I Kul'lurgesichtliche Altertümer in deutschen Städten. E
Aus dem Nnuinbnrger Tom: Hrrmoii nnd Regelindis. Nack: einer Aus
nähme von Karl Becker, Naumburg, a. S.
Die Stifter im Tom zn Naumburg
a. d. S.
Von den Zlnnslwerkc'n des Nauin i
burger DomeS sind eS Mister dem,
Lettner besonders die lebensgrosten
Statuen der „Stifter", welche das all
gemeine Tumstinteresse erregen. Be
kanntlich sind vor einigen Jabren "o-
Pieu derselben in Gips durch den deut
scheu Ztaiser dem Bosloner Mnsenm
überwiesen morden. Diese alten Bilö
hauerwerke aus grauem Sandstein
wurden l 250 —70 unter dem fürst
lichen Bischof Dietrich 11. von einem
unbekannten Meister in solcher Voll
endung geschaffen, dast man geneigt
wor, ihre Entstehung in ein späteres
Zeitalter zn verlegen. Tie zwölf Stif
ter, Ahnen des Bischofs, (rin,der und
Förderer des Tvinbaues, sind mit de
Hauptträgern des AbendchoreS, der
zn gleiclwr Feit entstand, ans je einem
Blocke gehauen. Ter Bildhauer
(Steiiiuietziiieisler) schuf sie als ge
treues Abbild seiner Zeit. Unsere
Bilder zeigen Eckardt 11., genannt
der treue Eckardt und seine Gemahlin
Uta. mit einer ausfallend schönen
Hand, sowie seinen ihnen gegenüber-
Wh 8.
de N>nbrger Dom: Gräfin epa. —Nach einer Aufnahme von
Karl Becker, Naumburg, a. S.
stehenden, ältesten Bruder Hermann,
geboren 080. und seine fröhlich la
chende Regelindis. Tie ein
! zelne Gestalt stellt kstepa, Witwe Wil
hrlins von Eamburg vor. Etaivs sehr
ergreifendes liegt in ihrer Haltung,
in der Trauer und fromme Ergebung
wirksam in eins verschmolzen sind.
Ei gotisches Tesepult.
Mobiliar aus mittelalterlicher Feit
ist äuszerst selten. Sogar aus der spa
leren Gotik komme nur ab und an
wohlerhaltene Trnlirn.ckaslenschrünke,
Bettstellen nnd Sinmöbe! vor, die zu
meist aus Eichenholz in einfacher
Finimernimmslechnik hergestellt sind.
Berziernngen rübren von der Hand
des Schnittgers und des 'Schmiedes
her: die Schmiedeart>eit 'beschränkt
sich gewöhnlich ans Scharnierbänder
und Schloszschildrr. Ein viel gebrauch
tes mittelalterliches Möbelstück war
das Teiepnlt. Es diente als beguenie
Unterlage der meist grasten und schive
ren Bücher beim Tesen, wnrde aber
auch beim Abschreiben benutzt und
batte niitunter sogar de Fweck, als
Ausbetvahrmigsort für die wenigen
Der Deutsche Eorrcspondent. Baltimore, Md., Sonntag, den 14. Oktober 1017
MT
l G i,I! I ii! r - sl Alldeutsches Pntrizier-Wohnhaus, das Grolandbans, in Nürnberg.
Bücher zu dienen, welche in der Früh
zeit eine Bibliothek ausmachten. Von
der Merowingerzeit bis zum XIV.
Jahrhundert sind nur wenige Origi
nale erhalten das Tesepult der hl.
Radegunde in Poitieres gehört wnbr
scheinlich nicht der Merowingerzeit,
sondern dem X. Jahrhundert an —,
aber wir kennen verschiedene Jormen
von Tesepulten aus den Miniaturen,
welche die mittelalterlichen Hand
schriften zu schmücken pflegten. Im
ganzen treten zwei Formen aus, klei
nere für den Handgebrauch bestimmte,
leicht transportable und gröszere, ge
stühlähnliche. Tie letzteren wurden in
Eirchen und .Elöstern häufig, als die
kleineren ansingen bürgerliche Haus
möbel zu werden. In den fürstlichen
Jnventaren finden sich Beschreibungen
kostbarer Tesepulte von Ebenholz,
Elfenbein, Metall, seit dem XIV.
Jahrhundert : die noch erhaltenen mit-
Me-rg."
telalterlichen Eremplcire gehören meist
der Spätgotik an. Tie Abbildung gibt
ein grostes Tesepult nicht Betpult,
ivie dieses Möbel öfter fälschlich be
zeichnet wird) aus der Kirche zu Me
dulden im preise Tondern und befin
det sich jetzt im Museum zu Flens
burg. Saueriuann glaubt aus der
charakterhtischen Durchbildung der
Ornamente auf den Schleswiger Mei
ster Tütje Möller als Verfertiger
schlichen zu dürfen.
