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2 Mrr vom mMchtn Kritgsschllvplah Ostende geschüttt gegen tzerriitherischc Signale. Wie zwei deutsche Train- Toldatrn den Ort in Ansruhr brachten. Das Lebe in de Schützengräben. Berlin, 5. Dezember. - Vom westlichen Kriegsschauplätze schreibt Dr. P. Grabein! Ostende was klingt nicht Alles im Ohr bei diesem Namen! Seidiges Knistern,flirrendes Frauen lachen, Eleganz und Anmuth, Luxus und Leichtsinn in sich überbietenden Wettstreit, und dazu die Perlen schnur weihschimmernder Villen aut hochragender Düne über dem blau grünen Meer. Jetzt aber ein schwe rer grauer Novemberhimmel über ei nem öden Strande, an dem alles Le ben ansgeslorben scheint. Nur hier und da wandelt eine einsame Schild wache ans der Promenade. Eine die sige, unsichtige Lust, die mit dem Wasser bald zusammen geht am cng begrenzten Horizont. Von Zeit zu Zeit wird die Todtenstille am verlas ' senen Strande aufgerissen von einem donnernden .klrachen, und ein Blitz strahl zuckt sahl auf, da hinten im Timst über dem Meere. Tie großen Spiegelscheiben der Cafes und Läden klirren zum Zerbersten. Englische Geschütze sind es auf den Kriegsschif fen, die dort draußen nach Nicuport zu sich zeigen. Sic haben ihren ei fernen Gruß auch nach Ostende hinein gesandt, an der Ecke der Strand-Pro menade, wo sich „Hotel Majestic" und der große Blumen-Bazar „Ono vadis slenrs" gegenüber liegen. Verräthe rische Signale lockten einen englischen Torpedobootzerstörer heran, der ein paar Treffer hineinsandtc, rechts und links. Noch jetzt erinnern klaffende Mauerlöcher und zerschmetterte Schei ben in den Hotelpalästcn an die un gebetenen Gäste. Seitdem ist das Betreten der Strand-Promenade ganz verboten, selbst für -Offiziere, Mit Brettern vernagelt sind die Fassaden all der glänzenden Hotels, nur die große Glas-Veranda des Knrsaals zeigt och nvcrbüllt ihre Scheiben. Wir nähern uns dem Gebiete von Nieuport, wo der Kampf noch immer wogt. Wir passiren ein Kirchdorf, in dein gerade eine Kolonne ihre Rast aus dem Marsch macht. Es ist inzwi schen schall dämmernder Abend ge worden, und -es ist Zeit auch für uns, ein Quartier zu suchen. Endlich ist es gefunden, und wir wollen nns häuslich einrichten, da stört uns ein plötzlicher Lärm aus der Ruhe ans. Ich eile vor das Haus. Von allen Seiten stürmt eS nach der Kirche zu, Jedermann schußbereit. Auch ich lause mit und erfahre dabei den An laß: Ein Posten bat beobachctct, wie sich sür mehrere Minuten droben ans dem Kirchthnrm ein merkwürdiges Licht zeigte, das blitzschnell auftauchte und geheimnißvoll wieder verschwand, lind plötzlich begann die Glocke z läuten! Kein Zweifel hinterlisti ger Verrath! Irgend ein verabrede tes Zeichen, von Einwohnern sür den Feind drüben gegeben, und binnen Kurzem wird es hereinfunken in un ser Quartier. Alles stürzte zum Got teshaus, ein paar Dutzend Leute dringen ein. klettern im Thurm hin auf und nun bringen sie auch schon die Missethäter angeschleppt: zwei deutsche Trainsoldaten. Wie? Ist es imrklich möglich? Unsere eigenen Landsleute? Aber die Sache klärt sich bald ganz harmlos ans. Die beiden Leute haben ein eil Strick gesucht für ibrc Bespannung. Ta sie nichts fan den, sind sie mit eine Stall-Laterne im Kirchthnrm hinaufgeklettert und haben sich ein Stück vom Glockenseil abgeschnitten. Daher die gehcimniß vollen Lichterscheiilungcil und das plötzliche Geläute! Alles lacht lind geht mit seinem Schießeisen wieder nach Hause. Nicht immer freilich klären sich die Tinge so heiter auf. Ein paar Taste vorbei- fuhr ich bei einer Windmühle, vorbei, in der Nähe der feindlichen Stellungen. Ich kam gerade dazu, wie ein Hauptiimnn mit einigen Leu ten in der Nähe stand und argwöh nisch hiuüberspähte. Ich trat zu ihm heran und erhielt alsbald Auskunft. „Sehen Tie sich doch auch dies TingS da mal an! Seit Stunden schon habe ich beobachtet, wie die Mühle sich je desmal zu drehen anfängt, wenn Truppen vorbeimarschiren, sonst aber still steht. Und