Jndlana Tribüne, Sonntag, 2. September 1900.
Inr
SsfinUcn ilcs ZoMlgängers.
bcxna ;3-'r c i si n c c. c si r utxb Z?an
derzeit diesseits unb jenseits
des g)CCc1tG.
Roman von Statt (SunMaäj.
Ccfjr iiei ,2VJ.
Nachdruck ttttohx
1. K a p i t e l.
Si Hans F r e i l in g eines
Abends in Chicago einen
alten Bekannten traf und
welche neue Be kanntschaft
tz in der folgenden Nacht
in achte.
Mensch ! um des Himmels willen,
was wollen Sie denn in Amerika?"
Die Frage war jedenfalls putzig,
aber noch putziger sah der Frager aus.
Ich mußte mir die Augen reiben, um
mich zu überzeugen, daß ich nicht etwa
ine Erscheinung meiner Phantasie vor
mir hatte. Es war doch kein Zweifel,
daß ich, Hans Freiling, ich selbst war,
daß ich in der Nord Clark Straße Chi
cagos in der Nähe der Flußbrücke
stand und ein großes Packet eben ein
gekaufter Waaren unter dem Arme
hielt. Auch Alles um mich herum
konnte ich deutlich unterscheiden; es
war ja hell genug, die elektrischen Lich
icr machten den frühen Novemberabend
fast zum Tage.
Ein dröhnendes Lachen weckte mich
aus meiner Verwunderung. Das L2
chen kam mir so bekannt vor aber
das konnte doch nicht von dem rothbär
tigen hünenhaften Wesen ausgehen,
das da in der Thüre einer Wirthschaft
stand und mich pfiffig verschmitzt zn
grinste? Und doch, jetzt winkte das Ding und
fragte mit einer Löwenstimme:
Sind Sie es, oder sind Sie es
nicht?"
Wer ich nach seiner Meinung war,
sagte er nicht.
Richtig! Er ist stolz geworden,"
fuhr der Mensch kopfnickend fort und
versenkte wie in innerer Befriedigung
die Hände in den Tafchen seiner
schmutzigen Beinkleider.
Ja, ja! Gestern sind Sie auch an
rnir vorüber gelaufen und haben nichts
von mir wissen wollen. Freilich fahen
Sie gestern auch ganz heilig aus im
langen schwarzen Nocke und runden
Hute, viel würdevoller als jetzt. Alle
Wetter! Ich dachte schon, Sie seien
doch noch geistlich geworden. Na, das
brauchen Sie nicht übel zu nehmen,"
meinte er lachend und setzte trocken hin
zu: Aber heute sagen Sie mir wenig
stens hübsch guten Tag"!"
Damit streckte er mir eine mächtige,
nicht ganz reinliche Hand entgegen und
meinte lächelnd:
Sie müssen sie schon so nehmen,
ich hatte noch keine Zeit, sie zu waschen.
Habe eben den Hühnerstall meines
würdigen Kostwirthes ausgemistet,
und wollte nur mal einen Blick auf die
Straße werfen. Sie sehen, ein Kerl
wie ich braucht blos die Nase aus der
Thüre zu strecken, so hat er auch schon
Glück, das heißt diesmal: Sie. Ja, ja,
Sie brauchen mich nicht so blödsinnig
anzustarren! Was in Amerika auö
dem Menschen Alles werden kann, das
hat schon mancher stolze Hans zu sei
ner Verwunderung erfahren. Aber ich
sehe. Ihr Gehirn schlummert noch im
mer; das wird doch nicht am Ende
chronisch werden? Seh ich denn aus
wie ein wilder Mann? Freilich, im
Wilden Mann- in Basel sah ich hüb
scher aus. liless you! Jetzt kennt er
riich.".
Ja, war es denn möglich?! Und
doch, diese mächtige Figur, dies fidele
Gesicht, diese wuchtige Löwenstimme,
wo hatte ich denn Augen und Ohren
gehabt?
Wildenberger!" rief ich, Weltrei
sender!" Vergnügt schüttelte er mir die Hand,
schob seinen Arm unter den meinen und
zog mich in die Wirthschaft.
Darauf wollen wir erst eins trin
ken", erklärte er. Und dann mache ich
Sie auch gleich mit meinem Wirthe be
kannt. Der ist auch aus der Schweiz
und freut sich immer riesig, wenn er
Leute kennen lernt, die von dort kom
men." Von der riesigen Freude bemerkte ich
freilich nicht viel, aber ein ganz gut
müthiger Kunde schien der Wirth doch
zu sein. Wenn ich mal in Chicago nicht
wisse wohin, dann solle ich nur zu Ihm
kommen, meinte er. Und Hühnerställe
ausmisten," dachte ich im Stillen.
Wildenberger bestellte zu meinem
Erstaunen eine FlascheWein und sagte:
Kommen Sie her, setzen wir uns
hier in eine Ecke und stoßen wir auf
unsere alte Freundschaft an! Ich sehe
eben im Spiegel dort mein Ebenbild,
und da nehm' ich's Ihnen nicht weiter
üttt, daß Sie mich vorhin verleugnet
haben oder verleugnen wollten."
Verleugnen wollen? Wie kommen
Eie denn auf die Idee?" fragte ich.
Na, na, bleiben Sie gemüthlich!"
sagte er. Mein reducirteZ Aeußere
hätte mir selbst wenig Vertrauen ein-
geflößt, wenn ich mir plötzlich begegnet
wäre. Ja, lieber Freund, hierzulande
ist man bald oben, bald unten, bald
Knecht, bald Herr. Uebrigens ist das
bei mir wieder ziemlich blos äußerlich,
ich habe mich in den letzten Wochen
schon 'ganz hübsch herausgearbeitet.
