Newspaper Page Text
2 Persönliche Freiheit. Von L o u i S W. H a m merlin g. Wenn eilt staatliches Gesetz den Verkauf von Waffen ohne behördliche Erlaubniß untersagt und der Gesetz geber unter Waffen nicht blos Revol ver, Pistolen, Gewehre, Kanonen u. s. w., sondern auch Stiefel, Schu he, Stacheldraht und Gesichtspuder versteht, so würde man Letzteren für verrückt erklären und das Gesetz aus lachen. Würde in ähnlicher Weise ein Ge richtshof auf Grund des Gesetzes, welches den Waffcnverkauf verbietet, die Pseniiigbanken, die wie Kanonen aussehen und in den letzten Jahren verkauft wurden, verbieten, weil sie die Gestalt von Kanonen haben, ob gleich man mit ihnen nicht schießen kann, dann würden wir gewiß eine Commission bestellen, um den Gei steszustand des Richters untersuchen zu lassen. Sobald es sich aber um Alkohol handelt, daun wirft man gleich alle Gesetze der Logik und des gesunden Menschenverstandes über Bord. Da giebt es Gesetze und Entscheidungen, die ebenso vernunftwidrig sind wie oben genannte Beispiele. Das Gesetz von Massachusetts, be treffend den Verkauf von berauschen de Getränken, zählt den Most (Ei der) zum Ale, Bier, Wein u. s. w. Nun aber giebt es süßen und gcgoh renen Most. Der süße Most enthält blos eine ganz geringe Menge Alko hol, was bei'm gegohrcnen nicht der Fall ist. und trotzdem rechnet man ihn nach demGcsctz zu den berauschen den (tzctränken. Die Gesetzgebung von Ohio sieht in ganz willkürlicher Weise berau schende Getränke als solche an ohne Rücksicht auf ihre berauschende Wir kung. Daher erstreckte sich das Vcr kaussverbot in trocken gelegten Ge gendcn auch auf gebraute Getränke, ob sie berauschend waren oder nicht. Im Staate Ncw-Pork fällt das Lagerbier unter den Liquor Tax Law, nicht weil es berauschend, son dern weil cs gebraut ist. Die Prohibitionsgesetzc in Wcst- Virginien enthalten folgende Defini tion: „Unter dem Wort „Liquor", wie es in diesem Gesetz gebraucht wird, sind zu verstehe alle gebrau ten, gegohrcnen oder gebrannten Flüssigkeiten, Weine, Parier u. s. w., Bier und alle berauschenden Geträn ke, Mischungen und Zubereitungen ähnlicher Art. Nach dem Sinn des Gesetzes müssen alle gebrauten oder gegohrcnen Getränke, ob sie berau schend sind oder nicht, als gebraute gelten." In Nebraska verstand man auf Grund des Gesetzes, welches sich mit gebrauten, gebrannten oder gegohre nen Getränken beschäftigte, jedes Getränk, aus welches das Gesetz sich bezicht, als berauschendes ohne Rück sicht auf seinen wirklichen Gehalt, selbst für den Fall. daß dieses gar nicht fähig wäre, eine berauschende Wirkung zu erzielen. Auf solche Gesetze und Gerichts entscheide hin mag es vorkommen, daß ein Gesetz, das den Verkauf von berauschenden Getränken verbietet oder regulirt, sich sogar auf Getränke erstreckt, welche erwiesenermaßen nicht berauschen, wenn sie blos aus den gleichen Stoffen hergestellt wer den. Jedes Getränk aus Malz her gestellt, wird auf diese Art häufig als gebrautes Getränk verboten, auch wenn sein Alkoholgehalt zu gering ist, um eine Wirkung zu erzielen, auch wenn überhaupt gar kein Alko hol vorhanden ist. Wenn jedes aus Malz hergestellte Getränk als ge brautes und berauschendes und jeder süße Most als gegohrener zu gelten hat, dann mag auch Grapcjuice mit dem Wein klassifiziren, obgleich erste res keinen Alkohol enthält. Der Zweck solcher Gesetze besteht darin, daß sic die berauschenden Ge tränke treffen sollen. Aber praktisch gerathen sie mit diesem Zweck in Con flikt. Und die Gerichtshöfe stützen sol che Gesetze, trotzdem diese mit dem