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Jndiana Tribüne, Q September 1005 5 Zn tlessim Grunde. Skizze von Anna Wahlniberg. Fest lag dcr Lehmboden um die Kartosfelpflanzen, die behäufelt wer den sollten, das Feld war lang und der Spaten war schwer, denn der Ar beiter, der ihn führte, war nicht groß. .Er hatte nicht mehr als dreizehn Som mer gefehen. Mitunter hielt er an und warf un ier seinem gelben Haarschopf hervor ei nen lärmen Blick nach der Hütte, um zu sehen, ob dieMutter nicht unbemerkt zurückgekommen wäre. Und mitunter sah er den Landweg hinab in der Hoff nung, sie an der. Wegbiegung zu er blicken. Es war der Tag nach der Hochzeit beim Küster, und Mutter Stafra war dort und half. Heute würde sie zeitig heimkommen, hatte sie gesagt, als sie den Speiseschrank zuschloß, nachdem sie ein paar kalte Kartoffeln und eine Grützwurst für Anton zu Mittag hin gestellt hatte. Nun war jedoch Mittag längst vorüber, -auf dem blank ge- schrabten Teller war keine Spur mehr ZU sehen von den Kartoffeln und der Grützwurst, un'.? der Abend kam mit großen Schritten. Wie sollte es mit dem Abendbrot werden? Die Mutter hielt nicht allzu genau Wort, wenn s sich um die Zeit han- delte. Wenn sie nur Jemand fand, mit dem sie schwatzen konnte, so mochte die Uhr neun werden, wenn sie glaubte, daß es sechs sei. Es war Anton schon mehr als ein mal passirt, daß er mit leerem Magen zuBett gehen mußte. Er war wirk lich recht ängstlich, noch dazu, da der Speiseschrank so gut verschlossen war. Er hätte übrigens auch nicht gewagt, an den Speiseschrank zu gehen, wenn dieser offen gewesen wäre. So etwas thut ein rechter Sohn des Hauses, aber nicht ein fremdes Kind wie er. Als der Tischler und seine Frau das Letzte ihrer eigenen Kinder hatten auZfliegen sehen aus dem elterlichen Heim, hatten sie Anton zu sich genommen, denn sie brauchten Jemand, der das Ackerstück chen grub und Wege lief und in der Werkstatt mithalf, und da hatte er srt Vater und Mutter nennen müssen," denn das kostete ja nichts. Aber alles kommt ja nicht mit dem Namen. Und Vater und Mutter, das war etwas, was er nie recht verstanden hatte, über das er nur nachgegrübelt hatte, denn er selbst besaß keine Erfahrung in der Sache. Ehe er hierher gekommen war, war die Gemeinde ihm Vater und Mutter gewesen. Aber zu essen könnte man ihm doch geben, meinte er. So viel Arbeit that er doch, daß er sich satt essen durfte. . Und je mehr die Sonne sank, und je länger er dort ging und grub, desto wehr hetzte er sich auf. . ''Wer weiß," dachte er,' ob' Mutter nicht mit . Fleiß so lange ausbleibt, dann braucht sie mir ja kein Abendbrot zu geben. Es ist immer eine Erspar iß." 1 ' Und sein hungriger Magen und seine dumpfe.. Bitterkeit trieben wie hetzende Peitschenhiebe die Gedanken an. Er wollte es ihnen schon vergelten, daß sie ihn hier in der Einsamkeit für sie ar beiten ließen, ohne ihm auch nur zu essen zu geben. Nächstes 'Jahr sollte er konfirmirt werden, und dann wollte er den sehen, der ihn hier festhalten könnte. Er wollte ihnen schon zeigen, daß. kümmerten sie sich nicht um ihn, er sich auch nicht um sie kümmerte. Hier wurde er Zn seinen Phantasien von der Tischglocke des Herrenhofes gestört, die den Feierabend einläutete und die Müden und Hungrigen zur Abendmahlzeit rief. Nun bekamen die alle zu essen und der Vater mit ihnen, denn er war dort heute auf Arbeit gewesen. Anton gab den Lehmkuchen einen letzten Schlag mit dem Spaten, warf den über die