Sie brauchen mich gar nicht so erstaunt
anzusehen. Wenn ich vom Arbeiten
spreche, meine ich das nicht so buchstäb
lich. Das Hühnerstallmisten heute war
mehr Mitleid mit dem lieben Feder
vieh, wie sich das bei einem Naturfor
scher ja von selbst versteht. Mit meinen
Händen habe ich weniger gearbeitet wie
mit dem Munde. Ich habe gegen gute
löezahlung politische Stumpreden" ge
halten und reise morgen früh nachKan
sas City, um dort und in einigen be
nachbarten Städten im Auftrage einer
Eisenbahngesellschaft Propaganda für
den Bau einer neuen Eisenbahn in Me-
xiko zu machen. 25c Ding bezahlt sich
auch ganz gut. und dann ist mein Ver
lust mehr als gedeckt."
Ach so, dachte ich, er ist also in miß
lichen Verhältnissen, ba konnte ich mir
sein Aussehen schon crk-ären.
Er mußte mir meine j:danken wohl
ansehen, denn er lachte und meinte:
Es hat jetzt nichts mehr zu sagen,
aber putzig war's doch, daß ein Welt
reisender, ein Kerl, der in Afrika und
Meziko sich herumgetrieben hat, einem
ganz gewöhnlichen Gaunerstreiche zum
Opfer fallen konnte."
Was?" fragte ich erstaunt. Sie
sind begaunert worden?"
Nicht wahr, das ist spaßig?" meinte
er. Ja, das ist eine sonderbare Ge
schichte. Ich kam von Mezico es sind jetzt
vielleicht sechs Wochen her und woll
te hierher nachChicago, um mit einigen
Eisenbahn-Magnaten im Interesse der
Stadt Oaxaca zwecks Anlage einer
Bahn Verbindung anzuknüpfen. Ich
hatte ziemlich gemüthliche Gesellschaft
im Eisenbahnwagen gefunden und wir
befanden uns, als wir denStaat Texas
erreichten, bereits in angenehmster
Unterhaltung. Es waren 'da ein paar
reiche Fabrikanten aus Kansas City
und Chicago, die eine Erholungsreise
nach Mexico gemacht hatten, und na
tllrlich jetzt von den Gefahren, die sie
bestanden hatten oder doch hätten beste
hen können, Wunderdinge zu erzählen
wußten. Dabei kamen selbstverständ
lich auch Räubergeschichten zum Vor
schein, und einer der Herren meinte, die
Gefahr sei noch nicht ganz vorüber,
Texas sei auch nicht sicher; erst ganz
kürzlich soll ja ein ganz verwegener
Diebstahl auf dieser Strecke verübt
worden sein.
Na, meinte ich lachend, das wäre ja
gar nicht so ohne. Ich möchte um's
Leben gern einmal so einen richtigen
Bahnüberfall mitmachen."
Malen. Sie den Teufel nicht an die
Wand!" ermähnten die. Andern.
Ein fremder alter Herr, der in un
serer Nähe saß. ward sehr unruhig und
rückte näher.
Ich bitte um Verzeihung, meine
Herren," sagte er in geläufigem Eng-
lisch, aber mit etwas deutschem Acceni.
Ist es wirklich gefährlich hier? Ich
habe nämlich ziemlich vielGeld bei mir,
da ich glaubte, die Bahnen in den Ver.
Staaten seien sicher."
Der Mann hate offenbar furchtbare
Angst vor Räubern, das war klar. Den
Uebrizen machte das Spaß und sie cr
laubten sich den Witz, dem Alten reckt
graulich zu machen. Sie malten ihm
vor, wie jeden Augenblick einige bis an
die Zähne bewaffnete Kerle mit ge
fchwärztenGesichtern eintreten und uns
ihre Revolver unter die Nase halten
könnten mit dem Rufe: Hände hoch!"
Dem Armen sträubten sich die Haare
vor Angst, und einmal über's andere
mal rief er zitternd:
O Gott, 0 Gott! Und das hat mir
Niemand gesagt?!"
Mir that der Mann leid, und, ich
versuchte ihm die Geschichte in besserm
Lichte hinzustellen. Als Alles nichts
helfen wollte, hielt ich ihm tröstend
meine Händchen unter die Nase und
fagte:
Sehen Sie mal das hier an! Da
mit schlage ich einen Ochsen nieder, und
ein Näuberschädel ist doch gewöhnlich
auch nicht von Eisen. Ich denZe, lieber
Herr, einstweilen können Sie ohne
Sorge sein, es soll Ihnen wohl so
leicht nichts geschehen."
Das schien ihn zu beruhigen. Er
rückte dicht zu mir und begann sich of
fenbar unter meinemSchutze ganz wohl
zu fühlen. Er ward ordentlich gesprä
chig und zuletzt ganz zutraulich und
bot uns zum Tank für seine wie
dergewonnene Gemüthsruhe", wie er
meinte, feine Havana - Cigarren an.
Er habe sie in Cuba selbst gekauft, ver
sicherte er. und können für Echtheit und
Vorzüglichkeit einstehen. Etwas Aehn
liches hätten wir sicher noch mc zwi
schen die Lippen bekommen.
Wir verfügten uns in den Raucher
Abtheil des Salonwagens und machten
es uns dort gemüthlich. Der eine der
Chicagoer Herren brachte aus seinem
Koffer eine Flasche Rothwein an'sLicht
und wir vertrieben uns die Zeit recht
angenehm. Ein feines Kraut war die
echte Cubanerin allerdings, das mußte
ihr der Neid lassen, und Alle waren :U
nig im Lobe des Spenders.
Es ist doch ein eigenes Ding um
eine wirklich feine Cigarre," meinte ei-
ner der Herren. Wir sind solch vor-
zügliches Blatt gar nicht gewohnt."