jedesmal geht dann prompt die lunteres los, da vorn auf der Strasse. Ein regelrechtes Strich sener über die Chaussee hin. Der Teufel soll mich holen, wenn da nicht wieder mal irgendeine. Schweinerei dahinter steckt. Ich will dem Mül ler doch mal ein Paar Kerls aus die Bude schicken." Es geschieht; wir be obachten gespannt die Annäherung der Patrouille, und wirklich, kaum nähern sich die Leute von vorn der Mühle, da sehen wir auf der Rück seite vier Civilisten hinausstürzen, in eiligster Finch: nach dem buschumhcg rcn Äcker zu. AVer vergeblich, schon : sind sie gefaßt und der Rest ist ! Schweigen Immer näher kommen nur der . Gesechtsstellung. Durch einen Kie ! 'ernwald geht es hindurch. Einsam !, und verlassen liegt der Forst. Nur i hier und da klettert eine Krähe auf und rudert schwerfällig durch die graue Novemberluft. Doch plötzlich wird es lebendig in dem verschlafenen Wald. An einer Straßenkreuzung plötzlich Stimmengewirr, scharfeCom mandoö und emsiges Wimmeln eines Häufleins Menschen. Herum um ein . vaar seltsame Ungeheuer. Abenteu erliche, plumpe Maschinen zwei unserer schwersten Geschütze sind es, , die von hier aus. aus dem Waldver steck, wo sic kein Flieger erspäht, ihre , ungeheuren Geschosse zu den feind lichen Stellungen hinübersenden. Ge , rade ist eines schußbereit. Die Be dienungsmannschaft springt von dem riesigen Lasettcngcstell und zieht sich , respektvoll zurück. Nur ein Mann , bleibt zurück, die Hand an der Ziind . schnür. „Feuer!" Tcr Hauptmann !, commandirt es, schnell össnen wir den Mund, und im nächsten Augenblick zittern uns die Knie, wankt daS ganze Erdreich unter uns. Ein dicker, weißer Wolkenkranz quillt aus dem , Rohr, und nun erscheint das Geschoß . ein Stück oberhalb der Mündung, j ' Anscheinend ein großer, schwarzer , Ball, nimmt es seinen Laus in steiler , Kurve himmelwärts und verschwin , det nun als ein winziger Punkt im , Gran der Wolken. Aber sein un heimliches, heulendes Sausen dringt noch auS weiter Ferne hinter dem , Wolkenvorhang zu uns herüber, bis endlich ein dumpfes Krachen uns den ! Ansschlag der Riesengranate verräth. Wir sind an der Front. Eine weite > Ebene, von Kanälen und Gräben durchzogen, vielfach unter Wasser ge setzt. Nur das Buschwerk auf den hochgelegenen Knicks ragt ans der ! Fluth empor.' Ein schwieriges Ge lände, und selbst da. wo das Land ein wenig höher liegt, ist es so von Wasser durchsetzt, daß es bei jedem Spaten stich sprudelnd hervorquillt. Vielleicht schasst der Frost bald Wandel. Unsere Leute haben es hier nicht leicht. Hier in den Schützenlinien zu liegen, ist wahrlich kein Vergnügen. Ost steht das Wasser fußhoch in den Gräben. Das Leben in den Schützengräben - daheim stellt man es sich vielfach recht lustig . romantisch vor. Haben doch auch Photographen und Zeichner so manches Bild gebracht, das von frischem Soldateiihiimor im Schützen graben zeugt. Gewiß, den gibt's, und Gott sei Tank, daß es so ist. Aber wir wollen darüber doch nie den schweren Ernst, die bewundernswerthe Größe der Leistung vergessen, die unsere brave Infanterie hier vorn an der Front leistet, Offiziere sowohl, wie Mannschaften. Ich komme eben vom Besuch eines Bekannten, der als Führer seiner Compagnie nun schon bald fünf Wo chen hier in einem Erdloch haust, von einer Zeltbahn bedacht. Das Haar ist ihm vom Lehm verklebt, von einer richtigen Vorkenschicht, und ebenso sehen Stiefel und Mantel aus. Uc brigcnS ein einfacher Soldatenman tcl, denn jeder Offizier hat in, Felde das Bestreben, sich in nichts von seiner Mannschaft zu unterscheiden. Das überflüssige Exponiren, wie cs noch in den ersten Kriegswochen vorkam, hat manch unnöthiges Opfer erfor dert. Mein Bekannter ist in den ganzen fünf Wochen nicht einmal aus den Kleidern und Stieseln gekommen. AIS ich ihn aussuchte, fand ich ihn in seiner Erdhöhle, halb sitzend, halb lie gend, wie er ein Brett über den Knieen gerade einen Brief schrieb. Als Beleuchtung diente ihm ein selbst gcfcrtigtcs Licht, im