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Indiana tribüne. (Indianapolis, Ind.) 1878-1907, September 23, 1900, Image 2

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Jndiana Tribüne, Sonntag, II. September 1900.
Tie schone Mama.
! Ecn Cbella Liegen.
Frau Elisabeth stand in ihrem An
Zleidezimmer bor dem großen dreithei
. ligen Spiegel. Dreifach konnte sie sich
sehen, vom Kozf bisu den Füßen, die
ganze herrliche Erscheinung, und sie be
trachtete sich von allen Seiten.
Sie war fertig geschmückt zum
Wall und sie war zufrieden. Sie
.hatte Grund dazu, wie sie sich da sah.
Ein SiegZlächeln schimmerte auf
dem erregten Gesicht und hauchte den
Glanz der Jugend über die reifen,
ausdrucksvollen Züge.
Ja. sie war noch immer die Ball
königin von einst das sollte ihr nur
ine nachmachen nach achtzehnjähriger
Ehe und ihren vier Kindern!
Wie alt war sie eigentlich?
Sie gehörte zu den besseren Rasse
frauen, die kein Alter haben. Ihre
Haut war glatt und weiß; die Augen
schimmerten in feurigem Glanz sie
hatten wenig geweint. Das aschblonde
Haar, hochaufgethürmt, wohlgepflegt
und kunstvoll frisirt, schien noch üppig
und weich.
Das elektrische Licht ergoß sich blen
dend üb die hohe, schlanke Erschei
uung. Ein fast königliches Kleid aus gli
hernden Silbnpailletten Tieselie an ihr
nieder, leuchtete und funkelte wie ein
Slrom in d'i Frühlingssonne und
umwogte die stolzen Formen der schö
7ien Frau. Ein tiefer, viereckiger Aus
schnitt gab die prachtvolle Büste frei.
Hals und Nacken schimmerten wie
feuchter Marmor aus dem Pailletten--geriesel
hervor.
Ja, sie verstand es, aus sich etwas
zu machen, die schöne Frau Elisabeth,
und sie hatte es nicht schwer, getragen
von Reichthum und gutem Geschmack.
Für die Pflege ihres Körpers war
Zhr nichts zu theuer, und seit sie zum
Bewußtheit ihrer Schönheit gekommen
war, hatte sie sie gehegt wie eine Kost
barkeit so hatte sie sich frisch erhal
ten. trotz ihrer sicbenunddreißig Jahre.
Sie läckilte in den Spiegel hinein.
Nxidete.sich an ihrer Schönheit und
kostete sie mit jenem tiefen Behagen,
rnit dem man im Herbst die letztcn war
inen Strahlen der sinkenden Sonne ge
uießt. .
Sie freute sich über die bewundern
den Blicke der Modistin und der Kam
nerfrau, die ihr hilfreich zur Seite
standen, trotzdem sie an ganz andere
Erfolge gewöhnt war.
Run noch die Blumen, gnädige
Frau!" r
Ja, die Blumen!"
Da lagen sie auf dem Tisch verstreut
in allen Farben, wahre Kunststücke der
Nachahmung. Da waren Rosen,
üppige, leuchtende 'Rosen in großen
Büscheln und dunklö. breznendrothe
und hllrosa mattschimmtnde, weiße
und gelbe m buntem Gewlrr durchem-
ander. Aucd Orchideen lacen da m
phantastischenFokmen und Farben.
Und dunkle, blaue Veilchen und weiße
Lilien und zarte, zitternde Nelken.
Auch eine gelbe, grelle Sonnenblume
wiegte sich auf schwankem Stengel her
cusfordernd. Die Wahl war schwierig.
Bei jeder Blume, die sie gegen die
weiße Büste hielt, entfuhr ein Ah" der
Bewunderung den beiden Frauen
die Wahl war wirklich fchwer. Tie
Modistin hielt ihr einen Strauß von
rosa Nelken hin. ganz blaß, von zartem
Grün umgittert; sie drückte ihn gegen
den Ausschnitt, dann lächelte sie kokett:
Nrin! Sie vergessen, daß ich eine
siebzehnjährige Tochter zum Ball
führe!"
Das war nichts mehr für sie, diese
blassen Blüthen aber dort, jener
Büschel wogender Sommerrosen, die
dunkelbrennenden, rothen, mit dem
saftigen. Grün die wollte sie wäh
len. Mit schnellem Griff preßte sie die
Rosen gegen die Ärust, nestelte an dem
Strauß und ruckte ihn hin und her.
dann saß er. Er schmiegte sich gegen
Vit weiße Haut und zitterte leise bei
dem wogenden Athem, dem heißen,
feuchten Athem des Sommers, der von
diese? berauschenden Schönheit aus
strömte.' Und sie lächelte in den Spiegel hin
m glücklich und siegessicher.
Sie sah die neiderfüllten Blicke der
Freundinnen, sie hörte das zischelnde,
vernichtende ,Noch immer", wenn sie
mit den jüngskn Tanzeren vorbei
rauschte aber sie lallte, denn dies
alles erhöhte nur den Triumph.
Es klopfte.
Frau Elisabeth wurde aus ihrem
kleinen, boshaften Traum gerissen; ein
junges Kammerkätzchen erschien in der
Thür. Das gnädige Fräulem wäre
fertig und lasse du; gnädige Frau bit
ien. die Blumen zu wählen".
Ach ja, das KwdZ Sie riß sich vom
Spiegel los und begann wieder in den
verstreuten Blumen zu wühlen.
Was sollie man für das Kind neh
men? Das Kind" war siebzehn Jahre
alt und sollte zum erstenmal auf einen
richtigen großen Ball. Es hatte sich
so gemacht und war nicht zu umgehen,
trotzdem es eigentlich noch zu früh war.