Geist der Gesetzgebung in Wider sprich stehe, vom Widerspruch mit der nackten Wirklichkeit gar nicht zu rede. Wo die Vorurthcile gegen Alkohol getränke Wurzel gefaßt, da gilt der Grundsatz: „Lasset alle Vernunft zu rückt, Ihr, die Ihr hier eintretetl" Der Schwerpunkt liegt darin, daß sich das amerikanische Volk von eini gen Wenige beherrschen läßt, welche zweifellos geistig minderwerthig sind. Ein stärkerer Beweis für die Be hauptung. daß die Bewegung gegen Alkoholgetränke seine Wurzeln im vernunftwidrigen Fanatismus hat, ist überflüssig. Die Macht dieses Fanatismus ist groß und gefährlich, und was mehr als verwunderlich ist, sie ist im Zu nehmen begriffen. Wer die Gesetz gebung und die Gerichtsentscheidun gen in dieser Sache in den letzten dreißig Jahren durchgeht, wird sin den, wie darauf bezugnehmende Ge setze sich ständig mehren und wie dc- reu Interpretation in einem dein Al- kohol feindlichen Sinne immer stren ger gehandthabt wird. Und während die Gerichtshöfe cs verschmähen, den nicht berauschenden Charakter z. B. von gebrauten Ge tränken, die praktisch keinen Alkohol enthalten, festzustellen und eine solche Feststellung auch nicht zulassen, wäh rend sie also die nackte Wirklichkeit vom Gerichtshof ausschließen, adop tiren sie blindlings und ohne Beweis als reine Wahrheit die falschen Fest stellungen und Uebertreibungen der Prvhibitionislen. So sagt z. B. eine Entscheidung: „TieGcsetzgebung stellt die Thatsache fest, daß gebraute, ge brannte und gegohrcnc Getränke in gleich starkem Quantum verbraucht werden und dem Consumcnten scha den. Sie berauschen nicht unmittel bar, wenn sie bloß in kleinen Mengen genossen werden. Aber sie erzielen die gleiche Wirkung, wenn es häufig geschieht und zugleich erzeugen sic eine abnormale Gier, die zur Ausschwei fung und Trunksucht verleitet. Man hat festgestellt, daß die Alkoholgc tränke die Ursache sind für Verbre chen, Noth und Pauperismus. Die gebrauten Getränke enthalten diese destruktiven Ingredienzen." Es dürfte schwer fallen, in so wenig Zeilen noch mehr falsche Feststellun gen zusammenzudrängen. Der Ge richtshof nimmt von der Thatsache, die keine Thatsache ist, Kenntniß, daß schwach gebraute Getränke, die nur geringe Mengen Alkohol enthalten, in Verbindung mit dem Genuß einer nicht unerheblichen Menge solider Speisen dieselbe Wirkung hervorrufe, wie gebrannte Wasser, und eine ab normale Gier erzeugen, die zur Aus schweifung und Trunksucht verleite ein Stück Einbildung, die aller that sächlichen Unterlage entbehrt. Der Gerichtshof nimnir ferner von der Thatsache, die keine Thatsache ist. Kenntniß, daß die Alkoholgctränkc als die Urstichen der Verbrechen, der Noth. des Pauperismus festgestellt worden sind. Und während er jede Klarstellung dieses Gegenstandes ab lehnt. nimm: er endlich Kenntniß von der Thatsache, daß gebraute Getränke Alkohol, diese „destruktive Jngre dienz" enthalten. Und auf solcher Grundlage trifft er die Entscheidung, es sei, nachdem die Gesetzgebung die gebrauten Getränke, weil alkoholhal tig, verbietet, gegenstandslos, ob sie wirklich A.iohol enthalten oder nicht, jedes aus Malz hergestellte Getränk falle unter die Prohibition. Wenn ein Gerichtshof sich so weit vom wirklichen Thatbestand entfernen kann und Feststellungen als That sachen annimmt, die zum mindesten sehr umstritten sind, einfach aus dem Grunde, weil der Glaube an die Rich tigkeit dieser Feststellungen nothwen dig ist, um die Feindseligkeit gegen den Alkohol stützen zu können, so ist das allein ein Beweis dafür, daß die Anti-Alkoholiker in der That