Die Andern stimmten bei und lach-
ten dann einander aus. weil sie ganz
duselig vom Rauchen wurden.
Und sie hatten recht, auch mir wär
das Zeug ein bischen schwer. Es ward
mir so angenehm träumerisch zu Mu-
th djjke blauen duftigen Wölkchen
gaukelten, in allerhand seltsamen Figu-
ren vor meinen Augen umher, und in
den Ohren klang mir ein eigenthüm
liches Summen und Rauschen, wie von
einem ganz fernen Wasserfall, und da-
zwischen ein silberhelles Klingen wie
von kleinen Glöckchel Dann war es
mir. als trügen mich die Wolken über
eine schöne dunkelgrüne Wiese hin, wo
lauter blaue und dunkelrothe Blumen
standen, bis zu einem großen düstern
Tannenwalde, wo ich sanft in's Gras
niedersank. Aber merkwürdig! Ich sank
und sank immer tiefer und tiefer.
Da war mir's auf einmal, als ob ich
Stimmen hörte. Ich fühlte mich am
Arme gefaßt und geschüttelt ich er
wachten Na. den Rest können Sie
sich denken. Wir waren in Kansas
City und unser freundlicher Cigarren
spender war verschwunden. Ein Griff
nach meine Brusttasche brachte mir die
nöthige Erleuchtung, wenn ich deren
noch bedurft hätte. Meine Brieftasche
mit meinen Aufzeichnungen und Bil
dern aus Mezico warxznit dem alten
Herrn gegangen. Der 'Hauptschmerz
" 7
Zoar, daß mein gesammteZ Papiergeld,
ein ziemlich hoher Betrag, ebenfalls in
der .Brieftasche steckte. Da waren wir
hübsch reingefallen!
Durch meine Leidensgenossen er-
fiele ich übrigens gleich Verdienst als
völkischer Redner und sprach an ver-
ichirny.n Orten sehr .esfectvoll'über
Gold und Silber, ohne selbst viel vom
Einen oder dem Andern zu besitzen.
Das half mir wieder auf die Beine.
Jetzt mache ich in mexikanischen Eisen
bahnunternehmungen. so daß ich in ei
nigen Wochen wieder vollständig Ober
wasser haben werde, und dann doch
das erzähl ich Ihnen ein andermal."
Und haben Sie nichts wieder von
dem alten ängstlichen Herrn gehört
oder gesehen?" fragte ich.
Nicht die Spur." antwortete er la
chend. Dem Kerl nachsetzen lassen,
wäre natürlich Unsinn gewesen und
hätte nur noch mehr Geld gekostet, ohne
die geringste Aussicht auf Erfolg. Mit
der Polizei und auch mit der heiligen
Justiz darf man sich überhaupt hierzu
lande nicht viel einlassen, sonst wird
man auf die eine oder die andere Weise
sicher geleimt."
Ueber dieserErzählung war es ziem
lich' spät geworden und ich rüstete zum
Aufbruche, wobei ich ihm versprach,
meine eigenen Erlebnisse das nächste
Mal zum Besten geben zu wollen.
Wenn ich zurückkomme, erwarte ich
Ihren Bericht." meinte Wildenberger.
Morgen früh reise ich und bin in UN
gefähr acht Tagen wieder zurück. Nun
noch ein Glas zum Abschiede und auf
fröhliches Wiedersehen!"
Wir stießen an, drückten uns die
Hände und bald stand ich auf der
Straße.
Jetzt galt cs Eile, die nächste Stra
ßenbahn zu erreichen. Also hieß es,
das Packet' fest gefaßt und munter
trapp, trapp
Krach!!
Heftig war ich an Jemand angesto-
ßen und fühlte mich im nächsten Au-
gen)licke am Kragen erfaßt.
Ich blickte auf und sah in die nicht
gerade freundlich dreinschauenden Au
gen eines Polizisten.
Entschuldigen Sie!" stammelte ich.
Talk United States!" schnauzte
der Sicherheitswächter mich an.
O weh! Da hatte ich einen hübschen
Bock geschossen, indem ich mich in der
Uebereilung der deutschen Sprache be
diente. Der Mann war dem Aussehen
nach aus Irland und schien nicht ge
neigt zu sein, das Zusammentreffen
mit mir unbenutzt vorübergehen zu
lassen. Er faßte mich am Arme und
forderte mich auf, mit ihm zu gehen.
Auf meine Frage: Wohin? belehrte er
mich verwundert, daß ich die Polizei
station kennen lernen solle.
Ich wußte nicht recht, sollte ich dem
Manne in's Gesicht lachen oder sollte
ich grob werken.
Einige herzhafte Püffe störten mich
in meinemNachdenken und ich fuhr den
Diener des Gesetzes ziemlich derb an,
mich in Ruhe zu lassen und sich seiner
Wege zu scheeren. Das schien aber nicht
in seiner Absicht zu liegen. Mit einem
wilden Fluche hob er den Knüppel.
Jetzt ward die Sache ungemüthlich,
und ich rief Vorübergehende um Bei
stand an. Einige junge Männer tra
ten herzu, und ich sagte ihnen, was
vorgehe. Sie meinten aber, da sei
nicht viel zu machen, es bleibe mir
nichts übrig, als dem Polizisten zu
folgen. Ich bat diesen nun, mit mir
nach der Wirthschaft zurückzugehen, wo
ich Wildenberger getroffen hatte; dort
werde er erfahren, daß ich ein harmlo
ser .Mensch sei. Er lachte mich aber
aus und meinte, da müßte er viel zu
thun haben, wenn er mit seinen Ge
fangenen in den Wirthschaften herum
ziehen wolle, und brüllte:
Vorwärts!"
