Newspaper Page Text
2 Besürchtiiiigc» eines Franzosen über Calais. Diese wichtige Hafenstadt in den Händen der Engländer. — Frankreich mit einer politischen Hypothek belastet. bin Brief eines Franzosen eins Calais an einen im Auslande woh nenden Freund wurde seiner Feit im „Lsmanischen Lloyd" veröffentlicht und fand auch seinen Weg in die deut sche „La Plata Zeitung" vom 1. April. Eingangs erwähnt er die ver schiedencn Denkmäler von Calais, die an die glorreiche Kampfzeit der Franzosen gegen die englischen Ein dringlinge bor einem halben Fahr tausend erinnern. „Ter Herzog von Guisc auf der Place d'Armes zittert vor Wuth bei jedem Ues und No." Weiter heißt es dann: Aus Euren Zeitungen schöpft Ihr nur den Eindruck, daß England uns eine werthvolle militärische Hülse lei stet, wenn diese auch nicht eine» un bestrittenen Nuhen England s in un serm stampf für unsere nationale Existenz bietet. Und so lange cs den Verbündeten nicht gelingt das Schlachtfeld nach Deutschland zu ver legen. wir des schwer scheinen, den englischen Hülsstruppen in Frank reich den regelrechten Genuß der Freiheiten zu versagen, die vom Völ kerrecht jeder Truppe, wo sie sich auch befinden möge, zugestanden werden. Ihr da unten send nicht angewidert durch die täglichen Vorgänge von der ekelhaste» Erscheinung eines fortwäh renden Eindringens einer fremden Macht, die unter dem Schein der Freundschaft sich in unsere Vertheiln gungslager, in unseren Küstenschutz, unsere Festungen, Forts, Batterien, Arsenale, stasernen, Mairien, Archive u. s. w. einmischt. Tenn alles TaS. befindet sich augenblicklich thatsächlich in den Händen unserer Verbündeten von drüben. Vor ihnen haben wir keine Geheimnisse mehr hier, und ich frage mich, wie es der liebe Gott ma chen will, daß wir eines Tages wie der. in nicht allzu ferner Zukunft, welche haben können. Ich kann es nicht bei diesen bitte ren Erwägungen bewenden lassen, die das traurige Schauspiel einer freiwil lig übernommenen fremdcnHerrschast auf einen Theil des französischen Bo dens in mir aufsteigen läßt. Tie Er- cignisse dieses Jahres haben deutlich die tiefgehende und unabwendbare Aenderung in der Stellung Eng lands erkennen lassen, sowohl vom völkerrechtlichen, als vom militäri schen Gesichtspunkte aus. TaS „un verwundbare," vom Meer beschützte § und von seinen Schiffen vertheidigte England ist plötzlich irgend einem Handstreich, Angriffen, der Hungers noth oder gar der Invasion ausge setzt. Gegen den stärksten Rivalen, den es gefunden, vertheidigt es sich nur noch mit der Hülse seiner Erbfeinde. Es sieht, wie der Rivale sich in Ant werpen eingerichtet hat, wo sein Vor gehen nur durch die Achtung gehin dert wird, die er der Neutralität Hol land'-? zollt. Er könnte sich an einem anderen Punkte Belgien's seine Flot tcnstation schassen. Auch könnte er seine militärische Aktion auf den Norden Frankreich's konzentriern und darauf ausgehen, in seiner ge wohnten Art eine feindliche st äste der englischen gegenüber einzurichten. Hat unter solchen Umständen Eng land noch immer die Möglichkeit, sich die französische Souveränität an die ser Küste Frankreich's mit allen mög lichen Folgen gefallen zu lassen? Oder ist diese französische Souveräni tät nicht schon jetzt mit einer politi schen Hypothek belastet, die in dem Alles überwiegenden Interesse um die Sicherheit England's besteht? Hängt die Festsetzung England's in Calais von einer Erlaubniß Frank reich's ab, die dieses je nach seinen Interessen widerrufen könnte, gerade so. wie es in der richtigenEinschätzung seiner Interessen dieselbe übernom 'men hat? Mein lieber Freund! Calais ist auf längere Zeit englischer, als man in Paris und St. Petersburg glau ben will, und unsere Freunde, die Engländer, werden, auch wenn sic es wirklich aufrichtig wollten, weder während des Krieges, noch nachher cs verlassen