eine wahre Alkohol-Mpthologie zu schaffen imstande gewesen sind, eine Mytholo gie, die in den Gemüthern von sonst ganz vernünftigen Menschen einen festen Halt gesunden und nun von den Schöpfer und Förderern dieser bigot ten Propaganda mit verderblichen Folgen angewandt wird. Und un glücklicherweise steht der erwähnte Fall nicht vereinzelt da, aber er ist immerhin typisch. Die Mächte der Unvernunft und der Bigotterie haben nicht bloß in den gesetzgebenden Körperschaften, sondern auch in den Gerichtshöfen Eingang gefunden und zwar an verschiedenen Orten. Sic gehen darauf aus, die individuelle Freiheit zu strangulircn, indemsie die öffentliche Meinung fäl schen und eine falsche moralische At mosphäre schaffe. Die Freiheit be findet sich in der That in einer Pre kären Lage, wenn sic selbst in den Gerichten keine gerechte und manch mal nicht einmal eine vernünftige Be handlung erhoffen darf. Wir glaub ten, wenn auch sämmtliche Verwal tungsstelle versagen, würden doch wenigstens die Gerichte als letzte Zu fluchtsstätten zur Handhabung der Gerechtigkeit und Erhaltung unserer Freiheiten übrig bleiben. Ein halbes Jahrhundert ständiger Agitation von Seiten der Anti-Alkoholikcr haben hingereicht, um die öffentliche Mei nung so umzuwandeln, daß sie auch die letzte Zufluchtstätte für unsere Freiheiten in dieser Richtung beein flussen konnte. Tie letzte Zufluchtstättc? Nein, glücklicherweise nicht. Noch steht das Volk da. Aber das Volk muß auf die Thatsache aufmerksam gemacht werden, daß seine konstitutionellen Stützpunkte untergraben sind und daß cs sich auf sich allein stützen muß. Es muß sich erheben, um die persönliche Freiheit aus ihrer Prekären Lage zu befreien, zu ihrem Schutz und zu ihrer Wiedererlangung muß cs sich organi siren, wenn cs sie sich in der That er halten will. Abonnenten, die den „Dentschen Dorr, spondrnten" nicht piinkllich oder nregkl mäsiisi erhalten, sind gebeten, der Office davon per Telephon oder schriftlich Mt tdeilung r umchc. Der Deutsche Korrespondent, Baltimore, Md., Montag, den 16. Oktober 1016. Tcutschlnnd heute. Christ: ani a, im August 1010. —Der norwegische Journalist Gustav Sniedal ist vor Kurzem von einer neuen Reise durch Deutschland zurück gekehrt und hat seine Eindrücke in einem im „Dagbladet" erschienenen Aussatz „Deutschland heute" geschil dert, dem wir Folgendes entnehmen: Das Hauptproblem in Deutschland ist gegenwärtig ohne Zweifel die Le bensmittelsrage. lieber Preise und Lebensmittel wird überall gesprochen. Man merkt auch sehr bald, daß die Verpflegung nicht mehr so gut und reichlich ist, wie voriges Jahr. Fleisch ist erstens einmal sehr kostspielig, und zweitens kommt es vor, daß es bis weilen gänzlich vom Markt verschwur det. Die Ursache hierfür ist, daß in Deutschland gegenwärtig eine wirk liche Knappheit an Fleisch besteht. Dasselbe ist indessen auch in mehreren der übrigur kriegführenden Länder der Fall. Dieser Fleischmangcl, der viele Gründe hat, beruht vielleicht in erster Linie darauf, daß Fleisch jetzt in bedeutend größeren. Umfang ge braucht wird, als vor dem Krieg. In allen den großen Millioncnheercn bildet das Fleisch das Hauptnah rungsmittcl, und in jedem dieser Heere giebt es Hunderttauscnde von Menschen, für die Fleisch früher ein Luxusartikel war, das blos bei sel tenen Gelegenheiten auf ihren Tisch kam. Diese Knappheit an Fleisch, die sich geltend macht, hat indessen bisweilen auch eine völlig künstliche Ursache. Es kommt nämlich häufig vor, daß Fleischer und Spekulanten das Fleisch dem Umsatz fernhalten, um dadurch die Preise