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Seewesen des germanischen Alterthums. Von Martin Beck. Wie sagt Ludwig Uhland's junger Königssohn"? „Gieb mir drei Schiffe, so fahr' ich hin Und suche nach einem Throne!" Und als er sie hat, heißt es : Der Jüngling steht auf dem Verdeck, Sieht seine Schiffe fahren; Es lacht die Sonn', es spielt die Luft Mit seinen goldenen Haaren. Er spricht: das ist mein Königreich, Das frei und luftig streifet. Das um die träge Erde her Auf blauen Fluthen schweifet. Ja. das war's das die Germanen einst ' unwiderstehlich auf's wogende Weltmeer trieb. Dort, im mächtigen Sturmgeheul, im wilden Wogengeprall war ihrer Seele wohl. Das Meer und germanisches Blut passen so gut zusam men. Unbändige, trotzige, titanenhafte Kraft, die sich Alles unterwirft, das ih>rem Willen entgegen ist. wechselt bei beiden mit tiefer, machtbewußter und froher Ruhe, in der sich der ganze Him mel spiegelt. Sturm und Gefahr ha ben ja stets einen unwiderstehlich lo ckenden Reiz für ein frisches, deutsches Herz gehabt. Und davon bot die ewig ruhlose See mehr als das feste Land trotz Urwald und Gebirge. Und welche Wunder und Geheimnisse barg wohl die fremde Ferne, in die das weite Meer hinaustragen konnte! Da hob sich das Herz heiß in Abenteuersucht, in unge stilltem Entdeckungsdrang. Die keltischen Völker Europas hatten auch Jahrhunderte lang von Dünen und Landzungen auf das wogende Meer ge blickt. Sie empfanden aber keine Lock ungen. auf den wilden Wogen lustig da hinzustürmen, froh des betäubenden Sturmesbrausens und des kräftigenden Kampfes mit den mächtigen Fluthen. Was hinter der gewaltigen Wasserwüste lag, gelüstete sie nicht zu ergründen. Von keltischem Seewesen ist keine Kun de. kein ausgegrabener Ueberrest auf uns gekommen. Am frühesten zum fernen Westen Europas vorgedrungen, durfte das Meer dem Wandern der Kelten Halt gebieten und es, entgegenge setzt allem historischen Zug nach dem Westen, rückläufig machen. Von We sten nach Osten, nach Oberitalien und Kleinasien, drängten keltische Völker schaften zurück, um dort in anderen Völ kern aufzugehen. Die Germanen dagegen ließen sich nicht vom Meer zurückschrecken. Der Gegner schien ihnen des Bezwingens werth. Hier konnte ihr tollkühner Wa gemuth sich nach Herzenslust austoben. Und schon aus den ältesten Zeiten hören wir von schier unglaublichen Fahrten in gebrechlichen Kähnen über den uner meßlichen, feindlichen Ozean nach In seln und Erdtheilen, die erst nach Jahrhunderten wieder von seekundigen Kulturvölkern mit Hilse der Wissen schaft entdeckt wurden. Ist es nicht be zeichnend, daß die Schifffahrt dem ger manischen Leben auf deutschem Boden eigentlich voranging? Ueber's Meer drangen die alten Germanen vom Nor den herab in Deutschland ein. Nur zu Schiff konnten sie von der skandina vischen Halbinsel aus, die sie vom Osten her über Rußland erreicht hatten, nach Deutschland kommen. Das geschah in unvordenklicher vorgeschichtlicher Zeit. Unwiderleglich fest steht die Thatsache der skandinavischen Einwanderung aber. In Funden. Orts- und Stamm bezeickmungen hat sie sichere Spuren hin terlassen. Manches deutsche Volk hat seinen Namen aus der nordischen Hei? Math mitgebracht. Die Geschichtsanfänge mehr als eines germanischen Volkes zeigen uns das nordische Meer von Schiffen der Ger manen durchschnitten. Was andere Völker davon abhielt, in die skandinavi sche Halbinsel einzudringen, die wild zerrissenen. tief eingeschnittenen Felsen küsten, an die nur ein Ortskundiger sich wagen durfte, und die Dürftigkeit des Binnenlandes, das gerade trieb die Ein wohner immer hinaus auf das lockende Meer, das wie mit tausend Armen in ihr Land hineingriff. Die Germanen wurden daher das erste seefahrende Volk des Abendlandes und schon zu Beginn des Mittelalters behaupteten sie die Herrschaft auf dem Weltmeere, die noch heute die Nachkommen der alten Angel sachsen ausüben. Die Gefahren der Schifffahrt in den nordischen, stürmischen, nebelreichen Meeren, an den von ewiger Brandung umbrausten Felsgestaden zwischen dem zahllosen Jnselgewirr der Scheeren ga ben dem Leben zur See das Gepräge der ehrenvollsten Beschäftigung. Wie kei ne andere führte sie zu Ruhm und Reichthum. In grauer Vorzeit tref fen wir daher die Skandinavier und die norddeutschen Küstenanwohner schon kühn und rüstig zur See. Die feste Ahnung, daß jenseits der endlosen Ge wässer erst recht eine Welt der Wunder, des Reichthums und der Herrschaft sich eröffne, ließ ihnen keine Ruhe am hei mathlichen Strande. Und zur Gewiß heit mußte diese Ahnung werden durch Ereignisse wie das oft erzählte von indi schen Kaufleuten, die aus ihrem Ozean bis nach Germanien verschlagen wur den. Durch die Behringsstraße also, die sie unfreiwillig entdeckten, und das nördliche Eismeer. Weit in das offene Weltmeer hinaus herrschten mit ihren Flotten die Suio nen im schwedischen Upland, die Bluts- und Namensvorfahren der heutigen Schweden, im nordischen Alterthum ein kleines, aber berühmtes Volk. Von Schwedens Küsten aus trugen die Schisse auch kostbares Pelzwerk an das jenseitige Land. Auf dem Dniepr fuhren Schiffe stromab mit Bernsteinladung von der preußischen Küste. Und wieder andere führten das leuchtende Gold des Meeres in wochenlanger Fahrt über die Ostsee an den Strand Schleswigs. Der Han del hatte diese Schifffahrt aber nicht ins Leben gerufen. Sie bestand schon längst und diente ihm nur gelegentlich nebenbei. Freudiger, öfter und in weitere Ferne wurden"kriegerische Fahrten zur See un ternommen, die rascher als der Handel zu Ruhm und Reichthum führten. In kühnen Wikingerzügen verheerte man seit dem 8. Jahrhundert die Nordseeküsten, und ihre Flußmündungen hinauf drang man tief in's Land hinein, ein Schrecken der Überfallenen Anwohner in Städten und Ortschaften. Die Bränder fliegen durch die Luft Weithin auf's rauchende Land. Die Eichenwälder flammen, Ganz Fühnen steht in Brand. Die Dächer und Garben brennen, Die Nordmänner morden und sengen, singt Thiodolf von Hvine von der Ver wüstung Fünens im Jahre 1043. In's Mittelmeer zogen die nordischen Seehel den bis nach Miklagaard. wie sie Kon stantinopel nannten. Im hohen Norden über das Nordkap bis zur Mündung der Dwina. Sie wurden zu gleicher Zeit Entdecker, wie der Faröer, Islands und Amerikas, und Staatengründer: Ruß land, die Normandie, Unteritalien. Vorbild im Schiffsbau war ihnen kein anderes Volk gewesen. Er ist durch aus ursprünglich und ihnen eigenthüm lich Seit unvordenklicher Zeit bedien ten fie sich zur Fluß- und