Schützengraben fabrizirt, auS Rindertalg und der Schnur einer Erkennungsmarke als Docht. Sa mühselig das Schreiben in dieser Stellung war, so bedeutete eS doch eine unschätzbare Ablenkung von der sonst schwer erträglichen Mo- ' notomie dieses Hansens in seinem Erdloch. Er war in Wahrheit der i j Vater seiner Compagnie. Seine ! Leute kamen zu ihm mit Allem, was I ! sic bedrückte. Da war die Frau krank i oder in Noth und wußte sich nicht zu i helfen, hier galt es, eine schwierige i geschäftliche Frage oder eine Rechts- j fache zu lösen, und der gute Haupt- < mann wußte imnierßatb. Noch werth- i voller aber waren die Briefe, die er I dann nd wann auch schreiben mußte, i daheim an die Hinterbliebenen, wenn i rillen seiner braven Leute sein Schick- s sal ereilt hatte. Wie wohlthuend die j herzlich thcilnehmendcn und trösten-! j den Worte des Compagnie-Chefs zu j Hause wirkten, bewiesen die oft rüh- t renden Antwortschreiben, die er als j werthvolle ErinnernngSzcichcn an den Krieg aufbewahrte. Ter Deutsche Korrespondent, Baltimore, Md., Montag, den 38. Dezember 1914. Als ich meinen Bekannten besuchte, gas es ein heiteres Intermezzo. „Achtung, da kommt einer, drüben aus den Schützengräben!" Alarmle rend kam der Ruf vom Posten wei ter vorn, und mit den Anderen stürz ten auch wir aus den Erdlöchern her ans und lugten schußbereit durch den Erdwall mit seinen Schießscharten. Richtig, da kam in der That ein Fran zose aus dem feindlichen Schützengra ben geraden Wegs ans uns zn. Ueber mäßig groß erschien die dunkle Ge statt im ungewissen Dämmerlicht, aber dennoch senkten sich alsbald die zum Aischlag erhobenen Waffen, und mit heiterem Lachen sah Alles dem feindlichen Ankömmling entgegen. Junge, Junge der hat aber schwer geladen!" Einer rief es. und er hatte recht, der Franzmann kam angetorkclt, offenbar voll wie eine Haubitze, geraden Wegs auf unsere Linie zu. und plötzlich lag sein Ge wehr im Grabe, wenige Augenblicke später er selber unter Fluchen und Lachen und einem unaufhörlichen Redcerguß. Richtig, da kam in der That em Fran zose aus dem feindlichen Schützengra ben geraden WegS auf uns zu. Ueber mäßig groß erschien die dunkle. Ge stall im ungewissen Dämmerlicht, aber dennoch senkten sich alsbald die zum Aischlag erhobenen Waffen, und mit heiterem Lachen sah Alles den: feindlichen Ankömmling entgegen. „Junge, Junge der hat aber schwer geladen!" Einer rief es, und er hatte recht, der Franzmann kam angetorkclt, offenbar voll wie eine Haubitze, geraden Wegs auf Misere Linie zu. und plötzlich lag sein Ge wehr im Graben, wenige Augenblicke später er selber unter Fluchen und Lachen und einem unaufhörlichen Redcerguß. Hier oben traf ich auch einen Mann mit dem eisernen Kreuz erster und zweiter Klasse, der Stolz seiner Kom pagnie, und das mit vollstem Recht. Vor wenigen Tagen hatte das Ba taillon gestürmt, war schwer im Ge fecht gewesen. Einer erdrückenden Uebcrmacht gegenüber blieb schließlich aber nichts weiter übrig als der einst weilige Rückgang. Doch zähneknir schend nur sah eS der wackere Mann. Zurückweiche das war nicht nach seinem Sinn. Na nahm er kurz cnt § schlossen das weit über centnerschwere j Maschinengewehr auf seinen Rücken, trug cs nach vorn, baute es mitten im feindlichen Schrapnellfeucr in aller Seelenruhe ans und feuerte noch seine letzten 80 oder 100 Schüsse in die feindlichen Reihen hinein. Erst als der Streifen abgelaufen war, hörte er auf und das Maschinenge wehr wieder Huckepack nehmend, kam er zurück. Er ließ seine wcrthvolle Last auch nicht fahren, obwohl ihn zwei Kugeln getroffen hatten. Trotz der Verwundung war er auch jetzt schon wieder im Schützengraben. Ein Seitenstück dazu bot ein Oberst- Lieutenant, ein alter Herr von der Garde, nach langen Ruhcjahren nun wieder aktiv. Der fast schon weiß haarige Herr hatte an seinem Waffen rock hinten einen nur nothdürftig ge flickten Riß von einem Schulter bis zur anderen. Doch das eingetrocknete Blut darunter adelte den schimpfier ten