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4 K DLc Httlliqcll. r - z Ban Bilmcrg. .u „K.ar Ich bin euch, laßt mich fort: O Aijsel mich frei, sonst lauf ich vom Bord; Ach muß beim, muß l)eim nach der Hallig! D ' ii und vergangen drei ganze Jahr', Daß ich stets zu Schiff, daß ich dort nicht war, Ans der Hallig, der lieben Hallig!" „Nein, JaSpcr, nein, das sag' ich dir, Noch diese Reise machst du mit mir, Dann darfst du gch'n nach der Hallig! Doch sage mir. Jasper, waS willst du dort? Es ist ein so ödpr, armseliger Ort, Die kleine, dis einsame Hallig!" „Ach stein, Kapitän, dort ists recht gut, An keineiu Orte wird mir so zu Mut, So wohl, als auf der Hallig! Mein Weib bat geweint manch trau rige Nacht, -Hab' lang nicht gesehen, wenn mein Kind mir gelacht, lind Haus und Hof auf der Hallig." „So höre denn, Jasper, was ich dir sag: i Es ist gekommen ein böser Tag, Ein böser Feind für die Hallig! Eine Sturmslut, wie nie vorher, Und das Meer, das wildaufwogende Meer, Hoch ging es über die Hallig! Doch sollst du nicht hin, vorbei ist die Not, Tein Weib ist tot, dein Kind ist tot, Ertrunken bcid' auf der Hallig! Auch die Schafe und Lämmer sind fortgespüllt. Und dein Haus ist fort, deine Wurt zerwühlst. Was wolltet du tun auf der Hallig?" „A-ch Gott, Kapitän, was ist geschehen? Alles soll ich nicht Wiedersehn, Was lieb mir war auf der Hallig? Und Ihr fragt mich noch, was ich dort will tun? Will sterben und im Grabe ruhn Nus der Hallig, der lieben Hallig!" Stille Helden. ! Rury eine Krirgsskizze von Walter Kaulfuß. Es waren ihrer sechs alte Herren. Seit über dreißig Jahren kamen sie an jedem Abend zur selben Stunde, im selben Lokale und an demselben Tisch zusammen. In aller Behaglich keit tränten sie ihren Schoppen, tauschten Gedanken und Erinnerungen aus und gingen dann wieder. Ein Hauch der guten allen Zeit lag über dem Kleeblatt. War der Abend wei ter vorgeschritten und das junge Volk in das Gasthaus geströmt, dann war die stille Beschaulichkeit der Stamm tischccke mit ihrem gel)eimniSvolleii Zauber dahin. Dann pulsierte blü hendes neue-S Leben . . . Heute saß man nur zu fünf in der traulichen Ecke. Die Pfeifen dampf ten und das Bier mundete. Halte ja doch auch der Telegraph Kunde von einem neuen großen Siege des Ost preußenbcfreicrS Über die Russen ge bracht. „Wo nur der Rendant heute bleibt?" „Ob er krank ist?" „Noch nie hat er gefehlt." Und da die Stunde des Beisam mensein? sich ihrem Ende nähert, cr fährt man, was den sonst so pünkt lich alten Herrn fern gehalten hat. Der Wirt hat es soeben vernommen. Ein Telegramm sei gekommen, hinten aus Rußland her und habe die Kunde gebracht, daß einer seiner Söhne den Heldentod gesunden hat. Am nächsten Abend war der Tisch wieder vollzählig beisammen. Der Rendant war zugegen. Keine Miene verriet, was in seinem Innern vor sich gegangen sein mochte und was ihn auch jetzt noch bewegte. Wohl schien er nicht mehr ganz so aufrecht zu sitzen, wie vorgestern. In seinen Au gen schimmerte ein verhaltener Schmerz. Die Freunde drückten dem Rendan ten die Hand. Und als er in ihren Gesichtern eine Frage las, sagte er kurz: „Es war der Jüngste!" „Sie Armer!" „Ach, reden wir nicht weiter davon. Noch hab' ich zwei andere. Tausende gleich mir müssen ihr Liebstes hinge ben für des Vaterlandes Ruhm und Ehre." Und da er weiter sprach, leuchteten seine Augen: „Warum klagen? Stolz erfüllt mein Herz. Meine Söhne sind auch dabei, kann ick sagen. Das Herrlichste für ein trcudeutsches Baterherz. Trifft die Kugel, nun. ein jeder Soldat steht in Gottes .yand. Wir trauern un seren Lieben nach. Wohl, aber wir wollen nicht plärren und nicht zagen. DaS steht schlecht zu dem Heldcnmute unserer Truppen, die freudig und mit Begeisterung!! in den Tod gehen." l Kinderspiel. Eine Mutter hört ibr kleines Döchterchen im Kin derzimmer fürchterlich schreien. „Um Gottes willen. Anni. warum brüllst / , Die