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' - Donna Änez. ArrmZ Greller.i ! 15! -- (2. Fortsetzung.) ' Als ich am Abend mit Doktor Morelos allein am Teetisch saß, brach te ich deshalb ohne weiteres das Ge spräch auf den Bürgerkrieg und fragte ihn, ohne indes des Indianers oder des erlauschten Gespräches zu erwäh nen, ob zu besorgen sei, daß er sich hierher ausdehne. Nach einer gemessenen Pause ent gegnetc mir der Dokor: „Ich weist vom Kriege nichts und will nichts davon wissen. Daß der Weg nach Sanluan frei ist, von Aufständischen wenigstens, glaube ich annehmen zu dürfen." „So will ich morgen der Sennora danken und sie dringend bitten, mich hinwegzusenden." „Tur so." „Hoffentlich entgehe ich dann dem aufsteigenden Gewitter." Doktor Morelos entlockte seiner Zigarre eine Dampfwolke und sagte langsam: „Ich lebe auf del Vas seit zwanzig Jahren. Ter alte Padilla war mein Jugendfreund, und ich habe hier ein mir zusagendes Asyl gefun den. Es ist in dieser Zeit jetzt das dnltemal, daß sich die Bürger dieses Landes zerfleischen. Tie Ursachen des jetzigen Aufstandes kenne ich nicht ge nügend, denn ich halte mich ängstlich von jeder Politik fern, nur meinem Beruf lebend. Soviel weist ich, daß der Anführer der Aufständischen, Gc nerai Duero, ein Ehrenmann ist, und daß 'der verschollene verstorbene Padilla," verbesserte er sich, „ibm seine Teilnahme schenkte. Ob die Sennora sich ans die Seite einer der streitende Parteien neigt, ist mir nicht bekannt. Zu fürchten haben wir auf del Vas nur, daß eine der streitenden Parteien ooer auch beide hier gewaltsam Kämp ser rekrutierten und uns die Arbeiter mit Gewalt entreißen das ist frei lich schon schlimm genug." Auf welcher Seite sich die Sympa thien Sennora Padillas befanden, wußte ich bereits. Mir fiel in des Doktors Rede der ihm augenscheinlich cinschlüpfte Ausdruck „verschollene Padilla" aus, und ich fragte: „Ist der Tod des Sennor Padilla nicht festge stellt?" „Hm," entgegnete der Doktor mit einem Gesicht, dessen Ausdruck ernst und finster war. „Tot wird er sein, doch gesetzlich' festgestellt'ist sein Able ben nicht, da der Leichnam nicht gefun den worden ist." „Seltsam." "Nicht wahr? Und doch ist der kühne und geschickte Hernandez mit hundert seiner Mayas in den Wäldern gewe sen, ohne mehr als geringfügige Spu ren gefunden zu haben. Der Urwald ist wie der Ozean, er verschlingt seine Opfer." Von dem Verschwinden des Hazien den' wußte ich ja, wie auch, daß allge mein angenommen wurde, er sei von Panthern zerrissen worden; doch der Ton. in welchem der Doktor sprach, machte mich stutzen. Morelos fuhr fort: „Sucht morgen die Sennora auf und bittet sie, Euch hinwegzusenden. Wenn Ihr es nicht mit dem schwarzen Juan verdorben hastet, würde ich sagen, wendet Euch in diesen." „Er hat Einfluß bei seiner Her ein?" „Er ist ihre rechte Hand und ver steht wie keiner, die Schwarzen in Ordnung zu halten. Der Bursche ist klug, rücksichtslos, grausam und besitzt das unbegrenzte Zutrauen der Senno ra, die ihn von ihres Vaters Hause mitgebracht hat." „Schade, daß ich mich der Gunst Seiner schwarzen Herrlichkeit nicht er freue." Wir plauderten über gleichgültige Dinge weiter, bis es Zeit war, die La gerstatt aufzusuchen. Ich legte mich nieder, fand aber leinen Schlaf. Tie Hitze im Schlafgemach, die phantasti schen Gebilde, die ich nicht zu bannen vermochte, veranlaßten mich, anfziisie Heu. Ich kleidete mich an und trat hinaus in die Tropennacht, deren wunderbare Pracht auch die beste Schilderung nur schwach wiedergeben kann. Die Kühle tat mir wohl. Die zwei indianischen Arbeiter, welche in dem kleine?. Hause, welches ich bewohnte, hausten, schliefen längst, rings um mich her lag alles in tiefem Schweigen. Ich