Strandschiff- fahrt der Einbäume, ausgehöhlter halber Baumstämme, wie sie vielfach in Torf mooren aufgefunden worden sind. Im europäischen Rußland, in Sibirien, in Brasilien, auf den Samoa-Jnseln usw. werden sie noch heute anqefertigt. Die altgermanischen Einbäume waren bloße Ruderschiffe, ohne Segel. Zur leichteren Fahrt zwischen Klippencngen und zum rascheren Anlanden und Auslaufen wa ren sie vorn und hinten s^ch- gebaut, so daß jedes Ende als Vordertheil dienen konnte. Wollte man mit ihnen im gro ßen Strom oder in der Meeresbrandung fahren, so verstärkte man ihren Bau durch Einklemmung krumm gewachsener Baumstämme nach Art von Rippen, auf die ein oder zwei Plankengänge aufgesetzt wurden. Ein solches Boot hat man in Danzig ausgegraben. Auch diese Art trifft man in manchen Theilen Ruß lands und in der Südsee noch in Ge brauch. Von ihrer rohen Aushöhlung führten die Einbäume im Althochdeutschen die mit hohl zusammenhängende Bezeich nung holecha. Aehnlich nannten die Angelsachsen ein Ruderschiff hulce. Eine Hulk oder Holk nennt Man heute noch in der Marine ein altes abgetakel tes Schiff, das man zur Ausbildung von Maschinistenrekruten, als Vorraths raum für Kohlen benutzt. Das altnor dische barkr, französisch barque, läßt sich mit börkr, Rinde, zusammenstellen und deutet auf ein noch leichteres, nur aus Rinde gebildetes Boot hin. Kühnheit war eben der ausgeprägte Charakterzug der altgermanischen Schifffahrt. Die Alemanen setzten sogar, als ihnen nach dem vernichtenden Siege des Julian bei Straßburg im Jahre 357 die Schisse zur rettenden Flucht aus dem Blutbade mangelten, aus ihren großen Schilden über den Rhein, wie die Cimbern einst ähnlich die schneebedeckten Alpenberge ' hinabgeglitten waren. Angelsächsische Sagen erzählen von einem Sceas. der als Kind auf einem steuerlosen Schiffe an ihre Küsten getrieben ward. Im Beovulf wird dafür Scild. der Sohn des Sceaf, genannt. Wahrscheinlich haben wir darin eine Hindeutung zu suchen, daß auch er auf einem Schild statt auf einem Schiffe gekommen war. Weil, die Einbäume und späteren Schiffe gewöhnlich aus Eichenholz be standen, heißt in der Edda das Schiff einfach eikja. Die zu beiden Seiten der unteren Weser bis zur Jahde und Elbe hin wohnenden Chauken holten sich die Stämme zu ihren Schiffen aus den be nachbarten großen Eichenwaldungen, deren gewaltige Majestät Plinius recht anschaulich schildert, indem er erzählt, daß die Aeste dieser Baumriesen zuwei len so weithin ragten, daß ganze römi sche Reitergeschwader bequem unter ihrer Wölbung hindurchreiten konnten. In manchen Gegenden wieder zog man Eschenholz zum Bootbau vor. Daher heißt das Schiff im saliscben Gesetze as cus, im altnordischen askr und bei den Angelsachsen äsc. Die Schiffe waren aber ungemein fest und mit bewundernswerther Geschicklich keit gefügt. Das zeigt uns am schönsten das eine wohlerhaltene, der bei Nydam (Neudamm) unweit Düppel in Schles wig in den Jahren 1862 und 1863 im Torfmoore ausgegrabenen Boote, das im Museum Vaterländischer Alterthü-j mer in Kiel aufgestellt ist. Aus Eichen-! holz, ziemlich 24 Meter lang und in der Mitte Meter breit, läßt es bis in die kleinsten Einzelheiten hinein, besonders in der eigenthümlichen Verbindung der Spanten oder Rippen mit den Planken, die verhältnißmäßig hohe Vollkommen heit des germanischen Schiffsbaues im 3. Jahrhundert n. Ch. erkennen. Dar nach muß die Kulturstufe, die wir ge wöhnlich jener Zeit zuerkennen, weit höher angesetzt werden. Meistens faßten die Boote 30 bis 40 Mann. Auch die Bemannung der Schif fe, auf denen die ersten Ansiedler nach Island kamen, pflegte 30 Köpfe stark zu sein. Gelegentlich rüsteten die germani schen Völkerschaften auf ihren Flüssen ganze Kriegsflotten von solchen Booten aus und stellten sich so den Römern ent gegen. Das hören wir aus dem Jahre 12 v. Chr. von den Brukterern an der Ems, die mit kühnem Wagemuth die hochbordigen, vortrefflich gebauten und stark bemannten Triremen (Dreiruderer) des siegreichen Drufus Germanicus an griffen, des ersten römischen Feldherrn, der bis zur Nordsee vordrang. Und 70 n. Chr. wagten die Bataver unter Clau dius Civilis dasselbe an der Massmün dung. Die ihnen verwandten Kanine faten, im jetzigen Kennemerlande in Nordholland, griffen die britannische Flotte der Römer furchtlos mit ihren Einbäumen an und versenkten oder er beuteten den größten Theil der Schiffe. Vielleicht hatten die vor Anker gelegen und waren von ihnen überrascht worden. Ebenso überfiel Civilis dann die römi sche Rheinflotte. Statt der Segel, die ihren Booten noch fremd waren, wußten sich die Bataver dabei ihrer bunten Män telchen zu bedienen. Im ganzen ersten Jahrtausend blieb die germanische Schiffbaukunst sich ziem lich gleich und hielt in der Hauptsache am Typus des Nydamer Bootes fest. In allen nordischen Ländern war diese Bau weise verbreitet. Ein bei Gokstad in Nor wegen ausgegrabenes Wikingerfahrzeug mit Mast, von Eiche und in derselben Größe wie das Nydamer, aber dem 8. Jahrhundert entstammend, ist auch auf die Art wie das Nydamer hergestellt wor den. Die interessante, äußerst geschickte Zusammenfügung der Spanten und Planken ist die gleiche mittels Basttau werk oder Lederstreifen. Wasserdicht wurden die Fugen durch Thierhaare oder wollenen Webstoss und eine klebrige pech artige Substanz gemacht. Die ganze Bauweise war durch den Mangel an Ei sen bedingt. Das finden wir nur sehr dürftig an diesen Booten angewendet. Die Nagelung geschah vorwiegend durch starke Holzpflöcke. Die Ruder oder Riemen, ungefähr 15 auf jeder Seite, gewöhnlich 6 Meter lang und aus Eschenholz, zeigen das Blatt doppelt so breit als den Handgriff, also wie die heutigen. Sie waren aber noch nicht wie unsere Ruber am obersten Bordrand durch zwei Pflöcke oder Hör !ner vor dem Vor- und Rückwärtsgleiten gestützt. Es war jedesmal nur ein Horn vorhanden. Daran war jedoch ein Ring von Bast oder geflochtenem Leder befe stigt, durch den der Rudergriff gesteckt wurde. Die norwegischen Fischer haben an ihren sogenannten Nordlanddooten noch jetzt genau dieselbe Vorrichtung. In einem solchen Ringe hing auch das Steuerruder, das den Rudern ähnlich war. an der rechten Seite hinten. Es war in dem starken Ringe drehbar. Diese seitliche Steuervorrichtung hat sich bis in's 13. Jahrhundert erhalten. Erst dann kam die jetzige auf. Von jener alten rührt der seemannische Ausdruck Steuer bord für die rechte Seite eines Schiffes, von hinten nach vorn gesehen, her. Auch ein, dem 9. Jahrhundert ange hörendes Wikingerboot, das im Sommer 