Zugleich hob er seinen Knüppel wie
der. '
Diesem Ueberredungsmittel war na
türlich nichts entgegen zu setzen, und
so folgte ich meinem unerwünschten
Führer.
Der Herr zeigte sich übrigens unter
wegs ganz freundlich und tröstete mich
damit, daß ich nickt der erste Zugereiste
sei, der auf die Polizeistation geschleppt
werde. Ich gestehe, daß, so viel ich mich'
entsinne, dieser Trost nicht im Minde
sten dazu beitrug, meine Stimmung
rosiger zu machen.
Aber da waren schon die Lichter der
Polizeistation.
Freundlich geleitete mich mein Füh
rer einige Stufen abwärts und öffnete
eine Thüre. Dann iüblte ich einen
heftigen Stoß, der mich bis mitten in's
Zimmer schleuderte, und hörte den ro-
hen Ruf:
Ilere is a Duteliy!"
Schallendes Gelächter antwortete.
Ich sah mich in dem Raume um.
Zwei Polizisten standen vor einer
Schranke, hinter der an tfoim Pulte
ein dritter in Hemdsärmeln saß. die
Füße bequem aus das Pult g'slegelt.
Vorn in der Ecke auf einer Bank lag
ein Mann und schlief.
Ich fragte nach dem commandiren
den Beamten.
Alle lachten, aber Keiner gab eine
Antwort.
Zornig fragte ich, was die Comödie
bedeuten solle?
Das würde ich morgen früh ersah
ren, gab man mir zu verstehen; im Ue
brigen möge ich gefälligst das Maul
halten.
Ich gab mich jedoch nicht zufrieden,
sagte ihnen, wer ich sei und wo ich
wohne, und bat sie. mich ruhig meiner
Wege gehen zu lassen, da ja doch wohl
nichts weiter gegen mich vorliege, als
daß ich einenPolizisten in seiner räum
lichen Ausdehnung' beschränkt hätte.
Wieder lachten Alle und meinten, ich
sei wohl noch nicht lange in Amerika?
Dann fragte der Mann am Schreib
tifche, was ich in meinem Packete hätte.
Ich gab die gewünschte Auskunft.
Mach's auf!" hieß es.
Recht gern," antwortete ich, aber
dann lassen Sie mich auch nach Qaut
gehen."
Allgemeines Gelächter.
Ich merkte, man fing an, sich üb:r
nich lustig zu machen. Ich warf das
Pzcket auf den Tisch und rief, sie soll-
ten sich schämen, mit e:ncm Menschen,
der ihnen gar nichts gu Leide geihzn,
Spott zu ireiben.
Gin netter Pfiffe!" bemerkte höh
nisch der Mann am Schreibtische, und
wieherndes Gelächter begrüßte seine
Worte, als wenn er einen großartigen
Witz gemacht hätte.
Ich fragte, was er mit dem Pfaffen
meine?
f Halt's Maul!" brüllte mir der Po
lizist zu. der mich eingefangen hatte.
Jetzt ward mir die Sache zu bunt,
das Blut schoß mir zu Kopf, ich wußte
nicht mehr, was ich that. Ich entsinne
mich nur, daß ich wie rasend mit der
Faust auf dieSchranke schlug und ries:
Laß mich los!"
In demselben Augenblicke, fühlte ich
mich von hinten an Armen und Beinen
gefaßt und niedergerissen, der Mann
am Schreibtische sprang über die
Schranke und umkrallte würgend mei
nen Hals und Alle schlugen auf mich
los. als wäre ich ein Stück Holz. Ich
dachte nicht Anders, als sie wollten
mich umbringen. Ich wehrte mich ver
zweifelt und schrie wie wahnsinnig um
Hilfe. Brutales Gelächter, wilde Flü
che antworteten mir. Ich fühlte mich
emporgehoben, einen dunklen Gang'
entlang getragen, dann klirrte eine Ei
senthllr, ich erhielt einen heftigen Stoß
und befand mich allein in einer Ge
fängnißzelle; die Gitterthür fiel ras-
selnd hinter mir zu.
Als ich mich allein sah, athmete ich
auf.
Meine Glieder schmerzten mich zwar
entsetzlich, aber ich ward mir doch be
wußt, daß ich noch lebendig sei. Ich
versuchte meine Gedanken zu ordnen;
es ging nicht, ich war so außer mir.
daß ich mich nicht fassen konnte. Was
half's? Ich war von der Außenwelt
abgeschnitten und auf Grade und Un
gnade brutaler Willkür preisgegeben.
Wie hatte doch gleich Wildenberger ge
sagt? Wer mit der Polizei oder d:n
Gerichten zu thun bekommt, der wird
auf die eine oder die andere Art ge
leimt" war's nicht so?
Es dämmerte mir eine Ahnung, es
würde mir in der nächsten Zeit wenig
Gutes blühen.
Schritte vor dem Gitter schreckten
mich aus meinen Träumen auf. Der
Schließer nahte sich mit einem neuen
Gaste.
Die Zellen waren nämlich so hübsch
eingerichtet, daß man den ganzen Gang
übersehen konnte, da die Vorderseite
aus einer großen Gitterthür bestand,
ähnlich der an Löwen- und Tigerkäfi
gen in Menagerien. Die großartige
Ausstattung der Zelle bildete eineVank,
und im Hintergrunde der kahlen
Mauern murmelte melancholisch ein
Wässerlein in einer steinernen Rinne.
Der Fußboden bestand natürlich auch
aus Steinsließen, die sich durch etwai
gs ruheloses Umhertrampeln der Ge
fangenen auch nicht so leicht abnutzten.
Die Thür meiner Zelle öffnete sich
und eine schwankende Gestalt trat ein;
die Thür fiel wieder in's Schloß.
