Senior und Junior. st (6. Fortsetzung.) Aber Magda sah ihin so merkwür dig scharf ins Auge. Las sie in sei ner Seele? Tann wieder freilich sagte sie ganz ruhig und heiter: „Mama wird mit ns frühstücken, Max! Tu siehst ja ganz erfroren aus. Nun sollst Du aber auch schnell eine warme Tasse Brühe haben." „Bleib nur bei Max, ich werde das besorgen, Kind!" erklärte die Mama, aber die junge Frau hatte bereits die Türklinke in der Hand: „Das wäre ja noch schöner, Mamachen!" Sie nickte dein Gatten noch einmal zu, und hinaus var sie. Die Komemrzienrätin sehte sich auf den Schaukelstuhl am Kamin und wiegte sich leise bin und her. Sie strahlte eitel Glück, und immer wieder wiederholt? sie: „DaS gute Kind, un sere Magda!" Der Sohn hatte sich an das Fenster gestellt und sah schweigend in den Gar ten hinaus, der hinter dem Hause lag. Der alte Ferno arbeitete trotz des häß lichen Wetters zwischen den Beeten und Rabatten, wie immer in seiner grau grünen uralten Jägerjoppe und den großen Holzpantoffeln, aus denen die dicken blauen Strümpfe heraussahen; auf dem Kopf einen englischen Reise hut, der init seiner schäbigen Eleganz ganz merkwürdig zu der übrigen Tracht paßte. Gerade jetzt richtete der Greis das faltige, unrasierte Ge fickt empor, und .gleich darauf hum pelte er den nassen Steg entlang bis z dem gepflasterten Gange, der von der Hauseinfahrt zu den Ställe führte. Dort erschienen nämlich soeben Viktor Ferno im hocheleganten hellgelben Herbstanzug und hinter ihm der Die ner, der die lange Fahrpeitsche dem Herrn und Gebieter nachtrug. Es war ein wunderliches Bild, wie Vater und Sohn sich begrüßten: der Alte mit glückstrahlendem Gesicht, vährend sich auf dem Antlitz des Sohnes eine leichte Verlegenheit mit gutmütiger Herablassung mischte. Er reichte dein Vater nicht die Hand die verarbei tete Rechte des Greises trug freilich noch die unverkennbaren Spuren des fetten Eartenbodens, obwohl er sie sorgsam an der Hinterseite seiner grauen, vielfach geflickten Beinkleider abgewischt hatte. Viktor schlug dem Alten vielmehr kräftig auf die Schul ter. und dieser lackte vor Freude. Dann wurden die beiden amerikani schen Traber vorgeführt „Aber Du hörst ja gar nicht, was ick erzähle!" meinte die Kommerzien rätin verletzt. „Ich werde Dich bei Deiner Frau verklcgcn." Mar wandte sich um. „Verzeih, liebe Mama! Was befahlst Du?" „Was hast Du denn zu der großen Bestellung gesagt? Papa war unge mein erfreut?" „Ja, Mama, jawohl!" Da waren sic sckon wieder, die geschäftlichen In teressen, die Max sich vorgenommen hatte, von seiner Schwelle fern zu hal ten. lind ohne an diesen Vorsatz zu denken, fügte er bitter hinzu: „Wir tonnten es brauchen!" so daß die Mutter in Hellem Erstaunen zu ihm aufsah. Zum Glück kam Magda in diesem Augenblick zurück und bat zu Fisch. So war der Mama die Frage abgeschnitten. „Kinder, Ihr habt's doch zu rei- Knd!" sagte sie dafür, als sie über die Schwelle des Eßzimmers traten. Ja, Mama. dank Deiner Güte!" klab Magda warm zurück. „Du hast nck an alles gedacht. Fast zu gut ge dacht. so gut nämlick, daß mir kaum tstvas zu tun übrig bleibt." „Sollst Du auch gar nicht, Kind. Ncnn's nach mir ginge, ich nähme Dir das ganze Wirtsck/afiliche vollkommen "b. Solch junges Frauckxn, daS müßte eigentlich nur ihrem Manne le ben können." Die Kvmmerzienrätin legte sich umständlich die Serviette, nachdem sie sich wohlgefällig das große Monogramm in deren Ecke angeschaut b.cUie, Über das Kleid und fischte sich eine Sardine aus der Blechdose. „Da würde ich doch nicht ganz damit -Mfrieden sein, Mama. Denn gerade, "m recht für meinen Mann zu leben, Muß ich ihm doch persönlich auck et was sein können, muß ich ihm etwas leisten." Max nickte seiner Frau zu, aber die Mutter