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Deutschland und gland. Von Wmn. Daß im Juni 1905 die Gefahr eines großen euro päischen Krieges eine ganz außeror dentlichernste war, ernster selbst als zur Zeit, in wel— cher der französi sche Kriegsminister Boulanger als der Held des Tages figurirte, darüber kann tein Zweifel n ; ; Zünder lag schon dranz. Karitatur) dicht an derßombe welche zur Explosion gebracht werden sollte. Er wurde noch rechtzeitig besei tigt durch einsichtige Männer in Frank— d 4 1— „Das Schwert scharf und das Pulver troden jelten- (Aus dem „Kladdera a reich, durch dieselben Männer, welche jetzt an der Spitze der französtschen Re gierung stehen, die aber durchaus nicht besonders fest im Sattel sizen. Zwar sagt man mit Recht, daß gerade die Art der Beseitigung jener Krieg— sgefahr den Beweis geliefett habe, daß das rentis Volt teinen Krieg ge gen Deutschland will, jedoch es können jeden Tag oa eintreten, wel che auf die leicht erregbaren Franzosen stärker wirken, welche die vorhandene Angst vor Deutschland's Heermacht, wenn auch nur für einen kurzen kriti— schen Augenblick, beseitigen und eine Situation schaffen, die sich von tölpel haften Heißspornen so ausbeuten läßt, als sei die Ehre des Landes in Frage gestellt. Die Möglichteit, eine solche den Frieden bedrohende Situation zu schaffen, wäre gering, wenn es sich um Frankreich allein handelte, oder auch üm Frankreich und das mit ihm ver— bündete Rußland vor dem Japaner—- kriege. Dieses Bündniß ist jetzt so gut wie gegenstandlos geworden und während es bestanden hat, war der Friede vielleicht gesicherter, als jemals seit den siebziger Jahren. Jetzt aber ist England, als Er— satz für Rußland, an Frantreichs Seite getreten. Aber anstatt als Brem— se zu dienen gegenüber den Revanchege—- lüsten Frankreichs, wie es Rußland während des Zweibundes stets gethan, bemerten wir in dem neuen Freunde Frantkreichs die Neigung, beständig zu einem Kriege gegen Deutschland zu hetzen und zu schüren. Auch ist diese Neigung nicht nur bei den gegenwärti— gen Leitern der englischen Politit vor— handen. Die englischen Liberalen, welche demnächst wahrscheinlich an das britische Staatsruder treten wer— den, sind von ähnlichem Geiste beseelt. Eine der ernstesten Erscheinungen bei der Fortentwicklung der britisch— deutschen Reibungsflächen ist die That— sache, daß der König von England Deutschlands Colonialerwerb durch Englands „Gnade“. (Französ. Karrita vollständig und offenkundig in das La— ger der Deutschenhasser übergegangen ist. König Edward hat stets eine Ab— neigung gegen Deutschland gehabt, da— zu ist nun während des letzten Jahres ein persönliches Zerwürfniß mit sei— nem Noffen, dem deutschen Kaiser ge— kommen, dessen Ursachen man aller— dings nicht kennt, dessen Thatbestand jedoch augenfällig ist. Die Höfe von London und Berlin, welche früher die Lerrnsen Beziehungen pflegten. ste sich nicht nur kalt, sondern fast Kau mann. feindselig gegenüber. Wer zwischen den Zeilen der gelben Londoner Press zu lesen versteht, wird das leicht erken nen, die letzte Reise des englischen Kö nigs nach Marienbad hat es übrigenẽ aller Welt gezeigt und in Berlin macht man gar kein Hehl daraus. Die wäh— rend der langen Regierung der Köni— gin Victoria zur allgemeinen Geltung gelangte Annahme, daß der englische Hof ohne jeden Einfluß auf die engli sche Politit sei, ist seit demßegierungs antritt ihres Sohnes hinfällig gewor den. Der König von England besitzt rrtesarina gehr Einfluß, als ir— gend einer seinet Vorgänger, so lange das Haus Hannover regiert. Es wür— de zu weit führen, wenn wir den Ur— sachen dieser merkwürdigen Erschei nung nachgehen wollten, der Haupt— grund ist das Emporwuchern der soge nannten Snobotratie, der übersatten, übermäßig reichen Leute, welche sich instinktiv um Denjenigen schaaren, der durch Ansehen und durch Tradition als der unerreichbare Ersie in der soge— nannten Gesellschaft gilt. Diese Sno—- botratie