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Jndiana Tribüne, Sonntag, II. September 1900. Tie schone Mama. ! Ecn Cbella Liegen. Frau Elisabeth stand in ihrem An Zleidezimmer bor dem großen dreithei . ligen Spiegel. Dreifach konnte sie sich sehen, vom Kozf bisu den Füßen, die ganze herrliche Erscheinung, und sie be trachtete sich von allen Seiten. Sie war fertig geschmückt zum Wall und sie war zufrieden. Sie .hatte Grund dazu, wie sie sich da sah. Ein SiegZlächeln schimmerte auf dem erregten Gesicht und hauchte den Glanz der Jugend über die reifen, ausdrucksvollen Züge. Ja. sie war noch immer die Ball königin von einst das sollte ihr nur ine nachmachen nach achtzehnjähriger Ehe und ihren vier Kindern! Wie alt war sie eigentlich? Sie gehörte zu den besseren Rasse frauen, die kein Alter haben. Ihre Haut war glatt und weiß; die Augen schimmerten in feurigem Glanz sie hatten wenig geweint. Das aschblonde Haar, hochaufgethürmt, wohlgepflegt und kunstvoll frisirt, schien noch üppig und weich. Das elektrische Licht ergoß sich blen dend üb die hohe, schlanke Erschei uung. Ein fast königliches Kleid aus gli hernden Silbnpailletten Tieselie an ihr nieder, leuchtete und funkelte wie ein Slrom in d'i Frühlingssonne und umwogte die stolzen Formen der schö 7ien Frau. Ein tiefer, viereckiger Aus schnitt gab die prachtvolle Büste frei. Hals und Nacken schimmerten wie feuchter Marmor aus dem Pailletten--geriesel hervor. Ja, sie verstand es, aus sich etwas zu machen, die schöne Frau Elisabeth, und sie hatte es nicht schwer, getragen von Reichthum und gutem Geschmack. Für die Pflege ihres Körpers war Zhr nichts zu theuer, und seit sie zum Bewußtheit ihrer Schönheit gekommen war, hatte sie sie gehegt wie eine Kost barkeit so hatte sie sich frisch erhal ten. trotz ihrer sicbenunddreißig Jahre. Sie läckilte in den Spiegel hinein. Nxidete.sich an ihrer Schönheit und kostete sie mit jenem tiefen Behagen, rnit dem man im Herbst die letztcn war inen Strahlen der sinkenden Sonne ge uießt. . Sie freute sich über die bewundern den Blicke der Modistin und der Kam nerfrau, die ihr hilfreich zur Seite standen, trotzdem sie an ganz andere Erfolge gewöhnt war. Run noch die Blumen, gnädige Frau!" r Ja, die Blumen!" Da lagen sie auf dem Tisch verstreut in allen Farben, wahre Kunststücke der Nachahmung. Da waren Rosen, üppige, leuchtende 'Rosen in großen Büscheln und dunklö. breznendrothe und hllrosa mattschimmtnde, weiße und gelbe m buntem Gewlrr durchem- ander. Aucd Orchideen lacen da m phantastischenFokmen und Farben. Und dunkle, blaue Veilchen und weiße Lilien und zarte, zitternde Nelken. Auch eine gelbe, grelle Sonnenblume wiegte sich auf schwankem Stengel her cusfordernd. Die Wahl war schwierig. Bei jeder Blume, die sie gegen die weiße Büste hielt, entfuhr ein Ah" der Bewunderung den beiden Frauen die Wahl war wirklich fchwer. Tie Modistin hielt ihr einen Strauß von rosa Nelken hin. ganz blaß, von zartem Grün umgittert; sie drückte ihn gegen den Ausschnitt, dann lächelte sie kokett: Nrin! Sie vergessen, daß ich eine siebzehnjährige Tochter zum Ball führe!" Das war nichts mehr für sie, diese blassen Blüthen aber dort, jener Büschel wogender Sommerrosen, die dunkelbrennenden, rothen, mit dem saftigen. Grün die wollte sie wäh len. Mit schnellem Griff preßte sie die Rosen gegen die Ärust, nestelte an dem Strauß und ruckte ihn hin und her. dann saß er. Er schmiegte sich gegen Vit weiße Haut und zitterte leise bei dem wogenden Athem, dem heißen, feuchten Athem des Sommers, der von diese? berauschenden Schönheit aus strömte.' Und sie lächelte in den Spiegel hin m glücklich und siegessicher. Sie sah die neiderfüllten Blicke der Freundinnen, sie hörte das zischelnde, vernichtende ,Noch immer", wenn sie mit den jüngskn Tanzeren vorbei rauschte aber sie lallte, denn dies alles erhöhte nur den Triumph. Es klopfte. Frau Elisabeth wurde aus ihrem kleinen, boshaften Traum gerissen; ein junges Kammerkätzchen erschien in der Thür. Das gnädige Fräulem wäre fertig und lasse du; gnädige Frau bit ien. die Blumen zu wählen". Ach ja, das KwdZ Sie riß sich vom Spiegel los und begann wieder in den verstreuten Blumen zu wühlen. Was sollie man für das Kind neh men? Das Kind" war siebzehn Jahre alt und sollte zum erstenmal auf einen richtigen großen Ball. Es hatte sich so gemacht und war nicht zu umgehen, trotzdem es eigentlich noch zu früh war. Es , sollte eme Art Familienfeier !m großen Stil stattfinden' alle warm dabei, und da