1880 in der Nähe des norwegischen See bades Sandefjord in einem Hünengrabs ausgegraben wurde, das im Volksmunde der Königshügel hieß, zeigt den Typus des Nydamer Bootes. Wie die zum Theil kostbaren Reste feiner, mit Gold und Sil ber durchwirkten Tuchstoffe und kunstvoll mit Blei und vergoldeter Bronze beschla genen Pferdegeschirres beweisen, die eine ersichtliche, in sehr früher Zeit verübte Beraubung des vergrabenen Bootes hin- teriafsen hat, war in dem Boote ein Wi kingerführer, einSeekönig, beigesetzt wor den. Sicher hatten auch die anderen der mit vielen Beigaben gefüllten, ausgegra benen Schiffe dem gleichen Kultuszweck gedient. Die einfachen Baumschiffe findet mar häufig nur sinnbildlich verwendet zur Schifffahrt der Todten in's Jenseits. Wie der gvthischeGeschichtsschreiber Pro kop erzählt, glaubte man, daß die Seelen der Verstorbenen von der Nordküste Gal liens aus nach einer Insel bei Britannien übergefahren werden. Diese Vorstellung fand sich noch im 17. Jahrhunderte im deutschen Volke. Daher findet man au ßer den wirklichen Schiffsgräbern auch Baum- und Steinsärge in Form von Booten. Und die sogen. Schiffssetzun gen des Nordens. Steine zur Bezeich nung einer Begräbnißstätte, waren so ne beneinander aufgestellt, daß sie den Um riß eines von oben gesehenen Schiffes bildeten. Bei den Franken, in den Ale mannengräbern am Lupfen bei Ober flacht und in einem Grabhügel bei Upg rade fand man solche Särge in Form gehöhlter Bäume, wie sie auch als Schiffe dienten. Noch heute heißt in alemanni schen Landen jeder Sarg ein Todten baum. Von den Schiffsgräbern im Nor den sprechen schon uralte nordische Sa gen. Darin nimmt das Todtenschisf oft schauerliche Gestalt an. wie das aus den Nägeln der Todten gefertigte, zur Zeit der Götterdämmerung abfahrende Na gelfari. Die Seegermanen vereinten so gar Schiffsbestattung und Leichenver brennung. diese beiden vornehmen Bestat tungsweisen. indem sie die aufgebahrte Leiche, mit Allem, was ihr im Leben lieb gewesen, umgeben, im brennenden Schiff in's offene Meer hinausschwimmen lie ßen. Eine grausig schöne Erscheinung, die in ihrer modernsten Einkleidung als „fliegender Holländer" in der Phantasie des Volkes haftete. ! Die Schiffsbaukunst der Germanen erhielt wohl einige Anregung nach der Ankunft der Römer und der Kenntniß ihrer Schiffe. Vorbilder konnten diese ihnen aber nicht sein, da die ganze Bau art ihrer Schiffe wohl dem heiteren Mi ttelmeer, nicht aber den stürmischen deut schen Meeren entsprach. Die Germanen waren ganz auf sich selbst angewiesen, um die siir ihre Gewässer geeignete Form des Rumpfes, Mastes und der Segel zu finden. Die Römer gaben ihnen aber den ersten Impuls zur Ausrüstung see fähiger Fahrzeuge. Und doch hatten sich die Meeranwohner auf ihren früheren Booten schon kühn zu Raub- und Krieg szügen auf das Meer hinausgewagt. Das erste Mal, daß Germanen das offene Meer befuhren, war 45 n. Chr., als die Chauken mit Einbäumen, besetzt mit je dreißig Mann, die Küsten Galliens heimsuchten, um von dem reichen und unkriegerischen Volke Beute zu machen. Das war ein seemännisches Wagestück. Aber alleGermanen waren guteSchwim mer, als welche selbst Cäsar sie unver hohlen bewunderte, und die Chauken ein Fischeroolk und selbst halb Fische. Zwei Jahre darnach wurden sie unter dem Kaninefaten Gamask mit ihren Seeraubzügen den Römern so gefährlich, daß Cordula, der Statthalter Nieder germaniens, die gefammteßheinflott? ge gen ihre „Kähne", wie Tacitus sagt, auf bieten mußte. Von solchen Raubzügen zur See erzählt die fernere Geschichte bis zum beginnenden Mittelalter genug. Sie dehnen sich zuletzt aus zu gewaltigen Eroberungen der Franken, Sachsen und Normannen. Dabei war das Schiffswesen zum Theil noch schlicht wie einst. Im 5. und 7. Jahrhundert kamen die Sachsen zur Brandschatzung der britannischen Küsten noch mit Booten aus Weidengeslecht, mit Fellen umnäht und mit Segeln aus Fellen. Sie sind auch, als sie Britannien eroberten, mit drei Schiffen, Ciulen, de ren jedes 150 Mann faßte, unter Hen gist und Horsa gelandet, wie die Gothen von Skandinavien her. Selbstverständ lich waren das Holzschiffe. „Auch mit ungünstigem Winde ist der nahende Sachse zu fürchten", sagt ein Römer im 4. Jahrhunderte. Denn die Germanen waren die Ersten, die bei richtiger Se gelstellung auch gegen den Wind zu fah ren oder zu laviren verstanden. Erst da durch waren sie die eigentlichen Begrün der oceanischen Schifffahrt geworden. Nach der Edda wurde diese Kunst lange von ihren Erfindern geheim gehalten und erst sehr spät Gemeingut anderer seefahrender Völker. Sachsen und Fran ken sollen schon Ende des 3. Jahrhun derts durch den Verrath des Carausius sich die höhere Schifffahrtskunde der rö mischen Vertheidigungsflotte angeeignet haben. Und auch nach einer Sage sind ini 6. Jahrhunderte die Angeln von Britannien aus, geführt von ihrer jung fräulichen Königin, auf 400 Schiffen gegen die Varner gezogen. Ihre Schiffe waren aber, trotzdem sie einst unter Hen gist und Horsa mit Segeln nach Britan nien gekommen waren, ohne solche. Aber mehr als 100,000 Krieger und ruderten selbst, da anderes Schiffs volk nicht mit aufgenommen ward. Das germanische Seewesen war vom Jahre 500 bis gegen das Jahr 1000 in folge der Völkerwanderung zum Still stande gekommen, wie ihre ganze Kultur in jener Periode rückläufig geworden war. Die Sachsen, das seetüchtigste Volk des aermanischen Alterthums, hatten mit der Eroberung Britanniens den Seegelüsten entsagt und sich in der neuen Heimath mehr dem Feldbau zuge wandt. Erst nach Jahrhunderten, als Dänen und Normannen ihrem Kielwas ser folgten und die englischen Küsten mit Feuer und Schwert heimsuchten, be sannen sie sich unter König Alfred auf ihre alte, ruhmvolle Kraft und Kühn heit zur See. Sie bauten Flotten und schlugen den Ansturm der Feinde über's Meer zurück. Und fortan behaupteten sie dessen Herrschaft, um bis auf den heu tigen Tag die Führung im Seewesen zu übernehmen. Vollkommener aber, als bis dahin ihre Schiffe, waren die der Normannen nach den Edda - Schilderungen und dem Sprachschatze ausgerüstet gewesen. Bild liche Darstellungen solcher Schiffe be sitzen wir nur zwei. Die eine ist eine der Bronzezeit zugehörige Felsenzeichnung (skandinav. Hällristningar) zu Bosus- Läu in Schweden, die ein stattliches Fahrzeug vorführt. Die andere befindet sich auf der berühmten Leinentapete im Stadtarchiv zu Bayeux in Frankreich. Dieser ziemlich 70 Meter lange und fast 50 Meter breite kunstvolle Gobelin, von unschätzbarem Werthe