lackte sie aus. „Kleine Hausfrau! Ihm etwas sein, etwas leisten ' Als ob die Männer je Ver ständnis für wirtschaftliche Sorgen hatten! Das wirst Du Deinem Maxel nicht beibringen. Die Männe: wollen von dem ganzen Kram mög lichst wenig wissen. Ein heiteres, vuoschcz Francken wollen sie vor sich leheii. wenn sie abgearbeitet nach --Muse kommen, und die Heiterkeit gebt msereineiii doch auch manchmal in die gliche, wenn die Köchin mit dem Haushaltungsbuch antritt, oder die nicht gut Staub gc ' Pcht hnben, oder die Neinmachcfrau wieder 'mal mit der Leiter in die Fcn- sterscheiben geraten ist. Da ist's ge wiß so übel nicht, wenn die alte Mama bisweilen solch einer jungen Frau die Zügel des Regiinents und dessen Sorge abnimmt. Oder hast Du Angst vor der bösen Schwiegermutter?" Bielleicht hätte Magda ernster er widert, aber die letzte Wendung nahm ihr die Möglichkeit. Sie enigegnete nur: „Das darfst Du mir nicht sa gen, Mama!" und haschte nach der Hand der alten Dame, um sic zu küs sen. lind da hatte die Mutter schon wieder ein kleines Tränchen der Rüh rung im Alige nd ein „Kind, Du lie bes Kind!" auf den Lippen. „Marel, reich' mir die Sardinen noch eininal. Sie sind virllich gut. Weißt Du, Magda, Du darfst nie eine andere Marke als Philipp L Eanaud kaufen! Ja, was ich sagen wollte: wißt Ihr denn, daß ich noch ein Töch icrlcin ins Hans bekomme? Auf Lo gierbesuch nämlich. Ellen Gouvain hat sich angesagt." mich, Mama! Ellen hat mir sehr gut gefallen," meinte Magda, und Mar setzte hinzu: „Dann wirst Du Dich wenigstens im Haus nicht so vereinsamt fühlen." „Na. vereinsamt würd ich mich auch so nickt fühlen, Maxel. Es sind ja nur ein paar Schritte bis zu Euch, und das sage ich Dir, rar machen dürft Ihr Euch nicht im Elternhause. Aber mir ist'S schon recht init der Ellen.' Gott, das arme Ding! Ich kand's ia zuerst eine recht verdrehte Idee, daß sie ihr Examen gemacht hat. Schon weil sie gar so lütt ist. Als sie geboren wurde, haben sie sie in die Ofenröhre gesteckt, und jetzt ist sie auch nur drei Käse hock. Da sollen die Mädel in der Klasse nun 'mal vor ihr Respekt haben. Ja aber: Energie steckt in dem Wurm, und das erkenne ich an. Und daß sic hier noch im Lyceum Vorträge hören will, dos ist mir auch sckon recht. Denn wenn schon, denn schon." Die Kommerzienrätin holte tief Atem, ehe sie schloß: „Aber das; sie nun in Dein Zimmerchen soll, das will mir doch gar nicht in den Sinn, Magda! Bis jetzt steht noch jedes Stück am alten Platze, und am liebste ließ ich's immer so —" Das kam so rührend gut heraus, daß beide, Tochter und Sohn, gleichzeitig sagten: „Du liebe Mama!" Sie blickte die Kinder verwundert an. „Aber das ist doch ganz natür lich. Und unsere Male hat auch Mord und Brand geschimpft. Aber es hilft nun 'mal nichts." Dann zog sie die Uhr, die st; an einer ganz lan gen, dünnen Kette um den Hals trug: ..Schon drei. Da mußt Du wohl nach dem Kontor, Maxel —" „Ich bleibe heute zu Hause." Er sagte es etwas gepreßt, und Magda kam es vor, als vermied er, sie anzusehen. Aber die Mutter nickte befriedigt: „Das ist 'mal vernünftig, Maxel. Der Papa hockt ja doch den ganzen Tag drüben, und wenn dgä einer tut, ist's schon mehr wie genug!" Nun war Mar endlich mit seiner jungen Frau allein. Er hatte sich an den Kamin im Wohnzimmer gesetzt und starrte in die verglimmenden Kohlen. Das Wort der Mutter ging ihm im Sinn herum: „Der Papa ist ja doch de ganzen Tag drüben, und wenn das einer tut. dann ist's sckon mehr wie ge nug!" Da trat Magda leise an ihn heran und strich ihm lächelnd mit ihrer küh len, weichen Hand über die Stirn. „Falten. Max! Heule schon Fal ten !" Sie sagte es scherzend, und doch klang der Ernst durch den heiteren Ton hindurch. Er zog sic neben sich aus