konnte man die älteste Tochter nicht recht ausschließen. Sie wählte eine hälberblühte La France, die sich wie thaufrisch auf dem Stengel wiegte und überreichte sie dem wartenden Mädchen. Die Kleine der schwand. ' . ... Nach einigen Minuten erschien die aufgegossene Gestalt verjüngen Toch ter in Portiere. Wie eine duftige Wolke schwebte sie herein, ganz in h ßem Tüll, wie frischgefallener Schnee. Mama, willst du mir nicht die Rose anstecken? Ich weiß doch nicht, wohin damit!" Sie trippelte behutsam, als fürchte sie. sich zu bewegen, auf die Mutter zu ilnd hielj ihr die Role hin, .... Sie riß die Augen auf. O Mama wie bist du schön!" Die Mutter lächelt geschmeichelt. Die Tochter war wohl gewöhnt, ihre Mama so zu sehen, ihre schöne Mama aber heute war es doch anders. Und sie stand in Sinnen versunken und starrte die Mutter an und mit einem Mal war ihr, als könnte sie sich nicht mehr auf den Ball so recht freuen. Wie ein Schatten glitt es über die frohe, erwartungsvolle Stimmung. Warum nur? . Schweigend standen beide und maßen sich mit den Blicken. Die Mut ter ließ die ihren kritisch über die hoch aufgeschossene Gestalt der Tochter glei ten und musterte ihre Toilette. Dann zupfte sie und zerrte hier und da, rich tete an dem Kleid und nestelte an der Frisur sie war nicht zufrieden. Das war alles nicht an seinem Platz, das sah alles so unfertig aus. so gezwun gen. Lag das an der Schneiderin, an dem Friseur oder lag es an dem langen, schmalen Geschöpf mit der schlechten Haltung? Wie ein gerupftes Vögelchen nahm es sich in dem schneeigen Aallstaat aus. Das war nicht die Tochter der schönen Frau Elisabeth! Nach langem Zögern befestigte sie die Rose an dem Gürtel der Tochter. Das große Mädchen hatte stumm ge standen und ließ die Mutter an sich herumzupfen, dann fagte sie mit hal bem, wehmüthigem Lächeln: Um sonst, Mutter! Dein kleines, graues Entlein wird nicht schöner!" Die Mutter blickte auf. betroffen von dem zuckenden Ton in der Stimme. Sie lächelte ermuthigend aber es gab ihr einen Stich in's Herz. Ihr geliebtes, graues Entlein, ihr Sorgen kind es war nicht schön, nicht ein mal passabel zu nennen. Das sah man jetzt erst recht, da man es herausgeputzt hatte keine Kunst und keine schönen Kleider konnten helfen. Was nützte da der Reichthum! Frau Elisabeth seufzte. Die Thür wurde aufgerissen, und zwei Halbwüchslinge stürmten in's Zimmer. Papa läßt fragen, ob die Weiber fertig sind der Wagen war tet!" Der Junge pflanzte sich vor der Mutter auf. das Mädel trippelte be wundernd um sie herum Bist du schön. Mama!" Mademoiselle steckte den Kopf her ein: 1'eut-on entrer?" Dann stand auch sie und bewunderte. Das Zimmer war voll Menschen, die Kammerfrau ordnete an der Schkppe und machte sich zu schaffen. Die Mo distin kramte in ihren Blumen und verabschiedete sich unter Complimenten. Viel Vergnügen" und Gnädige Frau werden gewiß wieder die Schönste sein!" Der Junge hatte gaffend dagestan den. Mit einem Mal sprang er. wie eine Katze, der Mutter hinterrücks an den Hals und drückte ihr einen schma tzenden Kuß auf den Nacken. Alle lachten. , Frau Elisabeth wehrte sich, halb im Aerger. Der Gatte erschien, ein hoher Fünf ziger in ergrauten Haaren. Seid ihr bald so weit?" Dann blieb er stehen. Donnerwet ter!" Das war alles, was er hervor brachte. Sie blickte ihn strahlend in's Gesicht und streckte ihm lächelnd, glück lich über das Compliment, die Hand entgegen. Er beugte sich über die Hand und küßte sie. Dann wandte er sich an die Kinder: Na. was sagt ihr nur zu unserer schönen Mama? Die kann sich sehen lassen was?" Er war stolz und zufrieden. Aber es war Zeit, aufzubrechen. Frau Elisabeth raschelte nervös mit der Schleppe hin und her. die sich wie eine glitzernde Schlange über den Tep pich wälzte. Nun noch dcnFächer und die Hand schuh!" Die Kammerfrau hielt die Hand schuhe bereit. Mademoiselle reichte den kostbaren Pailettenfächer hin. Wo steckt denn mein großes Mfl del?" Der Vater blickte sich suchend nach ihr um. Ja. Kind, wo bist du denn? Komm, laß dich doch auch bewundern!" Sie zerrte ungeduldig die Hand schuhe über die Finger. Das Mädchen hatte sich in eine Ecke gedrückt; sie stand gegen die Wand ge lehnt, die Augenbrauen zusammenge zogen, mit herabhängenden Mundwin keln und nestelte nn ihrem Fächer. Keiner hatte sie bis dahm bemerkt und es war doch ihr erster Ball! Sie fuhr auf, als man sie rief, löste sich langsam aus ihrer Stellung und trat einen Schritt vor. Alle Blicke waren voll Negier auf sie