in Bezug aus Trachten und Sitten um 1066. stellt die Eroberung Englands durch Wilhelm den Eroberer dar und ioll durch dessen Ge mahlin Mathilde bis zum Jahre 1070 gestickt worden sein. Die hier dargestell ten Schiffe unterscheiden sich nur wenig von den Witingerbooten. Sie haben Ruder, je einen Mast und ein vierecki ges Segel und das Steuerruder zur Seite. Längs der oberen Bordwand hin gen, neben einander gereiht, die Schilde der Besatzung. Das war der beste Platz für sie. Sie waren stets zur Hand, er höhten zugleich den Bordrand und schütz ten vor dem Spritzwasser. Der Tiefgang der Schiffe war bei ihrem flachen, brei ten Boden gering. Befahl ja Wilhelm, um seinem Heere die Möglichkeit zur Flucht abzuschneiden, seinen Seeleuten, die Schiffe zu vernichten, sie auf das Land zu ziehen und Löcher hineinzu hauen. Aus den Schiffsfunden geht übrigens auch hervor, warum die dicke Eichenplanke, die der Mast durchschnei- det, der Fisch genannt wird. In jenen alten Booten ist diese Planke durch einen starken Block ersetzt, der wie ein Fisch ge formt ist und in dem der Mast sich auf richten und niederlegen muß. Oftmals waren die Schiffe von gro ßer Pracht. Harald Haarfagr verehrte dem englischen König Adelsten em Schiff, dessen Schnabel vergoldet und das inwendig ringsum mit vergoldeten Schilden besetzt war. Auch weiß und rothe Schiffe gab es, prächtig von Gold und Silber funkelnde Drachenköpfe und Schweife und Segel von buntem und gestreiftem Stoff. Drakar und Snak kar. Drachen- und Schlangenfchiffc, nennt schon die Edda die Seeschiffe der geschnitzten Drachen- und Schlangen köpfe wegen, mit denen man sie. ein Nachklang an den uralten indogermani schen Drachen- und Schlangenkultus, verzierte. Die erwähnten Schiffsfunde zeigen schöne solcher Schnitzereien voll künstlerischen Stiles und kraftvollen Le bens. Es sind Bootverzierungen, die jedem heutigen Holzschnitzer Ehre ma chen würden, vollendeter Kerbschnitt, reich verschlungene Knotenornamente, wie sie dem ganzen altgermanischen Kunstgewerbe eigenthümlich sind. Das berühmte Schiff des Norweger königs Olaf Tryggwason besaß wie Frithjoss ebenso berühmte Ellida vorn einen Drachenkopf und hinten eine Bie gung, von der gleichsam ein geringelter Schweif ausging. Und die Segel gli chen, wenn der Wind hineinblies, den Flügeln eines Drachen. Das Drach schiff oder der Drache hieß wohl auch Langschiff oder Langthier, wie kleinere Schiffe Schnecken. Die Germanen beseelten in ihrem tie fen Gemüthsleben ihre ganze Welt. Sie dachten sich auch die Schiffe wie belebte Wesen, wie stolze Thiergestalten, die die Wogen theilen und den Menschen von Land zu Land tragen. Sie bildeten des halb nicht nur ihre Form durch Verzie rungen thierähnlich, sondern gaben ihm auch wie dem klugen, vertrauten Roß Ei gennamen. Balders Schiff hieß Hring hornir, Freyrs Skidbladnix, Osmunds Gnod, Olaf des Heiligen, das vorn ein Königshaupt geschnitzt trug, Karlhöfdi. Olaf Tryggwasons herrliches Schiff war nur von seinem Herrn und Gebieter zu lenken, dessen Wink und Sprache es der Sage nach verstand. Nach seinem Tode war es nicht von der Stelle zu bringen. Auch Frithjoss Ellida, ein er erbtes Scküff. verstand menschliche Spra che und die Stimme seines Herrn, der ihm in Gefahr zuruft: Aeill Ellidi! Hlauptu ü, bkru! Ein schöner Zug, den sich Tegner nicht entgehen ließ. Die alt englische Dichtung vom König Horn er zählt. daß der Konig sein Schiff, als er ausgestiegen war, anspricht, ihm Ur laub. heimzukehren, giebt und ihm Gruß und Botschaft aufträgt: Ship by the flode, Have dayes gode! Gret hem, tAt me kenne. Gret well the gode quene Godild mi mother! Am liebsten verglich man aber das Schiff mit dem Pferd. Namen wie Hel-1 gakvidha, Singurdarkvidha waren liebt. Man gebrauchte deshalb auch rei ten vom Schiff, und Fingal nennt es im Ossian „den braunen Reiter der Fluth". j Aus der Mundart der Angelsachsen und Nordmänner kann man die einzelnen Arten der Schiffe und ihre innere Einrichtung kennen lernen. Da hören wir von Kiel, Nachen, Boot, Fäh re, Floß, Kahn, Barke, Zülle, Weidling, Schuite (von schießen?) und Prahm. Vom Steuer, Steuerbord und Backbord. Vom Mast oder Segelbaum, der Segel ruthe oder R, dem Segel, Ruder oder Schaltbaum, denn der Einschnitt für das Ruder hieß Schalt, der Ruderbank, dem Senkelstein (althochdeutsch senkil). wie man den Anker nannte, und dem Ziehseil oder der Leine. Für eine Ver sammlung mehrerer Schiffe vernehmen wir schon den Namen Flotte, altnordisch floti. Geben all' diese Namen nicht ein belebtes Bild des altgermanischen See lebens? Mäste wurden selbst in den Steinsetzungen der Gräber nachgebildet. Da ziemte schon allein um des gelieb ten Schiffes willen zum Schutz gegen Stürme der Segensspruch eingegrabe nerßunen, den die Eda lehrt. Auf die sen Marschütz, seine Manneskraft und die mitgenommenen. durch ihren land spähenden Ausflug den Kompaß erse tzenden Raben vertrauend, scheute der Germane die offene See nicht. Beson ders zwei Beispiele aus der germani schen Schifffahrtsgeschichte zeigen nicht nur Vaterlands- und Freiheitsliebe, son dern auch wahre Tollkühnheit zur See. Thaten, die heute die ganze Welt in star res Staunen versetzen würden. Eine Kohorte Usipier, deren Heimath die Sieg- und Lahngegend war, stand an der WestküsteEnglands um das Jahr 80 vereinzelt in Garnison. Aus deut schem Binnenlande von den Römern als Rekruten nach der britischen Insel ver schleppt, bekamen sie Heimweh, erschlu gen ihren Hauptmann und seine Leute und bestiegen drei Schiffe, deren Steuermänner sie mit Gewalt herbeizo gen. Einer mußte das Ruder führen. Denn die beiden Anderen hatten sie als verdächtig getödtet. So fuhren sie, noch ehe das Gerücht von der Sache sich ver breitete, wie eine Wundererscheinung an der Küste hin. Um sich Wasser und Le bensmittel zu verschaffen, kamen sie mit den Britannen oft in Gefechte. Theils siegreich, theils geschlagen, kamen sie zu letzt in solche Noth, daß sie die Schwäch sten unter sich und später die, die das Loos traf, verzehrten. Sie umsegelten Britannien, verloren ihre Schiffe aus Unkunde in der Führung und wurden, weil man sie für Seeräuber hielt, zuerst von den Sueven, dann von den Friesen festgenommen. Einige von ihnen, als Sklaven verkauft, gingen von Hand zu Hand, bis sie auf das linke, römische Rheinufer kamen, wo die Erzählung ihres großen und denkwürdigen Aben teuers gewaltiges Aufsehen erregte. Noch abenteuerlicher und verwegener war das, was sich zwei Jahrhunderte später zutrug. Da hatte Kaiser Pro bus eine