einen niederen Sessel und zwang ein Lächeln auf seine Züge: „Wenn es wirklich Falten sind, dann stnv's die Jahresringe, die ich angesetzt habe. Du hast Dir eigentlich einen furchtbar alten Mann genommen, Magda," meinte er. Sic schüttelte den Kopf. „Er ist mir ganz recht so. mein Mann aber ohne Falten. Denn diese Falten da. die kamen von irgend einem Verdruß, nicht von den Jahren." Seine Rechte in die ihre nehmend, fügte sic hinzu: „Ich sah's Dir gleich an, als Tu ein tratest." „Aber Magda „Doch, Max! Und nun sag' mir: was hat Dir die häßlichen Falten auf die Stirn gebracht?" „Wirklich, Magda, Du irrst?" „Sieh mich einmal an. Max! Richt mit dem lächelnden Gesicht ohne Maske! So ah, da sind die Falten ja dock schon wieder." Und noch einmal glitt ihre Hand über seine Stirn, und er küßte sie. „Maus, Du irrst wirklich! WaS brachst Du Dir nur für Gedanken!" Sic erhob sich langsam. „Wir sind zu Tisch bei den Ellern, Max. Es ist Dir doch recht?" Der Teutsche Korrespondent, Baltimore, Md., Sonntag, den 19. Novrinber 1916. ! Er nickte zerstreut. „Ja jawohl. Ganz recht!" Aber dann sprang er plötzlich auf und umarmte sie stür misch. „Ack, Magda, mein Lieb, wie var's doch schön! Draußen dort unten in Italien!" 8. Kapitel. Ain Wasser, dort, wo das kleine Haus des Prokuristen Sturm lag, war eine kleine künstliche Einbuchtung ge schaffen, in der Rastin, der Maschinen meister, einen Kahn liegen hatte. Die Einbuchtung Otto Baumgart hatte sic einmal die Rastinbay getauft wurde auf der einen Seite von dem Kai des Fabrikhofes, der hier ziemlich hoch ausgemauert und nur an einigen Stellen von Treppenstufen unterbro chen war, begrenzt, auf der anderen von der Hecke des Sturmschcn Gärt chens. An der äußersten Ecke lag in diesem unter einer großen Buche, dir dicht am User stand, der Wasserbalkon, oie der Prokurist das winzige Etablis sement nannte; zwei längliche Holz bänke und in der Mitte derselben ein Tisch bildeten das Ganze. Aber hübsch kühl var cs im Sommer hier am Wasser, unter den schattigen Bu chcnzweigen, und es saß sich'wirklich sehr angenehm ans den, Wasserbalkon wen nämlich nicht gerade die Mücken allzu lästig vurden. Jetzt freilich, Ende Oktober, var der Aufenthalt auf Sturms Lieblings plätzchen für einen gewöhnlichen Sterblichen nicht allzu verlockend. Der Wind pfiff recht energisch über den Wasserspiegel, und die Sonne spielte schon seit Tagen Bersteckcns. Für Bogumil Ferno aber hatten di: Rastinbay und der Wasserbalkon ihre besondere Anziehungskraft. Beide vurden von dem Kesselhanse der Fa brik gegen Sicht gedeckt, und wenn man sich in das Boot stellte, konnte inan bequem über die Hecke in Sturnis Garte hinüber lugen: wenn inan aber den rechten Augenblick erspähte und in dieser Kunst var Bogumil Ferno Meister van traf es sich, mehr oder weniger zufällig, daß Fräulein Helene Sturm in demselben Garten zu tun hatte. ES war nicht immer gerade et was besondrxs Wichtiges, was die jun ge Dame beschäftigte. Aber oie Bo gumil imnw.' wieder einen neuen Vor wand fand, mit irgend einem Auftrag sich aus ein!- Minuten aus dein Kon tor, vor Pap-i Sturms scharfen Augen, zu drücken, verstand es auch Helene Siurin, vor sich selbst einen kleinen Spaziergang im Garten allezeit zu rechtfertigen. Der alte H§rr ließ zwar der Tochter nickt übermäßig viel Zeit; er hielt kein Dienstmädchen, obwohl ihm sein Ein kommen das sehr gut gestattet hätte. Helene mußte dKganzeWir.sschaft selbst besorge'., und da er im Hause ebenso scharf und genau ivar, wie im Kontor, so hatte sie sich tüchtig zu tummeln, wenn sie nicht wollte, daß er bissig: Bemerkungen machte. Aber, sich selbst überlassen, wie sie tagsüber dar, konn te sie sich doch di- Arbeit auch wieder einteilen, wie cs ihr beliebte. Und