Es , sollte eme Art Familienfeier !m
großen Stil stattfinden' alle warm
dabei, und da konnte man die älteste
Tochter nicht recht ausschließen.
Sie wählte eine hälberblühte La
France, die sich wie thaufrisch auf dem
Stengel wiegte und überreichte sie dem
wartenden Mädchen. Die Kleine der
schwand. ' . ...
Nach einigen Minuten erschien die
aufgegossene Gestalt verjüngen Toch
ter in Portiere. Wie eine duftige
Wolke schwebte sie herein, ganz in h
ßem Tüll, wie frischgefallener Schnee.
Mama, willst du mir nicht die
Rose anstecken? Ich weiß doch nicht,
wohin damit!"
Sie trippelte behutsam, als fürchte
sie. sich zu bewegen, auf die Mutter zu
ilnd hielj ihr die Role hin, ....
Sie riß die Augen auf. O Mama
wie bist du schön!"
Die Mutter lächelt geschmeichelt.
Die Tochter war wohl gewöhnt, ihre
Mama so zu sehen, ihre schöne Mama
aber heute war es doch anders. Und
sie stand in Sinnen versunken und
starrte die Mutter an und mit einem
Mal war ihr, als könnte sie sich nicht
mehr auf den Ball so recht freuen.
Wie ein Schatten glitt es über die
frohe, erwartungsvolle Stimmung.
Warum nur? .
Schweigend standen beide und
maßen sich mit den Blicken. Die Mut
ter ließ die ihren kritisch über die hoch
aufgeschossene Gestalt der Tochter glei
ten und musterte ihre Toilette. Dann
zupfte sie und zerrte hier und da, rich
tete an dem Kleid und nestelte an der
Frisur sie war nicht zufrieden. Das
war alles nicht an seinem Platz, das
sah alles so unfertig aus. so gezwun
gen. Lag das an der Schneiderin, an
dem Friseur oder lag es an dem
langen, schmalen Geschöpf mit der
schlechten Haltung?
Wie ein gerupftes Vögelchen nahm
es sich in dem schneeigen Aallstaat aus.
Das war nicht die Tochter der schönen
Frau Elisabeth!
Nach langem Zögern befestigte sie die
Rose an dem Gürtel der Tochter.
Das große Mädchen hatte stumm ge
standen und ließ die Mutter an sich
herumzupfen, dann fagte sie mit hal
bem, wehmüthigem Lächeln: Um
sonst, Mutter! Dein kleines, graues
Entlein wird nicht schöner!"
Die Mutter blickte auf. betroffen
von dem zuckenden Ton in der Stimme.
Sie lächelte ermuthigend aber es
gab ihr einen Stich in's Herz. Ihr
geliebtes, graues Entlein, ihr Sorgen
kind es war nicht schön, nicht ein
mal passabel zu nennen. Das sah man
jetzt erst recht, da man es herausgeputzt
hatte keine Kunst und keine schönen
Kleider konnten helfen.
Was nützte da der Reichthum!
Frau Elisabeth seufzte.
Die Thür wurde aufgerissen, und
zwei Halbwüchslinge stürmten in's
Zimmer. Papa läßt fragen, ob die
Weiber fertig sind der Wagen war
tet!" Der Junge pflanzte sich vor der
Mutter auf. das Mädel trippelte be
wundernd um sie herum
Bist du schön. Mama!"
Mademoiselle steckte den Kopf her
ein: 1'eut-on entrer?"
Dann stand auch sie und bewunderte.
Das Zimmer war voll Menschen, die
Kammerfrau ordnete an der Schkppe
und machte sich zu schaffen. Die Mo
distin kramte in ihren Blumen und
verabschiedete sich unter Complimenten.
Viel Vergnügen" und Gnädige
Frau werden gewiß wieder die Schönste
sein!"
Der Junge hatte gaffend dagestan
den. Mit einem Mal sprang er. wie
eine Katze, der Mutter hinterrücks an
den Hals und drückte ihr einen schma
tzenden Kuß auf den Nacken.
Alle lachten. ,
Frau Elisabeth wehrte sich, halb im
Aerger.
Der Gatte erschien, ein hoher Fünf
ziger in ergrauten Haaren. Seid ihr
bald so weit?"
Dann blieb er stehen. Donnerwet
ter!" Das war alles, was er hervor
brachte. Sie blickte ihn strahlend in's
Gesicht und streckte ihm lächelnd, glück
lich über das Compliment, die Hand
entgegen. Er beugte sich über die Hand
und küßte sie. Dann wandte er sich
an die Kinder: Na. was sagt ihr nur
zu unserer schönen Mama? Die kann
sich sehen lassen was?"
Er war stolz und zufrieden.
Aber es war Zeit, aufzubrechen.
Frau Elisabeth raschelte nervös mit
der Schleppe hin und her. die sich wie
eine glitzernde Schlange über den Tep
pich wälzte.
Nun noch dcnFächer und die Hand
schuh!" Die Kammerfrau hielt die Hand
schuhe bereit. Mademoiselle reichte den
kostbaren Pailettenfächer hin.
Wo steckt denn mein großes Mfl
del?"
Der Vater blickte sich suchend nach
ihr um.
Ja. Kind, wo bist du denn? Komm,
laß dich doch auch bewundern!"
Sie zerrte ungeduldig die Hand
schuhe über die Finger.
Das Mädchen hatte sich in eine Ecke
gedrückt; sie stand gegen die Wand ge
lehnt, die Augenbrauen zusammenge
zogen, mit herabhängenden Mundwin
keln und nestelte nn ihrem Fächer.