gerichtet. Ballsieber?" fragte der Vater und tätschelte den nackten Arm. .Nein. Papa!" Sie sagte es leise, während die Unterlippe zitterte. Die Geschwister drängten sich heran. Frierst du nicht?" fragte der Junge naseweis und zeigte auf die nackten, rothen Arme. Sie sah wirklich wie erfroren aus. wie eine Weiße Blüihe, frostdurch schauert, und krümmte sich unter de kritischen Blicken. Steif und stumm stand sie da, beinahe wie ein eigensinni es Kind, sie fühlie, wie die Blicke der Anwesenden vergleichend hinüber und herüber glitten. Die Mutter sah sie forschend an. Ihre Blicke trafen sich. Etwas Trotzt es. Häßliches blitzte in den Kinder äugen auf. Alle standen und schwie gen. Was Ungemüthliches lag in der Luft. Der Vater machte der stummen Scene ein Ende. Es ist Zeit, wenn ihr noch zum ersten Walzer kommen wollt!" Die Kammerfrau hielt den kostbaren Abendmantel , hin. Frau Elisabeth war im Segziff. sich in den Müel zu hüllen; sie ließ ihn aber plötzlich von der Schulter gleiten. Aber Kind, was hast du?" Die Tochter stand mitten im Zim mer, die Hände vor's Gesicht gedrückt sie weinte. Ich will nicht auf den Ball, ich möchte zu Hause bleiben. Bitte, Mama, bitte bitte!" Sie bat wie ein eigensinniges Kind. Alle blickten sie überrascht an. Was war das? Ein Schatten glitt über da? Gesicht der Mutter, die strahlende Heiterkeit war verschwunden und das glückliche Lächeln der Ballkönigin. Sie zog die Stirn in Falten, die Stimme klang hart und streng: Was hast du so mit einem Mal?" Das Mädchen weinte, ohne sich um die Anwesenden zu kümmern, ohne auf diese Frage zu achten. Das war doch stark. Frau Elisabeth trat einen Schritt auf sie zu, sie wurde nervös. Warum weist du?" Wieder folgte eine Pause. Die Kin der schwiegen und sahen neugierig die große, weinende Schwester an. Ballfieber", scherzte der Vater gut müthig, das wird vergehen!" Wenn es nur Ballfieber wäre, aber die Mutter ahnte etwas anderes. Sie änderte den strengen Ton; die Scene fing an, peinlich zu werden. Aber Kind. o sage mir doch, was dich so plötzlich zum Weinen bringt?" Das Mädchen stand, ohne den Blick zu erheben, und zupfte an dem durch näßten Spitzentüchlein. Ich weiß es nicht, Mama! Ich weiß nicht!" schluchzte sie. Aber Mama wußte. Ein plötzliches Verständniß dämmerte in' ihr auf. Mit einem Wink entfernte sie die An wesenden. Alle verließen schweigend das Zimmer, Mutter und Tochter blie ben allein. Es wurde ganz still im Zimmer, man hörte das unterdrückte Schluchzen der Weinenden, sie stand, den Blond köpf auf die Brust gesenkt, inmitten des Zimmers unter der schimmernden Krystallkrone. Einen Augenblick kämpfte die Mut ter. dann trat sie entschlossen auf die Tochter zu und berührte leise ihre Schulter: Kannst du mir jetzt sagen, was du hast?" Wieder folgte jenes eigensinnige Schweigen. Sie wurde ungeduldig, es wallte in ihr auf. heftige Worte dräng ten sich ihr auf die Lippen, da plötz lich fühlte sie sich von zwei nackten Ar men leidenschaftlich umschlungen. Sie streckte schützend die Hände vor: Mein Kleid!" Aber das Mädchen hatte sich an ihren Hals geklammert: Ach, Mutti. Mutti, warum bin i so häß lich? Ich schäme mich!" Sie hatte richtig geahnt, ihre große Tochter war eifersüchtig. Aber es stieg ihr heiß auf im Herzen bei dem leidenschaftlichen Schrei ihres Kindes. Dieser Schrei galt nicht der Mutter, er galt dem schönen Weibe. Es war dies das plötzliche Erwachen des Weibes in dem großen Mädchen und das Bewußtsein der eigenen Reiz losigkeit beim Anblick der schönheit prangenden Mutter. Und sie verstand diesen Schrei. Sie wußte, welche Macht die Schönheit war, die Schön heit, die sie zur Königin machte, wo sie auch erschien. Herrscherin war sie überall be wundert und beneidet und geliebt! Sie konnte mit siebzehn Jahren sich kaum der Männer erwehren. Voll Mitleid hatte sie auf die häß lichen. reizlosen Frauen herabgeblickt, wie .ausgestoßen waren sie ihr erschie nen. ausgestoßen aus der Schönheit des Lebens. Und nun stand ihr eigenes Kind vor ihr mit der leidenschaftlichen Anklage: Warum bfc ich so häßlich?" Konnte sie dafür? Jetzt wurde es ihr aber plötzlich klar, warum sie diefes zärtliche Ge schöpf mit so besonderer Innigkeit liebte, sie fühlte, daß sie ihm einen Er satz bieten müßte für etwas, das ihm versagt blieb. Und diese Liebe war von Mitleid getränkt, von dem Mit leid, das man für die kranken und schwachen Kinder besonders übrig hat. Ihr kleines.' graues Entlein! Zärtlich strich sie ihr mit den bering ten Fingern