schlenderte ganz langsam den beim Sternenlicht schwach sichtbaren Pfad entlang und näherte mich so. während ich meine Gedanken zur fernen Heimat sandte, der Lagune, welche von der See her sich ins Land erstreckte. Nicht gering war nieine Ucberra schung. als ich Stimmen vom Wasser her vernahm, und ein metallisches Klingen, wie wenn Eisenteile sich be rühren. mein Ohr erreichte. Ich horchte einen Augenblick und ging dann vorsichtig weiter, bis ich den Wasserspiegel erblicken konnte. Ich sah vor mir einige Boote und wohl zwanzig und mehr Menschen, welche deren Fracht eilig ans Land schafften —es schienen Gewehre zu sein. Eine klangvolle, befehlende Stimme liest sich vernehmen, die ich schon ir gendwo gehört haben mustte, aber wo? Während ich auf dieses Nachtbild niebcrblickte, erhoben sich plötzlich vor mir zwei dunkle Gestalten. Gleichzeitig fühlte ich mich von hinten gefaßt und zu Boden gerissen, ehe ich auch nur den geringsten Versuch machen konnte Wi derstand zu leisten. Ich stieß unwill lu.rlich einen deutschen Fluch aus,hatte aver auch gleich darauf einige kräftige Hände an meiner Kehle, während mir die Arme festgehalten wurden. Auf einen in indianischer Sprach gemachten Zuruf wurde ich indessen ebenso rasch losgelassen, als ich er griffen worden war, und ich sah, mich erhebend, den Indianer Hernandez vor mir, der nun nachdrücklich sagte: „Kcinen Laut, Sennor, oder es kostet Euch das Leben." Ilm mich her stan den fünf bis sechs Männer in drohen der Haltung. „Hernandez !"klang es von den 800 ten her. Es war dieselbe Stimme, die ich zuerst vernommen hatte, und die mir bekannt vorkam. Der Indianer folgte dem Anruf und ging zum Was ser, lehrte aber bald nach einigen Wor ten, die er mit dem Manne dort ge wechselt hatte, zurück und sagte: „Es war ein Glück für Sie,Sennor, daß ich Ihren Ausruf Hörle, sonst würden Sie bereits eine Beute der Alligatoren sein." „Was bedeutet das?" fragte ich, so wohl erschreckt als erstant. „Sie sind hier zufällig Zeuge eines Aorgangs gewesen, der, wenn er be kannt würde,viel Menschenleven kosten würde. Sie sind fremd unter uns, haben lein Interesse an den Geschicken dieses Landes, und ich halte Sie für einen ehrenwerten Mann. Wollen Sic mir Ihr Wort geben, über das zu schweigen, was Sie hier gesehen haben, so bin ich zu unser aller Sicherheit genötigt. Sie festzuhalten und beim geringsten Laut zu töten." „Aber ich bitte Sie, Sennor .Her nandez, welches Interesse kann ich ha den, über das, was ich hier sehe, zu plaudern? Ich gebe Ihnen mein Wort, gegen jederinann z schweigen." „Gut, Sie werden es halten, denn ich weist: die Teutschen sind ehrlich. — Bleiben Sie noch kurze Zeit hier, ich will Sie nach Hause führen. Sie werden kaum den Rückweg bei dieser Dunkelheit finden." Ich blieb stehen, nd er ging zu den Booten zrück, leise mit einem dort sie henden Mann redend. Deutlich gewahrte ich jetzt, daß Waffen und Keine Fässer an Land ge schaffi und von Indianern hinwegge tragen wurden. Das geschah unter Schweigen mit großer Schnelligkeit. Die Träger verschwanden, die Boote fuhren ab, und ich befand mich mit dem Indianer allein. „Kommen Sie, Sennor." Ich ging mit ihm. Nach einer Weile sagte er: „Sic leihen Ihr Schweigen keiner unehrenhaften Sache, Sennor Alemano, nnd im schlimmsten Falle kann es Ihnen gleichgültig sein, für welche Partei die Gewehre bestimmt waren." „Gewiß," entgegnete ich, „auch habe ich leinen anderen Wunsch, als mög lichsi rasch del Bas zu verlassen." >„Nach dem, was wir beide heute nachmittag gehört haben, fürchte ich, daß Sie auf Schwierigkeiten in Be zug auf Ihre Abreise stoßen werden." „Wie?" fuhr ich ans. „Die Regierungstrupben kommen hierher, um Mannschaften auszuhe ben." „Und?" „Sie verfügen über