Schulter und ging hin und stellte ihn in den Geräthestall. Arbeiten brauchte er doch nicht länger als die Anderen. Dann setzte er sich vor's Haus auf die Treppe und wartete. Dort hatte er die beste Aussicht auf dieLandstraße, von wo die Mutter kommen mußte Vielleicht hatte sie mit einem der Hoch- zeitsgaste fahren sollen und war aufge halten worden. Die Landstraße krümmte sich um den See und das Wagenrollen konnte man über das Wasser ganze zehn Minuten früher hö- ren, als man den Wagen auf der Weg biegung oberhalb der Hütte sehen konnte. Und er saß und horchte und starrte, während er sich all' das Gute vorrechnete, das die Mutter im Hoch- zeitshause zu essen bekommen haben konnte. Aber kein Wagenlärm war zu hören, und sah er Jemand kommen in der Wegkrümmung. -so war es nicht die Mutter. Schließlich stand er auf und ging in die Hütte hinein, um nachzu sehen, ob niast eine Brotkante in einem der offenen Schränke läae. Er suchte und suchte, hinter Tassen und Näpfen und Schüsseln, aber auch nicht so viel wie ein Krümchen fand er. Alles Eß bare lag in dem verschlossenen Schrank. Und nicht einen Pfennig besaß er, so daß er zum Kaufmann gehen konnte. Wie er ging und spähte und den Kovk drebte. fiel sein Blick auf einen I alten Blecheimer, der in der Herdecke stand. Dieser Eimer gehörte nicht zum Hause. Die Mutter hatte ihn von den nächsten Nachbarn im Dorfe aeliehen. Wenn er ihn jetzt zurückbrachte, sq kam er gewiß zu deren Abendbrot zu recht. Und wenn er dann sagte, daß die Mutter vergessen hätte, für ihn zu essen hinzustellen, dann gaben sie ihm vielleicht ein Bißchen. Dann wurde Mutter sich naturlich bis in die Seele schämen. Und sie wurde so wüthend werden, daß sie ber- sten mochte, wenn sie das hörte. Aber fcrbftnt batte t es. Er stand und wägte den Eimer in der Hand. Sollte er eZ thun, oder, sollte er nicht? Sie hatte es verdient, und sein Ma- gen knurrte. Das waren zwei gute Gründe. Aber dennoch sollte er oder sollte er nicht? Na, er konnte immer gehen mit dem Eimer. Unterwegs konnte er .ja wei- ter überlegen. Und so ging er. Er hatte recht gerathen. AIs er zu den Nachbarn kam, saßen sie noch beim Abendbrot, und es duftete so schön nach den warmen, dampfenden Kartoffeln. Hering und Speck hatten sie dazu, und die Hausfrau selbst stand und schnitt dicke Scheiben frisches Schwarzbrot für jeden der Männer auf der Bank. Ich wollte nur den Eimer.wieder bringen und vielmals -dafür danken," sagte Anton. Stell' ihn dort in die Ecke.- ant- wortete die Frau und nickte nach dem Herd zu. Anton stellte den Elmer :n die an- gewiesene Ecke und sich selbst daneben. Und dort blieb er stehen. Die Frau schielte nach ihm hm. .Willst du noch was?" fragte sie. Nein," sagte Anton längsam. Aber er stand, wo er stand. Nun fingen auch die Männer an, nach ihm hin zu gucken, und Anton begriff, daß er entweder seiner Wege gehen oder' etwas sagen müsse. Aber er konnte zu keinem von beiden kom- men. .Dir wird tl wohl langweilig zu Hause, wenn' Vater und Mutter fort sind," sagte die Frau, die nach einer Erklärung suchte. , Anton murmelte etwas Unhorbares, drehte die Mütze und sah auf seine Füne hinunter. Aber gehen that er nicht. Bist du schon mit dem Abendbrot fertig?" fragte einer der Männer, der über den Teller gebückt saß und selbst reichlich Zeit zu brauchen schien, um satt zu werden. Das war ein entscheidendes Wort. Nun begriff-die Frau, was los war, und ihr gutes Herz schwoll von Mit leid. Herr Gott, das arme Kind