können. Derselbe Werth, den der Besitz von Calais im Mittel alter für sie hatte, tritt abermals her vor. Calais ist die aus die englischen Küsten gerichtete Waffe. Tie Eng länder haben ihre Hand darauf ge fegt. sie werden und können cs nicht mehr loslassen. Ein russisches Phanta g e b i l d e. J,i der „Nowoje Wremja" war vor Kurzen: Folgendes zu lesen: „In Pariser Diplomatenkreisen cirkulirtc in der vorigen Woche die Nachricht, die Berliner Regierung habe sich an den amerikanischen Bot schafter gewandt mit der Bitte, mit der französischen Regierung in Ver- Handlung zu treten wegen Abschlus seS eines Separatfriedens zwischen Deutschland und Frankreich unter folgenden Bedingungen: >. Deutschland giebt Frankreich El saß-Lothringen zurück und „tritt ab" die Hälfte Belgien's, und zwar den reicheren Theil. d. h. die Provinzen mit höher entwickelter Industrie und Handel, Cbarleroi und Liege. 2. Deutschland erkennt den soge nannten wallouischeu Theil Belgien's als ausschließlich unter französischem Einfluß stehend an. !l. Deutschland behält die ganze belgische Küste. Antwerpen, Brüssel und das Territorium, das von der preußischen Grenze nördlich von Lüt tich geht. Der Vertreter der amerikanischen Diplomatie in Paris machte von dem Vorschlage der Berliner Regierung in privater Form Mittheilung, erklärte vorher aber, daß er diesen Vorschlag nur als Kuriosum wiedergebe und Verhandlungen offiziellen Eharatters über diese Frage nicht zu führen wünsche." Italien ' s mangelhaftes § anitätS w e s e n. Die Gesundheits-Verhältnisse im italienischen Heere waren schon zur Fricdenszeit die denkbar schlechtesten und übertrafen noch die sehr mangel haften Zustände im russischen Heere. Nicht umsonst hat vor zwei Jahren der Abgeordnete Fcrri bei der Bera thung des Militär-Etats, der neue Forderungen aufwieS, erklärt, daß der italienische Kriegsminister lieber einen Theil des Geldes für das Ge - sundhcitswesen und die dringend ! nothwendigen Verbesserungen auf . diesem Gebiete anwenden sollte, da „gesunde Soldaten mindestens eben so wichtig seien, wie gute Geschütze." Er wies daraus hin, daß die ärztliche Fürsorge im italienischen Heere jeder Beschreibung spotte. Thatsächlich ist bisher in Italien für die Gesundheits pflege wenig oder fast garnichts ge than worden. Tie Kasernen sind schmutzig und ungepflegt, so daß sie bei jeder ausbrechenden Epidemie wahre Aiisteckungshcrde bilden. Die Lazarethe haben in den meisten Fäl len keinerlei Vorrichtungen der mo dernen ärztlichen Wissenschaft zur Ver hütung der Ansteckungen auszuweisen. Die Lehren von der Desinfektion scheinen besonders bei dem Pflegeper sonal vollkommen unbekannt zu sein, j und die Anwendung von keimtödten dcn Mitteln nach Berührung der Kranken ist den Pflegern durchaus nicht so in Fleisch und Blut überge gangen, wie wir es aus deutschen Krankenanstalten gewöhnt sind und für selbstverständlich erachten. Die Ur sache für diesen Mißstand liegt er stens in der großen Trägheit des Ita lieners, dann aber auch in dem be trächtlichen Mangel an Aerzten, den das italienische Heer auszuweisen bat. So kommt es, daß der Kraiikenbe siand in Italien im Heere sehr groß ist und nach den Ausweisungen des dortigen Kriegsininisteriums oft 70 Prozent des Mamischaftsbestandes übersteigt. Bei der Infanterie sind schon 78 Prozent Kranke verzeichnet worden. Im Sommer sind die Krankheitsfälle viel größer, als im Winter. Besonders ansteckende Krank besten, wie Typhus, Ruhr und ähn lichc, finden hier in den schmutzigen Kasernen eine große Ernte. Erstaun lich hoch sind in diesen Fällen hie Sterbeziffern, die bis zu 50 Prozent die Sterbeziffern in anderen Heeren übertreffen. Andererseits sind diese Zustände nicht verwunderlich, da das ganze italienische Volk unter ähn lichen Verhältnissen leidet. Die Ge sundheitspolizei ist dort noch sehr we nig entwickelt. Der