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Verhindert. Letzten Donnerstag Abend waren wir zu einer Gesellschaft bei Richter Pender und Gemahlin ein geladen und waren gerade dabei, unserer Frisur den charakteristischen Schwung anzupomadisiren, als ein Junge uns die Nachricht brachte, daß Jim Hewson von Hiko, Ida., die Stadt überzogen habe. Schon vor einer Woche hatten wir ge hört, daß dcr alte Schnapphahn sich nach unserer Gegend aufgemacht habe, abcr wir hofften, eine Schlange würde ihn beißen, oder er würde den Weg ver fehlen. Der alte Jim licbt solche jähr liche Pilgerfahrten nach verschiedenen Orten, und wenn er wohin kommt, so . giebt's Splitter. Unter sothanen Umständen blieb uns Nichts übrig, als das weiße Hemd aus zuziehen, das Schmalz vom Haupte zu wischen und mit Schießeisen und 4) Patronen extra dem Eindringling ent gegen zu gehen. Er hatte schon eine halbe Stunde „gearbeitet" und war mit seinem alten Klepper durch vier Wirth schaften geritten, hatte den städtischen Marschall in seine Höhle gejagt und bei nahe das Rathhaus in Ruinen geschos sen, weil Jemand ihm gesagt hatte, wir wären darin versteckt. Aus dem großen Platz begegneten wir Jim, abcr von dem raschen Laufen athemlos geworden, fehlten wir mit den ersten drei oder vier Schüssen. Als nun dcr alte Sünder gegen uns heran saufte, dachten wir, ein halbes Dutzend Leute eröffnete gegen uns eine Füsillade. Indeß, dcr Mann hinter einem Baume hat über den Mann ars einem Maulesel stets den Vortheil. Sobald wir die rich'tige Distanz gewon i.nd in Ruhe zielen konnten, bekam dcr Mann von Hiko Hcimwch, und nach ein paar weiteren Minuten lag cr auf der Nase und hatte genug. Er wird an seinen Wunden nicht ster ben. Cr ist schon gegen vierzig Mal angeschossen worden, und jedes Mal ist er nach vier Wochen wieder lächelnd von seinem Lager ausgestanden. Wir hatten auch gar nicht die Absicht, ihn zu todten, abcr seine eigennützige Art, die Stadt zu überfallen, halte uns doch zu sehr ent rüstet. Natürlich waren wir verhindert, an dcr Gelellschaft Theil zu nehmen, denn bis wir uns unsere paar Schrammen abgewaschen und für den alten Jim einen Doktor aufgetrieben hatten, war Mitternacht längst vorüber. Oberst Pender und feine liebenswürdige Gattin werden uns gewiß entschuldigen. (?in Nordlicht in Berlin. „Was hast Du denn jetzt aber für 'nen feinen Droppen?" sagten die Gäste zn Herrn Kitzke, einem ehrlichen Bürger in Pichelswerder, der heute sei nen Geburtsiag feierte. „„Ja,Kinncr, det muß ick Euch erzäh len. Die Icschichte is zu doll. Ick hab mal so'n apparateS Jesichte mit 'ne Art verschmitzle Nasenlöcher, wie Ihr et nennt, wo ick doch nischt vor kann. Det hat mich schonst in manche Brcdullje rinjcrittcn. Abcr neulich war't doch zu derbe. Ick komme nämlich von de Leipziger Messe und durch Berlin un loschire in'n „jrienen Boom." Wie ick nu so unter de Linden lang bummle, komme ick zu letzt ooch an die Siegessänle un will sch'n, ob se wirklich wacklig geworden is, seit ick ihr nich bestiejen. Steht da neben mir so'n Fremder det sah ick an den Krimstecher, der ihn um den Leib bammelte, un fragte mir, wo't nach det Panorama jeht. Ja, Männe- ken, sag ick zu ihm. denn iö et de höchste Eisenbahn, denn lassen Se man den ollen Siegesschornstein un kom men Se, sonst wird et duster. Wenn Se erloben, jeh ick mit. Na jut. Wir kommen denn wieder raus aus et Pano rama, und da mich der Fremde jefällt, so schlag ick vor, noch en JläSken mit enanner zu drinken. Wie wir in't Restaurant jeh'n, seh' ich schonst, deß so'n Schutzmann vor de Dühre mir von oben bis unten bemustert. Ick bin so wat aber schonst jewöhnt wegen mein Jesichts-Bildniß, un ick denke an nischt weiter. Wir jenießen een Glas „Schultheiß" nach't annere, keen Wun der. deß es dem Fremden heiß wird. Er macht eS sich bequem. Der Krim stecher liejt neben ihm oss'n Disch, un ick hab: so de Hand d'ran nnd spiele da mit. Usf eenmal komm en last rin un ruft: „Herr Bräsicke, jeschwind, een Nordlichl!" Dcr Deibel hat sein Spiel. Ick hatte jerade vorjten Winter in de Zeitungen jelesen, daß Eener in Berlin et kann ooch wo anners jewesen