eine stattliche Persönlichkeit; es wäre nicht undenk bar daß Sennor Areno in Ihnen ei nen brauchbaren Soldaten sähe." „In mir? Dem Ausländer?" „Sennor Alemano, Sie kennen dies Land nicht. Hier werden die Solda ten mit Gewalt ausgehoben, gebunden zm Regiment gebracht und mit Pisto lenschüssen in die Schlacht getrieben. Daß man mit einem an das Land ge schleuderten Seemann viele Umstände macken sollte, glaube ich nicht." „Mich? Mich? Einen Teutschen ge waltsam in euer Heer pressen?" „Leicht möglich." „Man würbe es wagen?" „Wagen? Diese Leute wagen noch anoeres." „So must ich fort." ..Beruhigen Sie sich; einstweilen ist noch keine Gefahr. Die Regierungs truppen werden so rasch nicht eintref fen. und dann erst beginnt die Aushe bung." Ter Gedanke, von diesen spanischen Räuberbanden mitges-?,leppt zu wer den, war sehr unerfreulicher Natur. Ter Indianer hatte mir vom ersten Augenblick an den Eindruck eines ehr- Der Teutsche Korrespondent, Baltimore, Md, Mittwoch, den 11. Avril 1!>I5! lichen Mannes gemacht, und ich nahm seine Warnung nicht leicht. Nach dem, was ich Heine gesehen und gehört hat te, stand er auf der Seile der Insur geitten. „Sennor Hernandez, sagte ich. „Sie werden begreifen, wie schrecklich es für mich sein würde, hier gewaltsam zu rückgebalten zu werden oder gar noch d-e Müssen führen zu müssen." „Begreife vollständig." „Raten Sie mir. Was beginne ich, um dem zu entgehen?" „Hm, Sennor, vor sechs, sieben Ta gen können keine Regierungstruppen hier eintreffen, wenn sie überhaupt komme bis dahin seien Sie nnbe sorgt. Kommen Truppen nun wir werden sehen. Doch, hier ist Ihr Haus, Sennor. Schlafen Sie wohl und Sie verstehen." Er verschwand im Tuntel, und ich suchte sorgenvoll mein Lager; es dauerte lange, ebe ich einschlief. Am anderen Morgen überdachte ich das gestern Gehörte. Als ich Doktor Morelos nicht fand er war schon irgendwo in seinem Beruf tätig machte ich mich schnell entschlossen nach dem Herrenhaus? auf den Weg. Auf der Veranda vor dem Haupteingang sah ich einige farbige Diener und Die nerinnen. unter ihnen die Schwester des Indianers Hernandez. Ich wandte mich an sie mit der Bitte, mich ihrer Herrin anzumelden. Ich käme, um mich für die mir er wieikne Teilnahme und Gastfreund swast zu bedanken. Das Mädchen ging und kam nach kurzer Frist zurück mit der Mitteilung, die Sennora er warte mich. Sie führte mich auf lan gem Wege, treuz und quer, zu dein mit Portieren verhangenen Eingang eines Zimmers des Erdgeschosses und liest mich eintreten. In einem Schaiikclstuhle lag, einge hüll! in ein leichtes, weißes Morgen gcwand, die schöne Frau, die ich ge stern im Wagen gesehen hatte. Das liebliche Antlitz von der Elfenbein färbe, wie sie vornehmen Spanierin nen eigen ist, war von einer Fülle der dunkelsten Locken umrahmt, und gro Be, schwarze Samtaugcn blickten neu aierig unter den schön geschwungenen Augenbrauen auf den blonden Germa nen, der vor ihr stand. Ich war von der südlichen Schön heit dieser Erscheinung aufs neue so hingerissen, daß sich das Gefühl der Bewunderung wohl recht lebhaft in meinem Gesicht widerspiegeln mußte. Erst einLäck cln auf den lieblichen Lip pen der Dame brachte mir meine Un geschicklichleit zum Bewußtsein, und ich verbeugte mich ehrerbietig. Wenn mich meine Eitelkeit nicht täuschte, so batte auch die Sennora den nordischen Hünen, der vor ihr stand, nicht ohne Wohlgefallen betrachtet. Ich mast sechs Fuß und durfte für einen hüb scheu Jungen gelten. „Was will der Herr Alemano von mir?" fragte Donna Inez in höflichem Ton, ohne ihre Stellung im mindesten zu verändern: leider war die Stimme nicht sehr wohlklingend, „Ich komme, Sennora. ein armer Schiffbrüchiger, um der Herrin dieser Hazienda Dank zu sagen für