sie arbeitete lieber eine Stunde ununter brochen, pole eine Aufwartefrau, um dann die nächste ganz für sich und ihre Gedanke zu haben, die gern, wie sie selbst, spazieren glye.cn. Sobald sie daher draußen einen Grosiclpf.ff hörte, luin sie regelmäßig, aber stets wie zusäll-.g, aus ihrem Kä sig hervor. Und dann war, auch im mer ganz zufällig, Bogumil Ferno iin Kahn und lug:e >it der Nase über die Hecke. Und Nase, lang und spitz, oie sie ivar, dünkte HelencSturm ganz ungewöhnlich geeignet, um den „dum men Jungen" 'daran herumzuführen. Sie nachte sich eigentlich blutwenig aus il-in, aber sie litt an der Krankheit chronischer Langeweile, und es var ihr eine vergnügliche Abwechslung, ihn zum besten zu haben. Die üverschlanke Gestalt, die noch ein wenig an ein junges Füllen erin nerte, hochgc-reüt, stand er auch heute bieder ini Kahn, der unter seinen un ruhigen Füßen hin- und herschwantte. Drüben, hinter der Hecke, hatte Lene Sturm Aufstellung genommen, das krause Haar unter einem dunkclroten Baschlik halbverborgcn, uin die schma len Schultern ein in der Eile umge worfenes Tuch, unter dem sie fröstelnd die Hände l-arg. „Nun also? Was soll's eigentlich, Herr Ferno?" meinte sie spöttisch. „Be sonders einladend i't das Wetter zuei nemZwicgespräch im Freien nicht, Herr Ferno, zumal venu der Gegcnpart so wenig unterhaltend ist oie Sic, Herr Ferno!" Das „Herr Ferno " zog sie jedesmal so lang, als ob sie dainit sagen sollte: „'s -st eigentlich lächer lich, solch einen grünen Burschen als Herrn zu titulieren." , " „Aber Lcnchen —" „Wenn Sie sich noch einmal unter stehen, mich bei meinem Vornamen zu nennen, so sollen Sie 'was erleben. Herr Ferno!" „Aber Fräulein Sturm, was habe ick denn verschuldet, daß Sie gar so unfreundlich zu mir sind? Bin ich denn nicht Ihr treuester Ritter? Ode: glauben Sie, mich friert etwa nicht?" Sie lachte. „Wenn Sie es hier zu kalt finden, rate ich Ihnen dringend, sofort wieder ins Kontor zu gehen. Schäfer kachelt doch meist gut ein. und Papa nacht sich sicher noch ein Extra vergnügen daraus, Ihnen etwas einzu heizen." „Pah!" machte Bogumil. „Mit Ih rem Herrn Papa, Fräulein Sturm, werde ich schon fertig." „Besser als init der Tochter. Was? Das rollten Sic doch sagen. Ja, Herr Ferno, ich will Ihnen aber auch etwas sagen: wer mit mir Kirschen essen will, der muß sich anders betragen, als ein gelvisier jemand." „Aber Lcnchen —!" Sie warf den Kopf hoch und machte kurz kehrt. „Fräulein Sturm!" verbesserte er sich schnell. „Gnädiges Fräulein gnädigstes Fräulein! Was habe ich denn nun schon wieder verbrochen?" „Erstens: Sie haben mich schon wie der bei meinem Vornainen genannt," cntgcgnete sie und wandte sich zurück. „Zweitens: Sie sind furchtbar lang weilig. Drittens: Sie haben wieder den Hut auf, den ich durchaus nicht leiden kann —" „Soll ich ihn vielleicht ins Wasser werfen, Fräulein Sturm?" Sie lachte und nickte: „Das wär' das Klügste, was Sie tun könnten, Herr Ferno. Er steht Ihnen gar nicht." Bogumil hatte den runden Filz schon in der Hand. Einen Augenblick be trachtete er ihn noch wehmütig, dann schleuderte er ihn wirklich kurz ent schlossen in den Fluß. „Ist's so recht, Fräulein Sturm?" „Nein!" meinte sic kurz. „Sie ha ben sich nur nieder eininal lächerlich gemacht. Aber das steht Ihnen frei lich am natürlichsten, Herr Ferno, besser, als der schöne Hut es tat." Der Windbeutel, der auf dem Kon tor stets mit der Zunge vorweg war, schnitt ein jämmerliches Gesicht. Der Wind strich scharf von Osten her und trieb ihm die langen blonden Haare in die Stirn. „Ihnen kann man auch nie etwas recht machen,FräuleinSturm nie nie!" klagte er kummervoll. „Und ich möchte es doch so gern tun. Wenn Sie mir befehlen würden: spring ins Wasser! ich