Anzahl Franken (nach Ande ren Gepiden oder Vandalen) nach Thra zien versetzt. Auch sie bemächtigten sich, um in ihre Heimath zurückzukehren, einiger Schiffe. Vorbeifahrend verheer ten sie die Ufer Griechenlands und Asiens, plünderten Syrakus, versuchten es auch in Afrika, durchschifften die Meerenge von Gibraltar und erreichten wirklich ohne allen Schaden zuletzt ihr Vaterland. Diese Franken, und wieder andert halb Jahrhundert später, die Vandalen, deren Flotten über dasselbe Mittelmeer Krieg und Sieg von Spanien nach Afrika, von Afrika nach Rom trugen und zwischen Karthago und Sizilien, und Sardinien und Korsika und den Balkaren die verbindende Kette einer weitausgedehnten Herrschaft bildeten, dann dießataver, die Ehauken, Sachsen. Angeln, Suionen sie alle beweisen die angeborene und vorbestimmte Dop pellebigkeit der see- und kriegsfrohen Germanen. Alles, was die Vorzeit von ihnen erzählt, ist wie ein Vorspiel des sen. was von ihren Enkeln zu erzählen ist: den Normannen, die eine ruhelose, freudige Lust an Wanderabenteuern, an Krieg und Beute und Eroberung zu einem glänzenden Königthum am Mit telmeer und schon im 9. Jahrhundert nach Amerika geführt hat; von den Hauptstädten an Nord- und Ostsee; von den Niederländern, die im Kriegs- und Handelsglück der großen Hansa gefolgt sind in alle Welt, und von den Englän dern endlich, den Nachkommen jener Angelsachsen, die furchtlos über das wilde Meer stürmten auf vierhundert Schiffen, 100,000 streitbare Männer auf einmal, voran ihre Königin. Aber nicht die Nachbarschaft des Mee res allein ist es. die die Germanen zu den tüchtigsten Seefahrern machte. Eine höhere Fügung ließ die Seeschiff fahrt Europas aus dem Meerbusen und dem Binnenmeer des Nordostens hervorgehen, damit der germanische Stamm auch hierdurch der herrschende eines neuen Weltalters würde. Was immer die romanischen Völker durch Entdeckung, Eroberung und Handel auch Großes zur See geleistet, sie konn ten es nur als Zöglinge der Germanen. Das bezeugt ihre Sprache, die Alles, was zur Seeschifffahrt gehört, selbst die Himmelsgegenden, mit germanischen Worten benennen muß. Laßt uns da rum der vorigen Zeiten gedenken und die altgermanische Seelust freudiger wieder in uns emporbrausen zum Heile Deutschlands, zum starken Schutze sei ner Größe! Ihr Mnnn. Dem Englischen nacherzählt von Emil Jonas. Wir dinirten im Hotel „Savoyen" in London, und ich sah oft umher, sah auf die schönen englischen Damen, die noch schöner als gewöhnlich in ihren elegan ten Abendtoiletten waren. Es war ei ne lebhafte Szene, und ich genoß sie. wie man den Duft einer Blume genießt. Mir gefiel London, obgleich ich erst drei Stunden hier gewesen war. Aber die Atmosphäre, die Landungsstelle mit all ihren kleinen Schiffen, der langsam dahinfließende Fluß, das große Nelson- Monument auf dem Trafalgar-Square. Alles war mir längst bekannt, denn ich hatte eine Masse englischer Literatur verschluckt, und da wir Menschen nun einmal so beschaffen sind, daß wir alle Dinge beschrieben haben müssen, bevor wir sie mit dem richtigen Blick sehen können, so kannte ich eigentlich London viel besser als New Aork. Ich hatte am meisten über London gelesen. Der Herr, der mir gegenüber saß, lachte hin und wieder vor innerer Be friedigung. wenigstens sah ich nichts Anderes, über das er sonst hätte lachen können. Er hatte eine Anzahl kleiner Geschich ten aus Australien erzählt, wo er sich nämlich drei Jahre aufgehalten. Er hatte viele Geschäfte in New Uork und San Francisco gehabt; er war auch über San Francisco nach England heimgekehrt, wo er geboren. Das ist Alles, was ich von ihm wußte, außer daß er braun gebrannt, breitschultrig war, ehrliche Augen und herzliches La-i chen besaß. Man kann es unmöglich unterlassen, einen Mann gern zu haben, der richtig zu lachen vermag. Er konn te viel von Australien, von den schwe ren Reittouren, von dem rothen Staub in den Goldländern, von den Stürmen und den großen Wüsteneien erzählen. Er war augenscheinlich mit dem Ernst des Lebens sowohl als auch mit dessen Komödie bekannt geworden. Ich woll te gern mehr von ihm wissen, als ich wußte, und er hieß Gordon. Schließlich erhoben wir uns vom Tisch und gingen dann hinab nach dem Flusse, während wir unsere Nachmit tags-Cigarre rauchten. Es war Abend geworden, ein Abend, der uns gewissermaßen das Bedürfniß einflößt, seinem Nächsten etwas von dem anzu vertrauen, was man im Leben erfahren, oder vielleicht die Geheimnisse des Le bens. Ich hatte nicht viel erlebt, aber wollte gern darüber sprechen, und um das Gespräch in Gang zu bringen, sag te ich: „Es ist sonderbar, daß ein Mann, der so entzückt von England ist wie Sie, sich darein zu finden vermag, so lange von demselben fern zu bleiben." Ich hatte erwartet, daß er antworten würde, es sei der Mangel und das Ver langen nach Geld und Abenteuern, das ihn in die Welt hinausgetrieben habe; ich selbst hätte etwas in dieser Bezie hung erzählen können, aber er wurde plötzlich ernst. „Die Ursache, die mich veranlaßte, nach Australien zu reisen, war die, wel che Neun von Zehn veranlassen, dort hin zu reisen. Es war ein Weib, das dahinter stand." Ich erwartete, daß er nunmehr er zählen würde; aber da er schwieg, frag te ich weiter: „Wenn Frauen dahinter stecken, dann ist gewiß jedesmal die Lie be mit im Spiel." „Das ist ganz richtig, und ich liebte sie viel zu sehr, um dort bleiben zu können, wo ich war." „War sie verheirathet?" fragte ich theilnahmsvoll. „Sie war verheirathet, und zwar mit einem elenden Stümper, der verdient hätte, durch ganz England gepeitscht zu werden. Er trank, ging hohe Wetten ein, spielte und machte ihr das Leben unerträglich." „Das muß sehr traurig für Sie gewe sen sein." „Ach ja! Aber doppelt so leid, wie es mir that, war es übel für sie." „Glauben Sie, daß sie Sie liebte?" „Ich weiß gewiß, daß sie es that. Das war es ja gerade, was mir schließ lich den Muth gab, hinaus in die Welt zu gehen. Ich habe nicht eine einzige Minute an ihrer Liebe für mich wäh rend aller dieser drei Jahre gezweifelt, und dieses Bewußtsein machte es mir möglich, das Leben zu ertragen, wie es sich auch für mich gestaltete. Wenn ich nicht gewußt hätte, daß sie an diesem Punkt der Erde lebte, daß sie vertrauens voll an mich glaubte, daß sie mich lieb te, dann hätte ich wohl mehr als einmal den Muth verloren." „Und nun?" fragte ich. „Jetzt werde ich sie bald wiedersehen. Sie reist mit dem Zuge aus Paris. Der Zug kommt über die Brücke dort, in ei ner halben Stunde. Ich habe sie seit drei Jahren nicht