die Hilfe, die Gastfreundschaft, welche mir hier zuteil wurden." „Ich habe von Ihnen gehört, Sen nor, und nehme teil an Ihrem Schick sal." Das dunkle Auge weilte auf mir mit einem Ausdruck, den ich nicht zu enträtseln vermochte. Ich verneigte mich dankend und fügte hinzu: „Ich weile schon viel zu lange hier, Sennora, um meinen Gast freunden nicht lästig zu fallen, und ich Ware unendlich dankbar,wenn ick durch Ihre Güte möglichst bald die Hafen stadt erreichen könnte." Unter den gesenkten Lidern blitzten die dunllen Augensterne zu mir em por, daß es mir siedend Heist über den Nacken lief. „Sie sind Seemann?" „Ja, Sennora, Steuermann, Offi zier." „Wir lieben hier die Deutschen." fuhr sie fort, und ein neuer Glutülick traf meine gepanzerte Brust. Da ich nicht sprach, fuhr sie fort: „Wollte Ihr Schiff hier in der Nähe landen?" Die Frage klang' ganz harmlos,ver bunden aber mit dem, was ich wußte und gehört hatte, verstand ich deren Bedeutung ganz gut. auch mahnte mich der sie begleitende forschende Blick zur Vorsicht. „Nein, Sennora, wir waren auf der Fahrt nachTruxillo und wurden durch einen Oststurm an die Küste geschleu dert." Sie schien befriedigt. Die schönen Augen weilten auf mir mit einem Ausdruck, der mir unwillkürlich das Herz rascher schlagen machte. Sie streckte mir dann die kleine Hand ent gegen: „Helfen Sie mir empor." Ich ergriff die schön geformte Hand und half der Dame auf. Bon mittle rer Größe und zarten Formen war die Gestalt, deren anmutvoller Reiz erst jetzt zur vollen Geltung kam, nicht minder schön, als der so liebliche Kops, welcher jeden Bildhauer entzücken iUsttk, Wieder traf 'ich ein Strahl aus diesen blitzenden Augen, und sie sagte: „Warum eilen Sie so? Gefällt cs Ih neu bei uns nicht? Bleiben Sie noch einige Zeit mein Gast," Mir wurde bei diesem Blick siedend Heist, und ich vermochte die Einladung Mir mit einer leichten Berbcugiing zu erwidern, die sie wohl für Zustimmung halten mustte. Ans den frischen Lip pen erschien ein Lächeln, sie berührte mit ihrem Fächer leicht meinen Arm. „Das ist freundlich von Ihnen,Sen nor: wir müssen Ihnen erst die ganze Schönheit unseres Landes zeigen und Sie die volle Gastfreundschaft von del Bas erproben lassen." Sie ging mit der Grazie einer Hebe durch das Zimmer, liest sich ans einem schön aus Rohr geflochtenen Sofa nie der und denietc mit einladender Ge bärde auf den Platz neben ihr, „Wir leben einsam hier, Sennor," begann sie, nachdem ich mich neben sie gefetzt hatte, „und freuen ns der Gä stc, die uns ein günstiges Geschick zu führt. Wir werden Sie nicht so bald von uns lassen " „Gefällt Ihnen hier bei uns, Sennor?" Ich wollte mit einer Artigkeit ant worten, als sich brausten im Korridor eine rauhe Stimme hören liest. „Führe mich zur Sennora." Eeniwra Padilla schnellte vom Sofa empor,und bas anmutige Gesicht zeigte einen selts-ven Ausdruck, der aus Furcht and Widerwillen zusain me igesetzl war, ja die zviammengezo genci Braue g.bca :en: Anltttz einen wilden Ausdruck. Die junge Jndia ncrin, die Schw-stec des Maya, trat ein und weidete: „Senner Areno." Mit einer nuaeheareu Scmulligkcii nahmen die Züge der Gebiettrin von del VaS den früheren ruhig - lieblichen Ebaralier müder an. „Sennor Areno ist willkommen." Ich hatte mich gleichfalls erhoben. Sennora Inez reichte mir die Hand, lächelte und sagte: „Betrachten Sie del Bas als Ihr Eigentum, Sennor, und bereiten Sie mir die Freude, Sie bald wiederzusehen." Ein Druck der klei nen, weichen Hand verabschiedete mich vielverheistend. Als ich mich zum Gehen wandte, trat ein großer, breitschultriger Mann ins Zimmer, der die bequeme Tracht der Pflanzer trug. Es war der Herr, den ich mit dem Neger verhandeln ge hört hatte. Er warf einen