hat ge- wiß kein Essen bekommen!" rief sie aus und ging zu dem Knaben hin. Bist du hungrig, Kind?" Das Wort heraus zu bringen und um einen Bissen Essen zu bitten, war Anton zu schwer gewesen. Aber auf Fragen zu antworten, war keine Kunst. Ja sagte er. Mutter sagte, daß sie zur Abendbrotzeit zurück wäre, aber sie hat mich wohl vergessen. Er hatte den gesenkten Kopf erhoben und es war ein finsterer Blick in den gewöhnlich so schonen Augen. Sie leuchteten von des Hungrigen Haß ge- gen die, die ihmsein Brot vorenthalten hatte. Sie weideten sich daran, der Beschämung und Schmach die Mutter auszuliefern, die ihm keine Mutter war. Denn eine Schande war es für sie. Alles konnte man dort in der Ge- gend vergessen, ab?r vergessen, einemzu essen zu geben, das war unverzeihlich. Das war eine große Schmach. Die Bauersfrau schob ihn nach dem Tisch und holte noch einen Teller. Die Männer ruckten zusammen und so be kam auch Anton sein Theil von den duftenden Kartoffeln, dem schonen He ring, dem feinen Speck und den dicken Brotscheiben. Es schmeckte so gut, daß er kaum an etwas Anderes denken konnte, obwohl er recht gut hörte, daß die Leute um ihn herum laute und halblaute Bemerkungen machten, .die ihn und die zu Hause betrafen, beson ders die Mutter. Und das ließ ihm die guten Sachen noch besser schmecken. Es war ihr. recht. Sie hatte es v:r dient. Spät endlich, als er satt und zufrie- den war, begab er sich wieder heim. Ob die Mutter nun zurück war? Aber jetzt sehnte er sich nicht mehr nach ihr. Im Gegentheil, jetzt-konnte s?e tzern noch ein bißchen ausbleiben. Es stach ein bißchen in ihm, wenn er daran dachte, daß sie heute Abend noch sehen sollte. Am besten wäre es, wenn er schon läge und schliefe, wenn sie kam. Sobald er etwas unschlüssig die Thür geöffnet hatte, sah er indessen, daß sie noch nicht zu Hause war. Aler drinnen in der Werkstatt war der Pflegevater. Er nickte Anton guten Abend zu, als er ihn erblickte, aber müde von des Tages Arbeit, fagte er nicht viel Worte, und als er sein Werk zeug geordnet hatte, ging er rasch zu Bett. ' Der Junge folgte dem Beispiel, warf rasch die Kleider ab und kroch Zn's Bett, vergnügt, daß sein Wunsch, die Pflegemutter möchte noch ausblei ben, in Erfüllung gegangen war. Und bald war es ganz still in der Hütte. Anton wußte nicht, ob er noch halb wach war oder ob er geweckt worden war, als er plötzlich Geräusch und Schritte im Zimmer hörte. Es war Mutter Stafra. die umher ging und raschelte. Sie setzte den Korb hin, legte Schal und Halstuch ab und holte hervor, was sie in der Rocktasche hatte. Eine ganze Weile stand sie am : Tisch. Dann auf einmal horte Anton inte Schritte sich seinem Bett nähern. Was wollte sie dort? Wollte sie nacy der Wanduhr sehen, die über ihm hing und deren Zeiger in der Dämmerung schwer zu unterscheiden waren? Ja, es war wohl so, dachte Anton und kniff die Augen fest zusammen, damit sie nicht sehen sollte, daß er wach war. Aber was sollte das bedeuten? fcic beugte sich über ihn, so nahe, daß er die Warme ies Korvers suhlte, und te tastete leise mit den Händen , um das Kopfkissen., Es war so wunderlich. Er konnte es nicht lassen,' sich zu rühren, die Au gen zu öffnen und sie anzusehen. Aber da zog sie die Hand züruck, streichelte ihm über den Kopf und lächelte so gut. wie sie mitunter thun konnte. Schlaf nur, mein Junge," sagte sie. Aber morgen früh kannst du nachfüh- len unterm Kissen." Anton konnte nichts sagen. Er ließ sie in dem Glauben, daß