gesehen." „Ihr Mann ist wohl indessen gestor ben?" sagte ich. „Nein! " Es war ein festes, ernstes Nein. „Aber —" „Es gibt kein Aber, wir werden thun, als ob der versoffene Mensch todt und begraben wäre, und wir werden unser Leben aufs Neue beginnen. Wer wer den unsere eigene kleine Jacht haben, und bald alle wunderbaren Gegenden besuchen. Ich will sie mit nach Austra lien nehmen und ihr einige Orte zei gen, wo ich gelitten habe und wo der Gedanke an sie mir Muth zum Le ben gab." „Glauben Sie, daß das vollkommen berechtigt ist? Selbst wenn sie viel von Ihnen hält, so —" „Sie ist bereit, sich mit mir ins Le ben hinaus zu wagen, und ich habe be reitwillig das Leben gewagt, obgleich es eine Zeit gab, wo ich mich bedachte. Wenn zwei Menschen einander so sehr lieben, wie sie und ich, dann vermögen sie auch viel zu ertragen." Nun. ich hätte vorhin sehr viel von dem Manne gehalten, aber jetzt fühlte ich mein Vertrauen zu ihm erschüttert. Ich wollt, doch noch einmal versuchen, ihm Vernunft beizubringen. „Aber ihr Mann? Ist sie nicht seine gesetzmäßige Gattin?" Er legte seine Hand mit einem herz haften Schlag auf meine Schulter und brach in ein herzliches Lachen aus : „Mein lieber Herr! Ich bin ihr Mann! Sie ist meine Frau!" Bie Erzählung des Kapitäns. Novellette von Albert Delpit. Es war gerade nach dem Skandal in unserem Klub, und wir unterhielten uns eifrig von der Angelegenheit. Der Ka pitän betheiligte sich nicht an der Unter haltung und schien nicht einmal auf uns zu hören. „Woran denken Sie denn so angele gentlich ?" sagte ich schließlich zu ihm. „Oh, ich dachte eben an einen Vorfall, der sich in einem Klub in einer kleinen Provinzialstadt zutrug, wo ich mich zu fällig aufhielt." „Erzählen Sie doch!" rief einer der Herren, und der Kapitän zündete sich eine neue Cigarette an, lehnte sich an den Kamin und begann seine Erzählung. „Ich stand damals inM... in Gar nison, einer der langweiligsten und elen desten Prooinzialstädte, die ich kenne. Es gab dort nichts, womit man sich hätte beschäftigen können, kein Theater, ja nicht einmal ein Chantant. Wenn ich dienstfrei war, begab ich mich in den Union - Klub, der. nebenbei bemerkt, der einzige in der ganzen Stadt war. Natürlich wurde dort auch ge spielt. An einem Herbstabend ging ich etwas früher als gewöhnlich in den Klub. Ich erblickte mehrere Männer, die mir voll ständig fremd waren, reiche Gutsbesitzer aus der Nachbarschaft, die selten in die Stadt kamen. „Hut' wird hoch gespielt!" sagte einer der Stammgäste des Klubs zu mir. Ich ging nach den Spieltischen und der Anblick eines der Spieler überraschte mich derart, daß ich fast laut aufgeschrien hätte. Es war ein junger Mann von zwei undzwanzig Jahren, den ich von Anse hen kannte. Ich hatte großes Interesse für ihn, denn sein Vater hatte tapfer bei Magenta gefochten und war, seine Frau und seinen Sohn in keineswegs glänzen den Verhältnissen zurücklassend, auf dem Schlachtfelde geblieben. Der-, junge Mann kam sehr selten in den Klub, und nie hatte ich ihn vorher eine Karte an rühren sehen. Daher war ich bestürzt, als ich ihn die Bank halten sah, und zwar war es eine sehr hohe Bank, denn vor ihm lag eine große Menge von Banknoten und Goldstücken gehäuft. „Wie hoch ist der Einsatzs" fragte einer der Spieler. „Oh!" lachte ein reicher Gutsbesitzer. „Herr de Mertend hat Glück; er kann ruhig offene Bank halten!" Ich bemerkte, daß des jungen Mannes Gesicht todtenblaß war. und daß seine Augen funkelten. Es war. als sei mit diesen Worten das Glück von ihm ge wichen. Zehnmal verlor Mertend. und in ei ner Viertelstunde war sein ganzes Bank vermögen verschwunden. Ein Anderer nahm seine Stelle ein, und wir spielten weiter. Das Spiel wurde so lebhaft, daß auch ich mich verleiten ließ und mich betheiligte. Es war kein Platz, um mich an den Tisch zu setzen; daher blieb ich stehen, hielt mein Käppi in der Hand und warf die Gewinne hinein. Ich hatte ein rasendes Glück und spielte aufgeregt weiter, als mir plötzlich Jemand zuflü sterte : „Sie werden bestohlen, Kapitän!" Ich stutzte und packt unwillkürlich eine Hand, die infolge meiner plötzlichen Be wegung die meine gestreift hatte. Es war Herrn de Mertend's Hand, und er hielt in derselben den Tausendfrankenschein, den er eben aus meinem Käppi genom men hatte. Das Gesicht des Diebes war vor Aufregung oerzerrt. Unsere Augen begegneten sich, die seinen waren vor Entsetzen starr, und ich las in ihnen eine Bitte, die mich tief erschütterte. „Herr de Mertend ist mein Partner," erklärte ich stolz dem Manne, der mich gewarnt hatte, „und ich wundere mich, wie Sie es wagen können, einen Mann zu beschuldigen, der über jeden Verdacht erhaben ist." Der Mann, der die Worte gesprochen, war nie vorher im Klub gewesen und kannte Herrn de Mertend gar nicht. Wir hatten Alle dicht gedrängt um den Tisch gestanden, und als der Mann sah. daß ein anderer Spieler seine Hand in mein Käppi steckte, hatte er es ganz natürlich für seine Pflicht gehalten, mich zu war nen. Jetzt, da er meine Erklärung hör te, bat er Herrn de Mertend demüthig um Verzeihung, und mherere Bekannte des Letzteren traten zu ihm und drückten ihr Bedauern aus, daß man ihm eine solche Beleidigung angethan hatte. Wir setzten nun das Spiel fort, und Herr de Mertend verließ bald darauf den Klub. Drei Tage vergingen, und ich hörte nichts mehr von dem jungen Mann. Als ich ihn schonte, wie ich es gethan, hatte mein erster Gedanke seinem Vater gegolten; denn ich hatte beschlossen, den Namen des tapferen Offiziers von Ma genta vor Unehre zu schützen. Daher konnte ich recht wohl verstehen, daß der junge Mann einem Wiedersehen mit mir auswich; gleichzeitig berührte es mich jedoch seltsam, daß er mir weder direkt noch indirekt seinen Dank aussprach. Eines Abends indessen, als ich gerade fortgehen wollte, um einige Besuche zu machen, theilte mir mein Bursche mit, daß mich eine Dame zu sprechen wün sche. Ich ging in den Salon und fand dort eine Dame von vierzig bis fünfzig Jahren. Sie sah sehr würdig aus und ihr Gesicht trug noch jetzt die Spuren einstiger Schönheit. „Ich bin Frau de Mertend," sagte sie einfach. „Mein Sohn hat mir die ganze Angelegenheit im Klub erzählt, und ich danke Ihnen von ganzem Herzen, daß Sie die Ehre unseres Namens rein er halten haben." „Madame —", begann ich. doch sie unterbrach mich erregt und nervös und fuhr fort: „Mein Sohn ist zu Schulden verleitet worden und hat in der Verzweiflung seine Zuflucht zum Spiel genommen. Er scheint in dieser Nacht sein ganzes Ver mögen verloren zu