Ein Hamburger Schursrichterpfennig.
Zu den eigenartigsten Medaillen
gehören jedenfalls die als Hamburger
Scharfrichterpfennige bekannten, die
ihren Namen davon herleiten, das; die
Scharfrichter der altenHansaslädt ver
pflichtet waren, dem ältesten Gerichts.
Herrn der Stadt, auch „ersten Prä
tor" genannt, bei fernen! Ausschei
den aus dem Amt einen „silbernen
Pfennig" zu „verehren". Da nun das
Amt eines ersten Prätors jedes Jahr
wechselte, so sind noch eine ganz statt
liche Anzahl solcher Scharfrichter-
Pfennige erhalten, von denen die niei
sten, gegen hundert .in der Hainbur
ger .Eunstballe aufbewahrt sind. Sie
stammen aus dem 15., 10.. 17. und
18. Jahrhundert, die letzten aus dem
ersten Jahrzehnt des 10. Jahrhun-
dert-s, denn am 10. Dezember 1810
wurde Hamburgs Selbständigkeit
durch Napoleon aufgehoben, der es
dem französischen Reiche einverleibte.
Damit erlosch der alte Brauch, der
nach der Wiederherstellung der Selb
ständigkeit HainbnrgS nicht wieder
aufgenommen wnrde.
Die Scharfrichterpfennige waren
meist gegossen, seltener geprägt und
zeigen auf der einen Seite das Hain
burger Wappen, auf der anderen das
jenige des betreffenden Gerichtsherrn,
sowie eine darauf bezug habende, in
der Regel auf beide Seiten verteilte
Umschrift. In der Festschrift „Der
deutsche Herold" gibt der Nachkomme
eines solchen Gerichtsherrn, Timpsel,
die Abbildung eines Scharsrich
trrpfennigs, der seinem Vorfahr
verehrt wurde, die wir beiüehend wie
dergeben. Die Münze zeigt aus der ei
- neu Seit daS bekannte Hamburger
Wappen, auf der anderen dasjenige
der Familie Tiniplel, wie es am l-l.
Januar l 550 dein aus Negensburg
stammenden Schissmeisler Hans Tiin
pfel von Karl V. sür seine „getreiven,
willigen Dienste, so er . . . in viel
Wege ungespart seinS Teibs und Ver
mögens erzaigt nnd bewissen bat",
verliehen wurde. Bei dem damaligen
tiefen Stande der Heroldskunst ist
aber das Wappen rc'ckck ungenau wie
dergegeben. Die am beide Seiten ver
teilte Inschrift lautet:
„Neri- vimn "klNnvdlt Vtmpksl z.
17. U. tct. k. Zur! ci-lii!,! Ileftntllt
tus) WLn 177! llerleliUi
dbrr ru IZlriicvul-
Timpfel bemerkt zu dem Titel „Li
zentiat der Rechte", das; sich damals
viele Hamburger Juristen mit diesem
Titel begnügten und nicht den höhe
ren des „Doktors" ernxirben, uni da
durch die Möglichkeit einer Wahl zun
Senator zu behalten. Tenn nach der
vamburger Rangordnung jener Feit
folgten sich streng geschieden: Bürger
ineister, Doktoren, Senatoren, Tizen
tiaten sw. Ein zum Senator gewähl
ter Doktor hätte also um eine Rang
klasse herabsteigen müssen, während
ein Tizentiat bei seiner Wahl zum
Senator/ um eine lnnmusitieg und
dann bei der Ernennung zum Doktor
um eine weitere. Ten lebten über-
Haupt verehrten Scharsrichterpfeniiig
erhielt der Senator Johann Gerhard
Graepel im Jahre kt 10. denn in die
sein Jahre vernichtete Napoleon, wie
erwähnt, zunächst die Selbständigkeit
der alten Tansastadt.
Kuustnhren.
Wie daS Wort „Baum" die Vor
stellung von dem Nebeneinander der
Körper bezeichnet, so ist die Feit die
Vorstellung, nach der wir die Tinge,
wie sie nacheinander geschehen, ord
nen. Ans der Folge der Ereignisse bil
det die Vorstellung eine leihe und
nennt den Abstand zwischen zwei
Punkten derselben einen Feitranm.