er nicht richtig wach sei. Er lag unbeweglich und lauschte darauf, wie sie das eme Klei dungsstück nach dem anderen ablegte und dann in's Bett stieg. Erst als er ganz sicher war, daß sie schlief, steckte er vorsichtig die Hand un- ter's Kissen, um zu untersuchn, was dort sein könnte. Er cranff etwas Nundes, Festes, aber doch Weiches. Es war eine große, herrliche Apfelsine. Eine Apfelsine! Noch nie ,n semem Leben war eine ganze Apfelsine sein ge wesen. Höchstens hatte er 'mal ein Stuckchen schmecken dürfen. Und die- sen Schatz, diesen duftenden, süßen Leckerbissen, sicher das Beste, was die Mutter vomHochzettsschmaus bekom men, hatte sie für ihn verwahrt! Sie dachte also doch manchmal an ihn, obgleich sie vergessen hatte, daß sie ihm kein Abendbrot gegeben. So war sie. die Mutter. Mehr als einmal hatte der Vater sie gescholten, daß sie beim Schwatzen Zeit und alles vergaß. Aber sie konnte doch auch gut und lieb sein. Und die eine Erinnerung nach der anderen tauchte vor ihm aus. Er erin nerte sich, wie sie ihn vertheidigt hatte, als der Vater ihn schlagen wollte, weil er die Schneide der Axt verdorben hat te. Und er erinnerte sich des Winter abends vor mehreren Jahren, wo er hatte mitdürfen auf Besuch und auf der Schlittenfahrt heimwärts - so schläfrig geworden war. Da hatte die Mutter ihn auf den Schooß genommen und die Decke um ihn geschlagen, und er hatte an ihrer Brust geschlafen. Ja. sie war doch gut, die Mutter. Und wie sie ihm eben den Kopf gestrej chelt hatte! Und wie freundlich sie ge lächelt hatte, ordentlich hübsch war sie geworden! . Und er, er hatte ihr noch nicht ein mal gedankt! ....... Er drückte seine Wange an die Apfelsine. Sie war rund und weich. Es war beinahe, als hätte er eine an- dere Wange, an die er die seine lehnen konnte. .z Wie war es möglich, daß , er, zu den Nachbarn hatte gehen und die Mutter so beschämen können und da sitzen und deren Essen essen? Er wünschte, daß er mit leerem und hungrigem Magen hier läge. Dann hätte er mit Freuden tn die schöne Frucht hinein gebissen. Nun konnte er das nicht. Aber nicht, weil er zu satt war. Er meinte, er konnte nie so hungrig werden, daß er sie essen mochte. ' Das Einzige, was er mit ihr thun konnte, war, sie dicht an seme Wange halten. So lag er, so lange er wach war. Und so lag er auch, als er end- lich einschlummerte. In einer Tischlerwerkstatt sind Späne, und auf Spänen liegt man recht gut, wenn man sich kein anderes Lager zu beschaffen weiß. Der Strolch, der im Dorf umherge streift war und keine geeignete Scheune gefunden hatte, erinnerte sich, diesen Haufen Spane durch S Fenster gesehen zu haben, und als es beruhigend still und dunkel im Dorfe geworden, kam er wieder, machte das Fenster auf, das nicht sehr fest geschlossen war, kletterte :n die Werkstatt hinein und nahm das wartende Bett rn Besitz. Aergerlich war es, daß er nicht da ran denken konnte, es in guter Ruhe so lange wie möglich zu behalten. Hoch stens drei, vier Stunden konnte er auf die unbewußte Gastfreundschaft rech- nen. Dann mußte er wieder fort, denn er nebte es mcht, seme Wlrthsleute zu treffen. Glücklicherweise war er es nicht ge wohnt, Morgens, lange zu schlafen, und er erwachte immer früher als der Hahn. So geschah es auch in diesem Logis. Schon gleich nach drei begann er sich zu rühren, gähnte, setzte sich auf und zündete die Pfeife an, um sich zu erfrischen. Dann kletterte er wieder zum Fenster hinaus, schob es ordentlich zu hinter sich