Runde schwieg. Die Worte des : alten Herrn hatten dvcy Eindruck ge macht. Man ledete nicht weiter von dem Todesfall, schon um deßwillen nicht, um den Vater nicht wieder an den Berlust seines Sohnes zu erin neren. Auch der Banldircktor blieb an einem Abend aus. Am nächsten Tage fand man ein Inserat in der Zeitung, das schwarz umrandet und mit einem Eisernen Kreuz versehen war: „. . . Er war unser Stolz und un sere Freude . . ." teilte der Bankdirek kor den Heldentod seines Sohnes mit. Tags darauf kam auch er wieder. Es war ein stilles Einverständnis der Männer, daß man sich nicht in triefenden Worten das Innere ent hüllte. Nur stumm drückte ein jeder dem schwergeprüften Vater die Hand. „Der Einzige war's," sagte er auf die Frage des Rendanten. Wochen gingen ins Land. Die Sechs kamen Abend für Abend. Nichts hatte sich in ihrem Verhältnis zu einander geändert. Nur verstohlen blickten vier zu den beiden hinüber, die ans dem Altar des Vaterlandes ihren Tribut in Vlut gezahlt hatten. Was mochte in deren H-czcn vorgehen, wenn sie verträumten Blickes vor sich hin sahen. Suchten sie die Zukunft zu erspähen? Und dann war der Rendant wieder ausgeblieben. Zweimal in einer Woche. Starres Entsetzen malte sich ans den Zügen der treuen Freunde. Sollte es in der Tat wahr seir! Die bei den letzten nach so kurzer Zeit. Als er wiederkam, schien wohl alle frühere Frische aus seinem Gesicht ver schwunden, aber keine Klage, kein Schmerz war zu hören noch zu be obachten. Der Rendant war einer von jenen stillen Helden, die eS so viel in unserer Mitte gibt. Eine Frau hatte an die Türe zur Villa F. geklopft. Die Hausfrau öffnet selbst, da das Mädchen ausgegangen war. Sie wollen bei mir waschen? Sie sind doch wohl schon zu alt. Kann ich sonst nichts für Sie tun?" „Alt bin ich wohl, aber arbeiten kann ich noch. Geben Sie mir Arbeit, dann haben Sie genug für mich ge- i tan." j Und nun mußte die Alte erzählen, > warum sie sich um Arbeit bemül)e. > Ihr Sohn, der Ernährer seiner alten Mutter und eines kranken Va- j ters, war in dcn Krieg gezogen und, gefallen. Man wollte doch leben und die kleine Unterstützung langte nicht i aus. „So rufen Sie doch die Kriegsfuß sorge an, man wird und man muß Ihnen helfen." „DaS möchte ick nicht. Ich kann noch arbeiten. Und daS Geld wird für die gebraucht, die es nicht mehr ' können. Ja, ich möchte auch nicht so viel Aufhebens machen." „Aufhebens?" „Ja, mein Junge tat ja nur seine Pflicht al-s Mann und als Teutscher." Mühsam zerdrückte die Alte eine Träne, sie wollte tapfer sein. „Hat Mar immer noch nicht ge schrieben?" Die blasse Fra in dem weißen Bett richtete sich mühsam auf. Fra gend sah sie auf die Mutter, die in j der Nähe des Fensters saß und in den regcnschwcrcn Tag hinausblickte. ! „Nein, mein Kind." Mit einem tiefen Seufzer fiel die Frau zurück in die Kiffen. Schluchzen erfüllte das Zimmer. Die Mutter stand auf und beugte sich über die Kranke. „Beruhige dich, mein Kind. Er wird schreiben, sobald er Zit hat. Er ! wird es. das weiß ich bestimmt." „Aber er lebt nicht mehr." Wie ein verzweifelter Aufschrei kam eS aus dem Munde der armen Frau. Die Mutter sah ihre Tochter mit unsagbarem Mitleid an. Schwere Gedanken wühlten in ihrem Hirn. . Wenn sie nur wüßte, wie sie die Kranke weiterhin beruhigen könnte. ! Es war schrecklich, die Wahrheit zu! wissen und der da vor ihr die Wahr- l heit nicht einmal merken zu lassen. Der Arzt hatte ja jede Aufregung verbo ten. Die Kranke richtete sich wieder auf. j „Hast du auch immer die Verlust- j listen durckigesehen, Mutter?" „Ja, mein Kind." „Und Max' Name war nie darin verzeichnet?" Durchdringend blickte die Tochter l die Mutter an. Die mußte den Blick unwillkürlich senken. Aber standhaft mußte sie bleiben. „Ich sah ihn nicht darunter." „Mutter, Mutter, du verschweigst mir etwas." i „ Nein! ' Der Mutter würgte es im Halse, als sie di: Notlüge wieder über die