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2 Uutlsnd. NrMhlung von Jonas Nie. (2. Fortsetzung.) Hatte einstmals eine Uneinigkeit zwi'scbcn dem Paare geherrscht, weil sie behauptete. Kristciisen hege eine Bor liebe für Fahnen außerhalb der Sckä reu. so wußte sie es nun allmählich so einzurichten, d.iß sic zumeist Küsten fahrten unternahmen utid nur selten und notgedrungen mit Stückgut nach Holland oder hinab nach Täncmark oder mit Heringen an die Ostsee fuh ren. Tie Schaluppe Rutland wurde somit allmählich immer mehr und inehr zur Frachtschutc. Mang, starker Kerl hat jväier Krückstock und Gicht verspür. Manch Nordseesahrcr wurde Zum Frachtschiff degradiert Und von all diesen Einig und Un einigkeiten zwischen dem Ehepaare, von den Erlebnissen der Madame Kristcn sen und ihren Erfahrungen an der Küste, sowie nicht weniger von den Mähren und Geschichten, die mit dem alten Nordseesahrcr zusammenhängen, soll hier nun ein Endchen erzählt wer den. ü- -i- * Was der vierzehnjährige Bernt sei ner Mutter in die Kajüte rapportierte, waren Vaters Ansichten über das Wet ter jenseits Lindesnaes. „Sag Mutter, sie braucht sich der See wegen, die wir jetzt kriegen, nicht niederzulegen. Ich denke, wir liegen hier die ganze Nacht und gucken »ns Lindesnaes an." — „Streckt die Topp segelbrafse in Lee, Bergenser! — So holl an strammer noch ... so! Ter Wind flaut schon ab." „Das sagst du immer bei der Land spitze, Vater!" — richtete der Sohn Antwort aus. H ,Ia, Mutter mag tun, wie sic Lust »,at; wenn sie will, kann sic unten in der Kajüte das Sturmsegel setzen." Bern! verschwand mit dem letzten Bescheid, gegen dessen ganz unverän derten Rapport er vermutlich seine Be denken hatte, stand aber kurz darauf wieder auf Teck, indem er sich durch einen Kunstgriff mit den Armen über die obercTreppcnhälfte hinaufschwang. Just in demselben Augenblick kam Koch Anders mit dem Deckel einer Schiffskistc herbei, den er instand ge setzt hatte und der nun an die beim Skylight siebende Kiste befestigt tver den sollte. „Nanu, Anders, heute abend gibts nach der saueren Rackerei vor LindeS naes einen guten Schluck!" Anders, der die Nägel im Munde hatte, mit der die Kistenangeln befestigt werden sollten, wagte den Versuch ei nes fragenden Blickes in der Richtung der Kajütentreppc. besann sich aber bei zeiten eines besseren und murmelte nur nickend: „Viel Dank, Kapitän!" worauf er sich über die Kiste beugte und die Nägel einzuschlagen begann. Er kannte die Situation zu gut, um nicht zu wissen, daß, wenn der Kapi tän erst einen Schnaps versprach, auch darauf zu zählen war. und daß dieser nicht die leisest« Andeutung aus et waige von Madam Kriftensens Seite drohende Schwierigkeiten vertrug. Kristensen brummte bei seinem Steuer. Er sah wiederholt gen Wc sten, wo die Sonne am Meeresrandc in den Septemberabend versank. Die leichten Wolken leuchteten wie eine Borte von Feucrglut, wurden dann purpurviolett, später nach dem Son nenuntergang blaßrosa. Rutland stand schon ein Stück vor der Land zunge von Lindesnaes. „Jawohl, er flaut ab. In einer halben Stunde haben wir den Mond und vielleicht Windstille dazu." — fuhr er nach einer kleinen Weile ver drossen fort, „und das bißcb.en Luft, das wir haben, kommt von Westen. Da heißts vom Fleck kommen! Klar zum Wenden!" Er entfernte sich einen Augenblick, um das Segel voll zu setzen und legte dann das Steuer fest in Lee Der Klüver zitterte, während der Rutland rasch dahinschoß und über Stag wen dete. „Holt die Baumtalje ein!... braßt! halt!" Sie glitten eine Weile über den neuen Bug, während der Wind mehr und mehr abflaute. „Na. jetzt ist's zu Ende mit der Li tanei! Aber um die Landzunge kom men wir wenigstens!" ' Noch einiae Orders über veränderte Segelsührung wurden ausgeführt, während der Rutland einen weiteren Kurs über das Listcrmeer