und begab sich wieder sorglos und vergnügt hinaus auf die freie Wanderschaft. Aber ein kleines Andenken hatte er zurückgelassen. Das Streichholz, das er hinter sich geworfen, nachdem er seine Pfeife, angezündet, . lag noch auf dem Fußboden, und eiv fast unsichtbares. blaues Flämmchen, das die Auslo- schungZprozedur überdauert hatte,, die in emem .zu matten Wehen ' bestanden, haftete noch daran. Es war so schwach, das Flämmchen, daß eö ein paarmal dicht daran war, ganz zu verloschen. Aber da das Hölzchen mit dem obersten Ende gegen einen Span gefallen war, neigte sich der ein wenig und es bekam Luft unter sich, was veranlaßte, daß das kleine Flämmchen am Leben blieb und langsam, aber sicher, am Streich holz hinauf kroch. schlleklich kam es an den Span Der war schmal und dünn und leicht zu fassen, und tückisch warf sich die kleine Flamme über ihn, schwoll tote eine ovferschluckende Schlange und schoß eine lange, rothgelbe Zunge her aus, zog sie wieder ein, aber war im nächsten Augenblick in eine ganze Sammlung Spane hineingesprungen, gegen die der erste sich lehnte, dehnte sich zu einem vielrückiqen, kleinen Unge- heuer aus und schoß Zungen nach allen "ten hin. Mit einem Satz war sie drin in dem großen Spanhaufen, und nun war sie Herr im Hause geworden. Es raschelte, es knisterte, es rauchte und siedete, und die Flammen kletter-' ten um Wände und Dach. War es dcr Rauch, der sie weckte, oder war es der Ruf der Menschen, die den Schem gesehen hatten und nach der Hütte gelaufen kamen? Sie wußten es nicht. Mann und Frau taumellen aus dem Bett, halb wach, betäubt, kaum wissend, um was es Ich handelte. Sie rafften zusam- men,' was sie zuerst .ergriffen, und stürzten nach der Thür, die nach dem kleinen Vorflur führte, welcher rne Werkstatt von dem Wohnraum trenn te. Aber ehe sie dorthin gelangten, er- innerte der Mann sich des Knaben, der lm Bett am entgegengesetzten Ende des Zimmers lag. Er hatte sich nicht ge- rv r v c a ? r ruori. t icmicr oes lnoes liefen, ruhigen Schaf. Der Pflegevater kehrte um. Er riß den Knaben am Arm und machte ihn wach. Aber er mußte ihn schütteln, damit er zur Besinnung kam.. Es brennt," mußte er ihm in die Ohren schreien, damit er verstand. Und das dauerte ein paar Sekunden. Als sie nach der Thür kamen, drangen'ihnen stickende, dicke Rauchwolken entgegen. Dahinter kreuzten sich breite, rothgelbe Lichtstreifen. Aber um sie wurde es dunkel. Sie stürzten zurück, blind gegen Möbel und Hausgeräth stoßend auf ihrem Lauf nach dem einzigen was sie gegen das Dämmerlicht draußen unterscheiden konnten dem Fenster. Mutter," rief Anton plötzlich, wo ist Mutter?" ' Draußen,? antwortete der Pflege- vater. ..Und im selben Augenblick wurde das Fenster von den herbeieilenden Dorfbe wohnern eingestoßen, so daß alleSchei ben sprangen. Man zog sie hinaus. Sie bekamen wieder reme Lust m die Lungen. Sie waren gerettet, f. Aber-Anton starrte um sich mit wil den, suchenden Augen. ; Mutter! Wo ist Mutter?" rief er wieder und wieder. Er sah sie nirgends. Die Anderen begannen auch sich um zusehen, sowohl die,' die rußig umher liefen und zu löschen versuchten, als auch die, die mit gefalteten Händen standen und Gottes Hilfe anriefen. Sie ist hier. Ich habe sie gesehen! sagte Jemand. Ein Anderer hatte sie auch gesehen. Aber ietzt war sie verschwunden. Ob sie hineingelaufen ist, um zu retten?" warf ein Dritter hin. Was thut der Junge? Ist er mahn- sinnig?"