Mangel an Arz neimitteln aller Art, der schon im Frieden groß war, wird im Kriege bei dem beträchtlich gesteigerten Be darf bald sehr fühlbar werden. Ter Mangel an Aerzten wird auch durch den größeren Bedarf im Kriege ge waltig gesteigert und durch Hülfs maßnahmen, wie vorzeitige Zulassung der Medizinstudenten zur Praxis, nicht wesentlich abgestellt werden tön nen. Tie Vorsichtigen von C a st e l f r a ii c o. In Ober-Italien hat man schon vor 'Monaten begonnen, die Kunst werke vor Kriegsgefahren zu schützen. Namentlich in Venedig und im Vene zianischen hat man die Thürme mit Sandsäckcii gegen Bomben zu sichern geglaubt, die werthvollsleii Gemälde in die Keller gebracht und die hervor ragendsten Kunstwerke aus den klei neren Orten in die Hauptstädte zu schassen gesucht. Aber dabei ging cs in einem Falle, so erzählt 'Wilhelm, v. Bode im „Wieland", der italieni- j scheu Rcaierung, wie es den Englän dern bei ihrem großmüthigen Aner- . bieten der „Rettung" der belgischen Kunstwerke mit den Belgiern gegan gen ist: lieber will man die theuren erer Ternsche Eorrcspondent", Baltsmure, Mb-, Donnerstag, den 8. Juli 1915. Fremdwörter im alten und neuen Deutschland. Kampf gegen Aiisliinderei und Fremdwörter. — Prof. Tr. Winter's beherzigenswerthe Warte. Als zu Aistang des Krieges unsere Soldaten den Feinden die ersten wuch tigen Hiebe versetzten, erhob sich auch unter den Heimgebliebenen cin gewal tiger Sturm gegen alle Ausländerei und den Fremdwörterunsng, der bis dahin üppig ans den Fluren der deut schen Sprache gewuchert hatte. Ter Sturm hat gründlicher gewirkt, als Berge von Druckschristen, und manch ein frech sich spreizender Fremdling ist für immer aus dem Gebiete der deut schen Sprache hinweggefegt worden. Nachdem die erste stürmische Erre gung sich gelegt hat, wird der Kampf nunmehr mit ruhigem Ernste fort gesetzt, denn cs hat sich in allen Schich ten des deutschen Voltes die Ueber zeugung Bahn gebrochen, daß das alte Uebel der Ausläuderei mit der Wurzel ausgerottet werden muß. Daß wir in Sprache und Sitte so lauge unter der Herrschalt fremder Völker haben sieben können, erklärt sich zum Theil aus dem wechselvolleu Verlaufe der deutschen Geschichte. Wir haben im alten Deutschland unter dem Einfluß fremder Kulturen ge standen. Die gelehrigen Germanen schon waren stets bestrebt, Das, was die anderen Völker ilmeu voraus hat teu, sich zu eigen zu machen. Als sie in den Grenzgebieten sahen, wie die Römer sich i» ihren Häusern gegen Wind und Wetter schützten, errichte ten auch sie statt der dürftigen Block hütten feste Steiubguten, die sie nach dem Vorbild ihrer römischen Lehr lierren wohnlich einrichteten mit mit Gärten umgaben. Auch die Pflege des Obstes und den Ausbau des Ge- - müses lernten sie von den Römern, > und mit den wirlhschaftlicheu Neue-, rungen übernahmen sie auch die latei- j uischen Bezeichnungen. Diese leben in Hunderten deutscher Wörter wei ter, von denen hier nur eine kleine Auswahl genannt werden mag: Mauer, Kammer, Fenster, Pforte, Tisch. Tafel, Birne, Pflaume, Linse, Zwiebel. Rettich, Kohl, Rose, Wein, kaufen, Posten, schreiben. Von großem Einfluß auf die Ent wicklung des deutschen Geistes war die Einführung des Christenthums mit der Verbreitung der christlichen Lehre hielt wieder ein ganze? Heer von lateinischen Ansdrücken seinen Einzug in Deutschland. Von stammen die Wörter Thurm. Kloster, Mönch. Messe, Altar, Kreuz, Pein, Predigt, Plage, Mmter, verdammen, opfern usw., die kaum noch ihren fremden Ursprung verrathen. Nach dem Untergang des Römer reiches setzte die französische Tochter das Werk der Mutter fort. Der frän kische Sinn für geselliges Leben, äu ßeren Prunk und schöne Formen machte sich seit der Zeit der Kreuz züge auch in Deutschland geltend. Tie ritterlichen Minnesänger ahmten die Troubadours nach, und deutsche Dich ter