tät's sofort! Wahr haftig! Auf Ehre!" „Das wäre auch was Rechtes, Herr Ferne! Sie schwimmen ja wie ein Fisch. Und das ist iviedcr kein Wun der, denn wenn ich Sie so von derSeiie betrachte, sehn Sie ja ganz aus wie eine Plötze." In Punkte seiner körperlichen Schönheit war Bogumil höchst selbst bewußt. Er schluckte zum höchstenVer gniigen des tollen Mädchens eineWcile. um schließlich herauszuplatzen: „Das hat mir aber noch niemand gesagt, Fräulein Sturm!" „Dann bin ich eben die erste, die diese frappante Aehnlichkcit richtig er kennt. Ucbrigens ist Ihr Sünden register noch nicht zu Ende, Herr Fer no! Ich habe Sie doch beauftragt, niir genau mitzuteilen, warum Herr Baumgart Herr Maxßaumgart in der letzten Zeit so arg mißgestimmt ist! Was hat'ö denn wieder in der Fabrik gegeben?" „Das sind aberGeschäftsgehcimnisse, Fräulein Sturm!" „So —? Guten Morgen, Herr Ferno!" Sic kehrte dem blonden Jüngling den Rücken und schritt init dem ihr eigenen wiegenden Gang dem Hause zu. „Erlauben Sie, Fräulein Sturm." rief er lebhaft. „Ich meinte ja nur so ick weiß ja auch wirklich nichts Ge naues —" „Das letztere kann ich mir denken." Er schüttelte in Heller Verzweiflung, die vom Winde zerzausten Locken. „Alles, was ich lvciß, will ich Ihnen ja gern sagen, Fräulein Sturm. Natür lich Sie gehören ja, sozusagen, mit zum Geschäft." „Nun also —!" „Es ist wegen der'großen Lieferung,! die wir für die Marine erhalten ha ben. Der junge Herr war mit den Proben nicht recht zufrieden und ver langte, daß ein tüchtiger Chemiker zur Kontrole für die Farben hinzugezogen würde. Da meinte aber der HcrrKom merzienrat und auch Ihr Herr Va ter unser alter Färbermeisierchätte sich bisher immer noch bewährt. :Und so ist cs schließlich unterblieben." „Nun und?" „Und seitdem brummt der iunge Herr Chef. Kaum daß er überhaupt noch auf das Kontor kommt —" Bo gumil machte eine kleine Kunstpause, und dann lächelte er vUffia. .ZWeni, ich übrigens eine so schöne Frau hätte, Loman von Hnnns v. LokoltitL. wie unser Junior, dann sände ich's auch gewiß zu Hause hübscher, als in unserer alten Bude. Und ihr, Frau Baumgart nämlich, wird's auch sicher lieber sein, er bleibt daheim denk' ich mir!" „Da denken Sie vielleicht wieder ein mal recht verquer, Herr Ferno! Aber das ist bei Ihnen ja nichts Auffallen des. Uebrigens, Herr Ferno, neulich habe ich bei Magda, bei Fra Baum gart, auch den Vorzug gehabt, Ihren ausgezeichneten Onkel oder Vetter was? kennen zu lernen." „Meinen Onkel von der adligen Li nie? Viktor Ferno? Respekt, Fräu lein Sturm, der mißt das Geld mit Scheffeln." „So sieht er aus. Er var übrigens sehr nett zu mir, aufmerlsain und lie benswürdig. Und er hat auch von Ihnen gesprochen, Herr Ferno —" Ueber das Gesicht des Jünglings er goß sich eine jähe Blutwelle. Er moch te sich gelvisier unvorsichtiger Aeuße rungen erinnern, die er einst in der Weinlaune dem Millioncnonkel von der adligen Linie gegenüber getan hat te, und er baute nicht allzu sicher auf Viktors Verschwiegenheit. Und so stieß er erregt hervor: „Fräulein Sturin, mein Onkel ist ja so weit ein ganz guter Mann, aber er schnurrt cin bißchen. Das heißt inanchinal sogar ein bißchen stark. Das bringt der Sport wohl so mit sich. Sie müssen ihm nicht alles glauben, was er sage." Sie lächelte überlegen. Aber dann meinte sie Plötzlich, ernster als bisher: „Ja, wenn ich ihm alles glauben roll te —", zog das Tuch knapp um die Wespentaille, nickte Bogumil noch ein mal kurz zu und ging in das Haus. Bogumil sah ihr erstaunt, fast er schrocken nach. Der Abschied var doch zu kurz und zu wenig warm gewesen. „Adieu, Fräulein Sturm! Auf Wie dersehen!" rief er hinter ihr her, aber sie var schon in der Haustür ver schwunden. Hastig sprang er ans Land. Und