besteht aus Strebern und Kriechern, aus Leuten, welche mit ih—- rem Reichthum nach außen glänzen und prunken wollen. Was diesen Leu— ten an Bildung und Kenntnissen fehlt, ersetzen sie durch rücksichtslosen Ge—- brauch ihrer Reichthümer, sofern da— durch nur dem erstrebten Zweck gedient werden kann. Sie begründen und sub— ventioniren die Zeitungen, welche von Jahr zu Jahr immer gelber, immer ameritanischer werden, sie verschaffen dem britischen Königthum einen An— hängertroß, den derselbe früher nie mals besessen hat. Daß König Edward mit Leuten dieses Schlages stets ge— liebäugelt hat, daß er als Kronprinz ihnen angehörte, daß er mit ihnen spielte, schwelgte und liebte, dafür gibt es genügend Prozeßakten. König Edward ist das geborene Oberhaupt der Snobokratie und daraus erklärt sich der gewaltige Einfluß zumeist, welchen er ausübt. Die Snobs sind reich und freigebig, nicht tnauserig, reiche und fregetige Leute haben aber fast zu allen Zeiten mehr Einfluß be— sessen als die geistigreichen Leute, wel—- che ihr Pfund nicht so bequem verwer— then können, wie die Finanzkräftigen. Es ist allerdings nicht nollständig erwiesen, aber alle Anzeichen deuten da rauf hin, daß das Anerbieten an Del— casss, England würde mit hundert—- tausend Mann in Schleswig-Holstein einfallen, aus den englischen Hoftrei sen, wahrscheinlich vom König selbst, stammt. Ein Militär kann dies An— erbieten nicht gemacht haben, denn En— gland hätte damals nur höchstens 30, 000 Mann entsenden können, und selbst wenn jene hunderttausend Mann vorhanden gewesen wären, so wäre doch die ganze Sache, bei den Schwie— rigkeiten einer Landung an den deut—- schen Küsten, ein Abenteuer gewesen, ungefähr von der Art, wie die Ver— theidigung der Mandschurei durch ur—- sprünglich 60,000 Russen gegen die große japanische Armee. Ein Diplo— mat tkann das Anerbieten ebenfalls nicht gemacht haben, denn so wahnsin nige Offerten macht doch wohl kein englischer Diplomat. Aber daß das Anerbieten wirklich so ernsthaft ge- biß, das steht fest. We: kann es ge macht haken? Wer war so mächtig und so einflußreich, daß der französi sche Minister die ernsthafte Vertretung des Anerbietens vor seinen Collegen unternehmen konnte? Wer anders als der König der Snobs? Jedenfalls sieht es dem hoten Herrn sehr ähnlich. Woher tkommt der gegenwärtige Haß der Engländer gegen Deutsch land? Da müssen wir etwas ausho—- len. Denn die Gegnerschaft Englands ist alten Datums. Die englische Poli tit ist Deutschlands nationalen Inter essen gegenüber fast seit dem Bestehen der britischen Seeherrschaft stets un— freundlich und oft genug feindselig und hösartig gewesen. Das zerstüctel te und zerrisscne Deutschland, welches so lange Englands Geschäfte auf dem europäischen Festlande besorgte und dessen Fürsten so gern das englische Geld annahmen, war den Engländern gerade recht. Der Jammer der Klein— staaterei ließ es zu, daß Deutschland für England Bedientenarbeit durch die Jahrhunderte hindurch that. So hat sich der Engländer daran gewöhnt, sich den Deutschen gegenüber als Aristo— kraten aufzuspielen, und dasselbe Ge—- fühl, welches der Herr dem Diener gegenüber hegt, ist bei ihm aufgekom— men. Die Deutschen waren dem rei— chen Engländer gegenüber arme Ver— wandte, welchen man hie und da ein Almosen gibt, um sie bei guter Stim— mung zu erhalten. Aber wenn Deutsch land Ansprüche erhob, so stieß es stets auf englischen Widerstand. Nach dem Utrechter Frieden, welcher den spani— schen Erbfolgekrieg 1712 beschloß, ge— stattete England, daß Frankreich das Deutschland geraubte Elsaß behielt. Als der große Kurfürst eine Flotte bauen, Colonien begründen und sich namentlich in der Ostsee festsetzen woll— te, wurde er durch das Drohen Eng— lands veranlaßt, seine Pläne aufzuge— ben. Der preußische König Fr. W.I. wurde fünfzehn Jahre lang von Eng— land an der Nase herumgeführt und Friedrich der Große, der lange mit England verbündet war, hat doch Nie— mendem