befremdeten Blick auf mich lind begrüßte dann die Dame. Ich ging hinaus und hörte noch,wie Sennor Areno fragte: „Was ist denn das für ein fremd artiges Gewächs?" Auf dem Korridor fand ich nie mand, der mich in dem sehr weitläufig angelegten Gebäude zurechtgewiesen hätte, und beim Hereinkommen war ich meiner Führerin gefolgt, ohne auf die Windungen zu achten, welche der Weg machte. Ich verlor mich in den sich durch kreuzenden, dunkel gehaltenen Gängen, wandte mich mehrmals zurück, als ich statt des gesuchten Ausganges die Wand fand, und sah endlich, um eine Ecke des Ganges biegend, eine dunkle Portiere vor mir. Ich entsann mich, mehrere dergleichen auf dem Wege zur Sennora gesehen zu haben, schlug sie auseinander und blickte, statt auf die Verlängerung des Korridors, in ein Zimmer, Ein leiser Schreckensruf traf mein Ohr, und an einer ebenfalls mit dichter Portiere verhängten Tür erhob sich blitzschnell die junge India nerin, die Schwester des Hernandez vom Boden. Gleich einer Kaye hatte sie an dem Tnreingang lauernd gelegen. Jetzt sh.nd sie vor mir und sah mich angst voll an. Sie batte augenscheinlich ge lauscht, den aiis dem Nebenraume drangen die durch den Vorhang nur wenig gedämpsien Stimmen der Sen nora Inez nnd ihres Besuchers. Ich beruhigte das erschreckte Mäd chen durch cine Gebärde und winkte ihr. zu mir zu kommen. Sie nahte zitternd. „Führe mich hinaus: ich kann den Weg nicht fin den," sagte ich 'eise. Gehorsam ging sie vor mir her, nnd bald sah ich den Ausgang. Hier sagte sie mit bitten dem Tone: „Tage nicht, Herr, wo du iniw gefunden, oder ich werde geschla gen." „An den Türen horchen ist freilich nicht sehr schön, Sennora, über ick: werd: Euch nicht verraten: mich küm mern Eure häuslichen Angelegenheiten nick!." Damit schritt ich zum Hau'e hinaus. Now wirbelten mir die Sinne von mei nem Besuch bei der Sennora. Diese dieser Händedruck? Hatte ich ei ne Eroberung gemacht? Da fiel mir Plötzlich die Warnung des Doliors ein, mich nicht betören zu lassen. Welch ein ausdrucksvolles Ge sicht sie hatte! Dcr finstere Zorn, der einen Augenblick auf dic'en schönen iZiig-m lagerte, als der Pflanzer ange meldet wurve, die Kraft, ihn zu be zwingen und unter lievcnswürdiger Miene zu verbergen, das war bewiin ernswert. Ich hatte wo',' von der g'ijcken gelesen, aber Aehniickes noch nicht gesehen. Und diese kleine Indianerin be lauschte ihre Herrin? Ah bah! Die .Kammerzofen horchen überall, warum sollten sie in Nikaragua anders aeartet sein? Ans schleunige Hiilwegsendnng war wohl leine Aussicht nach der an mich ergangenen Einladung, wenn ich nicht ebe dringend darauf bestand,und ich war jetzt ganz geneigt, noch ei nige Zeit ans del Pas zu bleiben. Tie nächsten acht Tage vergingen mir sehr rasch. Ich war häustg Gast der Sennora Inez, und sie war so lie benswiirdig gegen mich, als man nur sein lonie, und ich glaube, wir waren beide schrecklich verlieb! ineinander. Der Sennor Areno genannte Pflanzer hatte sich wieder von del Pas entfernt, und bis ans einen jungen Mann, der für einige Stunden in der Hazienda erschien und von deren Herrin empfan gen wurde es war ein Sennor Val dez, ein Vetter ihres verstorbenen Man es, wie mir Inez später sagte war kein Fremder erschienen. Ich hatte den jugendlichen Herrn nur vorüberreiien sehe: er war ei schöner und vornehm aussehender Mann. Ich kann nicht leugnen, daß ich eine Anwandlung von Eifersucht verspürte, als ich von seiner Anwesenheit und ei er längeren, vertraulichen Unierre düng zwischen ihm nnd dcr Sennora erfuhr, welche verstärkt wurde durch ei ne merkliche Kälte, mit welcher mir Inez, als ich ain Abend wieder zu ihr lam, begegnete. Diese Anwandlung von Eifersucht wirkte noch am anderen Morgen so ach, daß ich