Nock. Bei demselben Sturm war es gewesen, das Bataillon bekam von links plötzlich Flankenfeuer, das ver hüngnißvoll zu werden drohte. Im Krachen der Granaten und Prasseln der Maschinengewehre verhallte jedes Kommando, da lief der alte Herr mit hoch erhobenem Degen nach vorn an die Spitze und schwenkte von da nach links ab mit denen, die ihm zunächst waren, um sich so gegen das Flair kcnfeuer zu wenden. Bei dieser Ge legenheit traf ihn ein Granatsplitter, der ihm de Rock zerriß und zugleich den Rücken quer hinüber von einer Schulter zur anderen. „Ein ganz an-! ständiger Renommirschmiß," wie der alte Haudegen mit grimmigem Hu mor zu mir sagte. „Schade nur, daß ich ihn noch nicht vorzeigen kann!" Ein alter Freund und Kamerad von ihm. ein Major, hatte leider weniger Glück. Ihm zerschmetterte das heim tückische Erz beide Beine, und alle Hülfe kam zu spät. Doch mit Fas siing sah er dem Ende entgegen. Mit; fester Hand schrieb er noch auf ein Blatt seines Notizbuches: „Gebt die sen Zettel meiner Frau. Sie soll un seren Sohn zu einem tüchtigen Ossi zier erziehen." Ter alte Obcrstlien > tenant führte mich an sein Grab. Äm Rande eines Gehölzes hat man den Tapferen zur Ruhe gebettet. Auf dem kleinen Erdhügcl liegt scinHclm und mit den letzten rothen Astern ist das schlichte Gräb geschmückt. Der Donner der Geschütze singt dem nun zum Frieden eingegangenen Kämpfer ein dumpfes Schlummerlied. Untersuchung von Stiftungen. Kansas City, Mo., 27, Dez. Wie gestern der Vorsitzer T. P. Walsh von der Bundes-Commission für industrielle Beziehungen, welche! am 6. Januar in New Aork eine Untersuchung amerikanischer und, philanthropischer Stiftungen begin- - neu wird, bekannt gegeben hat, wer den die nachbeaiiiiteil dreizehn weite-! reu Zeugen, welche in industriellen Tragen Erfahrungen haben, vor die Commission citirt werden, um ver nommen zu werden: Jane Adams, Chicago: Jacob H. Holländer, Balti more; Henry Ford, Detroit; Anglist Belniont, New short; Samuel Mc- Roberts, New short; Ainos Pinchot, New gort; William H. Allen, New Nork; John Hayncs Holnies, New Nort; Boyd Fisher, Detroit; R. ton Cutting, New short; Charles P. ! Neill, New short; W. L. McKenzie! King, New short, und Jas. Mackaye,! Boston. Zm Haltung Zalitll's. Dir Rede des italienischen Ministerpräsidenten Salandra. „Italien muß seine Stellung als Großmacht behaupten." Die Hal tung des Stiesellandrs immer noch ein Fragezeichen. Fürst Bülow' Ausgabe dort. Berlin, 6. Dezember. Die Rede, die der italienische Minister präsident Salandra gestern in der Teputirtenkammer zu Rom gehalten hat, dürste von den Kämpfenden und den Neutralen sehr eingehend erörtert werden. Salandra hat die Ansprüche Italien's und die Beweg gründe, vgn denen die amtliche ita lieniische Politik sich ihr Verhalten während der weiteren Kriegsdauer bestimmen lassen will, in dieser Rede noch erheblich entschiedener formu lirt. als das seit Beginn des Krieges in irgend einer offiziellen italieni schen Kundgebung geschehen war. Es ist kein Geheimniß, daß im Cabinet Salandra die beiden Geistesströmun gcn, die heute in Italien sich gel tend machen, vertreten sind. Son nino, der Minister des Aeußeren, ist, wie sein verstorbener Vorgänger San Giuliano und wie vor allem der ab solut dieibundtreue König, jeder mi litärischen Einmischung und vor al lem jeden Vorgehen gegen Tcutch > land und Oesterreich abgeneigt. Ter Kolonialininisler Ferdinands Mar tini. ein zweifellos sehr rühriger und > nicht zu unterschätzender Mann, ist j die Hoffnung derjenigen, die von ei jer Unthätigkeit Jtalicn's nichts wissen wollen und eine Thätigkeit zu Gunsten England's, Frankreich's und Rußland's, und in erster Linie auf Kosten Oesterreich's, wünschen. Zwi schen diesen beiden Richtungen sucht j Salandra die Politik Italien's vor wärts zu lenken, immer mit der! Erklärung, daß man die Entwick lung der Tinge abwarten, gerüstet sein und, falls die Ereignisse es for derten, im rechten Augenblick han- dcln wolle. Diese Erklärung