- Mit einem Griff um den Fensterbal ken hatte er sich wieder in's Fenster hinauf geschwungen. Haltet ihn fest! Haltet ihn!" Aber er war schon durch das Fen per hinunter gesprungen. Er war drinnen in dem schwarzen, qualmenden Abgrund, der bereits hier und da von einem unheimlichen rothen Schein - er leuchtet wurde. Man hörte ihn rufen: Mutter. Mutter!" Und dann wurde es still. Der rußigste Mann, der, der den Feuerhaken führte, warf diesen einem anderen zu und schwang sich rasch durch das Fenster dem Knaben nach. Ein paar Augenblicke war er fort. Ein paar Augenblicke standen die Men schen starr und athemlos vor Erwar tung und stierten in das dicke, qual mende Rauchmeer, das jetzt eine röth liche Färbung von den plötzlich hervor brechenden Feuerzungen bekommen hatte. Endlich erschien er wieder mit dem Kinde in den Armen. . Viele Hände streckten sich ihnen ent gegen und halfen ihnen heraus, wäh rend'die Flammen nach ihnen züngel ten. Und Hilfe war nöthig. Der große, starke Man wankte und wäre gefallen, wenn man ihn nicht, gehalten hätte. Und Anton hing wie ein Tod ter in ihren Händen.. Unbeweglich lag er auf dem Boden, als man ihn hinge legt hatte. Er war furchtbar verbrannt. Das Hemd auf der einen Seite war fast ver kohlt. Doch keuchte über seine Lippen ein schwacher, unregelmäßiger Athem Zug. Vorsichtig trug man ihn auf einer herbeigeschafften Bahre in's nächste Haus. Als aber die Männer in die Thür traten, blieb ihr Blick starr an der einen Ecke des Zimmers haften, als ob sie ein Gesicht sähen. ' Dort erhob sich ei Weib, das vor einer Weile gleich einer Wahnsinnigen herbeigestürzt war, sich umsehend, als wäre es gejagt und verfolgt, und da? seitdem zusammengekrochen, mit der Schurze vor dem Gesicht, stöhnend und wehklagend dagesessen hatte. Jetzt war sie von dem Trappeln der vielen Füße geweckt worden, hatte die Schürze fal- len lassen und sah auf. Sie war es, d man noch m dem brennenden Hause geglaubt hatte, sie. um deretwillen daö Kind hier auf der Bahre lag, leblos und verbrannt. Es war Mutter Stafra. In der allgemeinen Verwirrung war sie in wahnsinnigem Schreck geflö? hen, ohne daß es jemand bemerkt hatte. Sie stellten die Bahre auf den Fuß- boden. Ein leises Jammern kam von dort. Das zog Mutter Stafra aus der Ecke heraus, und die Leute, die. in der Stube versammelt waren, schlepp ten sie vorwärts. Sie stand an der Bahre ünd'sah, wer dort lag. Aber es schien sie mcht weiter zu rühren und ihre Augen blieben trocken. Er glaubte, ihr wäret noch im Hause, .Mutter Stafra", sagte einer von den Mannern, und so sprang er wieder hinein, um euch zu retten." Mutter Stafra sah von dem Spre- chenden nach der halbnackten Gestalt auf der Bahre, nach dem armen Kin- de, das dort so still m semem ver kohlten Hemde lag. Aber nicht einmal jetzt nahm sie es sich zu Herzen. Es war, als ob sie nicht recht faßte, wie all' dies zusam- mcnhing. Viel war nicht zu machen. Der Dok- to? wohnte zu weit fort. Er konnte nicht auf lange kommen. Aber der Lazarethgehilfe hatte die schweren Brandwunden verbunden und die nö thigen Wiederbelebungsversuche ge macht. Anton lebte auch noch und das schwache Jammern dauerte -fort, aber wirkliches Bewußtsein hatte er nicht wieder bekommen. Neben dem Bette saß Mutter Stafra still und starr und sinnlos an dem Laken fingernd, das man über ihn gebreitet hatte. Es sah aus, als ob das Unglück sie gelähmt habe. Schon eine lange Zeit hatte sie so ge sessen. Da, ohne daß eZ jemand er- wartete, schlug der Knabe ganz plotz lich die