nahm. Man warf Schoten und Taljen los. wieder wurde das Toppsegel vor dem Wind gebraßt, und man setzte oas Brceiock. I Kristensen stand eine Weile da und , trommele- mit den Fingern. „Beriet, geh noch vorne und heiße Nils zum Steuern kommen!" Kurz daraus zeigte sich Nils, unter Wegs in seine Jacke fahrend. Er war .ziemlich gealtert,und die große krumme jNase schien noch schärfer geworden als lt - ehedem. e! „Nordwest zu West, Nils, bis wir !den Bischof hinter uns haben!... Na, kennst ihn ja von früherher" — v; fügte er verschmitzt hinzu, indem er -! binabging. u ; „Bischof? Was für ein Bischof, hi Nils?" — Schon war Bernt bei ihm k stiiid seine Augen und Mienen fragten ' eifriger als die Worte, k! „Ach was, ein Bischof, der den See ! lenken predigt, und wenn sic nicht hö ren wollen, müssen sie fühlen." j Man wurde durch die Ankunft des > „Bergensers" unterbrochen, eines jun !gcn, pfiffigen Matrosen mit lebhaften! ! Gesten, flacher Seemcmnsmütze und § Leiuwandhosen, der mit den Holzschu > hen über das Teck hin lustig eine Art! Rceltakt klapperte. Für dieses Kunst-! stück, aus das er sich tadellos verstand.; erntete er von seiten des Sohnes seines Kapitäns jedesmal die lebhafteste Be ' wunderung. „Hurra, ein Schnaps!" rief er. „Madam Kristensen kommt herauf, und da gibts vor der Landzunge 'neu! Steifen, sage ich euch. „Denke nicht, daß die Madam dir I ' für das Getrampel über ihrem Kopf besonders dankbar sein wird," warnte Nils vom Steuer her. t „Ja. aber der Bischof... wieso , kennst du den Bischof, Nils"—-beharrte z Bernt. - „Siehst du dort... gerade der Quer , vor Steuerbord... die kleine höckrigc, . Schäre, wo alles Gestein förmlich quer-! über liegt?" — er wies mit der Hand hinaus. „Und einen Priesterkragen , hat er auch! Siehst du,wie der Schaum an ihm hinaufleckt? Aber im Unwetter, ! am besten bei Nacht, da hast du ihn in , ganz weißem Meßgewand, daß es leuchtet wie eine Mauer." > „Hast du ihn so gesehen, Nils ?" Nils vergaß das Antworten; er rich > tete seine hohe, bootshakcnähnliche Ge- ; - stalt auf und blickte wie in Gedanken! , nach jener Stelle, während ein schlauer Ausdruck über sein blasses Gesicht glitt. „Na. so laß uns die Geschichte hö ren, Nils ... Setz dich hierher auf die Schiffsliste und halt' den Jungen nicht zum Narre»... Du sichst ja, er will zuhören!... Es war doch das mit den drei Schwestern?" „Jawohl — es war eine Schoner brigg, die ihre hundert Tons hatte." „Und du warst dort Schiffsjunge bei Kapitän Sivertscn?" „Jawohl, und es war meine erste Reise." „Na also, jetzt hast du das Tau so lang ausgeworfen, daß du es nicht wieder gleich einholen kannst, Nils. Los damit!" Nils räusperte sich,sandte einen prü fenden Blick hinauf nach den Riggen, einen ebensolchen über Bord und hier , auf einen wohlgezielten Tabaksstreifen > aus seinem Munde über Lcereling. „Na ja. das war also bei Kapitän " Sivertscn. Mordskerl das von einem ; Seemann, wenn's lluwetter gab; sonst aber — es läßt sich nicht verschweigen, — sonst war er einer von den vielen ! alten Nordseelapitänen, die in der Koje lagen und tranken, sich toll und voll , tranken' Das mußt' ich ja wohl wis- ! scn, ich, der ich ihm morgens und abends die Kognakslasche holte. An dere als ich wußten auch anBord nichts davon, denn der Steuermann hielt es gebeini. Die ehrliche Wahrheit aber ! war, daß er trank und unter Teck war von dein Augenblick, wo die Brigg in See stach bis zu der Stunde, wo sie ' wieder irgendwo auf der anderen Seite > der Nordsee oder unten in Bordecmr oder Nantes im Hafen lag, und ebenso wahr war es, daß Kapitän Sivertscn keinen Tropfen verkostete vom ersten Schritt an, den er auf dem Lande tat, bis er wieder den letzten Leuchtturm der Gegend hinter sich hatte und in See ging. Er war jahrelang auf dem Lande gewesen, ohne zu trinken — sagten sie. Niemand kann es begrei feil, es war wie eine Art Fluch über dein Manne!" „Verantwortung!... nichts als die Verantwortung!" brummie es drüben auf der Bank, ans die Kapitän Kristen sen mit seiner Pfeife sich niedergelassen hattc. „Die hat mehr als einem Schif fer de» Rest gegeben. Na, erzähl' wei ter. Nils!" „Ja. das war also auf dieser Fahrt. Wir gingen mit Holzladung hinunter, kriegten aber mit den Septemberskür- Mkn" zu schaffen und wurden nord wärts verschlage». ES war ein schwe rer Südwest mit Regenböen, bi-.