bearbeiteten französische Helden geschichten. Daher ist schon das Mit telhochdeutsche reichlich von französi schen Ausdrücken durchsetzt. Tie Sprache der Ritter ist mit dem Mittelalter dahingegangen. Unsere neuhochdeutsche Schriftsprache geht aus Luther's Bibelübersetzung zurück. Ter Gründer unserer evangelischen Landeskirchen beherrschte schon da mals alle Ausdrucksmittel unserer reichen Muttersprache, wie nur We nige nach ihm. Wie gewaltig kann er mit dem Worte streiten und wie lieblich die zartesten Regungen des Herzens darstellen, lind dabei ent hält seine herrliche Schöpfung kaum einige Dutzend Fremdwörter, was bei der Fülle der von ihm behandelten Dinge erstaunlich ist. Luther schrieb für das Wort, er wollte dem kleinen Manne verständlich sein, deshalb ver mied er alle unklaren fremden Aus drücke. Leider ist seine Schöpfung nicht in diesemSinne fortgesetzt worden, denn die Weiterbildung seines Werkes fiel Schätze der Gnade und Ungnade der Barbaren aussetzen, als der Fürsorge der Regierung in Venedig oder Mai land, denn — werden sie von dort je wieder zurückgeliefert werden? Wird man nicht glauben, daß Giorgionc's herrliche Altartasel mit den Heiligen Georg und Franz in der Akademie von Venedig weit bessere Figur ma chen würde, als in der kleinen Kirche des Städtchens Easielsranco? So sag ten sich die Väter dieser Stadt, als die Generalverwallimg der schönenKünste in Rom sich des Bildes vorsorglich annehmen wollte, um es in der Aka demie von Venedig sicher unterzu bringen. Vielleicht dachten die ein i fachen Leute des Landstädtchcus auch: § „Wo sind denn die Feinde, die uns bedrohen? Und wenn ihr sie in's Land zieht, werden die „Barbaren" nicht unsere Schätze ebenso schonen und uns belassen, wie sie cs in Bel gien gethan haben?" den Humanisten in die Hände, die Latein und Griechisch höher stellten als die'Muttersprachc. Wenn wir nun zugeben müssen, daß durch die Wie dergeburt der alten Kultur das deut sche Geistesleben außerordentlich reich befruchtet worden ist — wir verdan ken cs dieser Bewegung, daß wir das Volk der Dichter und Denker gewor den sind —, so hat auf der anderen Seite unsere damals jugendirische Sprache unter der Mißachtung der Humanisten gelitten wie eine Früh lings - Landschaft unter dem Rauh reif. Tie gelehrten Herren sprachen, schrieben und dichteten gewöhnlich la teinisch. Wenn sie dann sich einmal der Muttersprache bedienten und für neue Begriffe Bezeichnungen suchten, dann nahmen sie diese aus den ver staubten Vorrathskamnieru der alten Sprachen oder flickten irgendwelche lateinischen oder griechischen Wortsä tze zu neuen Ausdrücken zusammen, lind was die Herren vormachten, ahmten die anderen nach. Es ist er klärlich, daß durch diesen Mißbrauch viele damals noch bekannte deutsche Wörter der Vergessenheit auheimfie len, ivähxend das Unkraut derFremd wörter üppig wucherte. Bekannt ist, daß die Herren Humanisten, um sich auch äußerlich von den Massen zu uu teilcheideu, ihre Namen in die alten Sprachen übersetzten, so daß sich Hr. Schultze Scultetas, Oelmanu Stea rins, Schmidt Faber, Peters Petri und Jacobs Jacob! nannten. Wurde schon durch diese Mißach tung der Humanisten unsere Sprache - in ihrem Wachsthum gehemmt, so ge j rieth sie »ach dem ÜO jübrigen Kriege «durch das Eindringe» unzähliger 1 französischer Ausdrücke in die Gefahr gänzlichen Verfalles. Ter (Klan.; des Hofes zu Versailles blendete die Au gen der Deutschen. Ihre Fürsten bauten sich königliche Schlösser, in denen sie als kleine Sonnenkönige ihren Hof hielten. Ihre Feste und Bälle wurden geregelt nach der „Eti guette" des Vorbildes in Paris. Da viele deutsche Fürsten die Sprache de- westlichen Nachbar - bevorzugten, kam-ess daß auch in deutschen Adcls- Fatiplien pnpBorlieby französüch ge sprockM iMrde? SÄiou die Kinder bei ih° 'reu MtzsticyiMda/ französische' zu 'radebrechen, wüiwc