Augen auf, ein paar irrende, unbewußte Augen, die nichts sahen. Aber dann wurde sein Blick suchend, heftete sich zuletzt an Mutter Stafra, und ein erkennendes Lächeln glitt über sein Gesicht. - Mutter", flüsterte er, Mutter. . Bald jedoch wurde sein Ausdruck unruhig und fragend. Es war, als wollte er etwas fragen, aber wußte nicht wcs. Die Züge erschlafften, ver zerrten sich vor Schmerz, und ein lau tes Jammern kam über seine Lippen. Aber dann lächelte er wieder und der fragende Ausdruck war fort. Er hatte sich damit zufrieden gegeben, sie dort zu sehen. Dann sielen die Lider ermattet zu, um sich jedoch noch einmal zu heben. Dank, Mutter", sagte er leise, dank, Mutter, für die Apfelsine..." Und klar und strahlend glänzten ein paar Sekunden lang die offenen Kna benaugen ihr entgegen, trotz des Kam pfes mit den Schmerzen Mutter Stafra tastete ungeschickt nach seinem gesunden Arm und strei chelte ihn wieder und wieder. Auf einmal aber brach sie in Weinen aus. Etwas hatte sich gelöst in ihr. Sie h.atte begriffen, daß sie alle diese Jahre ein kleines, warmes Herz nahe bei sich gehabt, obgleich sie es Nicht eher gewußt hatte als jetzt, wo es bald aufhören sollte zu schlagen, aufhören zu schlagen um ihretwillen. Stunde auf Stunde saß sie am Bett, beständig den erschlafften Kinderarm streichelnd und die geschlossenen Lider behütend, die sich nicht mehr offnen wollten. Sie wehklagte nicht mehr wie zuerst, als sie hier in der Stube geses sen. Sie hatte alles andere über den sterbenden Knaben vergessen. Und die Nachbarn schlichen still um her und sahen sie an. Sie dachten an den Abend vorher, wo das versäumte Kind mit seinem anklagenden Blick hier gestanden und so gut wie gebettelt hatte um das Brot, das es, zu Hause nicht bekommen. - Es war wunderlich. Es war nicht leicht zu begreifen. Wer hätte ge glaubt, daß die beiden so viel' fürein ander waren? Stoßseufzer. Maler: Herrgottsakra, den Brummschädel, den ich. hab'. Heute ist's doch Essig mit Meiner Oelmale-, xti; wenn ich nur wenigstens gleich noch einen Hering dazu hätte." Höchste Kritik. Tourist (in einem elenden Dorfes als sein Kompaß nicht gleich recht funktioniren will): So ein elendes Nest... so ein miserables. . . ich glaube, hier hat man nicht, einmal Norden und Süden?! . m jp -W Seine Frau wieder ge h e i r a t h e t. Ein Ehepaar, welches sich vor 20 Jahren scheiden ließ, hat sich dieser Tage in Helena. Mont., wie Ler verheiratet. Dem Manne war es unbekannt, daß er seine' geschiedene Frau heirathete, doch die Letztere wußte es. bewahrte aber ihr Geheimniß bis nach der Trauung. James Hurlbutt und Ruth Emery verheiratheten sich sehr jung in Kanada. Etwa einen Monat nach der Hochzeit ging der junge Ehemann nach dem Westen, und da er lange Zeit nichts mehr von sich hören ließ, erlangte seine Frau wegen Verlassens eine Scheidung und verhei rathete sich mit einem Minenbesitzer, der in New Mexiko starb und seiner Wittwe ein hübsches Vermögen hinter ließ. Die Wittwe kam nach Helena, wo sie ihren ersten Mann traf und ihn auch sofort erkannte. Erst nach der Trauung gab sie sich ihm zu erkennen und er "erklärte, daß ihn seine Wahl nun doppelt freue. Neuer Vulkan entdeckt. Drei Ranchbesitzer haben im sogenann ten Rye Patch. Nevada, einen in voller Thätigkeit befindlichen Vulkan ent deckt. Dies erscheint einigermaßen merkwürdig, weil die Gegend seit Iah ren dem freien Verkehr erschlossen und der Krater früher nicht bemerkt or den war. Die drei Entdecker