herauszutrei ben. Die deutschen Behörden behan deln jedoch diese Art Leute nicht mit Glacehandschuhen, und es ist borge kommen, daß das Publikum selbst ge gen diese Wucherer eingeschritten ist. Man muß 'dessen sehr vorsichtig sein, daß man dem bestehenden Flcischman gcl keine zu große Bedeutung beilegt. Es bestehen nämlich erstens Anzei chen, die darauf schließen lassen, daß der Fleischmangcl zum Theil nur vor übergehender Art ist. Aber dann darf man nicht vergessen, daß eine Einschränkung im Fleischverbrauch keine Gefahr mit sich führt, so lange man andere Nahrungsmittel zur Ver fügung hat, und das ist jedenfalls vorläufig der Fall. An den soge nannten „fleischlosen Tagen" wird in den Gasthäusern Fisch oder vegctari schc Kost verabreicht. Der Fisch, den man in Mitteldeutschland bekommt, schmeckt nicht so gut, wie der Fisch bei uns. Aber das hat unleugbar weniger zu sagen. Wenn man sich in einem Lande befindet, das der Feind aus zuhungern versucht, leistet man mit Freuden Verzicht auf kulinarische Ge nüsse, wenn man nur nahrhaftes ynd ordentliches Essen bekommt. Neben dem Fleischmangcl macht sich zur Zeit noch eine Reihe anderer Mängel gel tend. Ter Fcttmangcl ist vielleicht am schlimmsten. Bekanntlich hat man Buttorkartcn eingeführt. In Berlin erhält jeder Erwachsene Pfund Butter in der Woche. Das ist nicht viel, und ißt man gerne Butter, so wird man diese Beschränkung sicher als eine Störung empfinden. Ver muthlich. um zu vermeiden, daß Pri watleute Kartoffeln in großen Men gen aufkau'en, hat man Kartoffel karten eingeführt. Diese Karten geben jedem das Anrecht auf 10 Pfund Kartoffeln je den zwölften Tag. Dies ist so reich lich, daß cs gänzlich unrichtig wäre, von irgend welchem Mangel an Kar toffeln zu reden. Persönlich habe ich den Eindruck, das zur Zeit bedeutend mehr Kartoffeln in Deutschland ge braucht werden, als in Norwegen. In den Läden sieht man sehr häufig Zettel ausgehängt, auf denen steht: Kaffe und Zucker ausverkauft. Daß Mangel an Kaffee eingetreten ist, wird Niemanden verwundern. Da gegen scheint cs sehr merkwürdig, daß es nicht genug Zucker in Deutsch land' geben soll, das ja eins der am meisten Zucker hervorbringenden Länder ist. Dieses Verhältniß hat indessen eine besondere Ursache, die auf technischen Fehlern bei der Ver anschlagung des vorhandenen Zu ckervorrathes beruht, Fehlern, denen im Laufe dieses Sommers aber abge holfen werden wird. Jedenfalls würde man früher den Gedanken, daß in Deutschland Zuckermangel eintreten könnte, für ebenso unmög lich oder unnatürlich gehalten haben, wie daß man in München jemals Mangel an Bier leiden sollte. Es ist äußerst interessant, zu beob achten. wie die Deutschen den vcrschic denen Mängeln, die sich geltend ma chcn, abzuhelfen verstehen. Im vori gen Jahre herrschte in Deutschland Brodmangel. Dieses Jahr hört man hiervon nicht. Solange der Krieg dauert, wird sich natürlich sicher in Deutschland Mangel an verschiedenen Dingen geltend machen. Aber man kann gleichzeitig ganz sicher sein. daß diesen Mängeln allmählich, wenn sie auftreten, abgeholfen werden wird. Tie technische Erfindungsgabe der Deutschen hat niemals so große Tri umphe gefeiert, wie gerade jetzt. Selbst haben die Deutschen nicht den geringsten Zweifel, daß der englische Aushungerungs - Krieg mißlingen wird. Die Blockade kann allerdings viele und große Unaunehmlichkeiten für sie mit sich führen, aber sie wird niemals Deutschland zu einem Frie densschluß zwingen. Der Fremde, der sich in Deutschland einige Zeit aufhält, kann der deutschen Auffas sung hierin