jeder kleiusterVer stoß gegen die fremde Sprache ge rügt, während die größten Fehler in der Muttersprache übersehen wurden. So darf es nicht wundernehmen, das; auch lue anderen Schichten des deut-> schen Volkes die fremde Sprache als. die feinere betrachtete» und dem Ein- j dringen französischer Wörter Thüre und Thor öffneten. Sv wurde unsere liebe Mutter sprache von allen Seiten geschädigt. Die Sprache der Verwaltung, Kir che, Schule und der Gelehrten stand vorwiegend unter humanistischem Einfluß. Von den viele», lateinischen Wörtern, die sich damals bei uns ein bürgerten, sei nur eine kleine Aus lese genannt: Familie, Jura, Adop tion, Magistrat. Advokat, Examen, Geographie, Botanik, Subjekt, Prä dikat, addiren, subtrahiren u. s. w. In den übrigen Gebieten des deut schen Kulturlebens machte sich mehr die Hochfluth der französischenFremd wörter bemerkbar. Besonders in den Künsten, Kunstfertigkeiten und man chen Zweigen des Gewerbes, die wir von unseren westlichen Nachbarn ge lernt haben, wimmelt es noch heute von französischen Ausdrücken. Selbst Dichter suchten ihre Sprache mit Fremdwörtern herauszuputzen: .Ach, ich adnünere und konßdenere Eure Vivlenz, wie die Liebesflamme mich brennt, sonder blame wie die Pestilenz." So ruft ein von der Sehnsucht verzehrter Jüngling der Dame seines Herzens zu. Wer erin nert sich nicht des berühmten Erlas ses des sonst urdeutschen Preußenkö uigs Friedrich Wilhelm des Ersten.: „Ich stabiliere die Souveranire wie einen rocher von bronce." Es war schon so weit gekommen, daß in vie len deutschen Sätzen jener Zeit die Zahl der Fremdwörter größer war als die der Muttersprache, die m gro ßcr Gefahr war, ganz zu verwelschcn. Zwar suchten Sprach - Gesellschaf ten und Grammatiker diesem Unwe sen Einhalt zu thun. zwar flößtenGe «ehrte wie Leibnitz und Gottsched, Dichter wie Lessing, Herder, Schiller und Göthe der deutschenSprache wie der neues Leben ein. aber der Hang zur Fremdwörterei blieb trotzdem in unverminderter Stärke bestehen, und auch die deutsche Welt des 19. Jahr hunderts liebäugelte immer nach Frankreich hinüber. Nun kam das große Jahr 1870. — Und dem glänzenden Siege der Was fen folgte ein ungeheuerer Auf schwung der deutschen Kultur. Han del und Schiffahrt entfalteten sich zu einer niegesehenen Blüthe. Teutsch- land'? Heer und Schulen wurden vorbildlich für alle Völker der Welt. Tausende vonStudirenden aus frem den Ländern strömten nach den deut schen Hochschulen, denn die deutsche Wissenschaft hatte aui fast allen Ge bieten die Führung an sich gerissen. Damit hatte sich die Ueberlegenheit des deutschen Geistes aus allen Ge bieten menschlicher Thätigkeit geof fenbart. Nun hätte man annehmen sollen, ! daß der Deutsche in dem mächtigen neuen Baterlaiide sich von der uu würdigen Nachahmung fremde» We sens lind fremder Litte» freigemacht hätte. Aber davon war nichts zu ver ' spüren: es schien sogar, als ob er mit Vergnügen die alten Fesseln weiter ' trug. ' Seichte französische Erzählungen u. ' Bühnenstücke wurden mit Begeiste rung aufgenommen, und durch die gallische Liederlichkeit ward die deut sche Zucht angekränkelt. Wer „sein" - sein wollte, der kleidete sich nach fran zösischer oder englischer Mode und kauste nur echte, d. h. ausländische Sachen. Und noch überall finden wir in deutschen Gauen die Spuren dieser Auslandssucht. Schon wenn man von dem Bahnhof aus in eine deur- sche Stadt eintritt, so fallen einem oft ' riesenhafte Aufschristen in die Au gen: Grand Hotel de I'Europe, Hotel Monopole, Hotel Belle Vue, EaseNa tioual u. s. w. Man könnte manch mal glauben, in einer französische» Stadt angelangt zu sein. Zwar muß lobend anerkannt wer den, daß viele gute und vornehme Häuser und Geschäfte jetzt ernstlich bemüht sind, nur gute deutsche Wör ter im Verkehr zu gebrauchen. Dab ist ein vielverheißender Ansang. Aber