> das Wetter sich endlich aufhellte und der !Aind von Westen kam. Der Steuer !mann meinte nach seinem Besteck, wir seien weit draußen in offener See auf der Höhe von lldsire, so daß es vor der norwegischen Küste keine Not habe, um so weniger, als die Schoncrbrigg ein ausnehmend tüchtiger Windscgler war. Ter Teutsche Eorrespvndent, Baltimore, Md., Sonntag, den 24. Oktober lst!', '.Der Kapitän wollte nun allerdings, Ewir sollten noch eine Zeitlang auf dem iWinde fahren, um Fahrwasser zu ge ' Winnen: als aber Steuermann Ander , sen bloß spitzig lächelte, gab der Kap! tön ihm nach und ging hinunter und , legte sich in seine Koje. Er hatte nicht den Mut, sich mit seinem Stermanu zu , Überwerfen, aber ärgern kats ihn. Und l wir kamen auch nicht vom Fleck, denn so ofi wir hinkamen, sprang der Wind wieder nach Südwest um und dasHun dewetter begann von neuem. So blieb nichts übrig, als wieder Kehrt zu ma chen. Ich hatte eines Abends einen weißen Schimmer weit drüben über Lee-Re ! ling gesel)en und erzählte es Sivert-- !stii, und dafür gab der Steuermann j mir eine Ohrfeige. Es sei unmöglich. ' sagte er. Der alte Sivertscn aber war . anderer Meinung und fragte mich eif « rig aus und vermutete, wir seien wohl 'in der Nähe des Gunnarshaug-Lcucht turmes gewesen. Der alte Sivertscn hattc die ganze Woche unten in seinerKoje gelegen und gebrummt und mit sich selbst ge schwätzt. Ich hörte wohl, daß er aller j lei vom Bischof faselte, und wenn ick l unten war, starrte er mich an mit sei nen roten Augen und dem grauzottigen Haar, daß mir ganz bange wurde, ob wohl ich doch an ihn gewohnt war. AlS wir dann wieder einmal die Vormit tagswachc bezogen, begehrte er mitten bei Tage eine Flasche von mir. Dann sprach er erst am nächsten Morgen wieder mit mir, wo er verlangte, ich ! solle die Kajütenfenster gut nachsehen, j Jm Lauf des Nachmittags mußte ich den Schwapper hervorholen und in al len Ecken fegen, die die reinen Fliegen nester waren, wie er behauptete. Und dann wollte er gar, ick sollte unten bei ihm schlafen; er bot mir einen blanken Taler dafür. Was soll ich armer Schiffsjunge machen? Will er es nicht für den Taler tun. muß er es ohne ihn tun!... Aber diese Nacht vergesse ich ! nicht! Ich wurde plötzlich geweckt und j sah ihn mit verstörtem Gesicht vor mir stehen. — „Nils... Nils!... Bist du wach? Siehst du nicht... dort beim Tisch... das Weiße? ... Er zeigte auf das Barometer. „Jetzt... jetzt streckt er den Arm aus. wenn er bloß nicht wieder nach der Uhr zeigt!" „Es ist ja gar nichts da, Kapitän!" „Wirklich nicht? Einen Taler sollst du haben... hi hi!" Jetzt sieht er mit ten !m Raum, ganz schwarz von Flie gen. Da ... weg ist er!... Er sah aus wie ein Bischof, du!" lachte er... das nennen wir im Schlaf sehen!... Hm! hm!... es geht wie ein Kielwas ser von Meerleuchten hinter ihm her vom Kajütenfenster aus. Da guck doch, die Hellen Streifen, die er auf dem Fußboden hinterlassen hat. Jetzt schlaf ein. Junge!" „Nils! Nils!" weckte er mich wieder, „sieh doch die Kajütenfenster ordentlich nach — alle beide! siehst du nichts? — wie einen nackten Arm aus jedem her aus — nein, mehr als nackt ist er... Hu!... Wenn er bloß nicht auf die Uhr zeigt! fünf Minuten auf halb drei war's heute nacht wieder, ich sah ganz deutlich beim Licht seines Fingers die Minutenpunkte