Keiner hatte sie bis dahm bemerkt
und es war doch ihr erster Ball!
Sie fuhr auf, als man sie rief, löste
sich langsam aus ihrer Stellung und
trat einen Schritt vor. Alle Blicke
waren voll Negier auf sie gerichtet.
Ballsieber?" fragte der Vater und
tätschelte den nackten Arm.
.Nein. Papa!" Sie sagte es leise,
während die Unterlippe zitterte.
Die Geschwister drängten sich heran.
Frierst du nicht?" fragte der
Junge naseweis und zeigte auf die
nackten, rothen Arme.
Sie sah wirklich wie erfroren aus.
wie eine Weiße Blüihe, frostdurch
schauert, und krümmte sich unter de
kritischen Blicken. Steif und stumm
stand sie da, beinahe wie ein eigensinni
es Kind, sie fühlie, wie die Blicke der
Anwesenden vergleichend hinüber und
herüber glitten.
Die Mutter sah sie forschend an.
Ihre Blicke trafen sich. Etwas Trotzt
es. Häßliches blitzte in den Kinder
äugen auf. Alle standen und schwie
gen. Was Ungemüthliches lag in der
Luft. Der Vater machte der stummen
Scene ein Ende. Es ist Zeit, wenn
ihr noch zum ersten Walzer kommen
wollt!"
Die Kammerfrau hielt den kostbaren
Abendmantel , hin. Frau Elisabeth
war im Segziff. sich in den Müel zu
hüllen; sie ließ ihn aber plötzlich von
der Schulter gleiten.
Aber Kind, was hast du?"
Die Tochter stand mitten im Zim
mer, die Hände vor's Gesicht gedrückt
sie weinte.
Ich will nicht auf den Ball, ich
möchte zu Hause bleiben. Bitte,
Mama, bitte bitte!"
Sie bat wie ein eigensinniges Kind.
Alle blickten sie überrascht an. Was
war das? Ein Schatten glitt über
da? Gesicht der Mutter, die strahlende
Heiterkeit war verschwunden und das
glückliche Lächeln der Ballkönigin. Sie
zog die Stirn in Falten, die Stimme
klang hart und streng: Was hast du
so mit einem Mal?"
Das Mädchen weinte, ohne sich um
die Anwesenden zu kümmern, ohne auf
diese Frage zu achten. Das war doch
stark. Frau Elisabeth trat einen
Schritt auf sie zu, sie wurde nervös.
Warum weist du?"
Wieder folgte eine Pause. Die Kin
der schwiegen und sahen neugierig die
große, weinende Schwester an.
Ballfieber", scherzte der Vater gut
müthig, das wird vergehen!"
Wenn es nur Ballfieber wäre, aber
die Mutter ahnte etwas anderes. Sie
änderte den strengen Ton; die Scene
fing an, peinlich zu werden.
Aber Kind. o sage mir doch, was
dich so plötzlich zum Weinen bringt?"
Das Mädchen stand, ohne den Blick
zu erheben, und zupfte an dem durch
näßten Spitzentüchlein.
Ich weiß es nicht, Mama! Ich
weiß nicht!" schluchzte sie.
Aber Mama wußte. Ein plötzliches
Verständniß dämmerte in' ihr auf.
Mit einem Wink entfernte sie die An
wesenden. Alle verließen schweigend
das Zimmer, Mutter und Tochter blie
ben allein.
Es wurde ganz still im Zimmer,
man hörte das unterdrückte Schluchzen
der Weinenden, sie stand, den Blond
köpf auf die Brust gesenkt, inmitten des
Zimmers unter der schimmernden
Krystallkrone.
Einen Augenblick kämpfte die Mut
ter. dann trat sie entschlossen auf die
Tochter zu und berührte leise ihre
Schulter: Kannst du mir jetzt sagen,
was du hast?"
Wieder folgte jenes eigensinnige
Schweigen. Sie wurde ungeduldig, es
wallte in ihr auf. heftige Worte dräng
ten sich ihr auf die Lippen, da plötz
lich fühlte sie sich von zwei nackten Ar
men leidenschaftlich umschlungen. Sie
streckte schützend die Hände vor: Mein
Kleid!" Aber das Mädchen hatte sich
an ihren Hals geklammert: Ach,
Mutti. Mutti, warum bin i so häß
lich? Ich schäme mich!"
Sie hatte richtig geahnt, ihre große
Tochter war eifersüchtig.
Aber es stieg ihr heiß auf im Herzen
bei dem leidenschaftlichen Schrei ihres
Kindes. Dieser Schrei galt nicht der
Mutter, er galt dem schönen Weibe.
Es war dies das plötzliche Erwachen
des Weibes in dem großen Mädchen
und das Bewußtsein der eigenen Reiz
losigkeit beim Anblick der schönheit
prangenden Mutter. Und sie verstand
diesen Schrei. Sie wußte, welche
Macht die Schönheit war, die Schön
heit, die sie zur Königin machte, wo sie
auch erschien.
Herrscherin war sie überall be
wundert und beneidet und geliebt!
Sie konnte mit siebzehn Jahren sich
kaum der Männer erwehren.
Voll Mitleid hatte sie auf die häß
lichen. reizlosen Frauen herabgeblickt,
wie .ausgestoßen waren sie ihr erschie
nen. ausgestoßen aus der Schönheit des
Lebens. Und nun stand ihr eigenes
Kind vor ihr mit der leidenschaftlichen
Anklage: Warum bfc ich so häßlich?"
Konnte sie dafür?