Der Eingetretene rieb sich die Augen
und blickte dann wild um sich. Es war
der Mann, der im Stationszimmer ge
schlafen hatte. Er sah aus, als wäre
er seit mehrerenTagen nicht mehr nüch
tern gewesen, und seine rothunterlau
fenen Augen funkelten wie die eines
wüthenden Stieres, der irgend einen
Gegenstand sucht, um sein Mllthchen
daran zu kühlen. Ich hielt es für's
Beste, mich ruhig in die Ecke auf die
Bank zu drücken und mich schlafend zu
stellen. Pötzlich fühlte ich. daß sich der
Kerl, auf mich setzte. Das ging mir
denn doch über den Spaß. Ich schüt
telte ihn ab mit dem Bedeuten, es
wäre Platz genug vorhanden, er brau
che nicht gerade meinen Schooß zum
Sitzplatz zu wählen; zum Kinderwar
ten sei ich nicht da. Ein dumpfes
Knurren antwortete mir. und ehe ich
mich's versah, erhielt ich einen Faust
schlag auf das linke Auge, daß Feuer
funken vor meinem Gesichte tanzten.
Ich sah, wie er zum zweiten Schlage
ausholte, und stieß ihn rasch zurück,
daß er in die Wasserrinne taumelte.
Dann rief ich nach dem Schließer. Die
ser erschien brummend, öffnete mir
aber doch die Thüre, als ich ihm sagte,
was vorgehe, und ließ mich heraus.
Kaum hatte er wieder geschlossen, als
auch schon mein , freundlicher Mitge-
fangener wild dagegen prallte. Der
Wackere schimpfe nicht schlecht, als er
sah, daß er nicht an mich konnte.
Der Gefangenwärter untersuchte
mein Auge und meinte tröstend, cs sei
noch vorhanden, gab mir aber doch
Wasser zum Kühlen und sperrte mich
in eine besondere Zelle.
(So, da kannst Du ruhig schlafen!"
bemerkte er dazu.
Schlafen?" Jawohl, daran war
gerade zu denken.
Wie in einer Menagerie, wenn einem
Thiere ein Leid zustößt und es zu brül-
len anfängt, auch alle übrigen Bestien
in ihren Käsigen wild werden, so war
es hier. Ringsumher hinter allen Git-
tern ward es lebendig. Alles murrte
über die Ruhestörung, und es gab ein
Stimmengewirr und ein Lärmdurch
einander, daß man wirklich mit etwas
Einbildungskraft sich in einer Thier
bude hätte glauben können.
Zwischendurch verstand ich einige
faule Witze. Ein Insasse meinte, wenn
eine Preisboxerei veranstaltet würde,
dann solle wenigstens für bessere Be
leuchtung gesorgt werden. Ein Ande
rer fragte: Wird hier eingebrochen?"
und viele Stimmen riefen: Haltet den
Dieb! Die Polizei wird gestohlen!"
Die kann mir ruhig gestohlen wer
den!" brummte ein unwilliger Baß.
Lautes Gelächter antwortete und dann
fingen hie und da einige Vergnügte an
zu singen: .Fischerin, du kleine" und
After theBall", was zusammen lich
recht hübsch machte.
Erst nach und nach beruhigten sich
die Käfis-insassen und endlich lagerte
wieder schweigende Ruhe, nur von
dumpfem Schnarchen angenehm un-
terbrochen, über dem unheimlichen
Raume.
2' Capitel.
Wie Hans Freiling zum
ersten Mal in einem' Ge
sa n g n i s s e faß und was er
al. Kind träumte, lernte
u n d l i t t.
Soweit hatte ich's also glücklich in
der neuen Welt gebracht: ich saß im
Gefängnisse.
Merkwürdig, es kam mir gar nicht
wunderbar vor, es schien mir, als
müßte das so sein, als gehöre ich ei
gentlich in ein Gefängniß. Alte Bil
der aus meinerJugendzeit tauchten vor
meinem Geiste auf ich sehe sie jetzt
vor mir so lebhaft wie ich sie sah in je
ner Nacht.
Ich sehe eine kleine enge Kammer,
mit altem Gerümpel angefüllt, in däm
merndes Zwielicht gehüllt, während
von draußen durch das kleine veigit
terte Fenster hoch oben ein verirrter
Sonnenstrahl hereinblickt. Er zittert
über die alten rußigen Tofe und Kes
sel hin und bleibt auf den blonden Lo
cken eines kleinen vierjährigen Knaben
haften.der auf einem umgestülpten gro
ßen kupfernen Kessel sitzt und bitterlich
weint. Jetzt hebt der Knabe den Kopf.
Sein Angesicht ist schmutzig und rußge
schwärzt, aber die Augen blicken mich
so seltsam bekannt an das sind ja
meine Augen, das bin ich ja selbst!
Vier Jahre alt und in einem Gefäng
Nisse? -
Wir Kinder hatten Wolf und Schaf
gespielt, ich war der Wolf und Halle im
Eifer des Spieles Pastors Mathildchen
in den Arm gebissen, daß das Blut
floß. Das Schmerzensgeschrei der
Kleinen hatte meine Mutter herbeige
rufen. Ob ich die Schläge, die ich 5e
kam, sehr gespurt habe, das weiß ich
nicht mehr, aber wahnsinniges Ent
setzen faßte mein kleines Herz, als ich
von meiner Mutter zu der dunklen klei
nen Rumpelkammer geschleppt ward.
Ich meinte, ich müsse sterben in diesem
unheimlichen Gelasse, der Freiheit be
raubt. Ich heulte und schrie um Hilfe,
bis ich heiser und müde war, das Ge-
sicht schmutzig von Thränen und vom
Ruße der Töpfe und Kessel, zwischen
denen ich in meiner Angst herumklet
terte und stürzte.