nur recht geben. Man hat nicht de Eindruck, in einem Lande zu leben, das der Hungers noth entgegen geht. Man lebt al lerdings inmitten eines Volkes, das nnt großen Schwierigkeiten kämpft, aber man fühlt die ganze Zeit, daß das Volk größer ist als die Schwie rigkeiten, und daß es seine Ehre da rin setzt, sic zu überwinden. Tie Stimmung in Teutschland muß als sehr gut bezeichnet werden. Daß sich eine gewisse Kricgsmüdig keit geltend macht, läßt sich nicht ab leugnen, aber nach dem, was ich ge hört habe, finde ich keinen Grund, zu glauben, daß die KriegSmüdig keit in Deutschland größer ist als in den Ländern der Entente. Zu verlangen, daß das Volk den Krieg mit derselben Begeisterung umfaßt, wie in den ersten Wochen, würde heißen, das Unmögliche zu verlan gen. Schon voriges Jahr bemerkte ich, daß die Bevölkerung Frieden wünscht. Tie Friedenswünsche ha ben vielleicht etwas zugenommen, aber weder voriges noch dieses Jahr habe ich einen einzigen Menschen ge trösten, der Frieden um jeden Preis gewünscht hätte. Von der Opfer willigkeit in Deutschland macht man sich in Norwegen gar keinen Begriff. Während bei uns zu Hause die mei sten Menschen nur daran denken, Geld zu verdienen, denkt man in Deutschland daran, zu opfern. Dieser Opferwille hat sicher in erster Reihe seine Ursache in der Liessen Vater landsliebe. Aber demnächst beruht sie wohl auf dem sicheren Glauben daran, daß Deutschland unbesiegt aus dem Kriege hervorgehen wird, und daß Teutschland's Zukunft grö ßer werden wird als je. Dieser sichere Glaube an ihre eigene Sache erklärt Wohl auch, daß die Deutschen durchgängig in einer sehr anständi gen Weise von ihren Feinden schre cken. England ist natürlich der Hauchtfeind, und cs läßt sich nicht in Abrede stellen, daß viele scharfe Worte gegen dieses Land gefallen sind und noch fallen. Ter Haß gegen die Engländer ist jedoch nicht so groß, daß nicht mehrere Theater in Berlin den !100. Jahrestag Shakescheare'S mit Aufführungen mehrerer seiner Stücke feierten. Unwillkürlich fragt man sich selbst: „Wie würde ein deut sches Stück in Paris oder London aufgenommen worden sein?" Man kann einen Aufsatz über Tcutschland nicht schließen, ohne mit ein paar Worten seine großen Män ner zu erwähnen. Hindenburg ist, obwohl er bald ein ganzes Jahr nichts mehr von sich hat hören lassen, immer noch der Held des deutschen Volkes. Bethmann - Hollweg war vor dem Kriege allgemein wegen sei ner Ungeschicklichkeit anerkannt. Von einer hohen, aber trotzdem ziemlich unbemerkten Stellung im Verwal tungswesen war er, ungewiß aus welchem Grunde, auf den Reichskanz ler herabgeplumpst. Er hielt bald eine Reihe Reden, die mit allem an deren als Beifall aufgenommen wur den und man kam gewiß bei allen Parteien zu deni Ergebnis, daß er nicht der rechte Mann auf deni rech ten Platze sei. Ta brach der Krieg aus. Bethmann-Hollweg veränderte sich nicht, und am 1. August 1011 er klärte er im Reichstag zur Bestür zung für Tcutschland und zur Freude für England, daß das deutsche Heer ein Unrecht begangen habe, indem es in Belgien eingerückt sei. Dieser Mann, dessen Politisches Debüt Wohl kaum als sehr glücklich bezeichnet wer den kann, hat zweifellos mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen, und seine größte Schwierigkeit hat nicht auf dem Gebiete der auswärtigen, sondern auf dem der innern Politik gelegen. Uebcrall hat er gesiegt. „Tirpitz, der Ewige," wie er genannt wurde, mußte abgehen, und der Unterseeboo tkrieg, wie auch das Verhältniß zu Amerika wurde in Uebereinstimmung mit der Auffassung Bcthmann-Holl