sind, een Nordlicht jesehen hadde. Na, nn da ick so was nu noch nich kannle, so spring ick uff un loofe mit'n bloßen Kopp ans't Local. Denn fo'n Nordlicht, det wußte ick. Verzichtsich manchmal in eenen Oogenblick wieder. Ick will u nach'n Köuigsplatz un da recht scheene durch det Jlas nach det berühmte Phänjomen kieken. Ick denke, dcr frcmdc Herr kommt nach; denn ick hör' doch Eenen hinter mir herrenncn. Uff eenmal faßt mir eens derbe bei'm Kragen, dess ick beinahe in die Josse salle: „Na, da haben wir Dich ja, Du sauberes Vögelchen." Un wer steht hinter mir? Der Mann des Schutzes. Ich will nu wat sagen, aberst keen Ton nich kommt raus ans mein ganz „schultheiscr" jewordenes Orjan; so 'nen festen Bejriss bringt mich der Mann bei von dem Jesetz un rechts un lenks. Und da kommt ooch der Fremde an mit meinem Hnt in dcr Hand. „Sie sind an einen bekannten Bauern sängcr gerathen, mein Herr," sagte die Obrigkeit zu ihm, „hier haben Sie Ihr Opernglas wieder, das Ihnen der Kerl stiebitzt hat. Und nun man mit zur Wache!" Endlich bring ick denn r'anS: „Er lauben Sie, daß ich mich Ihnen vor stelle! Ich bin dcr Cravatten-Fabrikant Ritzke aus Pichelswerder!" „Hahaha" lachte der Schutzmann, und dabei visitirt er mir und zieht ans meine Rocktasche een Spiel Karten, wo mit ick mir uff de Tour von Leivzig, mit eenen anderen leschästsmann die Zeit vertrnddelt haddc —„so'n Cravat ten - Fabrikanten kennen wir, Haha," un denn faßt er nach meine eigene Cra vatte wieder: „Was wollten Sie mit dem fremden Opernglafe?" „Herrgott" sag ick „ick wollte doch man bloß nach det Norducht se hen." — „Ceit Nordlicht? Na, wir werden Ihnen schon en Licht uffstecken. Kom men Sie man mit!" „Was hilst's, ick muß zur Wache, un zum Unglück hab' ick jerade keene Le jitimation nich bei mich, vavor abcr een voll jcspicktcs Portmonch. „Nun seh Einer, was 'ne schwere Menge der Kerl schon zusammenge gannert hat,"-sagt der Polizeisekretär. „Meine Herren," sag' ich schon fast ohnmächtig, „denn möcht' ick, ehr Sie mir einspuunen, wenigstens vor mein Jeld wat zu essen, so een Filet." „Een Filet will er ooch noch essen? Na seht doch so'n Filou, erst be maust er Andere, und nachher will er Fillet!" Iln dabei schüdden fe sick vor fachen. Na, ick muß richtig mit en hungrigen Magen rin in die Zelle, nn stats de jehosste Naturerscheinung, det Nordlicht mein ick, Stockdusterniß! „Gesegnetes Nordlicht" utzt mir der Mann mit dem Alleminjums-Schlüssel, wie de Dhüre hinter mich zuschnappt. De annern Morgen jung et iu't Perhör. Bei det Protokoll, wo der fremde Herr, en Seisenfabrikant aus Köpenik, nn dcr Restcralör Bräsicke als Zeusen geladen waren, klärte sich die leschichte denn usf. Ick erzählte, wie en last jerufen haddc: „Een Nord licht!" Da platzt Bräsicke los; der dicke Kerl purzelte fast von dem hohen Polizeist.ihl vor dachen: „Nicht Nordlicht — so nen nen meine Stammgäste den Nord- Häuser, den bekannten Nordhäuser Kornschnaps! Haha ...." Derweilen war ooch mein Freund, der Wirth vom „jrünen Boom," ranjeholt, und ick stand da rein wie'n Engel. Die Herrens von's Polizei - Barroh wußten nick, wat se allcns vor Liebens würdigkeit duhn sollten: „Herr Ritzke, verzeihen Sie!" sagt dcr Herr Poli zei-Leitnant, „abcr, Sie haben wirk lich eine frappante Aehnlichkeit mit" „Na lassen Se man" sag ick, „weeß schon, von wejen die Nascn parrie." Mit den Secfensabrikantcn bin ick nachher noch den ganzen Dag in Berlin rumjeschwoost; wir wurden natürlich jure Fremde, un wat soll ick sagen? heute, zu mein Wiegenfest, kommt 'ne Kiste aus Köpenick, biS oben voll mit scheene Seese, in allenCoulören, nn janz oberst eene große Pulle feinen Nordhäuser, mit'n Zettel d'ran: „Mehr Nord-Licht, sagt Göthe!" un Kinner, d'rnsf drinken wir eenen!"" Wrhklagcn. Es giebt eine nicht ganz kleine Masse von Menschen in dieser Welt, deren her vorragende Eigenthümlichkeit im Weh klagen bestebt. Sie wehklagen, weil sie arm sind, oder wenn'reich, weil es ihnen an Gesundheit fehlt, ihren Reichthum zu genießen. Sie wehklagen, weil das Wetter so sonnig oder zu trübe ist. Sie wehklagen, weil ihnen Verwandte und Freunde gestorben