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Erzählung von Emilie Heinrichs. (Fortsetzung.) „Nicht wahr, Herr Gebhard?" rief Sicking eifrig, „wäre es denn nur denk bar, daß mein Freund Eduard Fürst sei neui Doppelgänger wie ein Schatten auf den Fersen sitzen, von dessen Kreuz und Qqerfahrten stets sichere Kunde haben könnte?" „Nein, das ist in der That nicht denk bar: ich geruthe da in eine Sackgasse der lvv "7 v"'v Ingen, die mich an Shakspeare's Ko mödie erinnert. Apropos, jener Volon tär war Ihr Freund', wie Sie sagen, er zählen Sie mir, bitte, doch um Genaue res über sein Verhältniß zur Firma Erd matm." JMng-n. d.° mich Sh°rip°-« K°- Stelling schwieg einen Augenblick, ein erklärliche? Mißtrauen gegen Karl be schlich ihn, da er genügenden Grund hat te, anzunehmen, daß dieser auf die Hand de? deichen Erbin speenlire. Doch sagte ihm sein Verstand sogleich, daß für Edu ard jede Hoffnung verloren sei, selbst in den? Falle, wenn er wiederkehren und sei ne Unschuld darlegen könnte. „$ch kann Ihnen nicht viel darüber sagsn," begann Stelling nach einer Wei le, „da mein armer Freund selber über seilte Herkunft im Dunkeln tappte." .Pah," unterbrach ihn Karl, „die Sa che liegt einfach, Ihr Freund ist der na tätliche Bruder des Fürsten ***, daher W fabelhafte Ähnlichkeit, daher auch der erklärliche Haß des Letztern." „Ich selber theilte Ihre Ansicht," nick te der Doctor, „obwohl nur die leise An spielung davon meinen Freund in eine fürchterliche Aufregung versetzte. Herr Echmann wird allerdings die genaueste Kefrntmß davon haben." „Sie meinen wirklich'? Herr, dann plante er doch wohl, von einen wnnderli, chclt Hochmuths!«ufel verblendet, eine Verbindung zwischen seiner Tochter und de« jungen Halbblut-Fürsten." „Wohl möglich," versetzte Stelling teotfeit, „ich glaubte sogar fest an eine Reglisirung derselben, bis der kvgitime Ftyt sich herbeiließ, seine Rolle in Ham burgs-Unterwelt zu spielen und den ar mttt Jungen dadurch für immer bei der Firjna Erdmann zn discreditiren."' „In welchenz Hotel mag der Fürst wohnen?" fragte Karl plötz lich. „Vordem sah ich ihn in Streits Hotel, wo er auch jetzt wohl wieder Wohnung genommen haben wird." „fehlte Weiteres kehrte Karl wieder unt und schritt hastig den Jungfernstieg zurück, von dem erstaunten Doctor ge folgt." „Was haben Sie denn nur, Herr Geb hard?" fragte er mit schlecht verhehlter Ungeduld. „Wir wollen ein wenig Terrain studi Ten, mein Lieber!" sprach Karl halblaut, „kommen Sie nur, ich verstehe mich auf dergleichen." Vor dem hellerleuchteten Eingänge des weltbekannten Hotels stand der Portier, sich mit einem kleinen Jockei und einem ziemlich wüst aussehenden, tm übrigen aber anständig gekleideten Mann unter haltend. Karl und der Herr Doctor zogen sich ein klc'.n wenig in den kühlen Schatten zurück. „Den Burschen kernteich genau," flu sterte Elfterer seinem Begleiter zu, „es ist der Fremdenführer Jan Fuchs, der wird den Fürsten sicherlich kennen, also vor allen Dingen unser Mann fein. Still, wen haben wir da? Zum T— dal ist ja der Herr Volontär, wie er leibt und lebt." '„Es ist der Fürst ***," erwiderte der Doctor leise und erregt was sagen Sie zu dieser Aehnlichkeit?" „Sie ist erschreckend," murmelte Karl, daS Auge nicht von dem Fürsten lassend, der einige Worte im Borbeigehen zu dem Jockei sagte und'dann in eine ÄMchke sprang, welche jener eiligst öff «etc. ^Vorwärts, Herr Doctor!