auf der Scheibe." Tie Taschenuhr hing an der Seite des Tisches, die ihm zunächst war. so daß er die Uhr greifen konnte, und ich unterschied beim Lampenlicht das wei ße Ziffcrnblatt. „Schnickschnack! sagen wir. nicht wahr. Nils? und du verdienst deinen Taler, mein Junge! Schnickschnack! Schnickschnack!" schwatzte er weiter,bis er sich plötzlich laut unterbrach: „Ich glaube, die Uhr sagt auch zu mir: Schnickschnack ... sagt sic daS nicht...?" „Nils! Nils!" schrie er wieder und starrte entsetzt vor sich hin Da steht er ja schon wieder mit der ausge streckten Hand! Fünf Minuten auf halb drei. Ja, ja — ja, ich sehe es. Da nützt tcin Taler, Nils! Jetzt ist der Bischof fori; aber wenn wir nächstes Mal versnclxn, ihn zu fangen, ist er wieder da: verlaß dich drauf. Der läßt uns nicht so leichten Kaufs vor bei. der Kerl. Er will etwas von uns. Er hat es mit Seeräubern gehalten und der Kirche unrecht Gut zugewen det, sagten sie, darum ist er verdammt, da draußen »mzngeben... Hi hi hi! Ich nehme die Kette ab und schmeiße die Uhr in die Sec und" — er erhob sick: plötzlich in der Koje; sein Gehör schien ungeheuer scharf. — „O Nils, lwrcb doch, was ne da oben auf Deck rennen und schwatzen; laus wie du bist." Sie hatten weit driuuen auf Lee Bug große Klippen gesehen. Als ick: wieder liinabkam. saß Kapi län Sivertsen schon kalb angekleidet auf der Kojekante. Bei der Meldung blieb er sitzen und wippte mit dem Stiefel. „So, so!... das hat er also dies mal gemeint," nickte er. aber kurz dar auf war er oben auf Teck und über- , Inahm so frisch das Kommando, als ! l habe er die ganze Zeit nichts anderes getan, als ausgerastet. An diesem iTagc kam lein Tropfen mehr in seinen Mund, das kann ich bezeugen, und ein > I besserer Seemann bei W-tiergesahr als !! der alte trummrückige Sivertsen hat ss niemals eine Schiffsvlanke getreten. , Der Wind legte sich wieder des Nach l mittags, und der Kapitän ging umher , in dem braunen Rock nnd den großen Stieseln, das Fernglas unterm Arm, > und rieb sich die Hände. „Heute abend rücken wir ihm zu Leib. Bootsmann! Heute abend,Boots mann!" So wurde es Abend. Wir hatten die Laternen aufgezogen. Der Regen fiel dich! und wir klingelten ab und zu mit der Schiffsglocke. Tic See ging hoch, wie es unter Land nicht anders zu erwarten war, und es blies ein stei fer West. Wir hatten zwei Manu am Steuer, Licht im Kompaßhaus und schweren Segeldruck. Wir trieben mit doppeltgerefftem Marssegel, gerefftem Fock und Vorstagsegel. Kapitän Sivertscn sah gerade mit dem Nachtfernrohr hinunicr in Lee und beobachtete die Sturzwellen, da hörte ich hinter mir ein wunderliches Sausen; es war der Kamm einer schweren See, die sich mit einem schau inend weißenGipfcl über den LuwBil len türmte. Sie war wie mit einem - mal aus der schwarzen Nacht hcraus gecbossen. Ich hatte gerade Zeit, mich unter die Kajütentreppe zu stecken, als ich sie über Deck dröhnen Hörle mi! ei nem Gewicht, daß die Schute knackt. Eine Weile blieb's ganz still, es scbien, als wollte die Schute nicht gleich wieder in die Höhe kommen, und ich hörte Rufe, daß das große Boot zer schmettert sei. Als ich den Kopf her aussteckte, standen die beiden Ruder gäste da und handhabten das Steuer nach Kräften; das Kompaßhaus aber war fort. Da sah ich den Bischof! — er stand ganz groß und weiß im Dun tel und leuchtete hinab zu uns, und war es nun die Angst von voriger Nacht, oder war es wirklich etwas Aehnliches, genug, mir schien es, als schlüge er nach uns mit einem weißen Laken. In diesem Augenblick kam der Kapitän so jäh auf mich zu, daß ich vor ihm her die Treppe hinauslaufen mußte. Un ten in der Kajüte holte er in großer Eile einige Papiere und Geldscheine hervor und wandte sich eben zum Ge hen, als sein Blick auf die Silberuhr icl, die drüben an der Wand hing. Er ->i„a hin und nahm sie vom