sind, und sie immer noch am Leben bleiben. Sie wehklagen, weil sie eingebildete oder wirkliche Schmerzen haben. Sie haben Schmer zen, weil sie wehklagen, und sie wehkla gen über alles Mögliche und Unmög liche. Wir möchten jetzt diesen stets wehklagenden Personen ein ernstes Wort der Mahnung zurufen. Bor Allem hört auf zu wehklagen, weil dieses be ständige Klagen, Aergcrn, Tadeln und Schwarzsehen ja doch von keinem Nut zen ist. Ihr gehört jedenfalls zu den thörichsten Geschöpfen, die man sich denken kann. Wißt Ihr denn nicht, daß ein wohl begründeter Theil der Gesundheitslehre und des gesunden Menschenverstandes ist, daß diese Gewohnheiten erschöpfen der auf die Nervenkraft einwirken, als die Verletzung anderer Gesundheitsge fetzc? Und wißt Ihr ferner nicht, daß daö Leben so ist, wie Ihr es Euch macht und wie Ihr es nehmt? Ihr könnt es Euch hell und sonnig oder dunkel und ichattig machen. Darum hört auf, zu klagen, oder Euch über Dinge zu ärgern, die Ihr nicht ändern könnt, und verfolgt geduldig Euren Weg. Der Gemüths zuttand hat mehr Einfluß auf die kör perliche Gesundheit, als mau gewöhnlich annimmt. Es ist allerdings wahr, daß körperliche Leiden einen krankhaften Zu stand des Gemüths erregen; abcr es ist nicht weniger wahr, daß sorgenvolle, ängstliche, unangenehme GemüthSauf regungen Krankheiten oder doch Stö rungen in den Körper-Funktionen bei Personen hervorbringen, die außerdem vollkommen gesund sein würden. Es ist Erfahrungssache, daß Jemand froh und heiter fein kann selbst bei großen körperlichen Leiden. Der unbrlannte Namcnövrttcr. Im Jahre 1817 erhielt die Musika lienhandlung von Breitkopf k Härtel in Leipzig aus Wien „von einem gewis sen Franz Schubert" eine Eomposition von Göthe's „Erlkönig" zum Druck und Verlag angeboten. Auö Wien? Von Franz Schubert? Das ging nicht mit rechten Dingen zu. Franz Schubert lebte ja in Dresden, er war dort wohl bestallter „königlicher Kirchencoinposi teur," ein würdiger Mann von 49 Jah ren, wie hätte der aus solche Allotria Versalien sollen? Die Verlagshandlung schickte diesem also das Manuskript zu und bat um Aufklärung. Darauf erhielt sie, wie die „Nat.- Ztg." mittheilt, folgende Antwort: „Ich muß Jluien melden, daß ich vor ungefähr zehn Tagen von Ihnen einen mir schätzbaren Brief erhalten, wo mir Dieselben ein von mir sein sollendes Manuskript, „der Erlkönig" von Gö the, überschickten. Zu meinem größten Erstaunen melde ich, daß diese Cantate niemals von mir componirt worden. Ich werde selbige in meiner Verwahrung behalten, um Etwas zu erfahren, wer dergleichen Machwerk an auf so unhöfliche Art übersendet hat, und um auch den Patron zu entdecken, dcr mei nen Namen so gemißbraucht. Uebrigens l'in ich Ihnen sür Dero gü tige Übersendung sreundschastlich ver bunden und verbleibe mit vollkommen ster Hochachtung u. s. w." Ob die Verlagshandlung darauf das „Mach werk" zurückgefordert und doch gedruckt hat, davon schweigt die Geschichte. Je denfalls kennt den königlich sächsischen Hof - Eompositenr keine Menschensee le mehr, aber sein junger, damals noch unbekannter Wiener Namensvetter zählt zu den größten Genies der Menschheit ! Dcr schönste Teppich der Welt. Der famose Teppich aus dcr Moschee zu Ardebil ist, wie aus London berichtet wird, für das „South Kcnsing toner Museum" angekauft worden u. ist jetzt dort ausgestellt. Derselbe wird für den schönsten Teppich in seiner Art ni Europa gehalten. Er ist 34 Fuß 6 Zoll lang und 17 Fuß 6 Zoll breit. Er trägt eine Inschrift, welche in deut scher Uebersetzung wie folgt, lautet: „Ich habe in der Welt keine andere Zufluchts stelle, als Deine Schwelle. Mein Haupt kennt keinen andern Schutz als Deine Halle." Die Arbeit des Sklaven des heiligen Ortes: Makfond von.Kashan im Jahre '.'42 (A. D. 1535). Dieser prächtige Teppich wird sich als höchst kostbares Muster für Teppichfabrikanteu, sowie für Künstler erweisen. Er ist be sonders für die Geschichte persischer Tep pichfabrikation werthvoll. Eine aus führliche Beschreibung des Teppichs be findet sich in dem soeben veröffentlichten Buche : „Der heilige Teppich der Mo schee zu Ardebil" von Eduard Steobing. 5