über die Ballfrisur. Das Köpfchen lag noch immer an ihrer Schulter, sie fühlte, wie einige heiße Thränen über ihre entblößte Brust rieselten. Dummes, großes Mädel!" klang es weich. Die Rührung preßte ihr die Kehle zusammen, das Mädchen rührte sich nicht. Es that ihr gut. sich auszu weinen, es war ihr so wohl an dem duftenden Hals der Mutter; so stan den sie still umschlungen. Wie war das nur so plötzlich gekom men? Wie hatte sie ' so dahingelebt und hatte nicht bemerkt, wie achtzehn Jahre vorübergegangen, und daß ihr eine große Tochte.' erwachsen. d:e das Recht hatte, sie von ihrem Platz zu ver drängen? Ja, eine Knospe drängte sie hervor, ein zages, zitterndes Knöspchen, die vollerblühte Rose mußte fallen. Sie durfte ihrem Kinde nicht Luft und Sonne rauben zur Entfaltung. Und doch! Wie kam das alles so plötz lich? Einen Augenblick war's ihr, als müßte sie dieses aroße, weinende Mäd chen mit einer Zurechtweisung heim Zicken. Sie war überrascht, beinahe erschreckt über diesen plötzlichen Ueber gang. Etwas bäumte sich auf in ihr gegen diese Ueberrumpelung, ihr war. wie einem Herrscher, den man zwingt, mit eigener Hand die Krone von der Stirn zu nehmen: steh, ich bin zu Ende mit meiner Macht! Wie schwirrte bis alles blitzschnell an ihr vorüber, ihr ganzes, noch jun ges. nicht ausgelebtes Leben, trotz den achtzehn Jahren Ehe und dem großen Kind, und nun sollte es zu Ende sein, dieser schöne, flimmernde Traum von Liebe, Glück, Bewunderung undSchön heit! Und vielleicht kam moraen einer, em fremder, junger Mann, und begehrte das reiche Mädchen und und machte sie zur Großmutter! Ein melancholisches -Lächeln erschien auf dem Gesicht, ein leichter Schleier legte sich über die Auqen. Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie etwas abschüt teln. und fuhr sich mit der 5and über die Augen, als wollte sie etwas fort wischen Herbstfäden. Dies ist der Herbst. Vorbei vorbei! Das Mädchen hatte sich von ihr ge löst, sie merkte es kaum; sie stand in Träumen, den Blick in's - Leere, das melancholische Lächeln auf dem Gesicht. Mutti!" Sie sah. daß sie ihrer Mutter w,h gethan hatte. Blitzschnell glitt sie an ihr nieder und überschüttete die herab hängende Hand mit Küssen. Mutti. Mutti! Kannst du mir ver zeihen? Ich bin so schlecht gewesen!" Was, mein Kind was denn?" Mutti, mein liebes. schönesMutti!" Steh auf, mein Kind steh auf." Die Tochter hielt die Hand umklam mert. Sie beugte sich zu der Knienden." Der bricht dir noch das Herz. Mutti, ach. Mutti!" Großes, dummes Mädel, du!" So weich wurde es ibr im Herzen, so zwingend warm wie damals, als sie zum erstenmal das kleine zappelnde Wesen im Arm hielt. Großes, dummes Mädel, du!" Mit einem energischen Ruck raffte sie sich aus ihrer Sentimentalität auf. Es war die höchste Zeit, wenn man noch zum Walzer kommen wollte. Sie strich der Tochter das zerdrückte Kleid zurecht. Nun geh und kühl, dir das Gesicht und lege dirPuder auf und bitte Papa, sich einen Augenblick zu gedulden." Das Mädchen fah sie groß an. Mit einer liebevollen Bewegung, die aber keinen Widerspruch duldete, schob sie die Tochter zur Thür hinaus. Geh. damit wir noch zum Tanz kommen!" Langsam löste sie' sich von der Mut ter mit einem fragenden Blick und ver schwand hinter der Portiere. Frau Elisabeth schellte. Tann blieb sie vor dem Spiegel stehen. Mit einem langen Blick, der Ab schied nahm, umfaßte sie die schim mernde Gestalt da drinnen. Es mußte sein. Mit einem Griff löste sie die zer drückten Rosen;' sie fielen auf den Tep pich. Hastig nestelte sie an den Haken, die den glitzernden Schuppenpanzcr festhielten.. Die Kammerfrau er schien. Anna", rief sie fest, reichen Si: mir das schwarzseidene das geschlos sene schnell!" Kinder und Märchen. Won. Tt Kossack, Es war einmal ! Wen unter uns gäbe es, dem die Worte nicht wie eine traumhaft süße Melodie in die Ohren klängen! Sie lassen vor unse rem geistigen Auge in verdämmernden Umrissen einen Zaubergarten erstehen, in dem blau schillernde, seltsam ge formte Blumen blühen, von färben leuchtenden Schmetterlingen umgau kelt und silberhelle Bäche zu Füßen ge heimnißvoll rauschender Bäume flie ßen. ' Paradiesvogel nisten in ihren Zweigen, Schlangen mit goldenen Krönchen auf den Häuptern ringeln sich um ihre Stämme und Drachen, Ein Horn und anderes Fabelgethier wohnt unter ihren vklästigen Dächern. Dort aber, wo st: sich am dichtesten zusam mcndrängen, steigt über ihren Wipfeln ein altersgraues Gemäuer empor, um dessen Thürme krächzende