haben. Das Uebrige wissen Sie leider!" Jch fühlte mich äußerst verlegen, denn der Kummer der armen Mutter war schrecklich anzusehen. Sie steht mir noch immer gegenüber; ihr Gesicht war tod tenblaß, und dieThränen hingen an ihren langen, dicken Wimpern. ..Er ist jung. Madame; Sie dürfen sich das nicht so zu Herzen nehmen", mur melte ich. „Es war in einem schwachen Augenblick; ich werde Ihren Sohn auf suchen, und... „Herr Kapitän," sagte sie, traurig den Kopf schüttelnd, „er ist nicht mehr hier; er hat sich als Freiwilliger einschreiben lassen und ist bereits auf dem Wege zu seinem Regiment." Wir hatten Alle aufmerksam die Er zählung des Kapitäns Joubert angehört, und als er zu sprechen aufhörte, herrschte einige Minuten ein tiefes Schweigen. „Und was ist aus Herrn de Mertend geworden?" fragte einer aus der Gruppe. „Haben Sie je wieder etwas von ihm ge hört?" „Er ist todt... Vor sechs Monate.', erhielt ich einen Brief aus Rehmy einen armseligen, kleinen Brief mit sehr blasser Tinte und auf einem Stück Papier geschrieben, das ganz zerknittert und gelb vor Alter war. Es waren nur wenige Zeilen, die ich zu lesen hatte. Ich kenne sie auswendig, und sie lauten fol gendermaßen: „Ich bin tödtlich verwundet Admiral Courbet hat mir eben das Kreuz gebracht ... ich sterbe. Ich sende es Ihnen, mein armes Kreuz... denn Sie haben mich gerettet, und ich möchte, daß Sie es tragen." Darum, meine Freunde, sehen Sie mich stets, statt mit dem Orden, den ich vom Präsidenten erhielt, mit dem S'r geantenkreuz, das der arme Mertend nur schickte. „Armer Junge! Wenn ich denke, d.-iß er als Dieb fortging und wie ein Held in Rehmy starb!" " freundliche Bedienung. Humoristische Novellette vonE. Fließ. .. . „Meine liebe gnädige Frau! .. . Das wird sich schon alles noch machen Schon nach einem Jahre werden Sie we niger trübe in die Zukunft schauen als jetzt!" — Die Frau Majorin von Vollmarstade ergriff die Hand des ihr gegenüber sitzenden Herrn und dankte ihm mit ei nem seelenvollen Ausblick ihrer immer noch schönen Augen . . . „Jetzt, wo ich Sie, Herr Doktor, hier in der riesen groß gewachsenen Reichshauptstadt auf gefunden, ist mir schon etwas besser zu Muthe. Ich komme mir mit meiner Frieda wenigstens nicht mehr so ganz verlassen vor, wie nach dem Tode mei !nes unvergeßlichen Wilhelm." Die in tiefe Trauer gekleidete Dame führte bei diesen Worten ihr Taschen tuch an die Augen, während die neben ihr sitzende, eben zur Jungfrau herange blühte Tochter Elfriede sich dicht an die Mutter schmiegte und sie mit Schmeiche lworten zu trösten suchte. Die Majorin überwand ihren Schmerz und wandte sich wieder dem Besucher zu: „Das ist der Segen solcher Riesenstädte, daß man nicht so auf dem Präsentirteller sitzt und nicht so viel Standesrücksichten zu neh men braucht als in einerProoinzialstadt. Deshalb habe ich mich auch entschlossen, von unserer Garnison hierher nach Ber lin zu übersiedeln. Außer einem kleinen Kapital von sechstausend Mark, das :ch für Elfrieden festgelegt, besitze ich kein Vermögen; es ist alles drausgegangen während der aktiven Dienstzeit meines Mannes. Ich muß sehen, wie ich mich und Frieda mit der kleinen Wittwenpen sion und allerhand weiblichen Kunstfer tigkeiten durchbringe. Auch habe ich mich entschlossen, mich nach Pensionären um zuthun, deswegen habe ich auch diese Wohnung hier in der Manfredstraße gemiethet, die für unsere eigenen Be dürfnisse viel zu groß und zu theuer sein würde. Die beiden Zimmerchen nach vorn heraus will ich vermiethen; die große Mittelstube und das daran ansto ßende Schlasstübchen müssen für mich und meine Tochter genügen. Auf gesell schaftlichen Verkehr dürfen wir einstwei len nicht rechnen; wir müssen uns Beide genug sein." Doktor Ebeling, der den Auseinander setzungen der Majorin aufmerksam ge folgt, nickte ihr Beifall zu: Bravo! . . . Das ist der richtige Standpunkt! . . . Fort zunächst mit allem Ballast von ..Standesrücksichten" und ähnlichem kost baren Krimskrams, der schon so manche ehrliche Seele zu Grunde gerichtet. Es gil: den „Kampf um's Dasein" aufzu nehmen. Und, was ich —als alterSchul freund meiner lieben Frau Majorin dazu thun kann, soll geschehen. Ich kenne das Terrain genau. Wer's hier zu etwas bringen will, muß sich rühren. Die Konkurrenz auf allen Gebieten ist groß; aber mit der nöthigen In telligenz und ein bischen „Freundlicher Bedienung"—so etwas zieht immer die Aufmerksamkeit auf sich —wird es Ihnen nicht fehlen können. Besonders bei den Ausländern, die hier studiren und gute Zahler sind. Vergessen Sie also den kleinen Zusatz bei der Anzeige nicht; ohne Reklame geht's nun heutzutage mal nicht." Die Majorin war bei den letzteren Sätzen blutroth geworden. Sie wollte etwas erwidern, aber sie genirte sich vor ihrer Tochter und scheute sich auch, dem erfahrenen Freunde, der sich ihrer so warm angenommen, zu opponiren. Der letzte Zusatz: „Freundliche Bedienung" war ihr ein lvenig auf die Nerven gefal len: Nein, nein, das ging nicht; auf keinen Fall. Hierin wollte sie, nein, ! mußte sie dem eigenen weiblichen Takt gefühl unbedingt Folge leisten. Sie zog sich mit gesellschaftlicher Ge wandtheit aus dieser prekären Lage. „Haben Sie einstweilen Dank, mein lie ber Freund; ich will die Annonce noch mals abschreiben und selbst besorgen." Einige Wochen waren vergangen. An der Hausthür der Mansredstraße No. 7 zeigte immer noch Plakat, daß hier im zweiten Stocke zwei Zimmer nach vorn heraus zu vermiethen waren. Der armen Majorin begann angst und bange zu werden. Wenn ihr die große Woh nung das ganze Quartal hindurch leer stehen blieb!... Der theure Miethszins! ... Dazu hatte sie halbjährige Kündi gungsfrist! ... Ein Glück, daß sie we nigstens in Dr. Ebeling einen treuen Freund besaß, der in der Woche einige Mal bei ihr vorsprach und sie auf bessere Zeiten vertröstete, die für beide Mut ter und Tochter sicher noch mal kom men müßten. Soeben war Dr. Ebeling wieder bei den Damen anwesend gewesen und hatte die traurige Mähr vernommen, daß bis jetzt noch kein Ausländer vorgesprochen, nicht einmal geklingelt hatte es an der Korridorthür! Der Doktor schüttelte den Kopf, als er langsam die Treppe herunterstieg. Die Sache ging nicht mit rechten Dingen zu. Vielleicht war die Annonce am schwarzen Brette der Uni versität. wo dieselbe auf den Rath des Doktors angeheftet werden sollte, so un günstig angebracht, daß keine Menschen seele sie finden konnte. Da mußte er doch gleich mal nach dem Rechten sehen! Eine halbe Stunde später stand das bemooste Haupt in den