ist, wiegesagt, in der gestrigen Rede Salandra's noch mehr unterstrichen, noch schärfer be tont, in noch bestimmtere Worte ge faßt. Das kann zunächst nicht über raschen, und war in: Grunde sogar vorauszusehen. Salandra wollte und mußte vermeiden, daß die radikalen ' und reformsozialistischen Elemente ! in der Kammer, die ein sofortiges Mi-! ! litärisches Eingreifen und ganz ein- fach den Vormtrsch gegen -Oesterreich verlangen, die Möglichkeit gewännen, selbstständig aufzutreten und ihre i Fordcungen gegen die Politik einer ' zaudernden Regierung auszuspielen. Er weiß zwar,das; eine derartige par lamentarische Aktion erfolglos bliebe, aber er hält mit Recht eine neue Er hitzung und Auspeitschung der Lei denschaften in einem solchen Moment nicht geraden sehr empfehlcnswerth. Thatsächlich hat er, indem er die bis herige NegicrungSforniel von der „ewaffneten Neutralität" so entschic -1 den und kräftig auslegte und er i gänzte, das erstrebte Resultat erzielt, i Die Einigkeit, zu der er die Parteien ausrief, ist auf Grund seiner Erklä rungen hergestellt worden, und so wohl die Radikalen wie die Demo kraten haben ihm ihre Bcllignng ausgesprochen. Indessen, man wurde doch felsige hen. wenn man aus der Rede Salan ! dra'S nur die Absicht herauslesen wollte, über parlamentarische Schwie rigkeiten mit populären, aber zu nichts verpflichtenden Worten hin wegzukommen. Wenn der italieni sche Minister - Präsident gestern er ! klärte, die „frei proklamirte und lo hal beobachtete Neutralität" genüge nicht, „um unS gegen die Folgen der ungeheueren Umwälzung zu schü tzen," wenn er von den „gerechten A nsprüchen Italien'S" sprach und hin zufügte: „ES muß seine Stellung i als Großmacht behaupten und sie nicht nur unversehrt erhalten, son dern auch so, daß sie nicht durch die möglichen Vergrößerungen anderer Staaten relativ gemindert werde," ! so ist da unverkennbar nicht nur ei- ! ne vertröstende Redewendung, son der ein Programm. Hr. Salandra hat dieses Programm auch nicht al- - lein deshalb so klar und zugespitzt vorgebracht, weil ihm das bei der - Stimmung des Parlaments und des I Landes nöthig schien. Er hat auch - diese energischeren Ausdrücke ge- l wühlt, weil die „Vorbereitung von Heer und Marine", ans die er hin- > deutete, jetzt mehr als bei Beginn i de Krieges die Politik zu gestalten ' scheint, „die jeder Möglichkeit ge wachsen ist." > Hr. Salandra sagt, das; die „poli ! tische Gestaltung" des alten Erdtbei i les vielleicht im Begriffe ist, sich zu I ändern," und er kündigt sür den Fall i solcher Aenderungen italienische Conipensations - Forderungen an. — > Aber er hat es klug vermieden, auS- c zusprechen oder auch nur anzudeu- c ten, wohin seiner Meinung nach das t KriegSglück sich wenden und zu wes i sen Gunsten jene „Aenderungen" stattfinden würden. Ist man nicht berechtigt, zu finden, daß der stür mische Beifall der antideutschen und anti-österreichischen Kammergruppen der diese Sätze begleitete, sür die„Al liirten," für England, Frankreich u. Rußland, einigermaßen peinlich sein müsse? Denn da diese Gruppen die „Compensationen" ja auf der österreichischen Seite zu holen wün schen, so könnte logisch gefolgert wer den, daß sie vom Liege Deutschlands und Oesterreich Nngarn's vollslän dig überzeugt sind, daß sic mit einem Anwachsen dieser Mächte sicher rech nen und darum schon heute bekun den. daß Oesterreich ihnen einen Aus gleich durch Entschädigungen schuldig sei. Der Beifall Derjenigen, die ein seitig gegen die bisherigen Drei bunds - Verbündeten Stellung neh men und nach österreichischem Besitz streben, hatte doch diesen und nur die sen Sinn. Aus den Erklärungen Salandra's darf man diesen Sinn nicht ohne Weiteres herauslesen, denn dort sind alle Möglichkeiten be rücksichtigt, ist kein Weg und keine Thür versperrt. Der italienische Mi nister - Präsident stellt mir eine These auf, die unter allen Umständen gelten kann, wie auch schließlich das Schicksal Europa's sich gestalten wird. Und wenn