Lippen brachte. Äb:r es mußte sein. Nach einigen Tagen war die Toch ter sanft cingeschlasen mit dem Be- ' wußtsein, daß ihr Mann, der Vater des KindcS, zurückkehren werde. Die Mutter aber erhob die Arme zum Himmel und dankt: für die Kraft, die ihr der Allmächtige in d:n schweren Tagcn gegeben hatte. Du denn jo? Sied Dir doch einmal Deinen kleinen Bruder an. wie artig i und üiti der cii." „Muß er auch!" ' bebauptct die Kleine ganz ernsthaft. Der Drutschr Corrrjpviidrni, Baltimore, Md., cvnntag, de t>. lolsi. Armer Mann. Eine traurige FruhliiigSskizze von Nase Raunn. Wenn sic nur nicht immer zu zweien gehen wollten! Als ob es leine an dere Art gäbe, das Leben erträglich zu leben! Er lebte doch auch so, und cs ging, oder cs mußte gellen. Und seine Freude an der Natur hier, die war sicher größer so und reiner. Die andern da, die sehen ja nur den Menschen neben sich, oder noch schlimmer, wenn sie schlecht gepaart waren, hatten sie die Augen und die Gedanken nur auf Abenteuer aus, suchende Augen und suchende Gedan ken. Und es lohnte schon, hier den Früh ling und nur den Frühling sel-en zu wollen. Absichtlich langsam schritt er die Wegreihe der weißen Birken am Ab hang entlang und sah in das herab hängende, feine Geäst, das wie Frauenhaare, wie verwirrte, weiche Frauenhaare war. Da lamen wieder zwei l>ilb lau send an ihm vorüber. Sie hatten trotz des schwierigen Abstiegs die Arme wie Bretzeln ineinander ver schlungen. Wahrhaftig wie Bretzeln. Wie lächerlich das aussah! Und dann ertappte er sich doch da bei, daß er mit ein wenig Neid hin ter ihnen hcrblickte. Aber er war ja immer einsam, er bärmlich einsam gewesen. Und von seiner Kindheit an hatte er nur Män ner um sich gel>ibt. Davon wohl war ihm diese Scheu, fast Augst vor Frauen geblieben. Dann auch, na türlich weil er wußte, wie hä, ich er war, häßlicher als man sein durfte, wollte man an Liebe glauben, j Er besann sich noch heute auf den Schauer, der ihn überkommen, als eines Freundes Mutter, die wohl um sein Lcbcn bei dem Sonderling Bater wußte, mit ihrer Frauenhand leise über sein kurzgeschnittcnes Jungen haar gestrichen hatte. Er hätte vor ihr knien mögen und heulen, der neunjährige, lMt erzo gene Junge. Er liebte sie noch lange mit seiner ersten Liebe. Und sie war doch, wie er sich heute besann, nur ! eine kleine, farblose Frau mit einem gütigen, niütterlichcn Gesicht gewesen. ! Noch ein anderes gütiges Gcsicht fiel > ihm jetzt ein, das manchmal aber - er wollte kein eingebildeter Narr sein, , das manchmal gütig und warm zu ihm gelächelt hatte. Sie lächkl'e wohl z allen gütig und warm, die junge, kleine Lehrerin, ! die an seiner Schule eine kurze Vertre tungsstelle gehabt batte, und die so i ernsthaft ins Leben sab. Aber mcbr als mit dicstm Lächeln würde sie. die so voll mädchenhafter Scheu war, ihm ' nie entgegen?egangen sein, auch wenn, auch wenn Gott, wie wundervoll müßte es sein, dieses Glück, von diesen: Mäd chen geliebt zu sein, nein, nur sie lie- ben zu dürfen! Einen Menschen n-.'en sich, eine Frau, die aeb cht balte. was mau sel ber gedacht, die gelesen hatte, was wan selber gelesen hatte, die lachte nd traurig war bei allem, wo man selber lackte und traurig werden konnte. Einen Kameraden zur Frau, die bewunderte und haß'e, was man ! selber bewuuder'e und haßte, die um i Ecken denken konnte, wie er da.S im ' mcr ausdrückte, die alles lci'ete, zu - Hirn rwd Herzen leitete, was man nur berührte. Tausend kleine Dinge fielen ihm ein. Er hatte im Hofe zwei Knirpsen, die ihre Schüler waren, zugehört. „Du, warum ärgerst bu sie denn im mer, daß sie crst kommen muß und deinen Kopf hochnehmen? Sitz doch schon von selber gerade, wenn sie dich ruft." „Ach, du. ich habe es zu gerne, wenn sic mich anfaßt!" Ja, das be griff er. das begriff er! Lachend in der Erinnerung an die stsen diplomatischen, kleinen, dicken i Kerl schritt er weiter. Unten am See ! hatte der