Nagel, um ic zu sich zu stecken, blieb al-er plötzlich 'ichcn, als habe ein Blitz ihn durchfah ren. „Fünf Minuten über halb drei" — :r reichte mir die Uhr hin. . Wieviel Uhr sichst du, Nils?" . „Fehlen fünfMnuien auf halb drei, Kapitän!" „Na. dann behüte unser Herrgott die Schute... und einen alten versoffenen Säusser dazu!" Er stürzte hinaus auf Deck und ich war nicht faul, ihm zu folgen. Droben war am Luv alles voll Was >cr und schwarze Nacht. Wir warfen bas Lotb aus und Kapitän Sivertsen kommandierte beim Sprachrohr. Wir kreuzten und waren nun bloß nordöst lich durch einige Schären vom Bischof entfernt, wo die See mehr nach vorn trieb. Der ungeheure Scgeldruck trieb uns dahin;uun ging es entweder daran vorüber oder drauf los. Eben däm merte ein Tagesstreifen, als die Sturz see lam. die Sckuts vom Achter aus von Pfosten, Schanzverkleidungen, Roof, Hütten, Booten und allem im Wege Stehenden reinfegte und die Ka jüte füllte. Die Leute, die das Loth warfen, hatten cs beizeilen gesehen und waren nach vorn gesprungen und hat ten sich an die dicken Pöler und Bal ken der Schanzverkleidung angeseilt, um den Wogen zu widerstehen. Als die Sturzsee vorbei war, wurde Lei Lee Anker klargemacht, um über Stag zu wenden. Ich hatte mich an gebunden wie die andern und dachte an die Holzladung, mit der wir ja schließlich schwimmen konnten. Da hör' ich durch das Sprachrohr: „Klar zum Wenden! Hart in Lee! Laßt Anker fallen!" Der ' Anker klirrte so rasch, aus der Klüse, daß die Ketten heulten und schrien und die Funken wie Blitze umher st oben. El was war entzwei gegangen oder das Schiss hatte gestoppt, denn eS schien plötzlich, als halten wir das ganze Aorderendc untergraben und im Däm nierlicht sahen wir eine blinde Klippe zischend und sausend auftauchen. Die Kette lief ein Stück weiter, aber die Klippe wuchs und stieg böber als die Sahling. Es zweifelte wohl keiner vo» uns. daß seine letzte Stunde gekommen sei! Ich höre rufen und schreien, sah Kapi tän Sivertsen das Sprachrohr von sich werten — es krachte und knackte, und dann weiß ich für mein Teil nichts s smehr. Es war, als würde ich in einen s! Wasserfall gezogen und dann jäh wie ir! de" hinausgeschleudert. Jeder von uns li: hat wohl nach etwas Schwimmendem l, gegriffen, „,n sich dran zu klammern, s!-.ind eine Weile lagen wir, die ganze i; Mannschaft, zwischen lauierStümpfen . ;uiid Stücken, sodaß wir Mühe hatten, -; uns vor ihnen zu retten. Jede Welle r, war voll von Planken. Mitunter kam weine Wasserionne. ein gebrochener ,! Spant, eine Sahling oder cinRoof da !her, so daß cs ein Gotieswunder war, i! daß wir nicht zerschmettert wurden. ! Der arme Schiffshund schwamm von einem zum andern und leckte uns, i' lehrte aber immer wieder zum Kapitän i! zurück. Ich sah, wie er zuletzt von ei > I nem Bretterhaufen des Meeres getros-! t > sen wurde und sein Ende fand. l So lagen wir da und trieben dahin,' bis einer den andern nicht mehr sah. § : Ich lag niedrig im Wasser auf einer! > Planke und starrte den Leuchtturm an,! ! der durch den Nebel zu blinken begann, > und wartete auf den Tag. Als es! dann hell wurde, erhob ich mich, so : hoch ich konnte und sah mich um nach' '.den Seglern und Booten: wo nur in i! der Ferne eine Möve sich zeigte oder , Schaumkops sich hob, wurde ich toll. 