^ flüsterte Karl, „wir müssen dem Herrn Fürsten folgen." Bevor Stelling nur recht zu begreifen verwochtt, was der junge Gebhard be zweckte, hatte dieser bereits eine Drosch« ke herbeigerufen, dem Kutscher einige Wyrte zugeflüstert und den Wagen be stiegen. 4"J '4,- JRofch, mein Lieber, rasch!" rief er gen gebracht, 5^1* ungeduldig, und zog den Doctor zu sich Zimmer lustig ertragen werden konnte. herein, worauf die Thür zuflog und die „O Clementine," seufzte der anfchei Droschke davon rasselte. itetid so blasirte Mann, „wenn Du es Wenn auch die Gaserleuchtung Ham burgs heute nicht zu den glänzendsten ge hört' so war doch die Straßenbeleuch titug im Jahre 1841 eine noch viel trü bere, da noch Oel gebrannt wurde. Dieser Beleuchtung hatte es der Fürst dessen Droschke allerdings einen bedeu tenden Vorsprung gewonnen, obgleich er natürlich keine Ahnung von seinen Ver folgern haben konnte, zu verdanken, daß er in der Nähe des Steinhorns unver- r"lJ""krv merkt seine Droschke verlassen und ver- t„nntc während die letztere nun langsam zurückfuhr. Unschlüssig hielt jetzt der Kutscher, wel cher Karl und den Doctor fuhr, die Pfer de an, stieg vom Bock, öffnete die Thür une rapportirte, daß fein College retour komme. Frage ihn, wo er seinen Passagier ab gesetzt," befahl Karl. „He, Struck! Du bist's," rief der Kitt schrr, sich am Geschirr zu schaffen mach end, „wo kommst denn her?" „Hab' meine Durchlaucht bis ort's Thor gefahren," nickte Jener, mit der Peitsche knallend, „und Du, Meier?" „Hab' noch eine Fuhre, die Stränge sind mir gerissen kannst lachen, Junge, bast eine gute Kunde, so eine Durchlaucht wirft was ab." „O ja, der Herr ist kein Gnatzer" lachte der Kutscher, seine Pferde antrei bend. Haben die Herren es alle gehört?" kam jetzt Herr Meier wieder an die Thür. Ja, wollen aussteigen," sprach Karl, hastig den Wagen verlassend, und dem Kutscher ein Geldstück in die Hand drück end, „wartet hier auf uns." „Ja, was den nun?" fragte Stelling leise. Wir wollen der Fährte folgen, drau ßen in St. Georg machen wir vielleicht Entdeckungen. Ich fühlte eine wahre Wuth in mir, den Weg dieses legitimen Fürsten zu kreuzen." Sie schritten auf's Thor zu, erlegten ihre Sperre und befanden sich in der Bor statt St. Georg. So, da wären wir glücklich angelangt, spotteteStelling, „was nun weiter,werther Herr?" „Karl dachte nun einen Augenblick nach." „Sie bleiben hier als Wache zurück," entschied er dann, „während ich dem Bo gel nachspüre." „Ein schöner Posten," brummte der Doctor, man wird mich für einen Freit beuter halten." „Unsinn, es wird sich niemand um sie bekümmern, halten Sie aber die Augen offen, wenn der Fürst oder sein*Doppel gänger zurückkehrt." Karl schritt links durch die große Al lee, welche durch einige Laternen nur spärlich erhellt war, er griff tüchtig aus und befand sich bald am Ende derselben, ohne irgend einem menschlichen Wesen begegnet zu sein. Fast bereute er es schon, diesen Weg eingeschlagen zu ha ben, als er bei den ersten Häusern eine Gestalt langsam dahinschreiten sah. Mit klopfendem Herzen, das Karl mehr dem raschen