beschloß, den schon früher in Aussicht genommenen laadausflng mit dem Indianer Her nandez zu machen, um meine lannen hafte Gebieterin für ihre Kälte durch meine Abwesenheit etwas zu bestrasen. Ich hatte den Maya, der sich hier und da in der Hazienda blicken liest, wieder holt gebeten, mich einmal mit in die Wälder zu nehmen, doch war ich, in der Donna Inez Fesseln schmachtend, nicht dazu gekommen. Jetzt sollte es gesche he. Die Jagdgeräic des Sennor Pa dilla standen mir zur Verfügung. Ich wählte eine schön gearbeitete Büchse, cin langes spanisches Messer, Sennor Morelos versah mich mit einem leder en lagdhemd und langen Gamaschen, und noch vor Sonnenaufgang trable ich am anderen Morgen mit dem Maya den Wäldern zu. Nach mir einundhalbstündiqeni Rill aus unseren Maultieren mustien wir diese verlassen, übergaben sie der Ob hut eines einsam im Walde bansenden Indianers nd stiegen dann in den Bcrgwald hinein. Ans engen Pfaden, umgeben vom schweigenden Urwald, fliegen wir aus wärls. Wir mochten etwa zwei gute Stunden Weges zurückgelegt haben,als ich zu meinem Erstaunen cin umfang reiches, aus schwere Sieincn aiisge suhries Manerwerk vor mir sah, wel ches, obgleich überwuchert von tropi scher Vegetation, einen überraschenden und imponierenden Eindruck machte. Ich hielt iiine nnd fragte: „Was ist denn das, Hernandez?" Ernst entgegnete der Indianer: „Ein Tempel, in welchem meine Vorfahren viele Jahrhunderte lang zu ihren Göt lern beteten, che die Spanier uns mit ihrer Anwesenheit beglückten. Wie die ser Tempel, liegt mein Volk in Tritt mein." Ich gewahrte nicht ohne Verwunde rung, wie massiv diese Mauern waren nnd welche Bodensläche sie b,'deckten. Ihre Höhe überstieg nicht die eines stattlichen Stockwertes. Da diese Ueberreste ans alter In dianerzeii mir lebhaftes Interesse ab nötigten, und ich außerdem nach an strengendem Marsche der Ruhe be durfte, schlug ich vor, hier ein wenig zu rasten. Hernandez willigte, wenn auch anscheinend nicht gern, ein, und ich liest mich auf einer Treppe, deren Sinsen z einem breiten Eingang ein porfübrten, nieder, während er sich da vor im Grase einen Ruheplatz wählte. Seine Haltung erklärend, sagte er: „Lächelt nicht, wenn Ihr mich nicht ganz frei von dem Aberglauben meiner Siaiiimcsg-nossen findet Die meisten von uns sehen in dem Werte unserer Vorfahren nur ein- von bösen Geistern bewohnte Stätte, die sic ängstlich mei den. Aber auch die meines Volke welche iio-b Uebettieserungen der Vor zeit gewahren glauben, da- Betreten, sa selbst die Berührung dieser Triim mcr bringe Unbeil. Mit noch tieferer Scheu betrachten die Neger diesen Ort." Das Bauwerk, ausgeführt aus gra sten Sandsieinblöcken, überwu chert von Pflanzen und Sträuchern, machte hier, inmitten des schweigende l Urwaldes, einen seltsamen, geheimnis vollen Eindruck. Das Portal vor uns, welches de Einblick in das in grünli chem Halblicht schimmernde Innere gewährte, war aus gewaltige Qua dern errichtet und mit Bildwerken und Ornamenten geziert, welibe, in halber habener Arbeit ausgeführt, sich noch wohlerhalten zeigten. „Kennt man auch die Erbauer dieses Tempels, Hernandez?" fragte ich den Indianer. „Meine von den Eroberern hinge schlachteten Vorfahren errichteten dies Gebäude." „)lnd welches Alter mistt inan ihm zu?" „Es must viele Jahrhunderte alr sein und hat, wie Sie sehen, trotzig so wohl dem Urwald wie dem Wetter roi Verstanden. Es ist nicht vereinzelt im Lande. Sie finden ähnliche Bauten noch hier und da in den Mälvern. Wäre ich gelehrter, als ich bin, würde ich mich mehr mit der Geschichte meiner Vorfahren und dieser Ueberreste be schäftigt haben. Nur einige wenig glaubigte Sagen geben noch unte den Leuten meiner Farbe über das, -das einst war, im