da sah er seinen schönen neuen Hut, der wohl vom Winde zurückgetrieben wor den var, dicht neben dem Kahn in dem kleinen Hafen schwimmen. Einen Augenblick schwankte er, ob er ihn nicht herausfischen solle. ES war doch ei gentlich schade um den „Bibi". Aber dann schürzte er trotzig die Lippen: „Ein Opfer sei er den Göttern —!" und eilte in Hechtsätzen dem Kontor zu. Zur selben Stunde, in der Bogumil Ferno den höchst einseitigen Genuß sei nes kleinen kalten Stelldicheins mit dem Verlust seines Hütchens bezahlte, hatte Magda Baunigart den ersten Be such Ellen Gouvains empfangen. Und Ellen kam nicht allein. Zuerst hatte die Kommerzienrätin sie begleiten vol len; aber Male hatte die Hansherrin zu lange mit Beschlag belegt, denn eS galt die Beratung derS ersten großen Diners der Saison, und diese Beratung erforderte, darüber waren Herrin und Dienerin einig, Zeit und Ruhe. So hatte sich denn Otto kar erboten, das Cousinchcn hinüberzu geleiten, und sein freundliches Aner bieten var huldreichst angenommen worden. Ellen Gouvain sah reizend aus in dein einfachen enganliegenden pelzver brämtcn Straßenkostüm. So reizend, daß Otto es sich nicht versagen konnte, zu fragen: „Wetterchcn, Cousine, wo läßt Du arbeiten? Paris, Wien was?" Cin Weilchen lasen beide, Vater und Sohn, mindestens anscheinend mit größtem Eifer. Dann und wann warf wohl der alte Herr eine etwas spötti sche Frage nach „Deinem König Stumm" oder nach der „Silberwäh rung" dazwischen, die Max meist ziem lich einsilbig beantwortete, da er wuß te, baß er mit dem Vater auch auf die sem Gebiet nicht einig werden konnrc. Sie waren einmal über die Kolonial poliiil, in der der alte Herr das Un glück des Deutschen Reiches erblickte, hart an einander geraten; seitdem ver mied der Sohn jede ernste Auseinan dersetzung. Wenn Sturm mit einer Anfrage oder mit neuen Eingängen in das Kontor kam, so beteiligte sich Max zwar formell an der Erledigung, aber grundsätzlich, ohne eine eigene Mei nung zur Geltung zu bringen. Es war nur eine Art von Scham, die ihn zwang, vor dem Prokuristen seine innere Teilnahmlosigkeit, die doch wieder auch nicht ganz echt war, zu verbergen oder wenigstens zu bemän teln. Gegen elf Uhr Pflegte der Vater sei nen Gang durch die Fabrik zu machen. Er erhob sich stets mit ziemlicher Um ständlichkeit, faltete seine Zeitung zu sammen, ordnete auf dem Pult alles in pcinlichfterWeise und fragte schließlich: „Ich gehe hinüber begleitest du mich vielleicht, Max?" Seit Wochen erfolgte keine bejahen de Antwort. Der Sohn stand viel mehr auch seinerseits auf, schob oie ausgelesene Zeitung zur Seite und meinte: „Ich gehe nach Hause, Papa." Bisweilen setzte er mit kaum verhehlter Bitterkeit hinzu: „Ich habe ja hier doch nichts zu tun." „Wie du willst, mein Junge, Grüße Magda von mir! Adieu!" „Adieu, Papa!" Anfangs hatte der Kommerzienrat innerlich über „seinen großen Jungen" gelächelt: „Max brummt das gibt sich mit der Zeit!" hatte er gemeint. Allmählich fing die anscheinende Gleichgültigkeit des Sohnes aber doch an, den alten Herrn zu verletzen. So wenig er geneigt gewesen Ivar, das endgültige Bestimmungsrecht aus den Händen zu geben, einen tätigen Mit arbeiter wollte er an seinem Aeltesten, an dem Mitinhaber des Geschäfts, doch haben. Und selbst wenn er darauf ver zichtet hätte, die Geflissentlichkcit, mit der sich Max der geschäftlichen Tätig keit entzog, kränkte ihn. Er versuchte auch wohl, den Sohn zu einer regeren Beteiligung an der gemeinsamen Ar beit heranzuziehen, ihm neues Inter esse einzuflößen, aber Max ging in kei ner Weise darauf ein. Er beschränkte sich auf ein kurzes „wenn du meinst, Papa!" oder „bitte. Papa du ord nest das ja doch selbst am besten!" Und nun empörte sich das Herz