Wirt zum Frühlingsbeginn ; die Tischplatten und die Stuhllehnen und Sitze alle ockergelb gestrichen und alle Tisch- und Stuhlbeine mit dem grünsten Grün: das sah nun an der i letzten, abschüssigen Wegbiegung von weitem so drollig aus, als ob lauter ! Riesenbutterblumen in einer grünen ! Wiese ständen, und in immer fröh ! licherer Stimmung, froher, als er seit langem gewesen, lief er vorüber und j der Dampfcrstelle zu. t Dort warteten, stehend und sitzend, schon zahllose Ausflügler auf das E Motorboot, kns sie über den See brin gen sollte, und von einem Tische, an dem er vorüber wollte, riefen ihn ein Kollege und seine Frau an. j Er setzte sich zu ihnen und freute sich an dem hellen, sonnigen Kinder gesicht der jungen Frau, die einen gan zen Stoß Ansichtskarten in ihre Hei mat geschrieben und neben sich aufge schichtet hatte. „Mrs für ein glücklicher Mensch müssen Sie sein!" sagte er. „Zu wis sen, daß so viel Menschen auf einen Gruß von Ihnen warten!" Er sagte das ganz ohne Ironie; wenn man sic ansah, glaubte man zern, d<aß alle Menschen sie lieben und „Wir spielen doch gerade was sehr Schönes. Cr ist Pava. der spät nach Hause l'ominl. und ich diu Du." Gcschäst s n e i d. Student: I . ' sich über einen Gruß von ihr freuen mußten. Sie nahm es auch so ernst, wie er es sagte, und dachte nur, es sei ein wenig Bitterkeit und Traurigkeit in des Doktors Worten gewesen. „Ja, schreiben Sie denn nie An sichtskarten?" fragt! sie nur. „Nein, nie!" „Wie schade! Schatz, denk nur, de: Herr Doktor schreibt nie Ansichtskar ten!" Eine Welt von Mitleid war in ihrer Stimme ob solchem Entbehren. Und ganz aufgeregt und eifrig setzte sie ihm den Wert dieser Gewohnheit auseinandere. „Da weiß doch jemand, daß man an ihn denkt," überstürzte sie sich, „und daß man gerne möchte, daß er auch da sein soll, wo man gerade ist, und daß man gerne möchte, er soll auch an cinen denken, und daß er einen nickt vergessen darf, und überhaupt ist es furchtbar nett, wenn man wieder An sichtskarten von anderswoher be kommt und womöglich unterschrieben von lautere Leuten, die man noch gar nicht kennt." „Du wirbst auch alle Tage um welche," schaltete der Mann gutmülig ein und amüsiert von der drolligen Wichtigkeit, mit der sic die erprobte Lebensweisheit vorbrachte. Gerade kam der mißgestaltete, hin kende Bursche, den alle hier kannten, heran, und bot mit dem Stammeln des Idioten die Karten auf seinem Ständer feil. „Ich kann ja auch eine schreiben, gnädige Frau," und ein roter Schein ging über das Gesicht, daS wie das Gesicht eines verlegenen Jungen wurde. Und wie er aufsah von der kurzen Zeile, die er nur noch zu kritzeln Zeit gefunden hatte, weil es schon zur Ab fahrt klingelte, da war sein Gesicht i noch immer rot und bewegt und ganz verschönt, wie von einem stillen, un gewohnten Erlebnis. Auf der Motorbootfahrt wurde er von dem jungen Paare getrennt, erst im Städtchen auf dem häßlichen Wege zur Balm, in häßlichem, lärmendem Gewühl fand man sich wieder. Am Bahnhof standen sie still, indeß der Ehemann um einen Platz am Billcttschciller kämpfte. „Hier ist ein Briefkasten: die Kar- ten müssen von hier abgestempelt sein, j Sonst haben sie nicht den rechten Wert und Glauben. Ihr Karte nicht auch, Herr Doktor?" Aber dessen Gesicht war schon wie- ! der ein AlUagsgcsicht geworden hier im Lärm der Straße. Er zog die bunte Karte aus der Tasche und sah! sie eine Meile an, als ob er nichts > mehr davon wisse. „Es hat ja' doch keinen Sinn," sagte er. und langsam zerriß er die! Karte, auf der der Himmel so blau gewesen, daß es ihm noch in den Au- gen so weh tat, zerriß sie in lauter i lächerlich kleine Stücke. Dabei bogen seine Lippenwinkel sich herunter und. entstellten seinen Mund noch mehr. Dann knöpfte er b'dächtig dcn Mantel z. Es war plötzlich so kalt geworden. Der jungen, immer lachenden Frau war es, als habe sie nie eine so trost lose, hoffnmigslosk