Lauf, als feiner tiefen Aufregung zugestehen mochte, näherte sich jener Ge statt, die, in einen langen, dunkeln Man tel gewickelt, wie in tiefen Gedanken ver loren, oder mit irgend einem Entschlüsse kämpfend, dahinschritt. Es mußte Fürst sein, soviel Karl sich von seiner Persönlichkeit erin nerte, wenn er nur einen Blick auf fein Geficht werfen konnte, mußte sein Zwei fei jedenfalls gelöst werden. Als der Fremde Schritte hinter sich vernahm, drückte er den Hut tiefer ttt die Augen, und eilte rascher vorwärts. Doch Karl ließ ihn nicht wieder los, bis Er sterer um eine Ecke gebogen und hier spurlos wie in die Erde hinein verschwun den war. Unmuthig spähte der junge Mann um her, er mußte in ein Haus gegangen sein, das stand fest, aber in welches? Karl drückte sich in einen Winkel, wo das trü be Licht der Laterne ihn nicht erreichen konnte und war fest entschlossen, seine uu behagliche Position nicht chettoieder auf zugeben, bis der Fuchs aus seinem Ber steck sich herausgewagt. DaS Wetter war unangenehm, ein eisiger Wind hatte die Nebel allerdings verjagt, dafür in dessen ein Gemisch von Schnee und Re- das nur im Möglichen J-. .y1 4- 4 r_. wüßtest, was ich deinethalben ertrage, Du wärest am Ende im Stande, Mit leid mit mir zn fühlen, und vom Mit leid zur Liebe ist nur ein sehr kleiner Schritt." Dann mußte er an den Dr. Stelling denken, der ebenfalls zum Psstenstehen verdammt war, welcher Gedanke ihn so sehr belustigte, daß er alles Unangeneh me vergaß und sich als passionirter Jä ger auf dem Anstand träumte,, begierig, das ersehnte Wild, sobald es sich zeigte, auf's Korn zu nehmen. Einee halbe Stunde mochte vergangen sein, unser Jäger begann ungeduldig zu werden schon wollte er seinen Winkel verlassen, als die Thür des Eckhauses sich öffnete und der Erwartete erschien: er hatte den Hut tief in die Stirn 'ge drückt, den Mantelkragen fo hoch empor gezogen, daß man von seinem Geschichte höchstens die Rasenspitze zu erkennen ver mochte. Ohne sich umzublicken, schritt er rasch der großen Allee zu, und eben so rasch folgte ihm Karl. Der Erstere verdop pelte seine Schritte und blieb dann Plötz lieh, als Karl ihm dicht auf den Fersen folgte, bei einer Laterne stehen. Lang sam schlug er den hohen Mantelkragen herab und blickte mit vornehm nachlässi ger Haltung den etwas verdutzten Karl an, der in das glattrasirte Gesicht des Fürsten schaute. Doch nur einen Augenblick währte die se Ueberraschung, schon im nächsten An genblick hatte er seine ganzeKaltblütigkeit wiedergewonnen und dicht auf den Für sten zutretend, sagte er ruhig „Guten Abend, Herr Graf von Rheina, wenn gleich Sie mit Ihrem Ehrenwort auch Ihrem prächtigen Vollbart eingebüßt ha ben, und mit diesen beiden vielleicht auch Ihren Namen und zeitweiligen Stand, so dürfen Sie bei mir doch nicht auf Durchführung Ihrer Rolle rechnen, ob wohl Sie ei» ganz vortrefflicher Schau spieler zu sein scheinen—" „Und Sie ein ganz completer Narr, mein Herr!" unterbrach in der Fürst verächtlich. „Weutt Sie etwas von mir wünschen, vielleicht eine Unterstützung, dann nehmen Sie hier meine Karte nnd finden sich morgen in Streits Hotel ein. Bor Raubgesindel und Wegelageren werde im mich ganz und gar zu schützen wissen." Er zog bei diesen Warten ein Etui