Raben flat tern und auf dessen höchster Zinne, um wallt von ihrem Goldhaar, die schönste Prinzessin steht und nach dem Königs söhn ausschaut, der ste erlösen soll. Und jetzt naht er auch schon auf wei ßem Zelter, dieZugbrücke thut sich don nernd vor ihm auf, in der Burg wirds lebendig, Diener mit Windlichtern ei len hin und her und die Prinzessin er scheint vor dem Portal, um den sehn lichst erwarteten Gast zu bewillkomm- nen. Wir sehen das alles, wir Hören's nein, wir erleben's, denn auf dem großen Regenbogen, der sich von dem Zaubergarten bis zu uns spannt, sind wir hineingeschritten in die ganze bunte, schimmernde, herrliche Märchenwelt. Es war einmal Wer einst als Kind, zuerst auf der Mutter Schooß. die Worte gehört und bei zunehmenden Jahren sie selbst ge lesen hat, in dem tönen sie fort und fort bis ins Greisenalter hinein, und wenn das graue Einerlei des Alltags ihn umspinnt und nagende Sorgen sein Herz zerfressen, dann spannt die Regenbogenbrücke sich vor ihm aus, auf der er flüchten kann ins goldene Land der Phantasie! Erst in unserer Zeit erhoben sichStimmen, welche dem Mär chen den Krieg erklärten. Es vergifte die Einbildungskraft der Kinder behaupteten Jene so daß sie sich aus dem Zauberland der Phantasie nicht mehr auf unsere Erde zurückzufinden vermöchten; das halbe Leben verginge oft über den Enttäuschungen, welche der Abstand zwischen der geträumten und der wirklichen Welt den Menschen bereite, und oftmals überwänden sie dieselben nie. Ist das wirklich richtig? Ganz gewiß nicht, denn schon das fünf- bis sechsjährige Kind weiß, daß es keine Feen und keine verzauberten Schlösser gibt, und es wird ihm daher kaum einfallen, sich in die Situation der Märchenhelden hineinzudenken. Und geschieht es doch einmal, so ist's ein harmloser Zeitvertreib. Etwas anderes wäre es, wenn das Milieu, in ' dem die Märchen sich abspielen, ihm die , Wirklichkeit im Zerrbild, von gleißne .xischem Schimmers erlogener Senti- Mentalität und falscherRömantik über gössen, zeigte. Dann läge jene behaup tete Gefahr nahe. Wir sehen das an dem verhängnißvollen Einfluß, den die für die Jugend bearbeiteten Abenteu rerromane auf Knaben jeglichen Alters üben. Wie viele sind von solcher Lek türe verlockt, nicht schon dem Eltern hause entflohen, um in fernen Ländern ihren Durst nach Ruhm, Gold und den merkwürdigsten Erlebnissen zu stillen! Daher ist jene zwar scheinbar auf rea lem Boden sich bewegende Litteratur, in der aber doch viel mehr wunderbare Dinge geschehen, als Neunzehntel aller Sterblichen sie erlebt, jene Litteratur, die aller pädagogischen Gesichtspunkte spottend, nur auf das Sensationsbe- dürfniß der Jugend spekulirt, deren wahre Verführerin, nicht aber das aus dem Herzen des Volkes geborene Mär chen in seiner Lieblichkeit und Innig keit, seiner Naivität und Weisheit. Denn es steckt eine große Summe von Weisheit darin, die dem Kinde spielend beigebracht wird und auf Cha rakter undGemüth gleichermaßen wirkt. Die ersten Moralbegriffe erhält es durch das Märchen, jede Tugend findet darin ihren Lohn, jeder Fehler seine Strafe und zwar was vielleicht noch mehr bedeutet, da es als Vorbereitung für das Leben mit seinen Erfahrungen dient diejenige Strafe, welche jeder Fehler natürgemäß und logisch nach sich zieht. Indem der Wolf in dem Märchen von der Gais und den sieben Zicklein an den Wackelsteinen in seinem Bauch stirbt, werden die Folgen der Vollere! veranschaulicht, durch dasEnde der Königin . im Schneewittchen, die sich, in zu engen Schuhen zu Tode tan zen muß, wird gezeigt, wie gefährlich für Leib und Leben allzu weit aetrie bene weibliche Eitelkeit oftmals ist, und so fort. Die Kleinen werden sich der Symbolik vielleicht noch nicht so recht bewußt, aber weil die immer wieder ge lesenen und gehörten Märchen sich ih nen so tief einprägen, geht ihr tieferer Sinn ihnen dessenungeachtet in Fleisch und Blut über. Im übrigen kann die Mutter sie ihnen ja auch erklären., Al lerdings gehört hierzu großer Takt, aber welches Erziehungswerk erheischt den nicht? Gemeiniglich wird viel zu viel erzogen und darum sollte man auch in diesem Falle sich möglichsteBeschrän kung zur Pflicht machen. Dieser Grundsatz gilt sogar bezüg lich jener Märchen, die geeignet sind, den Kindern falsche, in ihrer Wirkung verhängnißvolle Anschauungen über Personen ihrer Umgebung beizubrin yen. Ih habe hierbei ganz speziell die Märchen von der bösen Stiefmutter im Sinn. Daß dieselben viel Unheil angerichtet haben, ist wohl eine