Jetzt wurde es ihr aber plötzlich
klar, warum sie diefes zärtliche Ge
schöpf mit so besonderer Innigkeit
liebte, sie fühlte, daß sie ihm einen Er
satz bieten müßte für etwas, das ihm
versagt blieb. Und diese Liebe war
von Mitleid getränkt, von dem Mit
leid, das man für die kranken und
schwachen Kinder besonders übrig hat.
Ihr kleines.' graues Entlein!
Zärtlich strich sie ihr mit den bering
ten Fingern über die Ballfrisur. Das
Köpfchen lag noch immer an ihrer
Schulter, sie fühlte, wie einige heiße
Thränen über ihre entblößte Brust
rieselten.
Dummes, großes Mädel!" klang
es weich. Die Rührung preßte ihr die
Kehle zusammen, das Mädchen rührte
sich nicht. Es that ihr gut. sich auszu
weinen, es war ihr so wohl an dem
duftenden Hals der Mutter; so stan
den sie still umschlungen.
Wie war das nur so plötzlich gekom
men? Wie hatte sie ' so dahingelebt
und hatte nicht bemerkt, wie achtzehn
Jahre vorübergegangen, und daß ihr
eine große Tochte.' erwachsen. d:e das
Recht hatte, sie von ihrem Platz zu ver
drängen? Ja, eine Knospe drängte sie hervor,
ein zages, zitterndes Knöspchen, die
vollerblühte Rose mußte fallen.
Sie durfte ihrem Kinde nicht Luft
und Sonne rauben zur Entfaltung.
Und doch! Wie kam das alles so plötz
lich? Einen Augenblick war's ihr, als
müßte sie dieses aroße, weinende Mäd
chen mit einer Zurechtweisung heim
Zicken. Sie war überrascht, beinahe
erschreckt über diesen plötzlichen Ueber
gang. Etwas bäumte sich auf in ihr
gegen diese Ueberrumpelung, ihr war.
wie einem Herrscher, den man zwingt,
mit eigener Hand die Krone von der
Stirn zu nehmen: steh, ich bin zu Ende
mit meiner Macht!
Wie schwirrte bis alles blitzschnell
an ihr vorüber, ihr ganzes, noch jun
ges. nicht ausgelebtes Leben, trotz den
achtzehn Jahren Ehe und dem großen
Kind, und nun sollte es zu Ende sein,
dieser schöne, flimmernde Traum von
Liebe, Glück, Bewunderung undSchön
heit! Und vielleicht kam moraen einer, em
fremder, junger Mann, und begehrte
das reiche Mädchen und und
machte sie zur Großmutter! Ein
melancholisches -Lächeln erschien auf
dem Gesicht, ein leichter Schleier legte
sich über die Auqen. Sie schüttelte
den Kopf, als wollte sie etwas abschüt
teln. und fuhr sich mit der 5and über
die Augen, als wollte sie etwas fort
wischen Herbstfäden.
Dies ist der Herbst.
Vorbei vorbei!
Das Mädchen hatte sich von ihr ge
löst, sie merkte es kaum; sie stand in
Träumen, den Blick in's - Leere, das
melancholische Lächeln auf dem Gesicht.
Mutti!"
Sie sah. daß sie ihrer Mutter w,h
gethan hatte. Blitzschnell glitt sie an
ihr nieder und überschüttete die herab
hängende Hand mit Küssen.
Mutti. Mutti! Kannst du mir ver
zeihen? Ich bin so schlecht gewesen!"
Was, mein Kind was denn?"
Mutti, mein liebes. schönesMutti!"
Steh auf, mein Kind steh auf."
Die Tochter hielt die Hand umklam
mert. Sie beugte sich zu der Knienden."
Der bricht dir noch das Herz.
Mutti, ach. Mutti!"
Großes, dummes Mädel, du!"
So weich wurde es ibr im Herzen,
so zwingend warm wie damals, als sie
zum erstenmal das kleine zappelnde
Wesen im Arm hielt.
Großes, dummes Mädel, du!"
Mit einem energischen Ruck raffte
sie sich aus ihrer Sentimentalität auf.
Es war die höchste Zeit, wenn man noch
zum Walzer kommen wollte. Sie
strich der Tochter das zerdrückte Kleid
zurecht.
Nun geh und kühl, dir das Gesicht
und lege dirPuder auf und bitte Papa,
sich einen Augenblick zu gedulden."
Das Mädchen fah sie groß an.
Mit einer liebevollen Bewegung, die
aber keinen Widerspruch duldete, schob
sie die Tochter zur Thür hinaus. Geh.
damit wir noch zum Tanz kommen!"
Langsam löste sie' sich von der Mut
ter mit einem fragenden Blick und ver
schwand hinter der Portiere.
Frau Elisabeth schellte. Tann
blieb sie vor dem Spiegel stehen.
Mit einem langen Blick, der Ab
schied nahm, umfaßte sie die schim
mernde Gestalt da drinnen.
Es mußte sein.
Mit einem Griff löste sie die zer
drückten Rosen;' sie fielen auf den Tep
pich. Hastig nestelte sie an den Haken,
die den glitzernden Schuppenpanzcr
festhielten.. Die Kammerfrau er
schien. Anna", rief sie fest, reichen Si:
mir das schwarzseidene das geschlos
sene schnell!"
Kinder und Märchen.