wir dürfen uns nicht mit Theilerfol ! gen begnügen, auch hier muß wie im Felde ganze Arbeit geleistet werden." Eine französische Schilderung des Elends in Serbien. Wiederholt sind die österreichischen und neutralen Meldungen über das furchtbare Elend, das die verbrecheri sche Polilik der von Rußland ermu thigten serbischen Regierung über das Land König Peters des Ersten ge bracht hat. von dreibuudseindlicher Seite bestritten worden. Man that so, als leide Serbien dank russischer, französischer und englischer Hülse, kei nen Mangel, und man schilderte Njsch, die Kriegshauptstadt des Lan des, einen lustigen in deuz, nichts vom Krieg zu wüten sei. Jetzt hat ein Spezialberichkerstatter des „Petit Journal," Herr Albert Lon i dies, die Balkanländer bereist und ist dabei auch nach Nisch gekommen. > Er veröffentlicht im „Petit Journal" eine erschütternde Schilderung des > Elends, das er dort zu sehen bekam. j „Eine Stadt." so beginnt sein Be richt, der den Titel „Die Stadt der schwarzen Fahnen" trägt und mit ei ner Photographie der schwarzbeflagg te» Oblitschstraße in Nisch geziert ist —„eine arme Stadt mit niedrigen Häusern griff uns eiskalt an's Herz. Das war Nisch mit seinen schwarzen Fahnen." Auf dem weiten Bahnhof der Stadt sah der Franzose viele Sol daten in farbloser Uniform. „Die Soldaten selbst", fährt er fort, „sind farblos wie ihre Uniformen. Wir treten hinaus. Ein schwarzer Dreck bedeckt Platz und Straße. Die Pferde stehen darin bis über die Hufe. Man muß einen Wagen nehmen. Gäbe es ein Museum des Abstoßenden, so ge hörten die Kaleschen au den Ehren platz. Man leidet, wenn man seine Kleider in Berührung mit dem Kissen bringen muß. Mau hat das Gefühl, daß man auf Aussatz Platz nimmt. Der Wagen stolpert und springt über große Steine, die der Schmutz verbirgt. Das erste Haus au der Straße ist ein Lazarett. Früher war cs eine Kaserne. Alle Kasernen sind jetzt Lazarette. Nisch! Wir sind in der Stadt des Typhus. Hier ist'?, wo mau am meisten starb und noch stirbt? Wird das irgendwie sichtbar werden? Ter Wagen fährt in die Haupt straße ein, und hier drängt sich dem Beschauer ein Schrei auf die Lippen. Aus den Häusern, zu beiden Seiten der Straße, hängen schwarze Fahnen. Wenn man liest, daß aus den Fen stern schwarze Fahnen herausgesteckt sind, so giebt das dem Geist wohl nur einen gewissen Eindruck von Trauer. Wer aber plötzlich, eine ganze Stra ße hindurch, diese schwarzen Tücher im Winde flattern sieht, fühlt das gräßliche Unglück eines Volkes aus seine Schultern niedersinken. Nicht alle flattern im Winde. Manche sind um, die Stange gerollt. An den sel tenen Häusern, die mehr als em Stockwerk haben, sieht man schwarze Fahnen im ersten und im zweiten Stock. Aber alle sind vom gleichen Schwarz, dem Schwarz des Todes. Man ist fast froh darüber, daß man zu Wagen mitten durch die Straße fährt und nicht zu Fuß aus dem Bür gersteig unter den Fahnen hinzu schreiten braucht. Ter Journalist schildert seine Er- lebnisse im Gasthos: „Man ersähet, daß man nicht vor elf Ulir frühstü cken kann. Tie Gastwirthe dürfen nichts, nicht einmal ein Stückchen Brot, servieren außer in den Stun den von elf bis ein llbr Mittags und von siebe» bis neun Uhr Abends. Da für findet man aus den Tischen Sterbeanzeigeu, große schwarzum eänderte Bogen, die Todesfälle ver künden. Man zeigt mir gegenüber einen Laden, in dem es Brötchen giebt. Auch dort finden sich Todesan zeigen neben dem Brot. Is es über all in der Stadt so? Wir gehen durch Seitenstraßen. Hier giebt es weniger schwarze Fahnen, und doch hat jedes Haus die seine. Ter Eindruck ist viel leicht noch trauriger. Um elf Uhr beginnt das Frühstück im Gasthos. Und sofort begreift man, daß die Bazillen hier solches Unheil anrichten können. Das Tisch tuch scheint schon zwei Generationen von Essern gedient zu haben. Und nimmt mau es