an» seiner Brusttasche, nahm ein Karte aus demselben und überreichte sie Karl mit einer herablassenden Bewegung. Dieser nahm die Karte und steckte sie, ohne sie eines Blickes zu würdigen, in seine Rock tasche. „Ich brauchte Ihre Legitimation im Grunde nicht," begann er ruhig, „möchte Ihnen, der Sie sich heute Fürst *, morgen Graf Rheina und übermorgen vielleicht gar Eduard Fürst nennen, nur noch sagen, daß ich Ihr Gegner von Hel goland. also noch nicht tobt bin, daß Sie den heutigen Mord indessen wohl auf dem Gewissen behalte müssen. Ferner, daß ich nicht gewillt bin, die günstige Ge legenheit so unbenutzt vorübergehen zu lassen ohne Revanche von Ihnen zu for dern." „Das ist in der That etwas mehr als spaßhaft, mein Herr!" rief der Fürst laut, „aus welchem Tollhause sind Sie entsprungen? Ach, so," setzte er Plötz lich, wie sich besinnend hinzu, „jetzt geht mir ein Licht auf, die unselige Doppel gangergeschichte heftet sich schon wieder an meine Fersen. Ja, das ist nun lei der mein Verhängniß, dem ich nicht zu entrinnen vermag. Es ist ein Fatum, mein Herr, undchätte ich nicht übel Lust, der Farce ein Ende zu machen, so oder so. Darf ich um Ihre werthe Addresse bitten?" elf Uhr im Hotel besuchen? Ich will jedenfalls für Sie zu Hause sein." Er lüftete höffich seinen Hut, wickelte sich fest in seinen Mantel und entfernte sich raschen Schritte?. Karl blickte ihm einige Minuten un beweglich nach und stampfte dann zornig mit dem Fuß. «Da steh' ich nun, ich armer Thor! Und bin so Aug als wie zuvor," murmelte er, langsam dem Thor zuschrei tend, wollte diesen Mann überrumpeln und mußte selber dieWasseu strecken." Bevor er noch aus der Allee war, kam ihm Doctor Stelling athemloS entgegen, „Soeben pasfirte er dag Thor," keuch Der Nordstern Stelling erwiderte kein Wort aus die en langen Erguß unmuthig und ent täuscht grollte er im Stillen diesem bla irten „Kaffeesack" und ärgerte sich, mit ihm überhaupt sich eingelassen zu haben. So erreichten sie das Thor und den noch immer ihrer harrenden Wagen, des en Kutscher ziemlich ungehalten war über das lange Warten. Während Karl vor einem Hause ausstieg, ließ der Doctor ich noch zum Hauptmann Witzleben sah ren, den er glücklich daheim antraf, soeben im Begriff, sich zur Ruhe zu begeben. „Hilf Himmel, welche Hiobspost brin gen Sie so spät mir noch?" Mit diesem Ausruf schob Hauptmann ihm einen Stuhl hin, während er sich sel ber noch rasch eine Pfeife stopfte. Stelling erzählte in einer leichtenAufre gung daS Abenteuer in St. Georg und ein nutzloses Schildwachtstehen. „Wenn dieser Gebhardt, den ich stets für einen halbwegs vernünftigen, wenn auch vollständig blasirten Menschen ge halten, nicht hente Abend einen Anfall von Geistesstörung erlitten, will ich dazu verdammt sein, ein ganzes Jahr lang Posten zu stehen," fetzte er, sich zornig durch die Haare fahrend, hinzu. Witzleben, der still und aufmerksam feiner Erzählung zugehört, that jetzt ei nen mächtigen Zug aus seiner Pfeife und nickte erregt vor sich hin. „Lassen Sie mir den Gebhard unge schoren," versetzte er, „der weiß stets, was er thut. Auch heute Abe.id traf er das Richtige, nur schade, daß er von dem schlauen Fuchse überlistet ist." „Ueberlisten, ja so etwas wird es wohl sein, im Uebrigen