des Baters. Er war sich zu sehr bewußt, nach be stem Ermessen gehandelt z haben; er ivar zu stolz auf seine langjährige Er fahrung, auf die großen Erfolge, die hinter ihm lagen, als daß er in der kühl ablehnenden Haltung des Jünge ren etwas anderes hätte sehen können, als trotzige Unart und Selbstüberhe bung. Bater und Sohn wurden von Tag zu Tag innerlich fremder, und beide litten schwer darunter. Um so schwerer, als sie. in der steten Sorge, daß es zum offenen Bruch komincn könne, eine ernste Aussprache vermie den. Daheim klagte bisweilen der Kom merzienrat wohl über die Veränderung im Wesen des Aeltesten. Er war jetzt häufig mürrisch und übel gelaunt, und Frau Fielen hatte es nicht ganz leicht mit ihrem „alten Brummbär". „Man soll es den Kindern nicht zu leicht machen. Sophie," wenn er mißgestimmt war, vermied er daä zärtliche Diminutiv „es tut nicht gut, solch einen jungen Mann in ein fertiges Haus hineinzusetzen," meinte er. „Das möchte einen dann ganz auf den Altenteil bringen, und wenn man sich das gutwillig nicht gefallen läßt, so benimmt sich „das" wie ein' ungezoge ner Schuljunge." „Aber Alterchen, sprichst du wirklich von unserem Max?" „Natürlich spreche ich von ihm! Von wem denn sonst? Nächstens wird er mir wohl andeuten, daß es ja ganz in seiner Hand liegt, mir die Hypotheken, die Magda auf der Fabrik hat, zu kün digen, und daß ich dann sehen kann, wie ich ihn auszahle." „Aber Alterchen!" Das gute runde Gesicht der Kommerzienrätin färbte sich purpurn. „Wie du nur so häßli ches Zeug reden kannst! Unser Max! Als ob dem das Geschäft nicht ebenso ans Herz gewachsen wate. wie dir!" „Er benimmt sich danach! Wahr haftig. das tut er!" Frau FiekclM unterdrückte eine auf steigende Träne und ein passendes Dichterwort, faßte sich ein Herz und sagte: „Fritz, bist du auch ganz sicher, daß du unserem lieben guten Aelteste, der uns immer nur Freude gemacht lck'., nicht selbst die frohe Mitarbeit verleidet hast? Sieh mal: er ist doch auch nicht mehr der Jüngste, und daß er selbständig —" Sie kam nicht dazu, ihre Rede zu be endigen. Der alte Herr riß sein Müt zchen von den weißenHaarcn und schlen derte cs zornig auf den Fußboden: „Geh mir mit deiner Selbständigkeit! Ich weiß allein, was ich zu tun habe!" Damit rannte er aus der Stube. Die Komincrzienrätin seufzte leise auf: „Ach, diese Männer —! Und er meint es doch so gut! Und der Maxel erst recht!" Dann bückte sie sich. die Mütze aufzuheben, was bei ihrerßund lichkeit keine ganz leichte Arbeit war. und dann überlegte sie, was sie wohl dem jungen Pärchen drüben für eine neue Freude antun könne. Es war ja „da drüben" auch nickt alles so, wie cs hätte sein sollen, wie es hätte sein kön nen. Das hatte sie längst empfunden, obwohl Mar und Magda alles aufbo ten, die trübe Stimmung, dir bei ihnen eingekehrt war. zu verheimlichen. Da sollten sie beide aber wenigstens mer ken, daß die Mutter zu ihnen hielt So anteillos Max äußerlich jetzt dem Geschäft gegenüber stand, so sehr c sich selbst vorredete, daß er endgül tig abgeschlossen Hütte mit dem Inter esse an seinem dereinsiigcn väterlichen Erbe, in Wirklichkeit hing er noch im mer mit allen Fibern seines Herzens an seiner alten Tätigkeit, an der Fa brik. Dann und wann litt es ihn früh nicht im Hause. Er stand im grauen den Morgen auf, nachdem er sich stun denlang schlaflos herumgewälzt hatte, sah scheu zu Magda hinüber, ob er sie wohl auch nicht störe, zog sich schnell an und eilte nach der Fabrik hinüber. Es war stets zu einer Stunde, von der er bestimmt wußte, daß er deinVai tcr nicht begegnen würde. Langsam schritt er dann durch die Arbeitsstile, und der gleichmäßige Schlag der Maschinen tat ihm wohl und weh zu glcickscr Zeit. Er sprach nie mit den Beamten