unbe streitbare Thatsache, und es wäre da her am besten, wenn sie garnicht zur Kenntniß der Jugend gelangten. Aber wie ist das zu machen? Selbst wenn man die betreffenden Seiten in den Büchern rausreißen möchte, so würden die Kinder die Geschichten dennoch von ihren Gespielen hören und aerade. da .sie ihnen vorenthalten werden, würden ste nun daraus besonders aufmerksam gemacht werden. Man nimmt ja über Haupt lange nicht genügend Rücksicht darauf, daß die angewandten pädago gischen Maßregeln keineswegs immer in der beabsichtigten Weise, sondern diel häufiger in einer diametral entge gengesetzten wirken. Als Bestätigung hierfür dient die alte Erfahrung, daß die meisten Leute bei der Erziehung ih rer Kinder genau die gegentheiligen Prinzipien von denen befolgen, die für ihre eigenen Eltern dereinst die maß gebenden waren. Das richtigste Ver halten in dem vorliegenden Fall wird wohl darin bestehen, durch die Lektüre hervorgerufene thörichte Meinungen der Kinder zu widerlegen. Man soll sich aber zuvor vergewissern, ob diese Meinungen auch wirklich vorhanden sind, denn oft täuscht man sich hierin sehr. Gerade in dieser Hinsicht erlebt man die erstaunlichsten Ueberraschun gen. Daher sollte man das Kind auch nicht fragen, ob ein Märchen diesen oder jenen bestimmten Gedanken bei ihm angeregt hat, sondern vielmehr es sich ganz aus sich heraus über die erhal tenen Eindrücke verbreiten lassen. Dann erfährt man ja, wie es die Ge schichte auffaßt, und kann berichtigen, was zu berichtigen ist. Viel zu viel Gewicht wird der Dar- stellung schauerlicher Begebnisse in ih rer Wirkung auf das kindliche Gemüth beigelegt. Der Fall, daß in einem Kin de durch Märchenlektüre Gespenster furcht großgezogen wurde, ist wohl noch nicht dagewesen. An der letzteren tragen fast immer die Wärterinnen die Schuld, welche ihren Pfleglingen al lerhand Grusliches vorreden, um sie zum Stillsitzen zu veranlassen oder sich Gehorsam zu erzwingen das gefähr lichste und verkehrtes. Erziehungsmit tel! Ammenmärchen" nennt man solche Erzählungen Ammenmärchen aber sind keine Volksmärchen, noch sind es litterarische Märchen, von denen hier doch einzig die Rede ist. Wenn man sich die Mühe nimmt, sich über den Inhalt jener zu unterrichten, so wird man finden, daß sie fast ausnahmslos von irgend einer unheimlichen Gestalt handeln, die das Kind angeblich holen kommt, wenn es nicht artig ist. Wenn die Kinder nachher älter sind und an den Unsinn auch nicht mehr glauben, so ist doch ihr Nervensystem dadurch in ungebührlicher Weise" beeinflußt und ihre Empfänglichkeit für das Düstere und Schauerliche geweckt. Dagegen wird die krankhaft erregte Einbil dungskraft durch das Märchenlesen fast nie Nahrung erhalten, sondern viel Lf ter durch die Erzählungen von Un glücksfällen, Raubmorden und durch, Schilderungen gräßlich aussehender Leichen, die sie hier und dort hören. Dann geschieht's wohl, daß sie nicht al lein im dunklen Zimmer bleiben wol len und bei jedem Geräusch zusammen fahren und zittern. Solchen nervösen Zuständen gegenüber bietet das Mär- chen gerade'die beste Ableitung, denn die Phantasie ist nun einmal aufgereizt und läßt stch so ohne weiteres nicht be schwichtigen, also gebe man ihr doch Nahrung, welche die gefahrloseste ist. Der feuerspeiende Drache oder die Ge stalt des bösen Zauberers wird den Kindern vor dem Einschlafen lange nicht so schreckhaft vor den Augen ste hen, als das Bild des Einbrechers mit der Blendlaterne in der Hand oder die aufgedunsenen Züge eines Ertrunke nen. Wenn man nun fragen wollte, wel che Märchen die geeignetste Lektüre für Kinder sind, so wÄrde meines Erach tens die Antwort lauten müssen die Volksmärchen, wie wir sie in den Grimmschen und BechsteinschenSamm lungen vereinigt finden. Gerade weil der Ton darin in fast durchweg epi scher ist. wirken sie weniger aufregend als die litterarischen Märchen, in die der Autor für Kinder oftmals zu viel Stimmung hineingelegt hat. Die Mu säusschcn Märchen, die ja auch Volks märchen sind, sollten nur kleinere Kin der in die Hand bekommen,' diese wer den die vielen sentenziösen Stellen da rin zwar nicht verstehen, aber gerade deshalb können ste ihnen auch nichts schaden. Acltere Knaben und Mäd chen dagegen möchten dadurch zum Nackarübeln über Dinge geführt wer de. von denen sie besser noch nichts wissen. Was die Hauffschen, die An dersenschen und alle die anderen Mär chensammlungen anbetrifft, die hier zu erwähnen zu weit führen würde, so fäßt es sich so kurzweg