war der junge Herr zu stolz, mir Genaueres über sein Zu fammmentressen mit dem Fürsten mitzu theilen. Nun aber, möchte ich doch gern wissen, was Sie in seinem Falle gethan hätten, Herr Hauptmann?" „Das ist schwer zu sagen, so viel steht fest, daß ich ihn nicht legitim be grüßt haben würde. Ich werde morgen srüy zu Herrn Gebhard mich begeben, um das Nähere von ihm zu erfahren. Daß wir diesem Fürsten, den selbst Sie für den echten halten und der von der Polizei beschützt wird, nichts anhaten können, ist selbstverständlich, vielleicht be gegnen wir ihm nocheinmal als Voll bart „Nun, da sind wir ja auf gleichem Pfade „Mit dem Unterschiede nur, daß ich den Fürst und Sie den Fürsten in ihm suchen sehen Sie Doctor! es ärgert mich zu sehr, daß ein solcher Grünling einen so gewiegten Menschenkenner, wie den jungen Gebhard, mit seiner Fürsten rolle hat überlisten können." Herrgott, es ist zum Verrücktwerden, rief Stelling in komischer Verzweiflung sich erhebend, „ich lasse mich morgen beim Fürsten anmelden, um Zug um Zug die Aehnlichkeit zu stndiren, d. h. wenn er mjr die Zeit dazu läßt. Gute Nacht. Hauptmann, ich werde von nun an den Zufall walten lassen, möge mein Freund mir verzeihen, aber den Verstand will ich doch nich darüber verlieren." Erreichte ihm die Hand und schritt hinaus. Der Hauptmann aber blieb noch lange in Nachdenken versunken sitzen und nur te athemlos, „ich bin zn Eis gefroren in der eine Punkt „St. Georg" gestaltete sich dem Wetter, wie haben Sie mich unge- nach und nach zu einem Stern, welcher bührlich warten lassen." „Ja, dafür sind wir beide auch gründ lich geäfft worden," brummte Karl halb ärgerlich, halb lachend, „der Henker hole alle Doppelgänger, ich sage mich los von dem vimdniß." „Aber was ist denn nur geschehen?" fragte Stelling erstaunt, „Waren Sie es nicht, der diese tolle Jagd in Scene ge setzt und mich zum Postenstehen verur theilt hat?" „Freilich war ich der Narr und möchte mich selber »hrfeigen dafür. Ich muß Ihnen nur sagen, Doctor, daß wir auf einem Holzwege in Betreff dieses Für sten gewesen sind er ist nicht der voll bärtige Graf Rheina von Helgoland, das steht fest bei mir, wenn er ihm auch sehr ähnlich steht, Haltung des Kopfes, Klang der Stimme ist anders. Ihr sauberer Eduard Fürst hat jene Rolle gespielt, wie es damals bereits fest bei mir stand und er ist es auch, welcher auf Herrn Erdmann geschoßen die Sache ist klar, der Haß gegen die Firma erklärlich, während er bei dem Fürsten völlig grundlos erscheint. Gnade Gott diesem Burschen, wenn er mir irgendwo in's Garn läuft, ich werde keine Umstände mit ihm machen." ,-ei? f- 5= ihm ein Wegweiser schien aus diesem La byrinth. 17. Abgeblitzt. Die Polizei war die ganze. Nacht in Thätigkeit geblieben, um die Spur des geheirnnißvollen Verbrechers zu finden, an den Thsren war die strengste Contro le gehalten, doch nichts entdeckt worden, was auch nur im Entferntesten einen Fingerzeig hätte geben können. Voll bärtige Aristokraten waren allerdings ab-und zugereist, die Namen lauteten indessen anders, wer konnte aber die ver schiedenartigsten Physiognimien alle be halten. Hauptmann Witzleben fand sich schon früh am Morgen bei Gebhard ein, der soeben erst aufgestanden war. „Hat Sie der Doctor vielleicht