Stimme gehört wie die, die eben so komisch aesagt hatte: „Es lzat ja doch keinen Sinn." „Wie schade." sagte sie nur. Ihr Kinderhirn hatte seinen Ge dankenweg nicht begriffen, aber der plaudernde Kindermund verstummte. „Es lxit ja doch keinen Sinn," hörte sie immer noch. Ganz, ganz fest bängte sie sich jetzt ' an den Arm ihres Mannes und ließ sich, von ihm behütet, durch das Men schengewühl führen. Gott sei Dank, dachte sie nur leise, ' als sic vor dem sich füllenden Zuge den seltsamen Freund wieder verloren hatten. Dazu lebt man doch nickt, meinte j sie. Ter konnte einen ja bloß unnötig traurig machen. Und helfen konnte man ihm doch nicht. Armer Mann! HuiltP'l lll'l sucht'. > Die Frage, wie lange ein Mensch leben kann, ohne Nahrung zu sich zu nehmen ist für die Wissenschaft immer von Interesse gewesen. Manche Leute werden schon unwirrsch, wenn ihnen der Magen „knurrt" und eine gewohnte Mahlzeit überschlagen wird. In neue rer Zeit bat eine Hungerkünstlerin Na mens Serval wiederholt, in fünf Jah ren sogar zwanzig Hungerversuche an- > gestellt und dabei einmal volle fünf- ; undzwanzig Tage ohne Nahrung zu > gebracht. Zur Erfrischung nabin sie, j wie Dr. Rütimever berichtet, während j dieser Zeit nur fünf Liter Mineral ' Wasser zu sicb. „Jedenfalls," so be merkt das Jahrbuch der Naturwissen- - schäften dazu, „lebren solche Erperi mente, daß der Mensch das strenge Fa- sten sehr viel länger aushalten kann, als man bisher annahm, und daß, wenn nur für ausreichende Flüssig kcitszufubr gesorgt ist. ernstere orga nische Sckädigunaen selbst durch län geres, absolutes Fasten nicht notwen big hervorgerufen werden müssen." Die Voraussetzung für die Nichtigkeit dieses Urteils bilden natürlich ein ge sundcr Körper und das Unterlassen körperlicher Anstrengungen. Die Be schränkung ''-er Nahrungsmittelzufuhr dürfte dageaen vielen Leuten sogar heilsamer sen als das Gegenteil. „Zieh doch mal dort das Schild an: Atliengeikllschait nir Pumpen." ..Beim Zeus! Die bei eiben e- nocki großartiger wie wir!" ' s bpisoven aus dcn Kämpfen i Frnnk reich. Bon Arthur G. Abrecht. Die sind jetzt mit dabei gewesen, in Ostpreußen. Mit Hindenburg in der Winterschlacht in Masuren haben sie gestritten und gesiegt. Ob sie jetzt nicht froh sind darob, daß man sie heraus gerissen auS dem Schützengraben-Da sein im Argonnenwalt und hinausge sandt zu einer ihnen fremden Waffe, einem ihnen fremden Feinde entgegen? Und ob sie noch alle am Leben sind? Alle sieben? Sieben waren's, sieben junge Offi ziere in meinem Abteil im Zuge vom Großen Hauptquartier nach Metz. Nummer acht, ich, war wohl der ein zige Zivilist auf dem ganzen langen Zuge. Ter war voll Militär. Ge pfropft voll. Wie alle, die ich in den letzten Tagen in Nordfrankreich gese hen. Voll fröhlich singender Solda ten. Sie sprachen vom Dienste, von der aufreibenden, nervenzerrüttenden mondelangen Liegezeit in Unterstand und Graben. Und von Kämpfen. So oft der Schaffner einen Ortsnamen ausrief er sprach die französischen Namen gut sächsisch aus —, weckte er Erinnerungen in meinen Reisegefähr ten. Wißt Ihr noch, wie's hier heiß hergegangen? Wie hier meine Bat terie, die vierte, gestanden? Die Rä der auf französischem, die Lafette auf deutschem Boden. Und wie wir da hineingefunkt in dieses Nest? Und wie's dann zum Sturmangriff ging und wir die Gesellschaft Hinaustrie ben? Und was für Straßenkämpse es setzte? Donnerwetter ging das her! Und wie wir sie aus dem Kirchturm herausräuchcrten, auf dem sie sich mit einem Maschinengewehr verbarrikadiert hatten? Kinder! Kinder! Waren das Tage !m August und im September! Ich gestatte mir die Bemerkung, daß von dcn Ereignissen, die sich hier abgespielt, man doch eigentlich herzlich wenig erfahren habe. In Kriegen frü herer Zeiten hätte man Ruhmeskränze um die Namen dieser Ortschaften ge wunden. In Denkmalsockel hätte man sie eingegraben, auf Ehrentafeln, der Born