wcg's geordnet. Man fragte sich un willkürlich: Wie hat Bethmann-Holl weg diese Stellung erringen können ? Das Geheimniß seiner Persönlichkeit liegt unzweifelhaft in seiner Ehrlich keit. Als Teutschland sich von seinen Feinden eingekreist fühlte, empfand es in der Stunde der Gefahr gerade zu sein Glück darin, daß an der Spi tze des Staates ein Mann stand, des sen Rechtschaffenheit so anerkannt war, daß man niemals an seinem Worte zweifeln konnte. Kraft seiner Charakterfestigkeit nimmt Bethmann- Hollweg heute eine Stellung ein, wie sie kein Kanzler seit Bismarck's Ta- . . ' ' ' > L" " /, . - 'DA ' ? - : 'NE Z, , - - . ' . D - ' '' ' - ' --- - " . . , . - EM - - -: - . . "" ' ' ~' , ' ' " Tic „Deutschland", wie sie, von Baltimore glücklich zurückkehrt, geschmückt, dir Weser hinauffuhr. gen gehabt hat. Was die Zukunft bringt, ist immer unsicher. Aber man bekommt jetzt in Teutschlnnd den Ein druck, daß man dort der Zukunft ru hig und mit guter Hoffnung entge gensieht. Man setzt sein Vertrauen aus die Tüchtigkeit des Volkes, fein Organisationsvermögen und feine großen Männer, von denen man je denfalls in erster Reihe nennen kann: Hindenburg und Bethmann-Hollweg. Dir bezwungene Thrannin Rnß- land's, die Kälte. Neben der Unwegsamkeit ihres Nie senreiches, daS im Westen, da, wo die Grenzscheide zwischen dem eigentli chen Rußland mit seiner großrussi schen Bevölkerung und den von „Fremdstämmigen" bewohnten er oberten Gebieten läuft, eine fast un unterbrochene Kette von See' und Sümpfen bildet, war eS der Winter, auf den die Russen alle ihre Hoffnun gen setzten, als ihre Offensive zusain mengebrochen war, als der Feind ins Land drang und eins der festen Boll werke hinter Strom und Lumps nach dem anderen den KruPP'schen Kano neu und Skodainörsern erlag. Ter russische Winter, der 1812 das Grab der Großen Armee geworden sei, wer de, so schrieb die Presse und so glaub te das Volk, auch die Teutschen ver nichten. Auch diese Hoffnung war eine Enttäuschung wie alle anderen. Hindenburg, Prinz Leopold, Linsin gen und wie sie alle heiße, die, nach dem Mackensen und Gollwitz ihren Siegeszug durch Serbien angetreten haben, noch auf der Ostfront comnian dircn, werden auch mit dem „Gene ral Winter" fertig. Tie russische Presse muß selbst bekennen, daß die Deut scheu den Winterfeldzug des zweiten Kriegsjahres in einer bis in'S Klein ste gehenden und geradezu mustergül tigen Weise vorbereitet haben. Das bekundet ein Leitaufsatz des „Rußkoje Slowa," in dem es heißt: „Wir werden nicht die Fehler Na polcon's wiederholen und euch im Winter durch euer abgebranntes, ver wüstetes Land folgen," sagen die ge fangenen Teutschen. „Für dieses Jahr haben wir genug russisches Ge biet besetzt und können ausruhen. Was im Frühjahr wird, werden wir sehen; bis dahin richten wir uns in dem eroberten Lande ein." Tiefe Worte sind keine leere Prahlerei. Tie Vorbereitungen der Teutschen auf das Ueberwintern in Rußland sind nicht nur ungeheuer, sie sind einfach schwindelerregend. Unsere Soldaten sagen schon lange von ihnen: „Sie führen den Krieg wie vornehme, rei che Herren." Tie Teutschen übertrei ben lieber die Schwierigkeiten eines Wintcrfeldziiges, anstatt sie zu unter schätzen, und haben durch ihre Vorbe reitungen die Gefahre des russischen Winters beseitigt. Bis zum Eintritt des Winters werden alle deutschen .Truppen gegen jede Kälte winterlich eingekleidet sein. Seit August hat ganz Deutschland mit deutscher Ge wissenhaftigkeit an der Versorgung der Soldaten mit warmen Sachen ge arbeitet. Alle Wollsachen wurde