weg. so erscheint eine Tischplatte, die seit vier Generationen nicht mehr gesäubert wurde. Man ißt mit hochgehobenen Ellbogen. Tie Tischnachbarn ziehen ein Lämpchen aus der Tasche, gießen Spiritus hin ein und zünden es an. Wollen sie selbst ihr Essen kochen? Sie nehmen stire Gabel und halte» sie in die Flamme, dann das Messer, den Tel ler. das Glas. das Brot. Alle Gäste machen es so. Ter Speisesaal ist in einen Tesiufiziersaal verwandelt. Man brennt alles, was nicht kochend gebrannt wird. Ten Käse, die Ku chen — alles, was nicht irgend wie verdächtig ist. Man sollte die Klei der des Servierkellners verbrennen. Das Nachtquartier entsprach dem Essen. Am anderen Tage besuchte der Franzose ein Lazarett. Auf dem Wege begegnete er nur Leuten in Trauertracht. Man könnte glauben, daß man durch eine Todtenstodt wan dert. Vor den mit Waaren überla denen Geschäften für Trauerartikel stehen Särge auf dem Bürgersteig. Gelb oder blau gestrichene Särge mit Guirlanden von vergoldeten Blät tern. Sie sind für die reichen Leute. Die Särge der Armen haben kein Unterbreit, da es an Holz fehlt. Sie bestehen aus dem Teckel, den Seiten brettern und zwei Latten, quer von einem zum andern darunter. Wenn der Sarg getragen wird, sicht man die Beine des Todten hin und her baumeln. Ein fleischloser Soldat schwankt in seiner Uniform vorbei. , >Ee sieht so teichenhaft aus, daß man nicht weiß, ob man ans Furcht vor Ansteckung davonlaufen oder ihn stü tzen soll. Es gab anfangs zweihundert To desfälle in Nisch. Wahre Höllenscc nen spielten sich dort ab," schreibt der Franzose. Noch jetzt sterben die Sol daten haufenweise im Lazarett des „Schädelthurms." Von dreihundert serbischen Aerzten sind hnndertnnd zwanzig in den Lazaretten gestorben. Jetzt sind französische Aerzte in dem genannten Lazarett thätig. Ter Franzose schildert weiter: „Hier sind nun die Säle, in denen sich Tragö dien abspielten. Wagen voll Typhus kranken kamen an. Um sie legen zu können, stellte man je zwei Betten zusammen und legte je fünf Mann quer darüber. Ter Tod raffte stünd lich vier bis sechs hinweg. Sobald man merkte, daß einer der sünfMann gestorben war. zog man ihn von den Betten herunter nnd ließ ihn auf den Fußboden gleiten. An seine Stelle kam gleich ein neuer Kranker. Tie Leichenhalle war längst überfüllt. Man konnte keine Todten mehr dort hin bringen. Deshalb half man sich so. Bis zuin Abend waren oft von den fünf Sterbenden auf der gleichen Matratze vier ersetzt worden. Ter Fünfte hatte also fünf neben sich ster ben fühlen, die Vier, die jetzt da un ten lagen. Und jeder Saal enthält zwanzig Paar Betten. Heute sind die Betten getrennt. Wer dem Tode verfallen ist, kommt jetzt abseits in den „Winkel ohne Hoffnung." Aber das ist nicht mehr das große Ster ben. Es sind nicht mehr die sechzig vom Hundert der Märztagc. Das Todesbarometec ist gesunken. Es stand gestern auf zwanzig." Stellung für Herzog von Teck. London, 6. Juni. — Ter Her zog von Teck, Bruder der Köni gin Mary, ist zum temporärenHülfs- Militär - Sekretär im Kriegsministe rium ernannt worden. Wegen Steuerhinterzie hung bestraf t. Franken tbal, Bayern, 7. Ju li. — Fabrik - Direktor, Eommerzicn rath und früherer Besitzender Richter des Handelsgerichtes, Jean Gans; ist mit 255,(XX) Mark bestraft worden, weil er Betreffs Erhebung der Wehr steuer falsche Angaben gemacht hat. Tie Strafe beträgt das Zwanzigfache der Summe, um welche die Regie rung betrogen worden zu sein be hauptet. Montenegrinische Reservisten. Nach kurzem Aufenthalt wieder frei gelassen. —Führer stellen HM,(XXI Bürgschaft. — Montenegriner sol len nur Heimath scher Botschafter sagte dem mon tenegrinischen Führer, Anwerdung sei gesetzmäßig. P o r t l a n d. Lre., 7. Juli. Nachdem >15 Montenegriner hier heute von Bnndesbeamlen dreiStun den lang ausgehalten worden waren, die als angebliche Rekruten