suchten in der Gegend nach Vieh, das ihnen gehörte, und stießen auf einen Lava ström. Diesem folgend, entdeckten sie den Vulkan. Die in der Nähe des Vulkans umherliegenden Fclsblöcke waren so heiß, daß die 'Männer t nicht mit ihren Händen berühren konnten.. Das Ausströmen von Lava war von einem unterirdischen dumpfen Rollen begleitet. Vom Tode auferstan den. Eine große Ueberraschung be reitete neulich ein gewisser Louis Viel in Des Moines. Ja., mehreren Aerz ten und Krankenwärtern eines dor tigen Hospitals dadurch, daß er, der anscheinend gestorben war, plötzlich wieder zum Leben erwachte. Kurz nach dem Beginn der Post-Mortem-Unter-suchung an dem Scheintodten, machte einer der Aerzte zufällig einen leichten Einschnitt in der Nähe des Herzens und dieses begann fast augenblicklich wieder zu schlagen. Der Einschnitt wurde rasch geschlossen. Einige Stun den später erlangte Viel das Bewußt sein wieder. Hohes Alter. Kapitän Je rome B. Osier, der für den ältesten Einwohner des Staates Illinois galt, ist unlängst in Chicago im 105. Le bensjahre gestorben. Er war in früher Jugend Matrose geworden und dann lange Jahre als Schiffskapitän auf den Binnenseen thätig. Im Jahre 1861 trat er in die Marine ein, in wel eher er als Fähnrich unter Admiral Porter an den Treffen auf dem Mis sissippi. zwischen New Orleans unb Vicksburg, theilnahm. Nach dem Krieg wurde er Lebensvcrsicherungsagent. Er war bis vor einem Jahre geschäftlich thätig. Muthige Schlangen j L g e r i n. Die zwölf Jahre alte Mary Bundran in Shelby. Wis.. ist. das erste Mädchen in La Crosse County, das sich aufmachte, um Geld mit dem Tödten von Klapperschlangen zu verdienen. Sie erlegte nicht weit von ihrem Hause vier der Reptile und etzte dadurch ermuthigt die Jagd er olgreich fort. In keinem Jahre vor- her gab es so viele Klapperschlangen in La Crosse County wie in diesem, doch hört man selten, daß Leute ge- bissen wurden. Im Ferriö-Rad gefan- g c n. Eine sehr unangenehme Ersah- rung hatten jüngst 60 Personen, die sich auf Fort George in New Fork bei einer Fahrt im Ferris-Rad amüsirten. Als ein Gewitter losbrach, kam die Maschinerie des Rades zum Still stand und trotz allen LamentirenS mußten die Passagiere die volle Fluth des Regens über sich ergehen lassen. Erst nachdem der Sturm vorbei war, konnten sie das Rad verlassen; ihr Anblick war einfach jammervoll. Entschlossener Selbst Mörder. In Binghamton, N. F., beging letzthin der am dortigen Post amt als Aushilfe-Clerk beschäftigt ge wesene Wilbur Saxton auf eigenthüm liche Weise Selbstmord. In Gegen wart mehrerer Personen watete er in den Fluß hinein, bis das Wasser etwa drei Fuß tief wurde und hielt darauf den Kopf so lange unter Wasser, bis er ertrunken war. Ein Grund für den Selbstmord des jungen Mannes ist nicht bekannt. Mit Wasser getauft. Bei dem Stapellauf des Schlachtschiff fes Kansas" in Camden, N. I., wurde eine Neuerung eingeführt, die in den Annalen des Schiffbaues in den Ver. Staaten sicherlich vereinzelt da stehen dürste. Zum ersten Male wurde nämlich die Taufe des Schiffes an statt, wie bisher üblich, mit Cham pagner, mit klarem Quellwasser, voll zogen. Geschichte eines K i r schenkern s. Ein Kirschenkern, den eine Frau William Euler in Woodlawn, Md., seit 42 Jahren im Ohr trug, wurde dieser Tage durch eine Operation erfolgreich entfernt. Zu gleicher Zeit wurde Frau Eulcr von ihren Schmerzen befreit, die von Zeit zu Zeit sich fühlbar machten und kaum ertragbar waren. X