schnell, einfach, ohne irgend eine Möglichkeit -von Unterschlagungen,, mit bewundernswerther Sachlichkeit gesammelt. Außer warmen Wollsachen werden in ganz Teutschland Weiße Gewebe, Leinwand u. s. w. gesammelt, um Schutzkleider für die deutschen Trup pen gegen Sicht zu liefern, was sie russischen Truppen ganz besonders be achten müssen. Sogar die Schützen gräben und ganze Colonnen sollen weiße Schutzfarbe erhalten, damit sic auch der Flicgerbeobachtung entzogen sind. In unserer russischen Einfalt haben wir gehofft, der Schnee und die Kälte unseres Winters würden die Deutschen vernichten, dabei wandeln sie die raube russische Natur in ihren Vortheil um. „Euer Winter wird für uns Brücken aus Eis schlagen." Es giebt nur ein Mittel gegen deutsche lleberfälle: wir müssen unsere Auf merksamkeit nicht verdoppeln oder verdreifachen, nein, wir müssen sie verhundertfachen. Außerdem ist cs Pflicht ganz Rußlands, besonders der durch den Krieg stark bereicherten HcereSlieseranten, Leinwand zu Schneeniastcn für die russische Armee zu liefern. Außerordentliche Sorg falt wird der Gesundheitspflege in den deutschen Schützengräben gewid met. Sogar Schlafsäcke für die nicht ans Posten besindlichcn Mannschaften sollen vorhanden sein. Tie Wände der Schützengräben werden mit Stroh- und Filzmatten bedeckt, die Graben sohle mit Stroh oder Holzplatte. Ein Befehl Hindenburg's hat sich in ein geflügeltes Wort verwandelt: „Wenn imSchützciigraben neben dem Führer ein Soldat erfriert, verdient der Führer erschossen zn werden, weil er seine Leute nicht gegen Er frieren schützt." lind Kaiser Wilhelm selbst hat mündlich befohlen: „Die russische Kälte kan so groß sein, wie sie will, für den deutsche Soldaten darf sie nicht eristire. Wir müssen mit je dem Manne rechnen. Genug, wenn wir sie iin Kampfe verlieren. Es wäre ei Verbrechen, wenn wir sie auch noch durch die Kälte einbüßten." Aus zusammenlegbaren Eisenplatten werden Wärmezellen, die durch Was serdampf erwärmt werden und gan zen Trupps Raum zum Wärmen bieten, errichtet. Besondere Sani täts-Kommandos sorgen für die Sauberkeit der Gräben und Leute. Es ist strengste Porschrit, daß beide Peinlich sauber sein müssen. Jeder Soldat erhält Spiritus, um den Kör per abzureiben. Leere Conscrven büchsen und Speisereste dürfen als Tpphusträger nicht in den Gräben sein. Auch für die Fürung des Kam pfes im Winter haben die Deutschen die kleinsten Kleinigkeiten überlegt. Trains. Feldküche und riesige Warm wasscrbehälter sind auf Kufen gesetzt, Maschinengewehre und leichte Ge schütze auf Schneeschuhe und Schlit ten. Bei Krupp sind die besten In genieure nt der Construktion zerleg barer schwerer Geschütze beschäftigt. Da in dem hart gefrorene Bodeü nicht gegraben werden kann, haben die Teutschen besondere Bohr-Com mandos eingeführt, die schnell Bohr löcher schlagen und sprengen und in der Sprengung dann in wenigen Mi nuten einen Graben schaffen. In Voraussicht russischer Schneestürme sind besondere Schncepflug-Lokomo tiven angeschafft u. s. w. Mit ei cm Worte: Die Deutschen täuschen sich nicht über die Schwierigkeiten ei nes Winterfeldzuges in Rußland und sehen die ganze Strenge und alle Schwierigkeiten des schweren Kam pfers voraus, aber diese Schwierig keiten schwächen nicht ihre Energie, sonder spornen sie im Gegentheil nur an, sich zu neuem, weitere Kampf vorzubereiten. Wir müssen dies Alles beachten, ernstlich in Rech uung stellen und nicht auf die Hülfe des Schnees, der Kälte hoffen, selbst nicht schlechter sein als die Deutschen und, ohne Mittel und Energie zu spare, die