Won. Tt Kossack,
Es war einmal ! Wen
unter uns gäbe es, dem die Worte nicht
wie eine traumhaft süße Melodie in die
Ohren klängen! Sie lassen vor unse
rem geistigen Auge in verdämmernden
Umrissen einen Zaubergarten erstehen,
in dem blau schillernde, seltsam ge
formte Blumen blühen, von färben
leuchtenden Schmetterlingen umgau
kelt und silberhelle Bäche zu Füßen ge
heimnißvoll rauschender Bäume flie
ßen. ' Paradiesvogel nisten in ihren
Zweigen, Schlangen mit goldenen
Krönchen auf den Häuptern ringeln sich
um ihre Stämme und Drachen, Ein
Horn und anderes Fabelgethier wohnt
unter ihren vklästigen Dächern. Dort
aber, wo st: sich am dichtesten zusam
mcndrängen, steigt über ihren Wipfeln
ein altersgraues Gemäuer empor, um
dessen Thürme krächzende Raben flat
tern und auf dessen höchster Zinne, um
wallt von ihrem Goldhaar, die schönste
Prinzessin steht und nach dem Königs
söhn ausschaut, der ste erlösen soll.
Und jetzt naht er auch schon auf wei
ßem Zelter, dieZugbrücke thut sich don
nernd vor ihm auf, in der Burg wirds
lebendig, Diener mit Windlichtern ei
len hin und her und die Prinzessin er
scheint vor dem Portal, um den sehn
lichst erwarteten Gast zu bewillkomm-
nen. Wir sehen das alles, wir
Hören's nein, wir erleben's, denn
auf dem großen Regenbogen, der sich
von dem Zaubergarten bis zu uns
spannt, sind wir hineingeschritten in
die ganze bunte, schimmernde, herrliche
Märchenwelt.
Es war einmal
Wer einst als Kind, zuerst auf der
Mutter Schooß. die Worte gehört und
bei zunehmenden Jahren sie selbst ge
lesen hat, in dem tönen sie fort und
fort bis ins Greisenalter hinein, und
wenn das graue Einerlei des Alltags
ihn umspinnt und nagende Sorgen
sein Herz zerfressen, dann spannt die
Regenbogenbrücke sich vor ihm aus, auf
der er flüchten kann ins goldene Land
der Phantasie! Erst in unserer Zeit
erhoben sichStimmen, welche dem Mär
chen den Krieg erklärten. Es vergifte
die Einbildungskraft der Kinder
behaupteten Jene so daß sie sich aus
dem Zauberland der Phantasie nicht
mehr auf unsere Erde zurückzufinden
vermöchten; das halbe Leben verginge
oft über den Enttäuschungen, welche
der Abstand zwischen der geträumten
und der wirklichen Welt den Menschen
bereite, und oftmals überwänden sie
dieselben nie.
Ist das wirklich richtig?
Ganz gewiß nicht, denn schon das
fünf- bis sechsjährige Kind weiß, daß
es keine Feen und keine verzauberten
Schlösser gibt, und es wird ihm daher
kaum einfallen, sich in die Situation
der Märchenhelden hineinzudenken.
Und geschieht es doch einmal, so ist's
ein harmloser Zeitvertreib. Etwas
anderes wäre es, wenn das Milieu, in
' dem die Märchen sich abspielen, ihm die
, Wirklichkeit im Zerrbild, von gleißne
.xischem Schimmers erlogener Senti-
Mentalität und falscherRömantik über
gössen, zeigte. Dann läge jene behaup
tete Gefahr nahe. Wir sehen das an
dem verhängnißvollen Einfluß, den die
für die Jugend bearbeiteten Abenteu
rerromane auf Knaben jeglichen Alters
üben. Wie viele sind von solcher Lek
türe verlockt, nicht schon dem Eltern
hause entflohen, um in fernen Ländern
ihren Durst nach Ruhm, Gold und den
merkwürdigsten Erlebnissen zu stillen!
Daher ist jene zwar scheinbar auf rea
lem Boden sich bewegende Litteratur,
in der aber doch viel mehr wunderbare
Dinge geschehen, als Neunzehntel aller
Sterblichen sie erlebt, jene Litteratur,
die aller pädagogischen Gesichtspunkte
spottend, nur auf das Sensationsbe-
dürfniß der Jugend spekulirt, deren
wahre Verführerin, nicht aber das aus
dem Herzen des Volkes geborene Mär
chen in seiner Lieblichkeit und Innig
keit, seiner Naivität und Weisheit.
Denn es steckt eine große Summe
von Weisheit darin, die dem Kinde
spielend beigebracht wird und auf Cha
rakter undGemüth gleichermaßen wirkt.
Die ersten Moralbegriffe erhält es
durch das Märchen, jede Tugend findet
darin ihren Lohn, jeder Fehler seine
Strafe und zwar was vielleicht noch
mehr bedeutet, da es als Vorbereitung
für das Leben mit seinen Erfahrungen
dient diejenige Strafe, welche jeder
Fehler natürgemäß und logisch nach
sich zieht. Indem der Wolf in dem
Märchen von der Gais und den sieben
Zicklein an den Wackelsteinen in seinem
Bauch stirbt, werden die Folgen der
Vollere! veranschaulicht, durch dasEnde
der Königin . im Schneewittchen, die
sich, in zu engen Schuhen zu Tode tan
zen muß, wird gezeigt, wie gefährlich
für Leib und Leben allzu weit aetrie
bene weibliche Eitelkeit oftmals ist, und
so fort. Die Kleinen werden sich der
Symbolik vielleicht noch nicht so recht
bewußt, aber weil die immer wieder ge
lesenen und gehörten Märchen sich ih
nen so tief einprägen, geht ihr tieferer
Sinn ihnen dessenungeachtet in Fleisch
und Blut über. Im übrigen kann die
Mutter sie ihnen ja auch erklären., Al
lerdings gehört hierzu großer Takt,
aber welches Erziehungswerk erheischt
den nicht? Gemeiniglich wird viel zu
viel erzogen und darum sollte man auch
in diesem Falle sich möglichsteBeschrän
kung zur Pflicht machen.