'i vor Freude, sah ich aber, daß es nie i inand war, so meinte ich sterben zu ! müssen, j Der Wind ging westlich, und die ISlrömung trieb herein mit immer l > schwereren Sturzseencher Gischt spritz te und schäumte und leckte den Felsen empor. Nun erst begann mir vor der Felsmauer zu grauen: ich erkannte,daß ich früher oder später unfehlbar zwi cbcn diesen Planken und der Felswand zerschmettert werden müsse. Da packte mich die Todesangst. Ich glaube, ich lag da und sprach laut mit mir selbst und betete aus dem Katechismus. Mi! eiucmmal sah ich die Bretter reihe vor mir einen großen Winkel um die Felsspitze machen und sich gegen eine andere niedrigere Schäre st»m men, und dort stand Kapitän Sivert sen. Es war mir, als erhielte ich neues Leben. Ich fühlte, daß es irgendwo anpacken hieß, während in eben demsel ben Augenblick die Strömung mich mitriß. Die Woge nahm mich, aber zugleich sah ich, wie der Kapitän mir ein Tauende zuwarf. Ich ergriff es und war auf dein Lande. Und da blieb ich nun flach liegen wie ein He ring und zog mich bloß ab und zu in meiner Angst etwas Näher hinauf, als der Kapitän mir einen Fußtritt zwi schen die Rippen gab und mich hieß, den andern behilflich zu sein. Er war barhäuptig und blutete an Gesicht und Händen. Und einer um den andern kam die Mannschaft auf unserer Holzladung hereiugeschwommen — einer um den andern mußte sie an der Felsschneide um ihr Leben kämpfen, während er ih nen das Tauende zuwarf. Je mehr die Holzladung sich staute, desto ruhiger wurde der Seegang und desto leichter schließlich die Landung. Die Leute saßen und lagen ringsum auf den Riffen, während Sivertsen umherspähte. „Siehst du ihn nichtSiehst du ihn nicht?" fragte er immer wieocr. Es war der Steuermann, den er erwar tete. Und als er auch ihn heraufge bracht hatte, brach er aus: „Jetzt sind sie alle hier! alle sind es, nick t ein Leben ist auf meinem Gewiss sen!" Eine Weile saß er da und weinte: wie ein Kind. Tann verlor er die Be-! sinnung, und die Mannschaft trug ihn > auf Planken landeinwärts zum nach ! sten Bauernhof. Als er am nächsten Btorgen erwach te, rief er mich zu sich. Er saß im Bett mit der Uhr in der Hand und war so weiß wie sein eigenes Hemd. „Wieviel Uhr ist es jetzt?" fragte er und hielt sie mir entgegen. „Fehlen fünf Minuten aus halb drei!" Ich nahm sic und hielt sie ans Ohr — „ober sie steht..." „Sieht?... Stellt ?..er schnappte mir die Ullr fort. „Du hast wohl recht, Nils!... Jawolll, sie muß seit letztes Sonnabend gestanden haben, minde : sic»-, eine halbe 'Woche, denn da ging j mein alter Uhrschlüssel entzwei." Aber soviel ist sicher, daß der alte Siberisen weder mehr trank noch in ,Sec stach. Er lebte von da an als Rig sszcr: dazu taugte er noch. „Jawohl, anderer Fahrzeuge austa ' kein," meinte Kristensen, der hörbar § schnalzend aus seiner Pfeife dampfte,! j „Es gehört cin breiter Rücken dazu, zu der Verantwortung für Schute und Leute. Und je älter sic werden, desto > mehr nimmt es sic her bei der Nordsee ! fahrt. Tann trinken sie's von sich und > werden Sausboldc. Nein, ein mann wirst du nicht. Bernt! — eher l ein Schneider oben in einer Hinter l gassc," Bernt stieß eine» unarlitulienen i lLau« aus. der wie ein unterdrückier - klang. -! „Soll ich nicht Seemann werden, > weil Schiffer Sivcriseii trank?" knurr , te er. „Und das ganze kam nur daher. ' weil er eine Laiidkrabbc war!" > „Sag' das nicht, mein Junge!" Ter , so sprach, war ein Lotse von der : Stjern Insel bei Lindesdaes, der als : Passagier mitfuhr und während Nils' ' Erzählung cichterwäris gekommen war. „ErfahreueSchisfer haben mehr als ei , neu von dieser Sorte gesehen, Leute, , die das Zeug zu einem tüchtigen Sec- mann in sich haben mögen, aber darum , nicht aus dem Holze geschnitzt sind, um als Kapitän die ganze Verantwortung ! zu tragen. So einen sah ich zuletzt im I Borjahre vor Mandat. Es war an jBord einer deutschen Barte, und ein ! Sturm blies, daß die Raaen durch ! Kouterbrasscn gehalten werden muß l ten. Es war rein zum Tollwerden,, ! mitanzuscheu, wie die Barte geradezu ! gegen die Schären stand, so daß kein ! Zweifel bestehen tonnte, daß sie an den Felsen scheitern mußte. Sie brauchten einen Loten, und mich lockte es just, j mick, um die Schären herum zu ihnen ; zu wagen. Tie Sec ging zu hohl, als j daß ich an das Heck heranlommcn konnte. Ich rief ein »ins anderemal