Armee init Allem, was ein Wintcrfeldzug erfordert, ver sehen. Griechische Tcputirtcn - kammer vertagt sich. Athen, 11. Oktober, via London, 15. Oktober. König Konstantin un terzeichnete heute einen Erlass, durch den die Zusanimcnknnft der griechi schen Abgeordnetenkammer um einen Monat aufgeschoben wurde. Ter Con stitution nach hätte sie sich heute ver sammeln sollen. Abonnenten, die den „Deutschen Korre spondenten" nicht pünktlich der unrencl miisii, erhallen, sind siedeten, der Office davon per Telephon oder schriftlich Mit theilung zu inachcn. Ernste Befürchtungen. Werden in El Paso bezüglich der Wahrscheinlichkeit eines neuen Zusammenstoßes der amerikani schen Expeditions-Truppe mit den Carranziste. Amerikaner rücken in südlicher Richtung vor trotz Carranza's Drohung. El Paso, Tex., 15. Oktober. Hier werden ernste Befürchtungen getheilt, daß eS bald wieder zu einem Zusammenstoß zwischen den ameri kanischen Truppen in Mexiko und den Streitkrästeu der de facto Regie rung kommen mag, wen anders Earranza seine Drohung, die Ameri kaner anzugreifen, sobald sic sich in einer anderen Richtung als nördlich fortbewegen würden, ernst gemeint hat. Tie amerikanischen Truppen sind nämlich eine ziemlich bedeutende Di stanz i südlicher Richtpng vorge rückt. Nach den hier angelangte Mel dungen aus mexikanischen Quellen erfolgte dieser Vormarsch in südlicher Richtung der erste der Expedi tionstruppen seit dem Gefecht von Carrizal gestern, als das 5. ame rikanische Kavallerie-Regiment die Stadt Namiguipa, die 20 Meilen südlich von El Valle, der bisherigen Vorhut Basis der ExPeditionStruP- Pen, belegen ist, besetzte. Tie neueste Bewegung der Expedi tionstruppen erfolgte, wie es heißt, um einem weiteren Vorrücken der Villa-Banditen, die jetzt im Besitz der von britischen Interessen contro lirten Stadt Madera sind, ein Ziel zu setzen. Tie Carranza-Garnison räumte die Stadt, als die Villaisten in Sicht kamen, und zog sich ach Pearson zurück, das etwa 100 Meilen nörd lich gelegen ist. Tic Villaisten sind den hier ein gegangenen Melduugen nach sehr gut mit Munition versehen und füh ren auch einigermaßen ausreichenden Proviant mit sich. Sic werben an geblich mit gutem Erfolge im gan ze westlichen Ehihuahua Rekruten an, die in Schaaren zu den Fahnen des Banditenführcrs herbeieilen sol len. Carra n z a ' s Familie nach diesem Lande. Stadt Mexiko, 15. Oktober. ES wurde heute aus autoritativer Quelle bekannt, daß die Familie des Provisorischen Präsidenten Carranza am Montag nach den Per. Staaten abgefahren ist: angeblich handelt es sich in eine Vergnügungsreise. Tie Besucher wolle angeblich in Washington, New Bork nd anderen großen Städten Ausciihalt nehmen. „St. Paul" nngekoiniiie. Nc w t'l o rk, 15. Oktober. —Ter Tampscr „St. Paul" von der „Anie riean Line" traf heute Morgen hier ein. Passagiere erzählten von den VorsichtSmaßr-geln, welche der En- Pitän traf, um die Identität des Schiffes kenntlich kenntlich zu ma chen und so die Möglichkeit eines Versehens seitens eines U-Bootes auszuschließen. AIS das Schiss am Samstag Abend sich der amerikanischen Küste näherte, lies; der Eapitän jedes ein zelne Licht an Bord des Schisses an zünden und außerdem befestigte er große Lampen an den Außenseiten des Schiffes, sodnß die amerikanische flagge auf gute Entfernung hin deutlich sichtbar war. Unter de Plissieren befand sich Frau Kirby F. Smith von Pnlti iiiorc und ihre rechter, Frl. Rosa münd Smith. Frl. Smith studirte in Italien die Landessprache: in den letzten sechs Mannten war sie als Krankenpflegerin thätig.