Dieser Grundsatz gilt sogar bezüg
lich jener Märchen, die geeignet sind,
den Kindern falsche, in ihrer Wirkung
verhängnißvolle Anschauungen über
Personen ihrer Umgebung beizubrin
yen. Ih habe hierbei ganz speziell die
Märchen von der bösen Stiefmutter
im Sinn. Daß dieselben viel Unheil
angerichtet haben, ist wohl eine unbe
streitbare Thatsache, und es wäre da
her am besten, wenn sie garnicht zur
Kenntniß der Jugend gelangten. Aber
wie ist das zu machen? Selbst wenn
man die betreffenden Seiten in den
Büchern rausreißen möchte, so würden
die Kinder die Geschichten dennoch von
ihren Gespielen hören und aerade. da
.sie ihnen vorenthalten werden, würden
ste nun daraus besonders aufmerksam
gemacht werden. Man nimmt ja über
Haupt lange nicht genügend Rücksicht
darauf, daß die angewandten pädago
gischen Maßregeln keineswegs immer
in der beabsichtigten Weise, sondern
diel häufiger in einer diametral entge
gengesetzten wirken. Als Bestätigung
hierfür dient die alte Erfahrung, daß
die meisten Leute bei der Erziehung ih
rer Kinder genau die gegentheiligen
Prinzipien von denen befolgen, die für
ihre eigenen Eltern dereinst die maß
gebenden waren. Das richtigste Ver
halten in dem vorliegenden Fall wird
wohl darin bestehen, durch die Lektüre
hervorgerufene thörichte Meinungen
der Kinder zu widerlegen. Man soll
sich aber zuvor vergewissern, ob diese
Meinungen auch wirklich vorhanden
sind, denn oft täuscht man sich hierin
sehr. Gerade in dieser Hinsicht erlebt
man die erstaunlichsten Ueberraschun
gen. Daher sollte man das Kind auch
nicht fragen, ob ein Märchen diesen
oder jenen bestimmten Gedanken bei
ihm angeregt hat, sondern vielmehr es
sich ganz aus sich heraus über die erhal
tenen Eindrücke verbreiten lassen.
Dann erfährt man ja, wie es die Ge
schichte auffaßt, und kann berichtigen,
was zu berichtigen ist.
Viel zu viel Gewicht wird der Dar-
stellung schauerlicher Begebnisse in ih
rer Wirkung auf das kindliche Gemüth
beigelegt. Der Fall, daß in einem Kin
de durch Märchenlektüre Gespenster
furcht großgezogen wurde, ist wohl
noch nicht dagewesen. An der letzteren
tragen fast immer die Wärterinnen die
Schuld, welche ihren Pfleglingen al
lerhand Grusliches vorreden, um sie
zum Stillsitzen zu veranlassen oder sich
Gehorsam zu erzwingen das gefähr
lichste und verkehrtes. Erziehungsmit
tel! Ammenmärchen" nennt man
solche Erzählungen Ammenmärchen
aber sind keine Volksmärchen, noch sind
es litterarische Märchen, von denen
hier doch einzig die Rede ist. Wenn
man sich die Mühe nimmt, sich über den
Inhalt jener zu unterrichten, so wird
man finden, daß sie fast ausnahmslos
von irgend einer unheimlichen Gestalt
handeln, die das Kind angeblich holen
kommt, wenn es nicht artig ist. Wenn
die Kinder nachher älter sind und an
den Unsinn auch nicht mehr glauben,
so ist doch ihr Nervensystem dadurch in
ungebührlicher Weise" beeinflußt und
ihre Empfänglichkeit für das Düstere
und Schauerliche geweckt. Dagegen
wird die krankhaft erregte Einbil
dungskraft durch das Märchenlesen fast
nie Nahrung erhalten, sondern viel Lf
ter durch die Erzählungen von Un
glücksfällen, Raubmorden und durch,
Schilderungen gräßlich aussehender
Leichen, die sie hier und dort hören.
Dann geschieht's wohl, daß sie nicht al
lein im dunklen Zimmer bleiben wol
len und bei jedem Geräusch zusammen
fahren und zittern. Solchen nervösen
Zuständen gegenüber bietet das Mär-
chen gerade'die beste Ableitung, denn
die Phantasie ist nun einmal aufgereizt
und läßt stch so ohne weiteres nicht be
schwichtigen, also gebe man ihr doch
Nahrung, welche die gefahrloseste ist.
