verräther.' Dabei sann er auf einen Schick, die Sache in's Scherzhaste zn spielen, wenn ihn der Bauer auslasen würde, und zu thun, als ob er sich selber einen Spaß machen wollte. Aber die Geschichte konnte auch grauslich ausgehen pi kant war sie sehr. Vor dem Tha'.häusel auf dem Anger waren sehr viele Leute beisammen und ergötzten sich an den drolligen Ausrufen des Versteigerers, der zum Beispiele eine alte Hühnersteige um fünfhundert 'Gulden ausbot, schließlich aber um acht Kreuzer losschlug. Auch die Frau von Poiser war gegenwärtig, und der Marxl machte ihren Kavalier. Ihr Gemahl ist heute ja aus einer Bergpartie, sie braucht mit dem Diner nicht auf ihn zu warten, so hatte sie schon den Marxl dazu eingeladen, war eine sehr liebe Dame. Nun kam ter Dachsbauer mit der al ten Truhe. „Ah! Eine Antiquität! Altdeutsch! Sehr hübsch!" sagte die Frau von Poiser. „Ach,da muß ich mitbieten, wir haben in nnsererStadtwohnung ein alt deutsches Zimmer mit Putzenscheiben und lauter wurmstichigen Möbeln, mein Gemahl ist ein Freund von alten Möbeln!" „Dann werden ihm onädige Frau eine große Freude machen!" sagte der Bursche. Sie versetzte ihm mit zwei Fingern ein Klatschen an die Wangen: „Gro bian!" Der Bursche fragte sie verblüfft, wa rum er geschlagen worden sei. „Eine altdeutsche Geldtruhe!" rief dcr Versteigerer aus. „Sie stammt vom Hofe Karl des Großen, der hat seine Dukaten d'rin gehabt. Die Alten vom Dachshofe waren Truchsefscn bei'm gro ßen Karl, die sind immer aus dieser Truhe gesessen, und wie sie pensionirt wurden, haben sie sie zum Gnadenge schenk erhalten. Dreißig Gulden zum ersten! Gibt Niemand dreißig Gul den zum zweiten!" „Ich gebe sechsunddreißig!" schrie Jemand in der Menge; es war derTachs bauer selber. „Vierzig!" rief der Marxl. „Ich gebe hierauf der Andere. „Fünfzig!" jauchzte die 'Frau von Poifer. Die Truhe wurde ihr zugeschlagen. Alfogleich machte sie sich daran, um sie bewundernd von allen Seiten zu be sehen und auch aufzumachen. Dem Inwohner der Truhe begann der Angst schweiß aus der Haut zu brechen. Doch der Dachsbauer sagte, er habe leider den Schlüssel zu Hause vergessen-, und er werde denselben Nachmittags schicken. Der im Möbel athmete auf. Frau von Poifer ließ das erstandene Kleinod sofort in ihre Villa schaffen. Wie es massiv war und schwer! Sie war ganz verliebt in die Trnhe, und nach dem Diner fetzte sie sich darauf, und der Marxl mußte sich zu ihr fetz-n. Sie scherzten, sie lachten, und der mun tere Bursche sagte: „Man setzt sich da rüber hinaus. Schon der erstandenen Truhe zu Ehren bin ich heute so lu stig." „Ich bin ja auch lustig." flüsterte sie. Der Inwohner in der Wäsche bebte vor Wuth. So lange sie noch laut lachten, war's erträglich, nun aber begann er zu ra sen. Als es im lilnercil der Truhe plötz lich zu trampeln begann, schnellte die Frau von Poiser mit einem Schreckens rus in die Höhe' „Um aller Heiligen Willen, was ist Das? Wer ist denn da d'rinnen?" Der Marxl that auch erschrocken. „Ja, ja, da in der Truhe d'rinnen tram pelt was!" sagte er. „Wie wäre denn DaS möglich? Bei'mDachsbaner in der G'machtkammer ist sie gestanden, wo die Bäuerin allemal Fleisch und Speck holen geht zum Kochen. Sie wird doch nicht sein in die Truhe gefallen, die Bäuerin! Das wsre so was! Auf geht daS Zeug auch nicht. Wenn's nur nur aufginge, daß man könnt' nach schauen, was d'rinnen ist. Da hab' ich wohl einen Schlüssel bei mir, na, viel leicht paßt er." So redete der Schelm herum, griff in den Sack, zog einen Schlüssel hervor und sperrte die Truhe auf da flogen ihm die Fetzen in's Gesicht. Im gan zen Zimmer flatterten die alten Hosen und Hemden und Tücher wie in einem Wirbelsturm, und mitten durchsauste auS der Truhe hervor, zur Thüre hin aus wer?" „Um GotteSwlllen, ist Das nicht mein Mann gewesen?" stöhnte die Frau von Poiser. „Eh nein, gar nicht zu denken!" be ruhigte der Marxl, „der Herr Gemahl ist ja auf einer Bergpartie." „Er war's! Er war's!" „War er's?OH der Schalk, dann hat er uns zum Narren gehalten." Bald darauf hat der Marxl sich höf lich verabschiedet. Als er um die Bü sche bog und durch's Gartenthor hin ausging, stand der Führnehme ein