aus einem Extrazug von Globe, Ars;., nach Vancouver, B. C.. fuhren, wurde es ihnen erlaubt, ihre Reise fortzusetzen. Zugleich wurden Iovo Matanovich und P. M. Luburich, angeblich mon tenegrinische Rekrutenagenten, die vorgestern aus die Anschuldigung hin, die Neutralität der Ver. Staaten ver letzt zu haben, verhaftet wurden, ge gen eine Bürgschaft von H10.000 frei gelassen. Diese beiden begleite ten jedoch nicht die nach Canada ge henden Montenegriner, die aus dem Bergiverksdistrikt von Globe und Miami, Ariz., kamen. Tie Weiterreise wurde erlaubt, weil keine Anweisungen aus Washington vorhanden waren. Es wurde gesagt, daß eine Entschei dung bei der Ankunft der Montene griner in Seattle oder Bellingham, Wash., getroffen werden würde. Tie beiden Führer der Montenegrt »er, Boydon Iocavich und A. E. Gu rasevich sagten, daß alle Mitglieder der Reisegesellschaft geborene Monte negriner und nicht in diesem Lande als Rekruten angeworben seien, son dern nur über Canada und England nach ihrer Heimath gebracht würden, um ihre Familien zu besuchen. Tie beiden Führer wußten nicht, wer die Reiseunkosten bezahle. Iove Matanovich, der mit Peter M. Lubierich ans die Anschuldigung . hin, die Neutralität der Ver. Staa ten verletzt zu haben, verhaftet und dann wieder frei gelassen wurde, er zählte den Bundesbeamten, das; Sir Eecil Spring-Rice, der britische Bot schafter in Washington, ihm berathen habe, daß er das gesetzliche Recht hätte, Reservisten zu sammeln und sie mit Mitteln zur Heimreise auszurü sten. Er sagte, er hätte mit dem britischen Botschafter wegen der Ge setzmäßigkeit seiner Mission conferirt, und ihm wurde gesagt, daß er nach den amerikanischen Gesetzen ein Recht hätte, in seiner Arbeit fortzufahren. Matanovich sagte, daß er der per sönliche Vertreter des Königs von Montenegro und außerdem Redak teur des „Srbobran" sei, einer in New Bork erscheinenden montenegri nischen Zeitung. Luburich ist sein Sekretär. M o n t e n e g r i n e r h a b cn kern Recht Reservisten an z u w e r b e n. Washington, 7. Juli. — Be amte des Staats-Tepartements sag ten, sie hätten guten Grund zu glau ben, das; die Verhaftung der Monie negriner einen Plan zunichte gemacht hat, Tausende von Montenegrinern nach der Heimath zu bringen. Es wurde heute erklärt, daß, wenn Vertreter von Deutschland oder Frankreich Reservisten anwerben würden, mon diesen Versuch verstehen würde, da fast alle männlichen Bür ger dieser Nationen auf den Heeres listen eingetragen wären, und daß daher für einen Teutschen oder Franzosen, der in den Ver. Staaten weilt, keine Anwerbung nöthig ist, wenn er in das Heer seines Landes einzutreten wünscht. In dem Falle mit Montenegro ist jedoch eine An werbung nöthig und eine Anwerbung für's Heer ist eine Verletzung der Neutralität der Ver. Staaten. Groß britannien hat kein Rcservesystem und dieselbe Regel würde für die An werbung von in den Ver. Staaten weilenden englischen Bürgern gelten. Erzbischof Quigley im Sterben. Röchest er. N.-M, 7. Juli. — , Das Befinden des Erzbischofs Ouig- ley von Chicago, der hier im Hause seines Bruders auf den Tod darnie derliegt, ist hoffnungslos. Die ganze Nacht lag der Patient in halbbcwußt losem Zustande. Heute Morgen kam vom Krankenbette der ärztliche Be fund, daß das Befinden des Erz bischofs unverändert ist. Südafrikanische Union bietet Truppen an. Eapstadt, 7. Juli. — Offiziell wurde heute bekannt gegeben, daß die kaiserliche Regierung das Aner bieten der Regierung der südafrikani schen Union, ein Truppen - Eontiu gent und einige Batterie'n Artillerie in der Union zu bilden und zur Ver fügung zu stellen, dankbar angenom men habe. General Smuts, der Minister des Innern. des Bergbaus und der Ver theidigung der südafrikanischenUnion', hatte bekanntlich am Sonntag in Johannesburg bereits mitgetheilt, daß die Union dieses Angebot mache.