so früh schon herbeigetrieben, lieber Haupt mann?" rief er ihm gutgelaunt entge gen. „Er war gestern Abend spät noch bei mir und nicht besonders auf Sie zu spre chen," erwiderte Witzleben, „doch waren seine kurzen Mittheilungen derartig, daß ich sogar meinen Schlaf abkürzte, um aus Ihrem Munde Näheres zu erforschen, »der wollen Sie mich auch mager abspei sen wie den guten Stelling." „Bah, dieser gute Stelling ist höchst langweilig, mit Ihnen ist es etwas ganz Anderes, Hauptmann! Hören Sie mein Abenteuer." Er erzählte ihm ausführlich die Ge schichte deS gestrigen Abends. „Haben Sie sich das Haus in St. Georg, welches der Fürst besuchte, genau gemerkt, Herr Gebhard?" fragte Witzle ben aufgeregt. „Gewiß habe ich das, mein Freund,'1 nickte Karl, auch gab er mir am Schluß deS Rencontres feine Karte, wo Hab' ich dieselbe nur gleich gelassen? Ach so, ich steckte sie in die Seitentasche meines Rocks, und lud mich ein nach seinem Hotel." .Sie gehen zu ihm? „Ja, ich bin ihm für mein brüs kes Auftreten eine Entschuldigung schul dig." So halten Sie ihn für den wirlichen Fürsten „Gewiß. Hauptmann, darüber kann gar kein Zweifel walten, doch bin ich ebenso sehr davon überzeugt, daß sein Doppelgänger sich ebenfalls Augenblick» lich in Hamburg befindet. Diesen zu entdecken, muß die Aufgabe der Polizei fein ich will mich feinethalben nicht wei ter compromitiren." „Darf ich Sie zu dem Fürsten beglei ten?" fragte Witzleben nach einer kleinen Pause. „Warum denn nicht, es sollte mich freuen, wenn Sie Ihren Jrrthnm er führen." Haben Sie sich jenen Grafen Rheina damals in Helgoland recht genau ange sehen, Herr Gebhard?" „Freilich habe ich das gethan." „Auch eine kleine Narbe oberhalb der rechten Schläfe bemärkt," fuhr der Haupt mann fort. „Nein, fo genau habe ich sein Gesicht nicht studirt, das wäre allerdings ein Erkennungszeichen doch besitzt sein Doppelgänger vielleicht auch dieselbe Narbe?" „Ich weiß es nicht, Stelling wird es wissen, warnm muß ich mich jetzt dersel ben erst erinnern?" „Nun, wir haben noch hinlänglich Zeit bis 11 Uhr," meinte Karl, „gehen Sie zum Doctor und erkundigen sich darnach, und dann kommen Sie wieder zu mir, HerrHanptmann! Oder habenSie sonsti ge wichtige Geschäfte?" „Ich muß zu Fräulein Erdmann." „Alle Wetter, woran erinnern Sie mich, vielleicht ist der Alte schon tobt," rief Karl, aufspringend und die Klingel ziehend. „Bist Du schon auf der Esplanade ge wesen, um nach Herrn Erdmann's Be finden zu fragen?" rief er dem eintreten den Diener zu. „Ja, Herr Erdmann ist heute Morgen gegen fünf Uhr gestorben," lautet die Antwort. Karl erblaßte und auch der Haupt mann erschrak sichtlich. „Leg* meine Kleider zurecht, ich will mich anziehen," sprach Karl dem Diener einen Wink gebend, worauf sich dieser ent fernte.