Zeiträume werden zn mathematischen
Gränen, sobald man eine Einheit sin
det, mit der man sie messen kann. Eine
Vorrichtung, welche gleiche Feiträmne
anzeigt, heistt eine Uhr. Tie Aufein
anderfolge von Tag nnd Nacht, der
Wechsel tu n Ebbe und Flut, das Auf-
Hambnrgrr Scharfrichterpskiiuig.
und Niedersteigen der Sonne bilden
die Elemente der ersten groben Feilbe
slimmnng. Tie noch heute geltende
Einheit der bürgerlichen Feitheslim
niung. die Stunde und ihre seragesi
inale Teilung, sind eine Erfindung
der Bablilvnier. Tiefe haben auch die
ersten Uhren konstruiert, das Gnomon
und die Sonnenuhr, nnd wahrschein
lich auch die Sand- nnd die Wasser
uhr. Das Gnomon ist ein senkrechter
Stab, dessen Schattenlänge die Ab
schnitte des Tages bezeichnet: die
Sonnenuhr besiht einen schrägslehen
den Stift, dessen Schatten wie ein
Feiger einen Stundenkreis durchwan
dert: bei der Sanduhr markiert fal
lender Sand, bei der Wasseruhr
Klepsvdral tropfendes Wasser be
nimmt Zeitabschnitte. Wenn die Hem
heit der Berechnung, durch welche die
richtige Zeitangabe ermöglicht wird,
den Begriff der Kunstuhr wesentlich
ausmacht, dann brachte die Feit vom
IT. bis zum 18. Jahrhundert wahre
Meisterwerke tragbarer Sonnenuhren
hervor, deren Verslündnis gar man
cher Mathematiker heute noch vergeb
lich anstrebt.
Auch von wunderbaren Wasser
uhren berichtet die Geschichte. Vitrnv
beschreibt eine solche, die NesibuS von
Älerandrien (215 v. Ehr.) konstruiert
Ans dem Nnniuburgcr Tc: Eckart 11. nd seine Genial,il Uta. Bach
einer Aufnahme von .Karl 'Necker, Namnburg, a. S.
hatte. 2 Knaben standen neben einer
Scinle. Ans den, Inge des einen trau
feite Nasser, das sich in einem Kannt
sammelte nnd die zweite ans Kart
schwimmende Figur hob. Diese ab r
zeigte die Stunden des Tages, die in
schrägen Timen an der Tänle derart
markiert innren, dag der lleinsie Ab
stand dem kürzeste, ihr weitester dem
längsten Tage entsprach.
Eginhard erzählt Non einer Wasser
nhr, die Karl der roste Non Torun
al Raschid erhalten hatte: sie nun; eilt
mit Nädern versehenes, mechanisches
Meisterwerk gewesen sein. Das sal
lende Wasser löste goldene Ongeln,
die, in ein Becken Non Gold sollend,
die Slnnden nertündete, Ilm 12 lll.r
traten IT Bitter ane IT Tesfnnngen,
die während des Schlagens miteinag
der känipften nid dann abtraten.
Tente versteht man unter Uhren
schlechthin mir Rädernhren, Ter An
trieb besteht bei diese ans einem sät,
lenden Gewicht oder einer gespannten
Uder, da aber die Geschwindigkeit
beim sreien Fall zn nnd bei einer sich
abwickelnden Feder abnimmt, so mns;
zwischen die straft nnd das Baderwerl
eine Borrichtnng eingeschaltet werden,
welche die Bewegung gleichnamig
inacht. Alle Bestrebungen, genau ge
hende Uhren herzustellen, beruhen aus
l --- -—-
t Astrvutimische Nhr im Mnscum zn Kasirl.
der terfeiiirrimg der Hemmung. Dia
Feivichtsnhren ivnrden unis Jahr
>OOO ersnnden. Tie Regelung lvar
eine Balancierslange, die Wooge.
Im 10. Jahrhundert traten an vielem
Teten Schlaguhren aus. jede gröstere
Stadt mnstte nn ihrem Kirchturm eine
seicht l!abeni die Taschenuhren erfand
Teniein i Nürnberg >nn 1520, die
erste Pendelnde konstruierte Hupg-
Heus >00!. Hchon frühe begnügte
nnin sich nicht mit Stunden nnd Mi
nutenzeiger, sendern brachte Feiger
für die Mondzbasen, den scheinbaren
Tnns der Gestirne nstv. an Lolche
Uhren, die mein auch ei künstlerisches
Zensiere zeigen nnd hänsig allerhand
mechanische Spielereien treiben, hei
len im allgemeinen Kunstnhren. Es
selche van mächtiger (tröste
nnd andere für den Fimniergebranch
gebaute. Berühmt sind die Uhren ir
der ch.'arienkirche zn Tübeck nnd in'
Strastbnrger Münster: lenen nnd
Tuen bes-chen innnderbare Uhren: eie
nraltee ZinnNuerk befindet sich in de>
Nakionalbibliolhek zn Paris, kleiner
Enerke sind fasl in allen fürstlicher
Schlossern, in den meisten Mnsee:
nd in nieten gres'.en Sammlnngei
nerhanden. Ä'eist entslannnen jie den
IN. bis 18. Johrbnndert, geinäbnlilt
' INI !U>, >il'i !-r >.
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