zu, sie sollten abfallen, nnd ging ihnen so ! aahc an Luv, daß ich beinahe fürchten mußte, mitsamt meinem Fährschiff von der Sec ihnen aufs Deck geschmissen zu werden. Sie batten einen zerbrochenen Mars, und eS lließ das Vorderstagsegel hissen, damit sic abfallen tonnten. Ich sah die Mannsckiajt au Bord, aber keiner rührte sieb. Sie sahen und hörten nicht. Der Kapitän stand wie sestgewachsen auf Teck, das Journal unterm Arm. Das Fahrzeug hätte zweimal geborgen werden können,wenn sic meinem Kommando gefolgt hätten. Ick' sulir rund um sie herum nnd schrie. Nock im letzten Augenblick hätten sie abfallen und in den Man dalsfjord einlaufen können. Erst als sie zwei Schiffslängen von dem äußer sten Holm entfernt waren, der der „Helm" hieß, kam Bewegung unter die Leute, als begännen sie jetzt zu manö veriereu. Ta aber stieß das Schiss an die Klippen, und die See riss daran und hob es, daß eS über den „Helm" und auf den Grund geschleudert und in Stücke zermahlt wurde. Ein Mann, der sich aus vrinRock des Klüverbaums geklaubt hatte, rettete sich auf den Holm, während die zwei hinter Um, sam! dem Schisse von einer Sturzsee fortgerissen wurden und untersanken. So lange war ich um die Barke her umgefahren und hatte gepreit und ge winkt, daß sie den Kurs ändern sott ten, daß ich nun selbst zwischen den Schären in der Klemme saß und nur mit Mühe und Gefahr wieder heraus kam. Ich wollte ja auch gern einen oder den andern von dem Fahrzeug herausfischen, aber das war umsonst: die waren fort und verschwunden. Es war zum erstenmal seit Men schengedenken. daß die Sec üver den „Helm" gegangen war, Dieses große prächtige Schiff mit alle» deuMeuschen an Bord, ohne daß nur cin Tauende gerüstet oder das Steuer gedreht wur de - es war ein scheußlicher Anblick, und ich vergeh' cs nicht, solange ich lebe. Und was den Mann anlangt, der sich vom Rock rettete, so nützte al les Fragen und Verhören nichts. Er wollte nicht damit heraus, wie es ei gentlich gekommen War, Meine Mei nung ist nun, daß sie entweder alle vvllgelrilnten waren oder daß die To !dcsangst sie gepackt hatte, denn das > Meer war schrecklich und das Land in i Gischt und Sturm gerade vor ihnen." ! „Jst's nicht so, wie ich sagte?" meinte Kristensen mir einem bedeu tungsvollen Blick nach seiner Fra», die in ihrem Ilmhängetuch hcraufgekom men war. Aber sie hörte ihn nicht. Sie stand mit in die Hüften gestützten Händen in einer betrachtenden Stel lung vor dem Lotsen von der Stjern- Jnsel: „Sind Sie verheiratet. Sie?" »Ja." „Haben Sie Kinder, Sic?" „Ja. zwei Söhne." „Sind Sic niemals bange?" Der Lotse lächelte, „Ich Nein! Ich j habe den festen Glauben, daß unser ssHerrgctt micb nimmt, wenn meine Stunde da ist, und er nimmt ebenso viel- bei Schönwetter, wie wenn der Sturm pfeift." „Na denn, wenn Sie nicht mess en i Vesten Trondhcimer Aquivit lricge^, ! solange Sie hier an Bord sind, und freie Reise dazu, so nennen Sic micb lnichi Madam Kristensen!" Mit diesen «Worten verschwand üe wieder. Ihre Gegenwart legte ja immer der Laune einen Zügel an, bis ver Humor sich wieder dnrcbbrach. War sie verdrießlich, so sah sie augenblicklich eine Stelle, wo das Teck ungcspült öde- sonst was verkehrt war, und dann gab es Spektakel. Bei guter Laune rlaber, ja, dann war's eine andere !chc, daun gab es, wie Nils sagte — „ j Schmier undSonueuschein übers ganze >Deck — und was für ein Prachtmensch war sie dann! Ja. das alles gehörte nun mal mit zum Leben an Bord des r Rutland, r Tic Blicke des Lotsen hallen bei vie s ser letzten Ansprache unverwandt auf ' Madam Krisicnscn geruht, deren Er . schciuung in seinen Augen offenbar ir - gendeiuc Aehulichkeil mit einer Sturz , sec hattc, die plötzlich vor dem Bug - aufgestiegen, nun aber, nach seine»' l! pfiffigen Gesichtsausdruck zu schließen l wieder verschämt war, ohne Schaden z anzurichten. Er