Der feuerspeiende Drache oder die Ge
stalt des bösen Zauberers wird den
Kindern vor dem Einschlafen lange
nicht so schreckhaft vor den Augen ste
hen, als das Bild des Einbrechers mit
der Blendlaterne in der Hand oder die
aufgedunsenen Züge eines Ertrunke
nen. Wenn man nun fragen wollte, wel
che Märchen die geeignetste Lektüre für
Kinder sind, so wÄrde meines Erach
tens die Antwort lauten müssen die
Volksmärchen, wie wir sie in den
Grimmschen und BechsteinschenSamm
lungen vereinigt finden. Gerade weil
der Ton darin in fast durchweg epi
scher ist. wirken sie weniger aufregend
als die litterarischen Märchen, in die
der Autor für Kinder oftmals zu viel
Stimmung hineingelegt hat. Die Mu
säusschcn Märchen, die ja auch Volks
märchen sind, sollten nur kleinere Kin
der in die Hand bekommen,' diese wer
den die vielen sentenziösen Stellen da
rin zwar nicht verstehen, aber gerade
deshalb können ste ihnen auch nichts
schaden. Acltere Knaben und Mäd
chen dagegen möchten dadurch zum
Nackarübeln über Dinge geführt wer
de. von denen sie besser noch nichts
wissen. Was die Hauffschen, die An
dersenschen und alle die anderen Mär
chensammlungen anbetrifft, die hier zu
erwähnen zu weit führen würde, so
fäßt es sich so kurzweg nicht sagen, ob
Kinder sie lesen dürfen. Man muß da
Zndividualisiren können. Während ein
nüchtern und prosaisch angelegtes Kind
durch die Lektüre der Andersenschen
Märchen viele davon sind ja eigent
lich gar keine Märchen, sondern ganz
moderne Feuilletons vielleicht etwas
empfänglicher für Poesie wird, dürfte
ein zur Sentimentalität und Schwär
merei neigendes dadurch noch über
schwänglicher werden. Viele Leute wol
len die orientalischen Märchen Tau
send und Nacht, persische Papageien
märchen u. s. w. .sammt und sonders
aus der Kinderstube verbannen, doch
bin ich überzeugt, daß ste darin viel zu
radikal denken. Ich glaube, daß durch
die bunten Bilder, welche diese Ge
schichten den Kindern.vor Augen zau
bern. unter Umständen ihr Sinn für
Kunst, besonders für Kunsigewerbe ge
weckt werden kann. Doch, wie schon
bemerkt, ein abschließendes Urtheil läßt
sich in allen diesen Fragen nicht fällen
die Eltern, die ja doch ihre Kinder
am besten kennen, müssen in jedemEin
zclfall entscheiden, was der Jndividua
lität ihrer Kinder am förderlichsten ist.
Tcr Ursprung der Frau.
In einer erst kürzlich bekannt gewor
denen indischen Sage wird der Ur
sprung der Frau in so reizender Weise
erklärt, daß es grausam wäre, diese in
teressanteste Version von derEntstehung
des Weibes unseren Lesern vorzuen!
halten. Da heißt es: Als Parabrahma,
Schöpfer des Weltalls, die Frau er
schaffen wollte, machte er die Wahr
nehmung, daß er bei Erschaffung des
Mannes sein gcsammtes Material er
schöpft hatte. Seine Bestürzung war
groß und veranlaßte ihn, in tiefes
Nachdenken zu sinken. Das Resultat
seines Grübeln war folcxndes: Er
nahm die liebliche Rundung des Mon
des. die wellenförmigen Linien und die
Geschmeidigkeit des Schlangenkörpers,
die graziösen Windungen der Schling
pflanze, das leichte Zittern des Gras
Halmes, die Schlankheit und Biegsam
keit der Weide, die sammetartigeWeich
heit der Blume, die Leichtigkeit der Je
der, den sanften Blick der Taube, das
Tändelnde, Scherzhafte des spielenden
Sonnenstrabls. die Tbränen der vor
überziehenden Wolke, die Unbeständig
keit des Windes, das Scheue des Ha
sen, die Eitelkeit hes Pfaus, die Härt?
des Diamanten, das Süße des Honigs,
die Grausamkeit des Tigers, die Gluth
des Feuers und die Kühle des Sch.-.ccs,
das Schwatzhafte des Papageis und
das Girren der Turteltaube, das An
schmeichelnde wie auch die Falschheit
und Tücke der Katze. Alles dies mischte
Parabrahma zusammen und formte
daraus das Weib, das er dem Manne
zur Gefährtin gab. Nun' erzählt die
Sage weiter, daß der Mann, nachdem
er die Gesellschaft der Frau eine Wcchc
hindurch gehabt hatte, zu dem Schöpfer
kam und sagte: O Herr, die Creatur,
die Du mir gegeben hast, verzist:t mein
Dasen. Sie plappert unaufhörlich
und nimmt mich ganz für sich in An
spruch. , Sie klagt viel, ohn: Ursache
zu haben und ist fast immer krank. Ich
flehe Dich an, mich von ihr zu b:fre.en,
denn ich kann nicht mit ihr lebm."
Und der Gott nahm sein verschmähtes
Slützt zurück. Nach abermals einer
Woche erschi:n der Mann wieder. O,
Hcrr," gestand er reuig, seitdem das
Sluib fort ist, fühle ich mich verein
samt. Mein Leben erscheint mir öde
und langweilig. Ich erinnere mich
jetzt, daß die Frau nicht nur schwitzte
und stöhnte, sondern mir auch mit
süßer Stimme vorsang und mich lieb
koste. Wenn ich sie nicht wiederbekam
men kann, möchte ich auch nicht mehr
existiren." Der langmüthige Schöpfer
empfand Mitleid mit dem Betrübten
und überließ ihm das Weib noch ein
mal. Aber nur drei Tage vergingen,
dann stand der Mann wieder vor Pa
r rahma und klagte: O. Herr, ich
weiß nicht, wie es zugeht; doch bin ich
jetzt überzeugt, daß mir die Frau mehr
Aerger als Vergnügen bereitet. Ich
bitte darum, erlöse mich von ihr!"
Undankbares Geschöpf." rief der Gott
in großem Zorn, gehe hin und sieh' zu,
wie Du mit ihr fertig wirst. Ich trenne
Euch nicht wieder. Du behauptest,
nicht mit rr leben zu können; fortan
aber sollst Du nicht im Stande fein,
ohne sie zu. leben.- . .
Ter Kuchen.
Con CdarlcS Baudelaire.