nicht sagen, ob Kinder sie lesen dürfen. Man muß da Zndividualisiren können. Während ein nüchtern und prosaisch angelegtes Kind durch die Lektüre der Andersenschen Märchen viele davon sind ja eigent lich gar keine Märchen, sondern ganz moderne Feuilletons vielleicht etwas empfänglicher für Poesie wird, dürfte ein zur Sentimentalität und Schwär merei neigendes dadurch noch über schwänglicher werden. Viele Leute wol len die orientalischen Märchen Tau send und Nacht, persische Papageien märchen u. s. w. .sammt und sonders aus der Kinderstube verbannen, doch bin ich überzeugt, daß ste darin viel zu radikal denken. Ich glaube, daß durch die bunten Bilder, welche diese Ge schichten den Kindern.vor Augen zau bern. unter Umständen ihr Sinn für Kunst, besonders für Kunsigewerbe ge weckt werden kann. Doch, wie schon bemerkt, ein abschließendes Urtheil läßt sich in allen diesen Fragen nicht fällen die Eltern, die ja doch ihre Kinder am besten kennen, müssen in jedemEin zclfall entscheiden, was der Jndividua lität ihrer Kinder am förderlichsten ist. Tcr Ursprung der Frau. In einer erst kürzlich bekannt gewor denen indischen Sage wird der Ur sprung der Frau in so reizender Weise erklärt, daß es grausam wäre, diese in teressanteste Version von derEntstehung des Weibes unseren Lesern vorzuen! halten. Da heißt es: Als Parabrahma, Schöpfer des Weltalls, die Frau er schaffen wollte, machte er die Wahr nehmung, daß er bei Erschaffung des Mannes sein gcsammtes Material er schöpft hatte. Seine Bestürzung war groß und veranlaßte ihn, in tiefes Nachdenken zu sinken. Das Resultat seines Grübeln war folcxndes: Er nahm die liebliche Rundung des Mon des. die wellenförmigen Linien und die Geschmeidigkeit des Schlangenkörpers, die graziösen Windungen der Schling pflanze, das leichte Zittern des Gras Halmes, die Schlankheit und Biegsam keit der Weide, die sammetartigeWeich heit der Blume, die Leichtigkeit der Je der, den sanften Blick der Taube, das Tändelnde, Scherzhafte des spielenden Sonnenstrabls. die Tbränen der vor überziehenden Wolke, die Unbeständig keit des Windes, das Scheue des Ha sen, die Eitelkeit hes Pfaus, die Härt? des Diamanten, das Süße des Honigs, die Grausamkeit des Tigers, die Gluth des Feuers und die Kühle des Sch.-.ccs, das Schwatzhafte des Papageis und das Girren der Turteltaube, das An schmeichelnde wie auch die Falschheit und Tücke der Katze. Alles dies mischte Parabrahma zusammen und formte daraus das Weib, das er dem Manne zur Gefährtin gab. Nun' erzählt die Sage weiter, daß der Mann, nachdem er die Gesellschaft der Frau eine Wcchc hindurch gehabt hatte, zu dem Schöpfer kam und sagte: O Herr, die Creatur, die Du mir gegeben hast, verzist:t mein Dasen. Sie plappert unaufhörlich und nimmt mich ganz für sich in An spruch. , Sie klagt viel, ohn: Ursache zu haben und ist fast immer krank. Ich flehe Dich an, mich von ihr zu b:fre.en, denn ich kann nicht mit ihr lebm." Und der Gott nahm sein verschmähtes Slützt zurück. Nach abermals einer Woche erschi:n der Mann wieder. O, Hcrr," gestand er reuig, seitdem das Sluib fort ist, fühle ich mich verein samt. Mein Leben erscheint mir öde und langweilig. Ich erinnere mich jetzt, daß die Frau nicht nur schwitzte und stöhnte, sondern mir auch mit süßer Stimme vorsang und mich lieb koste. Wenn ich sie nicht wiederbekam men kann, möchte ich auch nicht mehr existiren." Der langmüthige Schöpfer empfand Mitleid mit dem Betrübten und überließ ihm das Weib noch ein mal. Aber nur drei Tage vergingen, dann stand der Mann wieder vor Pa r rahma und klagte: O. Herr, ich weiß nicht, wie es zugeht; doch bin ich jetzt überzeugt, daß mir die Frau mehr Aerger als Vergnügen bereitet. Ich bitte darum, erlöse mich von ihr!" Undankbares Geschöpf." rief der Gott in großem Zorn, gehe hin und sieh' zu, wie Du mit ihr fertig wirst. Ich trenne Euch nicht wieder. Du behauptest, nicht mit rr leben zu können; fortan aber sollst Du nicht im Stande fein, ohne sie zu. leben.