Als meine Mutter mich heraus ließ
und mich ansah, weinte sie und nahm
mich in die Arme und sagte:
Nie, nie wieder sperre ich Dich
ein!"
Und dann weinten wir Beide zu-
sammen. Auf einmal hörte ich noch ein
leises Schluchzen neben mir. Ich blickte
auf und in ein paar große dunkle Au
gen, die mich unter wild zerzausten Lo
cken hervor anfunkelten, ich fah einen
kleinen schmerzverzogenen Mund und
hörte die bittenden Worte:
Nicht weinen, Hans! Mathilde
schuld! Mathilde recht schlecht! Da
beiß noch einmal!"
Und die kleine Mathilde hielt mir
ihr Aermchen hin, auf dessen zarter
Haut noch die Spuren meines Wolfs
zahnes zu sehen waren. Da gab meine
Mutter jedem von uns ein großes But
terörod und einen Apfel und unserL:id
war vergessen.
Wir -waren glückliche Kinder in un
serm stillen Dorfe, in meinem stillen
Elternhause.
Mein Elternhaus!
Ich sehe mich spielen in seinen Zim
mern und Gängen, ich sehe mich die
hohe Freitreppe kopfüber Herunterstür
zen und mit zerschundener blutender
Nase unten ankommen; dieHände hatte
ich wohlweislich auf dem Rücken ge
borgen. Dann wieder lag ich im Garten im
Grase und schaute zu den Wolken em
por, die mit weißen Segeln gleich
Schiffen dahinzogen durch die blaue
Fluth. Ich hatte freilich in meinem
Leben noch nie ein Schiff gesehen, aber
so stellte ich mir die großen Seeschifsse
vor, ganz weiß von Segeln, wie sie in
den illustrirten Zeitschriften abgemalt
waren, in denen ich Sonntags, wenn
ich hübsch artig gewesen war, blättern
durfte. Und die Wolken verwand:!
ten sich in Berge und Flüsse, in ferne
dunkle Thäler '
Eines Abends zeigte mir meine
Mutter, als sie mich zu Bette brachte.
eine fremdartige glänzende Erschei-
nung am Himmel. Sie sagte, das sei
ein Komet. Als ich allein war, erhob
ich mich leise vom Lager und trat an's
Fenster, um den wunderbaren wan-
dernden Stern zu betrachten.
Aus unbekannten Fernen käme er
gezogen, in weite unermessene Fernen
führe ihn sein Lauf, hatte meine Mut-
ter mich belehrt. O Seligkeit, so dahin
zu ziehen auf nie betretenen Pfaden
durch die wunderbare Welt!
Geheimnißvoll rauschte der Linden-
bäum bor dem Fenster, seine Zweige
berührten meine Stirne und es war
mir, als höre ich eine flüsternde
Stimme:
Das ist Dein Ziel, der Stern bist
Du und in weiten unbekannten Fernen
fliegst Du dahin."
Ich fühlte, wie ich in die Lüfte
schwebte, an dem lächelnden Monde
vorbei weiter immer weiter
. Es war dunkel um mich, nur
vor meinen Augen war es strahlend
hell. Auf einmal schwebte ich in einem
wunderbaren Thale über einem silbern
glitzernden Bache zwischen dunkelgrü
nen rauschenden Bäumen in lauschiger
Einsamkeit.
Das war heimlich, friedlich und
schön.
Plötzlich stand eine große, feurig
goldige Kugel vor mir und ich' fühlte
mit furchtbarem Entsetzen, sie würde
mich vernichten. Näher, immer näher
kam sie heran ich erwachte mit
einem Schrei.
Meine Mütter stand vor mir unV
suchte mich zu beruhigen.
Ich hörte den Lindenbaum wieder
rauschen, ich sah seine schwankenden
Zweige aber dort oben stand der
glänzende Wanderstern und ich war 'ein
kleiner hilfloser fljiabe von sechs Jah
ren. , ' ,
Seitdem hat mich der Traum ver
folgt durch meine Kinder- und Jünz
lingszeit, bis ich selbst hinaus zog! in
die Welt und zum Wanderer ward.
Wenn ich von meinen Träumen er
zählte, sah mich meine Mutter vertun
dert an und schüttelte den Kopf. Aber
sie tröstete mich und streichelte beruht
gend meine Locken und meinte, die Welt
sei nicht so schön wie ich denke. Spä
ter haben noch oft auch andere Men
schen die Köpfe über mich geschüttelt,
aber getröstet hat mich lange Zeit Nie
mand. Ich bin hinausgezogen und
habe nicht immer Gutes erfahren! in
der Welt, aber doch hab' ich gefunden,
daß die Welt schön ist, wunderschön.
Und wenn auch die Menschen die Köpfe
schütteln über den träumerischen Nar
ren. den sie nicht verstehen ich lasse
sie schütteln, ich weiß, cs gibt doch noch
Seelen, die mich verstehen, und eine
einzige von diesen macht die Welt zum
Paradies.
Ich war jedenfalls ein sonderbares
Kind und so viel ich mich zu entsinnen
weiß, kam ich auch den Leuten recht
sonderbar vor.
Eigentliche Gespielen hatte ich we
nige, verkehrte auch nicht gern mit den
Kindern meines Heimathsdorses, weil
sie mich immer verspotteten und. schlu
gen. Auch große, erwachsene Leute
verspotteten gern den kleinen Vengel,
wenn er sie aus seinen großen träume
rischen Augen so fremd anschaute. Nur
zu den Kindern des Pfarrhauses stand
ich in einem freundschaftlichen Ver
Hältnisse, wenn auch diese Freundschaft
sonderbar genug war. Wir beiden Bu
ben zankten und prügelten uns qe
wöhnlich, weil ich nicht leiden wollte,
daß Franz sein kleines Schwesterchen
Mathilde quälte und schlecht beHandel-
te. Der Wildfang Mathilde war über-
Haupt die einzige Seele, die . sich jurn
mich und meine Leiden kümmerte,' und
seitdem ich sie in den. Arm gebissen hat
ie, waren wir .die besten Freunde.