der Poesie wäre übergeflossen und Lieder hätte man gesungen von den Heldentaten. Aber heute? Kein Lied, kein .Heldenbuch melde den Na men dieser in Schult und Asche liegen den Städtchen und Dörfer. Was sei auch solch ein Gefecht in dem gewal tigen Ringen! Was eine Episode, an der ein Armeekorps beteiligt, wo Mil- - ! lionen Millionen gegenüberstehen! „Da haben Sie recht," pflichtete mein Gegenüber, ein junger Artillerie- j ! leutnant, mir bei, „da haben Sie nur zu rccht. Wenn Ihr in der Hcimath ' eine Ahnung davon hättet, was hinter den knappen Berichten aus unserem großen Hauptquartier für Geschichten stecken! Geschichten, sage ich Ihnen! Aber davon erfährt vorläufig kein Mensch waS. Nur die, die dabei ge wesen sind und es überlebt haben —, nur die wissen, wie es zugegangen. Ich will Ihnen mal eine von diesen Geschichten erzählen, damit Sie sich, einen Begriff davon machen können, j Blos eine. Eine ganz unbedeutende, ! aber charakteristische. „Ich sitze eines Morgens wo's war. ist schließlich ganz egal, denn es könnte irgendwo an der ganzen langen - Front gewesen sein, von Flandern bis j herunter nach Belfort ich sitze tod ' müde an meinem Scherenfernrohr und i gucke durch den Glotzer hinüber nach den feindlichen Stellungen. Sie glau ben nicht, wie das anstrengt, stunden- , sang dazusitzen und sich die öde Ge- gend und die noch ödere Umgegend an- : sehen zu müssen. Ganz allein war ich, ! und mein Unterstand war ein tüchtiges ! Stück weg von meiner Batterie. Bor mir zogen sich die Schützengräben un serer Leute, drüben am Abhang die. der Franzosen hin. Das heißt, da hotten wir sie schon lange hcrausge- I trieben. Das hatten ein paar Zucker- j hüte aus unseren Krupps getan. Die Nothosen batten sich in den Wald da- > hinter zurückgezogen. Ich war müde zum Umfallen. Den ken Sie, ich hatte in sechsunddreißig, Stunden gerade zwei Stunden ge- ' schlafen. Mußte einen Kameraden - vertreten, der unpäßlich geworden war. Da gab's nichts von Müdigkeit vorschütze. Da heißt es einfach: Sie gehen, und man geht. Sie tun dies und das, und man tut dies oder das, ; oder auch beides. Aber cs fällt doch > manchmal verdammt schwer, wach zu j > bleiben. Na, wie ich so dasitze und hinübcrsch ine, da denk' ich doch wirk- ! lich, ich träume. Träume vom wan- > l dclnden Wald in Macbeth. Denn > auf einmal ist mir's, als würde die ganze Geschichte da drüben, Busch und Baum und Strauch und der ganze > Zimmt lebendig. Da geht auch schon der Rummel los . . . Infanterie und Maschinengewehre knallen wie beses sen . . . und die französische Artillerie : stimmt ein . . . War das ein Skandal! i Es war so schön und friedlich gewesen, und jetzt schien auf einmal die Hölle losgelassen . . . jawohl, ein Höllen konzert war's! . . . lieber das Wäld chen hin spucken die Granaten ... ich sehe, wie Dutzende Schrapnells über unsere Grüben platzen . . . Aber all das ist viel schneller vor sich gegangen, Variante. „Am 25. jeden Monats ist mein Wirtschaftsgeld meistens schon alle!" „lind Dein Mann Aiiiß dann wohl immer zu- ! ! als ich es Ihnen erzählen kann . . . dtks kam so plötzlich, so wie aus hei terem Himmel . . . und jetzt sebe ich die Fahne . . . eine französische Negi mentsfahiie . . . und tausend Rothosen sehe ich . . . Sie als Amerikaner haben jedenfalls die Beschreibung der Schlacht von Gctlvsburg gelesen . . . genau so wie damals die Grauen aus den Südstaaten kommen die Franzo sen anmarschiert, . . . als gingen sie zur Parade . . . und ans einmal schwärmen sie aus . . . die Masse löst sich auf ... sie suchen Deckung . . . mittlerweile habe ich schon meiner Batterie telephoniert: Sturmangriff von Höhe 315 herab . . . das war für sie genug, sie wußten, was sie zu tun hatten ... da bekomme ich den Befehl, schleunigst mich in Sicherheit zu brin gen .. . die Franzosen kämen auf der Südseite bereits den Hügel herauf . .. „aber das Scherenfernrohr!" rufe