- . . Ter Kuchen. Con CdarlcS Baudelaire. Ich war auf der Reise. Ich stand mitten in einer Landschaft, deren wun derbarer Anblick einen tiefen Eindruck auf mich machte. Zweijeuos ging in meinem Inneren etwas vor sich. Meine Gedanken schwärmten so leicht wie die Luft umher. Haß und irdische Liebe und alle anderen niedrigen Elgenschas ten schienen fern von mir zu liegen, wie -die Wolken, die tief im Abgrund un ter meinen Füßen dahinzogen; es war mir, als wäre meine Seele so weit und so rein, wie die Himmelswölbung, die mich umgab. Die Erinnerung an die irdischen Dinge regte sich nur leise in mir, gleich dem Schellengeläute der Viehherden, das von einer anderen Bergspitze fein und dunkel herüber tönte. Ueber den unbeweglichen kleinen See mit seiner unermeßlichen Tiefe huschte der Schattetn einer Wolke wie der Widerschein eines Rie,en, der über den Himmel hinglitt. Mit einem Wort dank der hinreißenden Schönheit, die mich umgab fühlte ich mich in vollkommenem Frieden mit mir selbst und mit der ganzen Welt; ich glaube ogar, ich war in meine Glückseligkeit o versunken und hatte alles auf Erden o völlig vergessen, daß ich die Leute gar nicht mehr so lächerlich fand, die da behaupten, der Mensch werde gut geboren. Inzwischen forderte auch der Magen sein Recht, der lange beschwerliche Auf stieg hatte mir Appetit gemacht, und ich zog deshalb aus meiner Tasche ein großes Stück Brot, einen ledernen Be cher und eine kleine Flasche mit einem Elixier, das die Apotheker damals den Touristen verkauften, und das mit größter Leichtigkeit überall, mit ein bischen Schnee vermischt, genossen wer den konnte. Ich hatte mich eben gesetzt und schnitt mein Brot in Ruhe und Ge mächlichkeit in kleine Scheiben, als ein leises Geräusch mich veranlaßte, auf zusehen. Vor mir stand ein kleines, schmutziges, zerlumptes und zerzaustes Wesen, dessen eingefallene Augen auf einmal gierig und zugleich demüthig das Brot anstarrten. Dann hörte ich, wie es mit gedämpfter und heiserer Stimme das eine Wort ausstieß: Nuchen!" Ich konnte nicht umhin, über die Bezeichnung zu lachen, mit der er mein bescheidenes Brot beehrte und schnitt ihm eine ordentliche Scheibe ab. Lang sam näherte er sich und verließ den heißersehnten Gegenstand nicht mit den Augen; dann schnappte er das Brot fort und sprang schnell zurück, als fürchtete er, mein Anerbieten wäre nicht aufrichtig, oder es thäte mir schon wieder leid. Doch in demselben Augenblick wur de er von einem anderen kleinen Jun gen zu Boden gerissen, der von irgend woher auftauchte und dem ersten so ähnlich sah, daß man sie für Zwillinge halten konnte. Sie wälzten sich an der Erde hin und her. während sie sich um die kostbare Beute schlugen, denn kei ner von den Beiden wollte dem Bruder die Hälfte überlassen. Erbittert faßte der erste den anderen in die Haare; die ser biß sich in dem Ohre seines Gegners fest und spuckte einen blutigen Stumpf desselben mit kräftigem ländlichen Fluche aus. Der rechtmäßige Eigenthü mer des Kuchens versuchte, seine klei nen Fäuste in des Usurpators Augen zu bohren, und dieser bemühte sich nach Möglichkeit, seinen Gegner mit der ei nen Hand zu kneifen, während er mit der anderen den Gegenstand desStrei tes in seine Taschen zu praktizieren suchte. Doch die Verzweiflung gab dem. Besiegten neuen Muth, er. erhob sich und versetzte dem Sieger mit sei nem Kopf einen wohlgezielten Stoß in den Magen, daß er zur Erde taumelte. Wozu soll ich diesen abscheulichen Kampf noch weiter beschreiben, der in Wirklichkeit weit länger dauerte, als man bei Kräften von Kindern vor aussetzen konnte? Der Kuchen wan derte von Hand zu Hand und wech selte jeden Augenblick die Tasche. Doch ach. es wechselte auch das Aussehen, und als sie endlich aus dem einfa chen Grunde, weil sie nicht mehr wei ter konnten ermattet, stöhnend und blutend inne hielten, da war der Ge genstand des Streites sozusagen nicht mehr vorhanden; die Brotschnitte war verschwunden und so fein zerkrümelt wie die Sandkörner, mit denen sie sich vermischt hatten. Diese Scene hatte der Landschaft in meinen Augen ihre Poesie geraubt, und mit der ruhigen Freude, die meine Seele in sich aufgenommen, bevor ich diese beiden kleinen Burschen zu Ge- sich, bekommen, war es vollständig vor bei. Lange blieb ich :n Gedanken ver funken sitzen und sprach zu mir selbst: Das ist wirklich ein seltsames Land, wo das Brot Kuchen genannt wird und ein so köstlicher Leckerbissen ist. daß es einen mörderischen Bruder krieg zu erregen vermag." Splitter. Wenn Einer behauptet, Kri tik zu ertragen, so hält er sich auf ein Lob gefaßt. . ' Sage, du'weißt in Geheim niß, und du haft es halb schon verra then. Es erzittert auch der FelS, Wenn sich d'ran die Sturmfluth bricht: Unbesiegt kann Einer fein. Unerschüttert bleibt er nicht. Z uvieldesGuten. Groß.' handler: Die Alma hat 'n Baron ge kriegt, dieZlsa 'n Leutnant, die Lina 'n Bildhauer, und nun willst du, Jlla, gar noch 'n Maler heirathen? Rein, das tragt das Geschäft denn doch f.; ... . MIM . i . - l s r