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offene Natur sich gegen jede Heuchele sträubte. Der Commerzienrath war Abends spät in Berlin angekommen und im „Central-Hotel" abgestiegen. Er wollte erst am anderen Morgen seinen Sohn und seine Schwiegertochter aussui chen, damit er nicht, von der Fahrt angegriffen und in nervöser Stimmung den Beiden gegenüber trete. Schon vor acht Uhr war der Com merzienrath am anderen Morgen auf der Straße, und da er so früh noch nicht das vermeintliche Ehepaar aufsu chen konnte, so beschloß er, sich die weltberühmte Straße „Unter den Lin den" etwas näher anzusehen. Noch hatte er die „Linden" aber nicht erreicht, da blieb er wie gebannt an einem La denfenster stehen, sein Blick war auf ein Bild gefallen, eine Photographie, die eine Tänzerin im Kostüm darstellte, deren Züge ihm so bekannt vorkamen. Er trat unwillkürlich näher, ängstlich prüfend richtete er sein Augen auf das Bild, kein Zweifel: Das waren die Zu ge Adelen's, deren er ja bei sich in feiner Brieftasche trug. Abcr nein, Das konnte doch nicht sein, so ließ sich doch keine Priesterin Er konnte, er mußte sich irren, eS gab ir gend eine andere Dame, die seiner ähnlich sah und ihr Brod als Tänzerin verdiente. Der Commerzienrath faßte sich und ging weiter der Jägerstraße zu, aber es war immer noch zu früh, er machte Kehrt und bog in De Passage ein. Himmel! Da hing in einem Schaufenster wieder das Bild in dem dürftigen Kostüm und d?r freien Haltung und da noch ein zweites ein drittes und hier gar ein Name Adele Rocca. Der Com merzienrath glaubte, der Schlag würde ihn rühren, er suchte nach einer Stütze, er fühlte, wie feine Beine zitterten und ihm den Dienst versagten. Mit Mühe und Noth erreichte er das nahe gelegene asCe in der Passage, wo er sich trotz der noch frühen Morgen stunde ein Glas Portwein geben ließ. Eine Stunde saß er da, dann erhob er sich mit entschlossener, finsterer Stirn, er trat in den Laden und kaufte alle Photographie'!! der Tänzerin Adele Roc ca. Eine kurze Unterredung mit dem Geschäftsinhaber gab ihm eine Gewiß heit, daß es keine zweite Künstlerin die ses Namxns in Berlin gebe. Ohne zu fragen, fand der Commer zienrath das Haus, die Wohnung sei nes Sohnes, und energisch drückte er auf den Knopf der elektrischen Klingel. Karl selbst össnete und wollte mit ei-' nem Freudenschrei seinen Vater umar men. Doch dieser wies ihn mit eisiger Kälte und ohne ein Wort zu sagen zu rück. Im Zimmer angekommen, zog der Commerzienrath die gekauften Bil der hervor und schleuderte sie auf den Tisch mit den Worten: „Also so Eine hast Du mir zur Tochter gegeben?" Zu einer Aufklärung ließ der er zürnte Vater es erst gar nicht kommen, er verlangte Scheidung, sofortige Scheidung. Willigten sie nicht ein, würde er sie enterben vollständig! Sie sollten nur nicht an ein Pslicht theil denken! Er würde schon dafür sorgen, daß nach seinem Tode Nichts, rein gar Nichts mehr vrrhanden wäre. Für sich und seine arme Frau würde er eine angemessene Lebensrente kaufen und den Rest seines Vermögens from men Stiftungen zuwenden. Sollten sie aber ohne Widerstand in die Schei dung willigen, würde er auch die Zn- kunft der geschiedenen Frau glänzend sicher stellen. Karl saß da in einem Dilemma. Er wußte nicht, ob er dem Vater die Wahrheit bekennen, oder ob er den Verheirateten weiter spielen sollte. Diese verwünschten Bilder! Daß auch Keiner von ihnen daran ge dacht hatte! Wenn nur wenigstens Adele da wäre! Als hätte diese den stummen Wunsch vernommen, össnete sie die Thür des Nebenzimmers, machte dem vor Ucbcrraschnng und Staunen starr stehenden Commcrzienrath eine tadellose Verbeugung, schritt auf Karl zu, der vernichtend auf einem Sessel saß, legte einen Arm um seinen Hals, küßte ihn herzhaft aus den Mund und sprach dann: „Dn bist ein guter Mensch! Ich habe Alles gehört. Du hast mich nicht preis gegeben! Du sollst durch mich nicht un glücklich werden!" Dann sich an den Commcrzienrath wendend, fuhr sie sort: „Beruhigen Sie sich, Herr Eommerzienrath, Ihr Sohn und ich sind gar nicht vcrheirathct. Erst heute Morgen hat er auf meine Veran