Hr. Salandra eine Vorliebe für Eompcnsationen auf ei ner besonderen Seite haben sollte, so rcservirt er sich doch die Zukunft und ! hält mit Allem, was ihn in der einen oder der anderen Richtung festlegen könnte, vorsichtig zurück. Natürlich wirb die Presse in Eng land und in Frankreich aus seiner Rede herauslesen, daß sic zum min desten keine Zustimmung zur Politik der Treibundsgenossen bedeute. Sa landra betont mit unverkennbarer Absichtlichkeit, daß der Conflikt „oh ne irgend eine Theilnahme oder ein Einverständnis; von unserer Seite Plötzlich und sehr schnell" ausgcbro chen sei. Er sagt nicht nur, daß der „Buchstaben und Geist" des Drei l bnnd - Vertrages Italien nicht zur ! Theilnahme gezwnnden hätten, er begründet die Haltung Jtalicn's auch mit der Kenntniß der Ursprünge und des augenscheinlichen Endzwecks des Confliktcs...." Seine Bemerkung, daß „wenn die Herrschaft des Rechts aufhört, die Kraft allein die Bürgschaft sür das Wohlergehen eines Volkes bleibt," wird man in Italien und im Lager unserer Gegner als eine Anspielung ans den Fall Belgien' denken. Mit all' diesen Worten kam Salandra den Auffassungen und Stimmungen ent gegen, die nun einmal in Italien und im italienischen Parlament be stehen, mit denen er rechnen muß. und die man natürlich auch in Deutschland nicht übersehen kann. — Aber wenn man nichts übersehen soll, so muß man in solchen erregten Zei ten doch über Manches, das sie mit sich führen, hinwegsehen, und sich an die Thatsachen halten, die allein ent scheidend sind. Und um nun der anti-deutschen und anti-österreichischen Stimmung in Italien entgegen zu arbeiten, ist der frühere Reichskanzler, Fürst Bü low, als Botschafter am Ouirinal er nannt worden. Fürst Bülow wird nun in der Stadt, wo er die schönsten Stunden des Friedens und der Muße genoß, als Vertreter Teutschland's erscheinen und er ist der Mann, der noch am ehesten auf den Fortgang der Dinge dort günstig einwirken kann. > Die auswärtige Politik des Fürsten Bülow ist hier oft entschieden be kämpft worden, ich wenn auch die ser Bülow'schen Politik nun nicht Alles aufgebürdet werden kann, so haben doch die Ereignisse die damals hier geäußerte Ansicht nicht widerlegt. Aber daran kann kein Zweifel be stehen. daß Fürst Bülow für die Rolle des vermittelnden Staatsman nes, und gerade für die Rolle in Nom, die glänzendsten Eigenschaften j besitzt. Kein zweiter brächte diese Autorität, diese Kenntnis; der Ge schäfte und der Persönlichkeiten, diese Kunst des Verhandelns mit. Kein zweiter kennt so gut die Wege des römischen Lebens nd der römischen Politek. Trotzdem wird Fürst Bülow selber nicht wünschen, das; an seine Sendung Erwartungen geknüpft werden, die über das Rias; des Erreichbaren ge hen. Auch er kann, mit all' seinen großen Fähigkeiten, mit all' seiner' Klugheit und diplomatischen Geschick lichleit, nicht von heute ans morgen ' eine Situation umwandeln, die sich auS einer so langen Entwickelung er ! giebt. Er hat mit dem Widerstand und der planmäßigen Gcgenarbcit; derjenigen Kreise zu rechnen, denen die italienische Neutralität nicht ge nügt und denen ein aktives Eingrei fen zu Gunsten England's, Frank reich's und Rußland's Verheißung voll erscheint, und er dürste gewisse Artikel im „Corriere della Sera" ge lesen haben, die das einleitede Manö ver dieser Gegenpartei sind. Cr weiß auch, daß die Dinge in der letz ten Zeit sich nicht geändert haben, daß der Andrang der Thatenlnstigcn zum Mindesten nichts von seiner Hef tigkeit verliert, und er hat nicht erst aus der ebenso energischen wie klugen Rede Salandra's entnommen, daß auch die auf die Wahrung der Neu tralität bedachte italienische Regie rung mit der Volksströmung zu rech nen hat. Er weiß aber nicht minder, daß der König, die Regierung und die nicht zum deutschfeindlichen Klüngel zählenden Kreise eine stark nationale Politik, nicht eine Abenteurerpolitik wünschen, daß sie die Stellung Jta lien's bei'm Frieden wahren wollen, ohne das Land in den Krieg hinein