ich in den Apparat hinein ... da kommt es zurück: „Mensch, reißen Sie doch aus, zum Teufel mit den, Fernrohr!" ... da packe ich das Dreibein und schwinge es hoch über meinen Kopf und schmettere es auf einen Felsbloc? ... na, die Franzosen müssen ihre Freude dran gehabt haben, wie sie das Ding fanden . . . und den Hörer reiße ich vom Draht und stecke ihn in die Tasche ... im Laufen habe ich ihn dann weggeworfen ... und dann laufe ich was ich lausen kann . . . nicht etwa nach der Batterie, die war zu weit weg .. . sondern direkt dem Feind ent gegen, hinunter nach unseren Gräben nördlich vom Hügel . . . Daß ich da mit heiler Haut angekommen bin, das ist mir heut' noch unbegreiflich aber, wie ich an den Gräben ankomme, da sind die leer . . . wissen Sie, wo die Kerle steckten? ... in den Grana tenlöchern hatten sie sich häuslich nie dergelassen ... in den Löchern der französischen Granaten ... da sehe ich, wie französische Pioniere bereits bis zu unseren Drahtverhauen, die unsere Pioniere mit so vieler unsäglicher Mühe zur Nachtzeit angelegt, vorge drungen waren . . . und das Feuer! . . . DaS Feuer sage ich Ihnen! . . . Das brüllte und fauchte und krachte und zischte und pfiff und winselte . . . die Geschichte fing an brenzlich zu wer den .. . da hör' ich das erste Bum — bum —bum auf unserer Seite . . . vier Treffer . . . mitten ,'cc d>e anrückenden Rothosen hinein . . . unv dann noch vier . . . und noch vier . . . und mehr und immer mehr . . . kein Schuß ging ! fehl. . . . und der Hagel von Schrap- nclls und das Maschinengewehrfeuer: und die Infanterie! . . . laden und schießen und laden und schießen, j Reihenweise sind sie drüben gefallen § . . . aber auch reihenweise bei uns . . . i das heißt, davon hab' ich nicht viel ge sehen ... ich hab' weder nach rechts § noch links geschaut, sondern immer i nur gerade aus . . . einem gefallenen ! Infanteristen hatte ich seinen Schieß- ! Prügel weggenommen . . . denken Sie, ich, ein Artillerist, plagte mich mit so i einem Ding herum . . . und ich knallte drauf los, daß es eine Art hatte . . . da seh' ich, wie zwei unserer Leute, , ganz junge Bengels, einen Verwunde- ! ten aufheben wollen ... ich brüll' ihnen zu: Wollt Ihr den wohl den Sanitätern überlassen und in die Feuerlinie vorgehen! . . . Sie lassen ihn liegen und feuern weiter ... da sehen wir, wie die Geschichte drüben ' zum Stillstand kommt . . . erst ganz unmcrklich ein Zögern, ein Zaudern ! . . . dann ein allgemeines Halten... I dann . . . Gott sei Dank ... der Rück zug. die Flucht! ... Ich sage Ihnen, die Franzosen sind von hinten viel schöner als von vorn . . . Verfolgen konnten wir sie nicht, wir hätten über Berge von Gefallenen klettern müssen c . . . Tote und Verwundete . . . unsere ! ! eigenen und ihre Leute. , Na, der Durchbruchsversuch war 'j abgeschlagen . , gründlich abgeschla- gen . . . so gründlich, daß den Fran zosen auch die Lust vergaben war, un sere Sanitäter, die sich jetzt Über das Schlachtfeld hermachten, zu beschießen, § was zuweilen ihre liebenswürdige Ge j wohnheit ist . . . Herrgott, sah es da aus! . . . Das kann ich Ihnen nicht , beschreiben, dies Durcheinander von j > Menschenlcibern, Menschengliedern ; und aufgewühlter Erde, von Waffen, Blindgängern, zerschossenen Autos, ' l zersetzten Gäulen . . . wenn Sie nie : ein unaufgcräumtes Schlachtfeld ge- ! ' sehen haben, können Sie sich keinen > Begriff machen ... „Wie wir den Schaden besahen, l hatten wir auf unserer Seite zweitau ; send Mann Verluste . . . Tote. Ver- : ! wundetc und Vermißte... das heißt, , Vermißte waren nur ein paar . . . ! und bei den Franzosen müssen's der i - Zahl der Toten nach zu schließen, drei- ! ! tausendfiinfhundert gewesen sein. So i und so viele Tote lagen da, so viele Gefangene hatten wir in den Hän den und der erfahrungsgemäßen Schätzung nach, die ja so ziemlich im mer stimmt, müssen sie so und so viele