Ich war auf der Reise. Ich stand
mitten in einer Landschaft, deren wun
derbarer Anblick einen tiefen Eindruck
auf mich machte. Zweijeuos ging in
meinem Inneren etwas vor sich. Meine
Gedanken schwärmten so leicht wie die
Luft umher. Haß und irdische Liebe
und alle anderen niedrigen Elgenschas
ten schienen fern von mir zu liegen, wie -die
Wolken, die tief im Abgrund un
ter meinen Füßen dahinzogen; es war
mir, als wäre meine Seele so weit und
so rein, wie die Himmelswölbung, die
mich umgab. Die Erinnerung an die
irdischen Dinge regte sich nur leise in
mir, gleich dem Schellengeläute der
Viehherden, das von einer anderen
Bergspitze fein und dunkel herüber
tönte. Ueber den unbeweglichen kleinen
See mit seiner unermeßlichen Tiefe
huschte der Schattetn einer Wolke wie
der Widerschein eines Rie,en, der über
den Himmel hinglitt. Mit einem Wort
dank der hinreißenden Schönheit,
die mich umgab fühlte ich mich in
vollkommenem Frieden mit mir selbst
und mit der ganzen Welt; ich glaube
ogar, ich war in meine Glückseligkeit
o versunken und hatte alles auf Erden
o völlig vergessen, daß ich die Leute
gar nicht mehr so lächerlich fand, die
da behaupten, der Mensch werde gut
geboren.
Inzwischen forderte auch der Magen
sein Recht, der lange beschwerliche Auf
stieg hatte mir Appetit gemacht, und
ich zog deshalb aus meiner Tasche ein
großes Stück Brot, einen ledernen Be
cher und eine kleine Flasche mit einem
Elixier, das die Apotheker damals
den Touristen verkauften, und das mit
größter Leichtigkeit überall, mit ein
bischen Schnee vermischt, genossen wer
den konnte.
Ich hatte mich eben gesetzt und
schnitt mein Brot in Ruhe und Ge
mächlichkeit in kleine Scheiben, als ein
leises Geräusch mich veranlaßte, auf
zusehen. Vor mir stand ein kleines,
schmutziges, zerlumptes und zerzaustes
Wesen, dessen eingefallene Augen auf
einmal gierig und zugleich demüthig
das Brot anstarrten. Dann hörte ich,
wie es mit gedämpfter und heiserer
Stimme das eine Wort ausstieß:
Nuchen!"
Ich konnte nicht umhin, über die
Bezeichnung zu lachen, mit der er mein
bescheidenes Brot beehrte und schnitt
ihm eine ordentliche Scheibe ab. Lang
sam näherte er sich und verließ den
heißersehnten Gegenstand nicht mit
den Augen; dann schnappte er das
Brot fort und sprang schnell zurück,
als fürchtete er, mein Anerbieten wäre
nicht aufrichtig, oder es thäte mir schon
wieder leid.
Doch in demselben Augenblick wur
de er von einem anderen kleinen Jun
gen zu Boden gerissen, der von irgend
woher auftauchte und dem ersten so
ähnlich sah, daß man sie für Zwillinge
halten konnte. Sie wälzten sich an der
Erde hin und her. während sie sich um
die kostbare Beute schlugen, denn kei
ner von den Beiden wollte dem Bruder
die Hälfte überlassen. Erbittert faßte
der erste den anderen in die Haare; die
ser biß sich in dem Ohre seines Gegners
fest und spuckte einen blutigen Stumpf
desselben mit kräftigem ländlichen
Fluche aus. Der rechtmäßige Eigenthü
mer des Kuchens versuchte, seine klei
nen Fäuste in des Usurpators Augen
zu bohren, und dieser bemühte sich nach
Möglichkeit, seinen Gegner mit der ei
nen Hand zu kneifen, während er mit
der anderen den Gegenstand desStrei
tes in seine Taschen zu praktizieren
suchte. Doch die Verzweiflung gab
dem. Besiegten neuen Muth, er. erhob
sich und versetzte dem Sieger mit sei
nem Kopf einen wohlgezielten Stoß in
den Magen, daß er zur Erde taumelte.
Wozu soll ich diesen abscheulichen
Kampf noch weiter beschreiben, der in
Wirklichkeit weit länger dauerte, als
man bei Kräften von Kindern vor
aussetzen konnte? Der Kuchen wan
derte von Hand zu Hand und wech
selte jeden Augenblick die Tasche. Doch
ach. es wechselte auch das Aussehen,
und als sie endlich aus dem einfa
chen Grunde, weil sie nicht mehr wei
ter konnten ermattet, stöhnend und
blutend inne hielten, da war der Ge
genstand des Streites sozusagen nicht
mehr vorhanden; die Brotschnitte war
verschwunden und so fein zerkrümelt
wie die Sandkörner, mit denen sie sich
vermischt hatten.
Diese Scene hatte der Landschaft in
meinen Augen ihre Poesie geraubt,
und mit der ruhigen Freude, die meine
Seele in sich aufgenommen, bevor ich
diese beiden kleinen Burschen zu Ge-
sich, bekommen, war es vollständig vor
bei. Lange blieb ich :n Gedanken ver
funken sitzen und sprach zu mir selbst:
Das ist wirklich ein seltsames
Land, wo das Brot Kuchen genannt
wird und ein so köstlicher Leckerbissen
ist. daß es einen mörderischen Bruder
krieg zu erregen vermag."
Splitter.
Wenn Einer behauptet, Kri
tik zu ertragen, so hält er sich auf ein
Lob gefaßt. . '
Sage, du'weißt in Geheim
niß, und du haft es halb schon verra
then. Es erzittert auch der FelS,
Wenn sich d'ran die Sturmfluth bricht:
Unbesiegt kann Einer fein.
Unerschüttert bleibt er nicht.
Z uvieldesGuten. Groß.'
handler: Die Alma hat 'n Baron ge
kriegt, dieZlsa 'n Leutnant, die Lina
'n Bildhauer, und nun willst du, Jlla,
gar noch 'n Maler heirathen? Rein,
das tragt das Geschäft denn doch
f.; ... .
MIM . i . -
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