Franzens und meine Ideen begegneten
sich nur in einem Punkte. Dieser
Punkt war die Studirstube des Pa
stors. Es war ein freundliches Zimmer,
vielleicht das freundlichste des alten
Pfarrhauses, das nach einer Inschrift
an einem seiner ungeheuer dicken
Balken kurz nach dem dreißigjährigen
Kriege erbaut war. Damals mußte
das Holz noch sehr billig cewesen sein;
man hatte eine Unmasse " ungefügiger
Balken verschwendet, woraus man jetzt
zwei solche Häuser gemacht hätte.
In dies Haus und das interessante
Zimmer kam ich auf folgende Weise.
Mein Vater war Aktuar am Amts
gerichte, das sozusagen den Mittel
Punkt der umliegenden Dörfer bildete
und auf die Bauern eine solche Anzie
hungskraft ausübte, daß die Gerichts
beamten kaum Sonntags einmal einige
freie Stunden hatten. Und dann war
mein Vater müde, mürrisch und nie
dergeschlagen, so daß ich mir vornahm,
unter keinen Umständen Gerichtsbeam
ter zu werden, weil man da nicht ver
gnügt sein dürfte. So kam es, daß
mein Vater sich nicht sehr um meine
Erziehung kümmern konnte. Er lehrte
mich zwar schreiben er selbst schrieb
eine sehr schöne Hand brachte mir
auch etwas von der Zeichenkunst bei,
die Anfangsgründe des Rechnens
lernte ich von meiner Mutter, aber es
sollte doch was Rechtes aus mir wer
den. So ward ich dem Pastor ander
traut und erhielt gemeinsam mit des
sem Sohne Unterricht und zwar in der"
bewußten Studirstube.
Unvergeßlich steht jene Zeit in mei
ner Seele fest, stets sehe ich ihn vor mir,
den mächtigen Mann, wie er uns aus
feinen stahlgrauen Augen anblitzte und
mit seiner klaren begeisternden Stimme
uns in die Weisheit der alten und
neuen Völker einführte, wie er uns er
zählte von den gewaltigen Recken des
Nibelungenliedes. Und wenn wir flei
ßig gewesen waren, dann nahm er auch
wohl ein Buch aus seiner Bibliothek
und las uns vor, ließ uns auch selbst
lesen und lehrte uns, wie man lesen
muß.
Diese Bibliothek! O. sie war oft
schuld, daß ich nicht recht Acht gab beim
Unterrichte, aber sie spornte mich auch
an, daß ich meineGedanken zusammen-
nahm, wenn sich mir die Bilder frem
der Länder und Meere, die ich nie ge-
sehen, zwischen die deutschen und la-
teinischen Buchstaben drängten.
Da in der Bibliothek, deren aufge-
thürmte Schätze ein ganze Wand des
Studirzimmers bedeckten, da war nach
meiner Ansicht der Schlüssel versteckt
zu allen Geheimnissen der Welt. Dort
erschloß sich mir eine wunderbare Welt.
die mit berauschendem Zauber meine
Seele gefangen nahm, dort schloß ich
Freundschaft mit den Geisteshelden der
Vergangenheit und Gegenwart, eine
Freundschaft, der ich treu geblieben bin
bis auf den heutigen Tag.- Schiller,
GLthe, Shakespeare, Platen, Geibel,
Lenau sie alle lernte ich kennen und
Becker's Weltgeschichte und eine bände
reiche Sammlung deutscher Volkslie
der bildeten meine Erholung vom Le
sen. Außerdem studirte ich mit Franz
zusammen alle möglichen Grammati
ken und wir suchten die Geheimnisse
des Englischen, Spanischen und Jta
lienischen zu erforschen. Nur Franzö
sisch hatte keinen Reiz für uns, wohl
weil wir es lernen sollten. O! Wir
waren furchtbar vielseitig! Stunden
lang saßen wir, jeder in einer Ecke und
verschlangen mit fiebernden Augen und
glühenden Wangen unsere Schätze, bis
die Sonne unterging und die Dunkel
heit uns Einölt gebot. Das waren
köstliche Ze.n!
Fortsetzung folgt.) -
c.
ttartoffelspeise. Z Pfd.
geriebene gekochte Kartoffeln. 1 Tasse
Milch, Pfd. Butter zu Sahne ge-.
rührt. 6 Eidotter gut damit verrührt
und etwas Citroncnschale werden gu!
zusammen gemengt. Zuletzt " zieht
man den Schnee der Eier hindurch und
läßt diese Speise in gut ausgestrichener
ftorm langsam eine halbe Stunde
backen. Diese Speise reicht man mit
Obstsauce.
OstpreußischeKartoffel.'
f l i n s e n. Rohe Kartoffeln werden
gerieben. 1 Löffel Salz, zwei ganze
Eier und etwas Anis dazu gethan.
Nun läßt man in einer Eierkuchen
Pfanne Butter steigen oder Schweine
fett zergehen, thut von km Teig recht
dünn darauf und bäckt sie goldbraun
und knusperig. Schmecken mit. grü
nem Salat oder Obstsauce sehr gut,
doch auch heiß zum Kaffee. Zucker ist
dazu nicht nöthig, kann aber nach Be
lieben genommen werden.
Mohrrübensalat. Man
kocht 1 Pfund gute Mohrrüben in
Bouillon gar. läßt sie abtropfen, erkal
ten und treibt sie dann durch ein Sieb.