Verwundete mitgenommen haben . . . ' Also zusammen fünftausendfünfhun- > dert Mann ... ! j „Und wissen Sie, was am nächsten Tage das Große Hauptquartier in sei nem amtlichen Berichte meldete: Ein Durchbruchsversuch bei Soundso wurde leicht abgewiesen! „Leicht abgewiesen!" Kopfnickend lächelte der junge Krieger, den das Eiserne Kreuz schmückte, vor sich hin. schießen?" „Bewahre, der hält sich daun immer außer Schußweite." Sein e A u t w o r t. Das jun ge Fräulein Cohn: „Papa, in mei Lchmtzcl. Glücklich der. der Zeit Hai zu leben! Treue und Kicdierspiel wollen immer geübt sein. Die höchste Achtung gcbühct der Todesverachtung. Mancher gute Einfall führt zu einem bösen Reinfall. D i e größte Preßfreiheit genießt im Kriege die Notenpresse. Wer sieht es nicht gern, wenn an dere ein gutes Beispiel geben? Wenn cs nach den Anlagen ginge, gäbe es fast nur gescheite Leute. Die Perser haben für jeden Tag des Jahres einen besonderen Namen. D e s Menschen größter Stolz muß es sein, irgendwo unentbehrlich zu wer den. W i e sind sie doch so schwer zu tragen., Die immerfort sprechen und nie was sagen! Manche Frauen sind wie Glas; nur Diamanten können Eindruck auf sie machen. E i n Victoria regia-Blatt kann bi zu fünsundvreißig Kilogramm Bela stung tragen. Englische Strategie ist die Kunst, das Blut befreundeter Völker zu vergießen. Ei n Tag der Gunst ist wie ein Tag der Ernte; man muß geschäftig sein, sobald sie reift. Narren sprechen die Wahrheit; deshalb M man Wahrl-eitsprechende so oftmals für Narren. I n Chabarowsk. Nikolar und an deren sibirischen Städten kommen fünf Männer auf eine Frau. Allgemein beliebt ist der Ver such. einen kleinen Mißgriff durch einen größeren gutzumachen. Die unverhüllten russischen Aspi rationen auf Konstantinopel bildeten für die Türkei den Kaukasus belli. In dem vormärzlichen Preußen zahlten nur 346 Personen den höchsten Steuersatz von 144 Thalern jährlich. Zerbrochene Meteoriten sind an den Bruchstellen, unmittelbar nach ihrem Fall, oft noch empfindlich kalt. Man ahnt gar nicht, wie viele falsche Beweggründe einem einfallen, wenn man den wahren verbergen will. Während der Freiheitskriege waren die preußischen .Korps nicht in Divisionen, sondern nur in Brigaden eingeteilt. Den ersten Abrüstungsvorschlag machte der Konsul Bonaparte 1800 bis 1801 gegenüber Preußen und Oesterreich. Das Völkerrecht ist eine Samm lung internationaler Verträge, die bei Ausbruch eines Krieges außer Kraft gesetzt werden. Dreschmaschinen sind eine ! Errungenschaft des neunzehnten Jahr ! Hunderts, aber Phrasendreschmaschinen ! hat es immer gegeben. In seinem Verhalten gegen die Neutralen handelt England unpartei ischerweise nach dem Grundsatz: Glei ches Unrecht für alle. ' Jedes echte Dichterwort, in Nord und Süd gleich erklingend, fördert das Gemeingefuhl des deutschen Volkes. B'smarck. I n Münster bekam während der Teuerung 1793 der Landmann, der das meiste Getreide auf den Markt ! brachte, einen Kronenthaler Veloh i nung. Mit der Kahlbaumschcn Ouecksil berluftpumpe kann man ein Vacuum (luftleerer Raum) erzeugen von nur noch zwei Millionenstel Millimeter Druck. In Chile ist jetzt eine geologische ! Landesanstalt von Staatswegen be gründet worden, nachdem schon wäh rend der letzten drei Jahre von den bei den Landesgeologsn Dr. Felsch und Dr. Brüggen sowie von den, Direktor Professor Maier Vorarbeiten dafür ausgeführt worden sind. Diese Vor- arbeiten bestanden in der Herstellung ' einer geologischen Ucbersichtskarte der Kohlendistrilte von Arauco und Con ception. einer ebensolchen der Insel Chiloe und des Gebietes von Magel lanes. Verschiedene wichtige Vercf- fentlichungen liegen schon vor, zum ' Beispiel über das Kohlcngcbict und die Küstenkordilleren sowie über die Eisenerzlager des Nordens. neu, Busen wohnt ein große, Welt schmerz!" Der alte Colin: „Ich hab' nischt dagegen, so lang' de Ge schieht' nischt tost'!"