beiden Vorhallen der alma mater Berolinensis, in denen er vor fünfundzwanzig Jahren so flott die bunter Mütze auf dem blonden Haup te, renommirend herumgestrichen. Er musterte mitKennerblick die schwarzeTa sel, an der die Asfichen mit den Woh nungsanzeigen angeheftet waren. Lange spähte -r vergeblich nach dem Namen der Majorin; endlich entdeckte er ganz un ten in einer Ecke die Annonce. Die fei nen Schriftzüge der Frau Majorin wa ren da unten kaum zu lesen; der Ver merk „freundliche Bedienung" fehlte ganz. „Da haben wir den Salat" fluchte das bemooste Haupt. Dann leuchtete es in seinem narbenverzierten Gesicht auf; die alte unzerstörbare Burschenlust des deutschen Bruder Studio regte unwider stehlich sich in ihm. Er sah sich vorsich tig um; der Vorsaal war augenblicklich menschenleer, vom Kastellan keine Spur zu sehen. Dr. Ebeling zog mit Hilfe des Hausschlüssels und eines starken Ta schenmessers die beiden Nägel der Affiche heraus und heftete die Anzeige hoch oben vor allen übrigen Wohnungsanzeigen an. Dann holte er einen Rothstift aus der Tasche und schrieb mit weithin leuchten- den Buchstaben auf die Annonce! „Freundliche Bedienung". Als der Doktor ungefähr vierzehn Tage später bei der Frau Majorin klingelte, öffnete ihm diese selber dil Korridorthür. An ihrem glückstrah lenden Gesichte konnte der Besucher un schwer erkennen, daß die Offizierswitt we ihm diesmal etwas Freudiges mit zutheilen hatte. So war es auch. Schon auf dem Korridor bekam Dr. Eveling die frohe Mär zu hören: „Sie treffen Besuch an in unserer Berliner Stube, unseren neuen Zimmerherrn; einen Master Winslow Skinner aus Chicago, der vor acht Tagen erst das eine Zimmer und schließlich auch das zweite gemiethet hat. Zuerst gefiel er mir eigentlich nicht. Er war ein bischen dreist zu uns, namentlich zu Friedchen. Er sprach immer von „freundlicher Bedienung" in etwas sonderbarer Betonung, so daß ich ei gentlich schon Bedenken hatte und ihm dies auch deutlich zu verstehen gab. Da zog er andere Seiten auf; miethete das andere Zimmer sofort dazu, bezahlte gleich ein Quartal im Voraus und hat sich sehr in den letzten Tagen mit unZ bekannt gemacht. Er ist ein vollende ter Gentleman und konversirt mit Friedchen Englisch oder Beide musizi ren zusammen Gott sei Dank, daß wir soweit sind! Und ohne jede Reklame! Diesmal habe ich doch recht behalten!" „Sie haben immer Recht, meine lie be Freundin," schmunzelte der Doktor und folgte der Majorin ins Zimmer, wo er die Bekanntschaft des neuenZim merherrn, Master Winslow Skinner, der ihm von Fräulein Elfriede mit verrätherifch gerötheten Wangen präfentirt wurde. Als der Doktor wieder die Treppe herunterging, pfiff er leise vor sich hin: Da scheine ich mit meinem Studenten streich auf meine alten Tage ein bischen mehr angerichtet zu haben, als ich be absichtigte. Dieser Amerikaner scheint mir ein smarter Bursche zu sein. Wie lange dauerts. dann ist die Frau Ma jorin ihren Zimmerherrn sammt der Frieda los, und die Stuben stehen wie der leer! Na vielleicht ziehe ich dann selber hin und verlange „freundliche Bedienung." Häusliche Szene. „Bälle machen wir nicht mit, extrava garte Toiletten soll ich nicht tragen, an deren Männern beileibe nicht Gelegenheit geben, mir zu huldigen soll ich etwa blos kochen ?" „Nein, nein, Else lieber alles An dere !" Ein Gemüths mensch. Richter: „Sie geben also zu, die Scheibe eingeschlagen und den Inhalt des Schaufensters gestohlen zu haben ?" Angeklagter: „Die Scheibe habe ick injeschlagen, det schtimmt; aber jcschtoh len nich in die Düte. Sehen Sie, Herr Jerichtshof, da schdand nämlich een Zettel im Schaufenster, worauf geschrieben war, daß uf jeden Fall und um jeden Preis bis morjen jeräumt werden müßte. Na, das war Nachts um zwelfe. Um Jottes willen, dacht' ick mir, wie soll der bis mor jen das Lager räumen, jibts ja jar nich und weil ick ebend so'n Jemieths mensch bin. hab' ick es jeräumt und 'n Sechser davor hinjelegt. weil der Preis doch ejal war is det jestohlen ?" Subjektive Auffassung. „Merkwürdig, daß von Goethe immer noch so viel ungedruckte Gedichte aufge funden werden." „Die sind gewiß damals auch von den Redaktionen zurückgewiesen worden !" Die Wahl. Dame: „Bitte, trinken Sie den Thee mit oder ohne Rum ?" Herr: „Bite mit Rum aber ohne Thee!" Der Geldprotz. „Ein ekelhafter Protz, dieser Holstein." „Na wieso, hat wohl seiner Mizie vom Ballet neues Kollier geschenkt ?" „Wenn's das nur wäre." „Nu, wohl gar Equipage gekauft ?" „Ach, noch mehr." „Na, was denn dann ?" ~A Mädel hat er geheirathet, arm wie eine Kirchenmaus, der Geldprotz, der ekel hafte." Unsere Kinder. „Warum weinst Du denn, Fritz ?" „Papa hat mich jehauen !" „Ja, warum denn ?" „Weil er mir nicht gefolgt hat!" Verhört. Der Adjutant Serenissimi ha! die Aufgabe, bei den Empfangsabenden fei nem Gebieter kurze Stichworte zuzuflü stern, um Hoheit über den Charakter der Gäste zu insormiren und ihm Gelegenheit zu geben, den Neueingeführten ein paar verbindliche Worte zu sagen. Eines Abends befindet sich unter den Eingeladenen der hervorragende Physiker Professor Linsemann, der sich in der wis senschaftlichen Welt durch die Erfindung eines Augenspiegels großen Ruhm er worben hat. Beim Herannalien des Pro fessors flüstert der Adjutant seinem hohen Herrn zu: „Linsemann. Augenspiegel!" Serenissimus setzt sofort sein gnädig stes Lächeln auf. tippt dem Ankömmling mit dem Finger schalkhaft in die Seite und sagt augenzwinkernd: „Weiß schon, Linsemann Eulenspiegel!" Unschuldig gebüßt. „Du, Papa, Du darfst mir die Haus aufgaben nicht mehr machen. Weißt, was der Lehrer gesagt hat, als er die Aufga ben, die Tu mir neulich gemacht, durch gelesen hat? Ich werde mit jedem Tage trottelhafter." Sein Aerger. Parvenue: „Behauptet dieses Rind vieh von einem Nachbar, ich sei nicht sei nes Gleichen!" In der Leihbibliothek. Stubenmädchen: „Die Gnädige läßt ersuchen. Sie mögen ihr die Kannibalen- Liebe schicken." Kommis: „Sie meinen wohl „Kabale und Liebe?" Stubenmädchen: „Nein, sie will jetzt etwas von Schiller lesen." Die kleine Mineralogin. Herr: „Nun. da ich weiß, daß Sie mich wirklich lieben, fällt mir ein Stein vom Herzen?" Tänzerin: „Ist es ein Rubin oder ein Brillant ?" Rache. Kritiker: „Der Pudding ist aber gänz, lich mißlungen. Bertha." Junge Frau: „Unmöglich! Ich habe ihn doch nach dem neuesten Kochbuch zu bereitet." Kritiker: „Wirtlich? ... Das Mach werk werde ich gleich 'mal gründlich re zensiren." Der Feldwebel. „Na, was macht denn Ihr Mann. Frau Huber ?" .Der? Der macht, was ich will