geheimen umher. „Würde cs Ihnen zuwider fei, wenn ich das Innere beträte, Herr.an dez?" „Gehen Sie," sag e er lächelnd. „Ih ne werden die Geister der alte Ma paS nichts anhaben, mir aber verzeihen Eie, wenn ich nicht Ihr Führer bin. ich will nicht Unheil auf unsere Pfad locken." Ich erhob mich und betrat den Ein gang. Auf festgefügten Steinfliescn, welche deutlich halberhaben gearbeitet Schildkröten erkennen liessen, ruhte hier mein Just. Wohl zwanzig Schritte hatte ich zwischen de Mauern zu gehen, che ich einen grasten vierecti gen Naum betrat, welcher ringsum türähnliche Oeffnungen im starken Mauerwerk zeigte, ans denen mich ge heimnisvolles Dunkel anstarrte, ein Beweis, dass über jenen Seitengemä chern, denn als solche waren sie zu er kennen, noch das Dach ruhen mustte. Der Raum, in welchem ich mich befand, hatte nur den Himmel zur Decke, und Pflanzen, selbst starke Bäume, schossen um mich empor. Buschwerk krönte das Mauerwerk ringsum, und dar über hin sah man die Gipfel der Ba.imriesen ragen. Eine feierliche, selbst beängstigende Stille herrschte in diesen Ruinen. Ich schritt durch den Hof nach einem Eingang zu, der dem, durch welchen ich gekommen, gegenüber lag. Er führte, wie der erste, durch eine dicke Mauer. Farbige Bildwerke deckten seine Wän de, Menschen und Tiere in wunder!i eben Formen darstellend, einigermastcn den Schöpfungen des alten Aegyptens ähnlich. Ich warf nur einen flüchtigen Blick darauf und ging weiter. Ich kam in einen kleineren Hof oder Saalraum, der ebenfalls, wie der gröstere, unbe deckt war. Mir gegenüber sah ich hier ein pp ramidenartigeS, in sich verjüngenden Staffeln sich erbebendes Gebäude, wel ches hoch emporragte Auch in diesem Raume erhoben sich einzelne Bäume, wucherte Gestrüpp empor, und wie vor her zeigten sich ringsum Türöffnungen in den Wänden. Inmitten des Hofes rieselte ein klarer Quell. Nach einigen Schritten c.rE Pp ramide zu stand ich vor einer Oeifnung am Boden, von welcher eine Treppe tief hinabführte. Moos. Pflanzen, Sträu cher auch liier. Die breiten Stufen verloren sich unter einem schweren Stcingebälk, welches eine aufrechtste hende Mauer trug. Dunkel gähnte mich die Oesfniing unten an. welche in die Unterwelt zu führen schien. Die Sonne schien durch die Bäume, warf phantastische Schatten auf dar Mauerwcrk und beleuchtete die öden traurigen Ueberreste einer versunkenen fremden Welt. Während ich langsam so umherging und mir im Geiste dien Trümmer in ibrcr ursprünglichen Ge stakt herzustellen suchte, berührte plöh sich ein Laut mein Ohr, der fält einen tief aus schmerzbcwegtcr Menschen brusi kommenden Stöhnen oder Senf zcn glich. Ich schrak b-ttjq zusammen. „Was war das?" Scheu blickt? ich mich uni. Schwebten die Geister der erschlagenen Eingeborenen noch um diese Stätte? Ein ttveiter Laut, dem ersten gleich an schmerzlichem Ausdruck, doch schwä cher, iinterbr'ch die tiee Stille. Hatto 'mich der Indianer mit seiner aocrgläu bischen Furcht angesteckt' Es lief mir --iskalt über den Leib, und iu einem ! Gefühle weht ; bezwingenden. Entt'ei ! zens wandte ich mich und lief dem Ein gänge zu. Hernandez. der mit so ängstlicher Scheu den Tempel gemieden hatte, hörte mich kommen und stand vor den Stufen, als ich ins Freie trat. Ich mußte wohl den Ausdruck des Schrek kens auf dem Gesicht tragen, denn be sorgt fragte er rasch: „WaS gibt's, Sennor? Was ist geschehen?" Ich bedurfte einiger Augenblicke, ehe ich ihm gesammelt erzählen lomtte.was mich so jäh aus den Trümmern ver scheucht hatte. Er hörte ernst nnd auf merksam zu, dann sagte er: „ES ist nicht das erstemal, daß solche Töne den Besucher hier erschrecken. Meine Landsleute glauben, es seien die an den Mauern widerhallenden Seufzer unse rer ermordeten