zuziehen. Dagegen ist, in solcher Formnlirung, nicht Grundsätzliches einzuwenden, und da ist der Punkt, j bei dem vermuthlich die ausgleichende Kunst des Fürsten Bülow einsetzen wird. Wie die Mission des Fürsten Büolw sich gestalten wird, hängt ja auch nur zum Theil von ihm selber, nur znm Theil von den italienischen Stimmungen und Strömungen, und darüber hinaus von den Ereignissen auf dem Kriegsschauplätze ab. Aber in jedem Falle leistet Bülow in die ser Stunde Deutschland einen Dienst, für den man ihm zu danken hat. Klares Verständniß bringt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" den Auslassungen des italienischen Ministerpräsidenten entgegen. Das halbamtliche Blatt schreibt: „Die Erklärungen des italienischen Ministerpräsidenten Saldandra wer den als eine bedeutende und sür die Politik Jtalicn's richtunggebende Verlautbarung wie in Italien selbst auch in Europa großen Eindruck ma chen. Salmidra legt Werth darauf, festzustellen, daß Italien die bisher beobachtete Neutralität aus eigenem, freien Entschluß eingeleitet und durchgeführt hat. Die gleiche Frei heit des Entschlusses will der italie nische Staatsmann seinem Lande für den Fall gewahrt wissen, daß eine weitere Fortdauer der Neutralität et wa mit Lebeiisinteressen des König reiches nicht mehr vereinbar erschei nen sollte. Würden in Folge der großen europäischen Verwickelungen schwerwiegende Aenderungen im Be sitzstand der Großmächte wahrschein lich werden, so würde sich Italien zu einer Politik der Enthaltsamkeit nicht gebunden erachten. Für die Freunde und Verbündeten Jtalicn's hat diese entschlossene Wahrung seiner Groß machtstcllung nichts Ucbcrraschendcs. Wir hatten solche festen und starken Töne schon von Marchese di San Giuliona öfters vernommen und ha ben von vornherein erwartet, daß auch nach seinem Heimgang sich für das von ihm Begonnene thatkräftige Fortsetzer finden werden. Eine Mehr heit sür diese nationale und patrioti sche Politik wird dem Kabinet Salan dra in der italienischen Kammer sicher sein. Bei den Verbündeten Jtalicn's besteht volles Verständnis; dafür, daß das apemiinischc Königreich sich bei den europäischen Entscheidungen nicht ausschalten lassen kann." Feucrsbrünste. . ! Cheisea, Mass., 27. Dezember. , Ein Feuer, das heute in der Bau holzistedcrlage von Pope L Cottlc dahier ausbrach, ahm einen derar tigen Umfang an, daß es eine Zeit , lang die ganze Stadt bedrohte und j Beistand von Löschmannschaften aus < Boston und Everctt reguirirt werden t mußte. Tcr Gcsammtschadcn beträgt ! >!j!126,000. Außer der Holznieder- , läge von Pope L Cottle gingen mch- rcre zu derselben gehörige Gebäude j in Flammen ans. Auch wurden zwei Dampfkrähne der „Boston L Maine , Bahn" zerstört und sonstiger großer f Schaden angerichtet. Ein Feuerwehr- i manu wurde schwer verletzt, indem ein l Haufen Holz ans ihn fiel. Der Eisen- x bahnvcrkehr wurde durch das Feuer 2 gestört, ebenso der Tclcphondienst. < Savaniiah, Ga., 27. Dez. j > Ein Feuer, das gestern fünf Stunde lang wüthete, hat einen Schaden von !j!100,000 im Geschäftstheil dcrStadt verursacht und unter Anderem den - Dcpartcmcntsladen von Marcus L d Co. in Asche gelegt. x Dir. Packetpost-Enttuickeliing. Washington, 27. Dezember. Nach einer vorläufigen Schätzung des Püstdepartements wurden nicht j weniger als 100,000,000 Packest! ' während des Weihnachts-AndrangeS " von der Ver. Staaten-Packctpost bc- fördert. Ter Gesummt-Umfang des Pncketpost-Betriebes im Jahre 10 l l ' wird auf nahezu 1000 Millionen Pallete berechnet. !" ——— —> > - i(; I eil-oniiriUkn, dir drn „Deutschn, Nurres,-- l denleil - ich, ünttUch oder unrcaelmijhlo er. doltcii, sind nebetk. der LMee davon per leie. . s, - vv° vdcr schriftlich Mftu,cil,ia iu mache. - Tie Panamakanal-Eröffnung. Einundzwanzig moderne amerikani- scheSchlachtschisfe werden sich ran betheiligen. Washington, 27. Dezember, i Nicht weniger als 21 moderne Schlachtschiffe, welche die Sterne uud ! Streifen führen, werden der „Ore , gon" folgen, wenn dieser Veteran der amerikanischen Flotte mit der atlan- j tischen Flotte den Kanal passirt, um i sich an den Ervsfnungs - Feierlichkei- l len der Panama Pacific - Ausstel lung zu betheiligen. Contre-Admiral Fletcher, der Kommandeur der Flotte, j besprach diese Angelegenheit gestern s mit dem Marinesekretär Daniels. - Aber es wurde noch nicht entschieden, ob die Flotille der Torpedoboot-Zer störer sich an der Fahrt betheiligen soll. Dagegen steht schon fest, daß die erforderlichen Kohlen, Repara tur und Vorrathsschiffe die Fahrt mitmachen werden. Tie atlantische Flotte laust am 16. Januar zu den Winter - Manövern auf der Höhe von Gucmtanamo in Cuba aus, die schon gegenwärtig in den südlichen Gewässern weilenden Schiffe werden sich dort der Flotte anschließen, und die Fahrzeuge, wel che nach der pacifischen Küste gehen sollen, werden gegen Ende Februar ! nach Hampton Roads zurückkehren. Erweitert. Englands Contrebaiide-Liste zahl § reiche neue Artikel hinzugefügt. Die amerikanische Regierung formell benachrichtigt. Washington, 27. Dezember. Großbrittannien machte gestern der amerikanischen Negierung die Mittheilung, daß sie wieder eine neue Liste absoluter und relativer Contre bcmde veröffentlicht hat. Die frü- > Here Liste der relativen Contrebande bleibt mit der Ausnahme bestehen, ' daß Schwefel und Glycerin fortan als absolute Contrebande betrachtet ! werden. Die Liste der absoluten Contre- I bände enthält den folgenden Zu wachs: Zuthaten zu Explosivstoffen, nämlich Salpetersäure, Glycerin, Aceton, Calcium-Acetat und alle an deren metallischen Acetate, Schwefel, Potassiiim Nitrate, Bruchtheile von > Destillations-Produkten von Kohlen theer zwischen Benzol und d einschließlich Anilin, Methylaimrn, ! Dimethylanilin, Ammonium, Per chlorate, Sodium Perchlorate, So dium Chlorate, Charium Chlorate. Amonium Nitrate, Cyanamidc, Po- ! tassium Chlorate, Calcium Nitrate, Quecksilber, Harzprodukte, Kampher und Terpentin (Oel und Spiritus), Eisenlegirungcn, einschließlich Ferro- t Tungste, Ferro Molybdenum, Ferro ' Mangcmese, Ferro Vanadium, Ferro Chrome. Lungsten, Molybdenum, j Vanadium, Scleuium, Cobalt, Man gancsc, Wolframite, Scheelste, Mo lybdenitc, Mangancsc, Erz, Zinkerz, Bleierz, Bauxite, Aluminium und Aliiminiumsalze, Antimonium in Verbindung mit Sulphiden und Oxi den von Aiiaimonium, Kupfer, theil weise bearbeitet, und Kupfcrdraht, ü unterseeische Schallsinal Apparate. I Reifen für Motorfnhrwcrkc und für Räder nebst Artikeln oder Materia lien. die besonders zur Benutzung bei der Herstellung oder Reparatur von Reifen gebraucht werden; Gunst, einschließlich roher Abgänge und um - gegossener Artikel, die ausschließlich ans Guniii bestehen. Automobil-Industrie. Chicago, 27. Dezember. —ln diesem Jahre haben die amerikani schen Automobil-Fabrikanten 616, 000 Motorwagen am Gcsammtwer the von !ß 185,000,000 hergestellt. Diese Berechnung des Umfangs der amerikanischen Auto-Industrie rührt von dem General-Betricbsleitcr Al fred RecveS der hiesigen Automobil- Handelskammer her. Die Erzeug nisse wurde von 460 Firmen gclic ; fert. In den verschiedenen Staaten der Union sind insgesammt 1,600,- 000 Motorwagen registrirt; ferner giebt es im ganzen Lande 16,000 Äutomobilhändler, 10,630 Remisen (Garagcs) und 680 Autobedarfs- Firmen. Gräfin Bnisseret gesucht. Washington, 27. Dezember. Staatssekretär Bryan bemüht sich, durch die deutsche Regierung den Auf enthalt der Gräfin de Bnisseret, frü heren Fräuleins Caroline Storch von hier, zu erkunden. Nach der letz ten Nachricht von ihr lag dieselbe ge fährlich krank in Brüssel darnieder. Tic Deutschen in Brüssel sollen ihr-T angeblich nicht gestattet haben, zu ihrem Gatten zu reisen, der belgischer Gesandter in Petrograd ist, noch mich sich mit ihrer hier wohnenden Mut- u tcr in's Vernehmen zu setzen. Graf I! Bnisseret war zu einer Zeit belgischer . Gesandter in Washington und um die Zeit, als er sich vcrhcirathctc, Ge sandtschafts Attache in Washington.