Hierauf zerstößt man 23 hartge
kochte Eier in einem Mörser und giebt
sie nebst einem Eßlöffel feingehackter
Küchenkräuter (Kerbel, Estragon, fri
sches Pfefferkraut, doch keine Petersi.
lie) zu den Rüben. Man arbeitet die
sen Brei gut durch und würzt ihn mit
Pfeffer, Salz, frischem Citronensaft
und feinem Olivenöl. Aufschnitt oder
gekochtes Rindfleisch wird dazu servirt.
Feiner Kartoffelsalat.
Die in der Schale gekochten Kartofseln
werden geschält und in Scheiben ge
schnitten es darf aber keine mehlige
Kartoffelart sein. Alsdann reibt man
einige gut gewässerte und gesäubert
Sardellen durch ein Sieb und verrührt
sie mit etwas frischer Butter. Aus
zwei rohen Eidottern, etwas engli
schem Senf, Salz. Pfeffer. Olivenöl
undEssig macht man eine Mayonnaise
sauce, in die man die Sardellenbutter
,mit einrührt. In diese Sauce hinein
giebtman die Kartoffelschciben nebst
gewiegter grüner Petersilie und mischt
den Salat gut durch.
Schöpsenkeure mit Gur-
ken. Eine ganze Hammelkeule oder
ein Stück aus derselben wird gut ge
klopft, in einer Bratpfanne mit Wasser
bedeckt, auf's Feuer, gestellt und kurz
eingedämpft. Man thut etliche Pfef
ferkörner und zwei Lorbeerblätter da
ran und bindet die Sauce mit einer
braunen Mehlschwitze. Nun schneidet
man sechs mittelgroße Gurken (roh)
etwas dicker wie zu Salat, thut sie
daran und läßt das Ganze noch eine
Stunde kurz eindämpfen. Man giebt
das Fleisch mit Salzkartoffeln, welche
mit Butter und Petersilie oder Schnitt,
lauch nach dem Abkochen fünf Minuten
durchschwenkt werden sind.
Gedämpftes Kalbfleisch.
Kalbfleisch vom Bug oder der Brust
spitze wird geklopft.' mrt-aer bedeckt
rt trrr fsPiert iijt.ii"pjri
ii iiuiut (tuu-ytii tjUi.it. 0ubHvVv tlit
kleine Zwiebel, eine Brotrinde (braune
Seite), ein Lorbeerblatt, fünf Pfeffer
körner daran gethan, schließlich noch
ein Viertel Pfund Butter bcigefüqt und
alles in ca. einer Stunde gar geschmort.
Man richtet das Fleisch in einem Reis
rande an und giebt die Sauce darüber.
Rindfleis ch mit pikanter
Sauce. Mit gekochtem Rindfleisch,
das die Hausfrau oft in Verlegenheit
setzt, weil es so wenig Liebhaber findet,
kann man in folgender Weise ein wohl
schmeckendes Gericht herstellen. Man
schneidet das Fleisch in Scheiben, brät
es in einer Kasserolle mit Butter an,
thut dann einen Schöpflöffel Bl?uillon,
ein Glas Rheinwein oder Cogi ac. fer
ner Salz. Pfeffer und eine tätige
Portion gehackte Petersilie dazu und
läßt es hierin noch 1 1 Stunden
langsam schmoren.
F i l e t m i t R a h m s a u c e. Ein
größeres Stück Rindfleisch (Lungen
braten) wird von ett. Haut und Seh
nen völlig befreit, gesalzen, reichlich
mit Speck gespickt, in einer Pfanne,
unter Zugabe von einem Stück Butter,
bei starkem Feuer eine halbe Stunde
gebraten, während des Bratens über
'gießt man das Fleisch fleißig mit
Rahm. Zur Sauce wird noch Rahm
und Citronensaft oder ein halbes GlaZ
Weißwein an die Brühe gegeben und
dies gut verkocht.
Einfacher Heringssalat.
Frisch gekochte Kartoffeln werden ge
schält und in Scheiben geschnitten. Ein
gut gewässerter Hering entgrätet und
in Würfel getheilt, ein oder zwei mürbe
Aepfel in dünne Scheiben geschnitten,
fein gewiegte Zwiebel. Pfeffer. Salz.
Essig und Oel. Einige Löffel Rahm
machen den Salat sehr milde. AlleZ
gut vermengt.
Mo st braten. Eine Kasserole
wird mit blattweise geschnittenere
Speck. Vetersilienwurzeln und 'Zwie
beln belegt. Von einem größeren Stück
Lungenbraten nimmt man Haut und
Fett ab, salzt ihn und legt ihn auf die
Suppenwurzeln. Nun wird Most,
etwas Essig und Wasser daraus gegzs-
sen, das Fleisch unter öfterem Umkeh-
ren weich gedünstet, dann herausge-
nommen. die Brühe wird so lange Qt
kocht, bis die Wurzeln ganz weich sind,
dann stäubt man 1 Kochlöffel voll
Mehl darauf, läßt dies etwas bräunen,
vergieße mit Most und FleisPrübe
oder Wasser, lasse die Sauce einige Zeit
lochen, dann rührt man sie durch ein
Haarsiebund läßt das Fleisch darin
heiß werden. Als Zugaben eignen sich
Maccaroni. Nockerln. Reis. Kartoffeln.
Höchste Popularität.
Bekannter: Ist es thatsächlich wahr,
was Tu eben erzähltest, daß Tu vor
gestern von Straßenräubern geplündert
worden bist?" Künstler: Sich meinen
Kopf an; nachdem mir die Kerls AlleZ
abgenommen, haben sie :mr auch noch
die Locken abgeschnitten und unter
vertheil'
Für die