lassung seine Visitenkarte an meine Thür geheftet, das ist Alles!" Der Commerzienrath wußte erst gat nicht, wie ihm geschah, er wußte nicht, ob er sich über die Komödie, die man ihm vorgespielt hatte, ärgern, oder ob er sich über die eben vernommene That sache sreuen sollte. Abcr schließlich siegte die Freude, denn Adele schilderte ihm ihre Misse thaten in so drolliger Weise, sie stellte Karl als einen solchen Biedermann hin, daß das Vaterherz nicht länger hart bleiben konnte, und der Eommerzien rath auch der bereuenden schönen Sün derin vergeben mußte. Er zog seine Brieftasche, füllte einen Check aus und reichte diesen dann der Tänzerin mit den Worten: „„Innerhalb drei Tagen können Sie diese Summe bei der hiesi gen „Deutschen Bank" in Empfang neh men."" Verblüfft, wirklich verblüfft, viel leicht zum ersten Male in ihrem Leben, schaute Adele auf die große Ziffer dcs Checks. Doch gleich darauf legte sie das Papier auf den Tisch und schob eS dem Commerzienrath zu mit den Worten: „Nehmen Sie das Papier nur wieder an sich!" Erschrocken schaute der Commerzien rath auf, sollte sie nicht auf die Hand seines Sohnes verzichten wollen, oder sollte ihr die Summe noch zu gering sein? „Mit so viel Geld weiß ich nämlich nicht umzugehen," fuhr Adele nach kur zer Pause fort. „Und doch ist es meine Pflicht, sür meine Zukunft zu sorgen! Wissen Sie was, Herr Commerzienrath, was Sie da vorhin zu Ihrem Sohne von Lebeusrente gesagt haben, Das hat mir gefallen; kaufen Sie mir eine sol che, Das ist sicherer ich kenne mich. So, und jetzt leben Sie wohl Sie und Ihr Sohn! Ich werde seinen Weg nicht mehr kreuzen." Fort war sie, bevor Karl noch eine Silbe erwiedern konnte. „Die ist zehn mahl vernünftiger, als Du," wandte sich der Commerzienrath an seinen Sohn. Die Heirathsidee ist auch nicht von der ausgegangen, sondern von Dir!" Karl war so überrascht und verdutzt von Allem, was er gesehen und gehört hatte, daß der Commerzienrath leichtes Spiel mit ihm hatte und schon am andern Tage die Reise nach Bonn an treten konnte, selbstverständlich in Be gleitung Karl's, der in Bonn seine Studien beenden und dann eine passende Partie machen sollte. Adele erhielt nach wenigen Wochen die Papiere über eine ansehnliche Ge bens.ente zugesandt, die sie gegen alle Wcchfclfälle dcs Lebens sicher stellte. Vaumricscn. Auf dem Rasenplätze vor dem Frank furter Palmenhause stehen zwei Exem plare des Mammuthbaumes (B<?>iioi!t neunten oderN ellin<;tyniu welche zwar in den letzten strengen Win tern nicht unbedeutend gelitten haben, abcr doch den ihrer Art eigenen stolzen charakteristischen Habitus ausweisen. Diese beiden Bäume wurden vor etwa 4) Jahren aus Saamcn gezogen und haben nun eine Höhe von über 20 Me tern erreicht. Ter Mammuthbaum wurde erst 1850 aus der Sierra Nevada in Kalifornien von einem Amerikaner entdeckt. Dieser kam in elnen Hain, welchcr sich zusam mensetzte aus etwa 100 Exemplaren, alle mehr, als 90 Meter hoch. Es b.fanden sich darunter abcr auch solche, die über 110 Meter Höhe besaßen und einen Stammdurchmesser von 12 Metern aus wiesen. In einen umgestürzten hohlen Baum ko..nte man 24 Meter weit hin ein reiten. Den hervorragendsten Bäu men hatten die Eingeborenen Namen wie Bater oder Mutter des Wckldes, die Kinder, die drei Schwestern gegeben, und bei ihnen stand der Mammuthhaiu in großem Ansehen. Tie Nachrichten über diesen Baum erregten überall viel Aussehen, da man glaubte, hier die größten pflanzlichen Lebewesen vor sich zu haben, welche nicht weit hinter den höchsten menschlichen Bauten zurück stan den. Obgleich nun dieser Baum noch an manchen Stellen der callfornischen Gebirge aufgefunden wurde, zeigte er doch, da er nirgends in großer Menge auftritt, fein Holz sehr geschätzt wurde, und ein einziger Stamm eine unge heuere Ausbeute ergab, nach kurzer Zeit eine so bedenkliche Abnahme, daß die amerikanische Regierung sämmtliche MammuthbäumefürNationalcigenthum erklärte und dieselben so vor dcr dro henden Vernichtung rettete. Baum hat sehr verschiedene Namen bekommen, besonders deshalb, weil die Amerikaner ihm gern den Namen eines ihrer Na