-. „Tobt also," fuhr Jener fort, „ermor det, es ist abscheulich jetzt möchte ich Sie bitten, bester Hauptmann, mich gleich mitzunehmen, da ich in Ihrer Gesell schaft die verschiedenen Besuche machen möchte. Spinnen Sie mittlerweile, bis ich mich angekleidet habe, einige vernünf tige Pläne." Er entfernte sich und ließ den Haupt mann mit feinen Gedanken allein. Doch währte die Toilette des jungen Herr» diesmal noch kürzer als gewöhnlich, schon nach einer Viertelstunde kehrte er in Be gleitung seines Vaters zurück, welch' Letzterer ganz fassungslos erschien über das grausige Ende des alten treuenFreun des. „Er hat sich die Schlange selber am Busen genährt," sagte er, es thut nim mer gut, zweideutiges in seiner Familie an dulden, zumal die Hausfrau, die Mut ter fehlte, um des Hauses Ehre und Ruf zu wahren. Jetzt wird die stolze Cle mentine wohl ein wenig demüthiger auf treten müssen." „Still, Vater," unterbrach inn Karl finster, „ehre das Unglück der jungen Dame. Du wirst ihr doch Deinen Schutz anbieten müssen?" setzte er jetzt fragend hinzu. „Versteht sich, »ersteht sich mein Sohn! Werde heute noch meine Aufwartung ma chen, (Kondolenzbesuch abstatten. Apro pos, Karl," fügte er leiser, mit einem Seitenblick auf den Hauptmann hinzu, „kannst sondiren wegen der Vormund schaff sie ist noch unmündig, ich möchte ungern die Hand eines Dritten dazwi sehen haben." Karl machte eine unwillig verneinen de Bewegung, ergriff seinen Hut und stellte sich dem Hauptmann zur Versü girng, worauf Beide siehe ntpfahlen." „Ein unangenehmer Mensch, dieser Hauptmann außer Dienst," murmelte der Bankier eine Priese nehmend, „war mir schon in Helgoland unausstehlich, scheint Absichten auf die kleine Clementine zu. halj^n, kann den Karl nicht begreifen, ist blind, übermüthig und hat zuletzt da5 Nachsehen, muß nur selber die Augen of fen halten, und gerade auf's Ziel losge hen, zumal es des Baters Wunsch und Wille gewesen, der letzte Wunsch des Gemordeten, dieser Trumpf muß den Ausschlag geben und hartes Herz berüh ren." Der Bankier wurde selber ganz ge rührt bei dieser Aussicht und schnupfte vor Rührung noch einige Priesen, bevor er sich zurück in sein warmes Zimmer be gab. Die beiden jungen Männer hatten sich mittlerweile eine Droschke genommen: nnd zum Doctor Stelling sahrrcn lassen, welchen sie aber indessen nicht zn Hanse' trafen. Das fängt schlecht an, temerkie Karl, kopfschüttelnd. „Nach der Esplanade!" rief der Haupt mann dem Kutscher zu. Das Erdmann'sche Hans erschien wie ausgestorben, die geschlossenen Fenstcr vorhänge, sowie der mit schwarzem Trauerflor verhüllte Thürgriff erinnerten, nur zu sehr an das Schreckliche, welches' hier in so wenigen Stunden sich vollzo hatte. Mit einer ihm selber unerklärlichen Scheu zog Karl die Klingel doch erst nach einer geraumen Weile erschien eine Magd, um den beiden Herren den Be scheid zu geben, daß die Herrschast nicht mehr im Hause weile, sondern wieder nach der Villa hinausgefahren sei, wo das Fräulein den ganzen Winter bleiben werde. „Was nun?" fragt Herr Witzleben leise. „Fahren wir dort hin," versetzte Karl ruhig und dem Kutscher die nöthige Wei sung gebend stiegen Beide wieder in die Droschke und rollten ans dem Damm thor. Werden wir nicht ein wenig ausdring lich erscheinen? bemerkte der Hauptmann unruhig. Unbesorgt, mein Bester," lächelte Karl. „Die junge 3 ante wird froh sein, uns zu sehen, wenn nur der alte Drache, ihre Madame Etikerie nicht mit hinaus» gezogen ist." In der Nähe der Erdmann'schen Villau stiegen sie aus und ließen den Wagen auf" ihre Rückkehr warten. Vor der Garten pforte hielt eine Droschke. „Man ist uns zuvorgekommen," sprach Witzleben leise, „die Dame hat bereits Befuch—- am Ende gar Stelling—"