oder mit den Ar beitern über Geschäftliches, grüßte nur jeden einzelnen freundlich und stand viertelstiindenlang wortlos neben den großcnAchtfarbendruckmaschinen. Sein Auge folgte fast sehnsüchtig dem lang sam, in gleichmäßigem Zuge durch die Walzcnpaare leitenden Zcugstrcifcn, prüfte, ob derselbe auch glatt und ta dellos auf der dunkeln Unterlage auf lag, wie die Farbe sich. dem auf die Walzen gravierten Muster gemäß, auf dem Stück verteilte, und wie dieses end „Mansardeu", in denen es trocknen sollte, verschwand. „Al>er. Otto! Was traust Du unS arme Agraricrtöchtcrn denn eigentlich zu. Paris! Da käme ich bei Papa gut an! Ich schneidere mir meine paar Sa chen allein. Wozu hat man denn sei nen Geschmack?" Er wiegte zweifelnd das Haupt. Dem im Wohlstand aufgewachsenen Sohn des reichen Hauses wollte daS gar nicht recht möglich dünlcn. „El len. ist das wirklich Dein Ernst? Oder beliebst Tu mit Deinem untertänigsten Eoiisin ein wenig zu sckcrzen?" „Aber leine Spur, trautester Otto! Das rächt sich ja halb von selbst, lind es ist gar kein sonderliches Verdienst dabei wahrhaftig nicht! Die Mo denwelt bringt ja so vorzügliche Schnitte. Schneidern haben wir alle gelernt, und an Zeit fehlt es gerade auf dem Lande doch auch nie." „Du kannst ja aber rein alles, Ellen —", meinte er in aufrichtiger Bewun derung. „Manches, Otto. Aber immer,,.'.' v,et zu wenig. Zum Beispiel bapertS mit der Musik. Wenn ich eine Beetho vensche Sonate spiele, fängt regelmäßig unser großer Neufundländer an zu heulen sagt wenigstens Papa. Ich denke, mit einigem Fleiß will ich's aber auch noch auf diesem Gebiet zu eilvas Leidlichem bringen, so zur Durch schnittsqualität, die wenigstens nicht lästig fällt." ..Ich qlau-e, Tu kannst sogar kochen, Ellen!" Nun lachte sie doch herzlich: „Höre, Otto, tu' mir die einzige Liebe und lulle mich für keinen unprcrktischen Blaustrumpf. Ich bin sogar sehr prakusch, furchtbar praktisch! So praktisch, daß sich meine Kochkunst al lerdings nur auf die Hausmannskost beschränkt. Aber wenn ich zu Hause die Woche hatte, so beorderte Papa re gelmäßig Königsberg Fleck, denn den machte ihm, ohne mich zu rühmen, niemand so nach seinen, Gusto, wie ich." „Känigsbargcr Fllick!" wiederholte O!to gedehnt. Ihm schwante etwas Schreckliches bei diesem Gedanken,aber er behauptete doch, Fleck fei auch sein Leibgericht. Im stillen setzte er dabei freilich hinzu: „Vorbc-dinguiig, daß er von diesen Liliputhändchen dort zube reitet ist!" Magda empfing die Cousine mit der alten Herzlichkeit. Aber sie war auf fallend still, fast wortkarg. Das Ge spräch schleppte sich nur mühsam hin, bis Otto es nicht mehr aushalten konn te und fragte: „Du bist nicht recht wohl,beste aller Schwägerinnen. Mach' kein Hehl daraus, und sag', renn wir gehen soll.'. Wir sind verständige Leute r.d nehmen es Dir ich Übelt Mas, Ellen?" Nun wollte es Magda zwar nicht wahr haben, aber ihr blasses Gesicht strafte sie Lügen. Sie sah wirklich ab gespannt und ermüdet aus. Als Ellen jedoch aufbreche wollte, hielt sie die Keine Cousine nieder fest. „Es ist nichts wirklich!" versicherte sie eifrig und zwcm: sich zu lächeln. Ellen l- tle ihre harmlose Freud an der hübsch. Eiuricktuiig und gud dem Hn ihrer I.bhasteu Ar! Ausdruck. Ja. sie ruhte ncht, bis Magda sie durch ihr ganzes Rc- ch geführt und ihr Gelegen heit gegeb-n hatte, alles genügend zu bewundern. Aber auch jetzt reagierte die junge J-rau nickt recht.' Sic nickte nur stuili'.?., und dann meinte sie säst glcichgiiltiz: „D-ie gute Mama hat al les so schön und lieb besorgt." (Fortsetzung folgt.) Frage: Wer nimmt die Kinder in acht, während vw Mutter stimmen geht? Antwort der Ft. Wayner Fr. Pr. Die Frau., die 11-mmcn vollen, sind zumeist nicht Mütter. 3