tionalhelden beigelegt hätten. Dieser p-.achtvollc Baum eignet sich —abcr nur in wärmeren Lagen —sehr gut zum Zier baum, leider werden ihm jedoch kalte Winter leicht gefährlich. Steht er dage gen geschützt oder kann er während des Winters gedeckt werden, so entwickelt er sich ausgezeichnet und gehört wegen sei nes aussallenden eigenartigen Wuchses zu den geschätztesten Eoniseren. Es mag noch erwähnt werden, daß die in Deutschland viel seltener gezüchtete, dem Mammuthbaum nächstverwandte, eben falls aus Ealifornien stammende ke juviu, viieu-z fast ebenso hoch wird, wie jene, der Stamm dagegen an der Basis ost einen noch bedeutenderen Umfang annimmt. Seit mehr als zehn Jahren weiß man jeHt aber, daß der Mammuthbaum an Höbe weit übertroffen wird von zahlrei chen Eucalyplus-Arten Anstralien's. So kennt man von den Riesen-Eucalyp ten (L. Exemplare, wel che über 150 Meter hoch sind und einen Stammumsang von 30 Mt. besitzen. Diese Bäume verzweigen sich erst in ei ner Höhe von 70 bis 90 Mt., wo ihr Umsang noch 12 Mt. beträgt! Die Ricsenhaftigkelt eines solchen Baumes wird besonders aufsallen, wenn wir be denken, daß Büumc über 30 bis-10 Mt. Höhe schon zu den großen Seltenheiten gehören. Die Eucalyptus-Artcn, auch australische Gummibäume genannt, ha ben für Italien schon eine große Bedeu tung gewonnen, da man sie als die be sten Fiebcrvertrciber schätzen gelernt hat. Am Lago Maggiore halten dieselben noch sehr gut im Freien auS, und eS ist auch schon ost angegeben worden, daß sie Winter von 15 Grad Kälte unbe schadet überstanden haben. Versuche über Kulturfähigkeit dieser außerordent lich werlhvollen Bäume wären deshalb sehr zu wünschen. Ihre ficborvertrei bende Wirkung verdanken die Eucalyp tuSarten vor allem ihrem kolossalen Wachsthum resp, der dadurch herbeige führten reichlichen Wasscrvcldunstnng. In Italien gelingt eS auch wirklich, mit Hülfe zahlreicher Bäume ausge dehnte gefährliche Sümpfe zu entwäs sern. Es kommt noch hinzu, um den Werth dieser Arten zu hebe, daß das Holz eine große Festigkeit besitzt nnd als SchissSbaumaterial außerordentlich ge schätzt wird. Endlich licsern die Euca lhptusbäume in großer Menge ein viele gute Eigenschasten besitzendes Oel, wel ches auch in die Medizin Eingang ge sunden hat. Brummrl. Dieser englische Modcmcnsch war einst wohlbekannt. Anfangs „Freund" des späteren Königs Georg I V., wußte er feinen Protektor, der damals noch Prinz von Wales war, durch seine gesellschaft lichen Bizarrereien und seine unbestrit tene Herrschaft, die er auf dem Gebiete der Hcrrcnmode ausübte, an sich zu fes seln. 1812 1813, wo der Eiusluß Brummel's auf dem Höhepunkte stand, betrachtete jeder Londoner Elegant den Freund dcs Kronprinzen als unbeding tes Modeorakel; AlleS war „sashion able," was Brummel trug, und Alles was er verpönte. Mau erzählt, zur Anfertigung der Handschuhe für den berühmten Stutzer wären drei Arbeiter nöthig gewesen, einer für die Finger, einer für den Daumen und der dritte für die Hand. Brummel's Phan tasie und Geschmack in seiner Kleidung wurden bewundert wie dichterische Ge nialität. Das Verhältniß zwischen ihm und dem Prinzen, das auch sonst mancherlei Aehnlichkeit mit dem zwischen Falstass und seinem „Heinz" (nachmals Heinrich V.) hatte, endete wie dieses mit einem Bruche, zu dem eine freche Aeußerung dcs Dandy Anlaß gegeben haben soll. Während eines Soupers habe Brumme! auf die Tischglocke ge deutet und dem Kronprinzen besohlen: „Läuten Sie, George !" Dies habe der Prinz auch wirklich gethan, dem eintre tenden Diener aber die Ordre gegeben: „Bringen Sie den Trunkenbold zu Bette!" Nachdem der Prinz von Wales seine Hand von ihm abgezogen, begann für Brummel die Periode eines rapiden Verfalles. Er zog sich nach Frankreich zurück und lebte in EalaiS von den Unterstützungen, die ihm einige Londoner Kavaliere zufließen ließen. Doch diese hörten nach und nach auf und Georges Brummel, der einst Viel gefeierte, um dessen Gunst ge buhlt, endete im tiefsten Elend im Säu ferwahnsinn. Es gibt Menschen, welche in der Jugend nie einen dummen Streich machen —im Alter abcr Das eifrig nachholen. 5