Vorfahren." Ich hatte den jähen Schreck, den mir die Töne, welche einem menschlichen Klagelaute so ähnlich waren, hervorge rufen hatten, überwunden, und begann mich meiner abergläubischen Furcht zu schämen, „Wie ein Kind habe ich mich benommen, Hernandez, und bin davon gelaufen, statt dem Ursprünge des Ge räusches ans den Grund zu gehen." „Wo kamen die Töne her?" Ich besann mich und konnte wirklich nicht sagen, so hatte mich der seltsame Laut erschreckt, ob er von unten, von der Seite oder aus den Lüsten herab gekommen war. „Es ist das bange Todesstöhnen der sterbenden Mayas; solange diese Mauern stehen, wird es sich hören las sen." Mein gesunder Menschenverstand lehnte sich dagegen auf. hier übernatür liche Ursachen anzunehmen, und ich fragte: „Ist es möglich, Hernandez,daß Menschen in diesen Trümmern wei len?" „Niemand wagt es, diesen Tems-el z betreten, die wenigen meines ucmen Volkes ansgenommen, welche noch Er innerungen an den Glaub- unserer Välcr bewahren. Aber dch-se kommen mir am Neiijahrstag, hr nach ihrer Zeitrechnung dem KriegSgott geheilig war, im tiefstenGeheimiiis hier zusam men, um zu den alten zu be te. Den übrigen Aeil des Jahres iiieiden auch sie diese Ltätie als einen unqlückbringenden OrtL In diese Zu sammenkünfte sind cniMr denen, weU che daran teilnehmeiM wenige rote Männer nngndrMl Mbr kommet' wohl nie hierher." / Dem Indianer, der Npohl mehr un ter den abergläubischen! Vorstellungen seines Volkes stand, ciis er zugeben mochte, schien ein längerer Aufenthalt an der Ruine unbehaglich zu sein, und er sagte: „Es ist müßig, Sennor, über den Ursprung des Tones, den Ihr ge hört habt, zu streiten, vielleicht läßt er sich auf ganz natürliche Weise erklären. Wenn es Euch beliebt, wollen wir auf brechen." Ich stimmie zu, und wir schritten in den Wald hinein. Der Aerger über mein wenig männliches Benehmen wollte mich noch nicht verlassen, und ich schwieg eine Weile verdrossen. Weder Wild, noch auch nur eine Fährte hatte sich uns bis jetzt gezeigt, und der Marsch war sehr anstrengend. Plötzlich warf sich der vor mir herge hende Hernandez zu Boden und winkte mir mit der Hand, ein Gleiches zu tun. Ich gehorchte und sah mich aufmerk sam um. spannte auch zugleich den Hahn meiner Büchse. Mein Auge er faßte eine Bewegung der Zweige vor mir, und, den Blick schärfend, sah ich einen Indianer, der eine Last trugmuer iiöer unseren Weg schreiten. Andere folgten, und ich zählte über dreißig schwerbeladene Männer, welche lautlos an uns vorüberschritten. Als ich mich de.nn nach meinem Begleiter umsah, war der verschwunden. Ich harrte schweigend und geduldig eine gute Weile auf seine Wiederkehr. Ei leichter Schritt in meiner Nähe mochte mich aufschauen. Die Büsche teilten sich, statt des erwarteten Mayas stand ein Man vor mir, der. sowie er mich erschaute, die Büchse, die er trug, an die Wange riß, so daß ich, jählings überrascht, -mit höchst unangenehmer Empfindung in deren Mündung hin einsah, Ehe ich nur eine Bewegung . naclicn konnte, setzte der Mann die Paffe indessen ab, und ich erkannte zu einem grenzenlosen Erstaunen in Wm den meritanischen Matrosen oder Tssizicr vom „Albatros", der uns den Untergang bereitet hatte. Mein Gesicht mochte hiernach wohl einen finsteren Ausdruck angenommen b'ben. denn der Mann saczte: „Mein Anblick ruft Euch trübe Erinnerungen zurück, Sennor glaubt, sie sind auch für mich traurig genug. Ich hatte im In teresse meines Vaterlandes gehandelt und tonnte weder den Sturm vorher sehcn, noch dos Riff vermeiden, an dem wir zerschellten. Ich bellage die Op fer dieser Katastrophe, wie Ihr aber seht, hat Gott mich noch zu anderen Dingen bestimmt und mich wie Euch aus der stürmenden See errettet." (Fortsetzung folgt.) j 3