war cin Mann mit l scharfen, regelmäßigen Züge», über de' l neu das bronzebrauuc Haar mit je ei l ner glänzenden Locke über die lviden 1 Schläfen fiel — wie die Henkel an ei - ner russischen Teemaschine. Seine ,, grauen Augen schossen ab und zu einen l cigeniümlich raschen Blitz, wahrschein i lich eine Gewohnheit, die das stete , scharfe Hinausspähen in die See mit i sich gebracht hatte. , Von der Kajütentreppe her ward ein i Klirren vernehmbar. Es war Ma > dam Kristensen, die mit einem Teebrett > mit Gläsern heraufkam, zwischen de-' . neu ein weißer Henkelkrug stand. ' Man begriff nun,daß dies nicht bloß > den gewöhnlichen starken Tropfen, son i der» ein richtiges Fest mit heißem > Punsch bedeutete. Madam war wirk ! lich in Stimmung gekommen. l Jeder stellte sich jedoch, als bemerkte er die Vorbereitungen nicht,bis er beim , Namen genannt und eingeladen wur» > de. Da traten sie jeder für sich vor : und verbeugicn sich und tranken, stri» l chen mit dem Handrücken über den ' Mund und sagten: „Besten Tank. > 'Madam!" Ter Lotse aber wurde mit . einem Eptraglas regaliert, das Bernt > ibm bringen mußte, ' „Mutter!" flüsterte dieser eifrig, „eck sagt, er sei mit dem Lotseukutter ganz « oben bis Wick in Schottland gewesen und er habe des Morgens fünf- bis ' sechshundert Fahrzeuge zugleich auf Hklingfang ausführen sehen." ...Halt den Mund!" unterbrach der Vater ihn kurz. „Laß den Junge» doch erzählen," meinte die Mutter. und immer mehr Fliegen in den Kopf kriegen,daß er zur See will," brummte Kristensen. „Dort steht dein Glas, Kristensen!" „Rnna Prost. Mutier! Ass, d-r 's! gut. Jawohl, den Punsch brauchst du besser als irgendeiner im Schiffertluv ... Schade, daß d» cs so selten tust, Mutter! Nun kos!' ihn auch!" und er reimte ihr das Glas, an den, sie einige mal nippte, während der schlaue Blick, mit dem er das Glas hinter sich auf' das Skylight stellte, wohl verriet, daß er wußte, was er tat. Der Mond war hervorgetreten. Voll und rund stand er achtcrwärts über dem Großscaelbaum, während sic mit einer leick-tcn Windneigung das blaute Listermeer hinauffuhren, das, fast frei von Dünnungen, im Mondenschein die Schatten des Fahrzeugs mitSegel und Raaen, Tauen und Blöcken klar ab zeichnete. Weit drinnen blinkte ein Leuchtturm. Trotz ihrer praktischen Natur hatte. Madam Kristensen eine Schwache für den Mond, für Secmannsweisen und für alle Arten romanticher Geschichte»., Sie saß neben Kristensen, der seine Mcerschaumpfeife rauchte, und unter lliel! ein lebhaftes Gespräch mit dem Lotsen. Das Schönste von ihrer jähr üchen Tour nach Stettin und Däne mark, wohin sie Kartoffeln und Acpfel brachten, sei. meinte sie, bei Tag der Oeresund, wenn er voll Seglern lag. und bei Nacht Helsingörs Reede, wenn, ' die Schiffe au Licht lägen und aus; Wind warteten. ! „Ach ja. ach ja, Madam! — darin, will ich ibr nicht widersprechen," mein !tc der Lotse und nahm einen Schluck aus dem Glase, das er sodann behut ! sam wieder auf die Reling zurückstellte. „ick erinnere mich an eine Nachtfahrt im Kanal, die ich noch als junger Ma trose machte. Es war ein wunderba res Schauspiel, da? ganze Gewimmel von Tausenden und Tausenden Licb > tcrn dicht vor unserm Schiffsbug lie ' gen zu sehen, während wir mit dop ' peltgerefstem Marssegel quer hindurch ' fuhren. Es waren alle Fischkutter von der englischen und holländichen Küste beisammen.." „Ja, Sie waren wohl viel herum , auf der Nordsee und haben mancherlei ' «lebt. Madam Kristensen, „da haben > Sie wohl allerhand zu erzählen." (Fortsetzung folgt.) Hisst,sic Zcrsri-kiitlirit. Professor (der den Hörsaul leer sin : dev: .Me,ne Herren! Ta zu der beut , qen Porlcsunft. wie ich leider bemerken »mH. niemand ersUiienen ist, so bin iw natürlich gezwungen, dieselbe auszusehen muh Sie also bitten, sich wieder »ach, ! Hause zu begeben.