stärter geflucht als den eng— lischen Diplomaten. In den Freiheits kriegen war es ähnlich. Nachdem we— sentlich durch die preußische Tapferkeit die Herrschaft Napoleons gebrochen war, verstanden es die Engländer im Verein mit Metternich, daß auf dem Wiener Congreß das neue Preußen in zwei zusammenhangslose Hälften ge— rissen wurde. Ja selbst die Thatsache, daß Blücher sie am Abend der letzten Entscheidungsschlacht heraushaute und so erst den Sieg von Belle Alliance möglich machte, wollen die Engländer Französische Karikatur nicht anertennen. Als Deutschland endlich seine Rechte auf Schleswig— Holstein geltend machte, lieh England jtets den Dänen seine diplematische Hilfe zum Nachtheile Deutschlands, und als der Bundestag eine erbärmlich tleine Flotte auf der Nordsee hatte, drohte Lord Palmerston er würde die schwarzrothgoldene Flagge wie eine Piratenfahne behandeln lassen. Im deutschfranzösischen Kriege versorgte England die Franzosen, gegen alle Be— stimmungen des Völkerrechts, mit Woaffen, und fogar der Erwerbung der paar damals als ganz werthlos ange sehenen deutschen Colonien setzte Eng land schroffen Widerstand entgegen und es bedurfte des ganzen Ansehens Bis— marcts, um diese lumpigen Besitzungen gegen das nimmersatte England zu ertrotzen. Allerdings haten sich Deutschland und England niemals in Waffen gegenübergetanden, aber die gesammte englische Politik war seit über zweihundert Jahren eine fort—- währende Politit der Feindseligkeit ur des Uebelwoltens gegen Deutsch and. Seit den Erfolgen Deutschlands von 1870 sieht sich England in seiner Stellung als erste Weltmacht bedroht. Sein Handel hat durch den deutschen Wettbewerb starke Einbußen erlitten, seine Industrie nicht minder, Deutsch DEFECTIVE PAGE n dagegen ganz ungeheure auf dem Wasser“, sondern er hat auch Fortschritte gemacht. mit ganz bedeutendem Erfolge dazu Ich kann hier nicht näher eingehen beigetragen, daß dieses Wort immer auf den ganz außerordentlichen, wun- mehr zur Wahrheit wird derbaren Aufschwung der deutschen s * _ * Industrie. Nur zwei Punkte will ichh Je größer die Weltgeltung Deutsch-- hervorheben, die Eisenindustrie und lands geworden ist, desto größer der ls Soldat, Redner, Maler, Modefex, Dirigent, Minister. (Karitatur der „Leip—- ziger Volkszeitung“.) : den Schiffbau. England ist auf dem Gebiete der Eisen- und Stahlerzeu—- gung, auf welchem es vor einem Men— schenalter noch die Führerschaft hatte, von den Vereinigten Staaten und pon Deutschland vollständig in den Hinter— grund gedrängt worden. Aus einer türzlich von der englischen „Zollcom mission“ veröffentlichten Zusammen— stellung erhellt folgendes: Im Jahre 1876 erzeugte Großbritannien 45 Pro— zent von dem Weltverbrauch an Mul— deneisen; die Ver. Staaten stellten nur 15 und Deutschland nur 12 Prozent. Im Jahre 1902 hingegen machte die englische Produktion nur noch 20 Pro— zent von dem Gesammtverbrauch aus; die amerikanische war auf 36 und die deutsche auf 29 Prozent gestiegen. Im Jahre 1876 deckte Großbritannien 38 Prozent des Weltverbrauchs an Stahl; die Ver. Staaten lieferten 16 und Deutschland stellte 16 2583 Prozent. Im Jahre 1902 war Englands An— theil auf 14 Prozent gesunken, wäh— rend der amerikanische auf 42 und der deutsche auf 215 gestiegen waren. Seit 1902 hat diese Zunahime sich noch mehr gesteigert. Ganz ähnlich ist der Aufschwung des deutschen Schiffsbaus. Noch bis vor 18 Jahren wurden einzelne der deut— schen Passagierdampfer sowie auch noch Kriegsschiffe in England gebaut. Jetzt sind sämmtliche der schnellsten, größten, schönsten und am besten für den Comfort der Reisenden eingerichte ten Schiffe der Welt inertia gebaut und sie fahren unker deutscher Flagge. Namentlich der sogenannte Feine“ Vertehr auf dem atlantischen Ocean ist den Engländern fäst gänzlich entglitten und den Deutschen zugefal—- len. Den gewaltigen Wintervertehr von Amerika nach Italien haben die deutschen Rheder geschaffen und sie monopolisiren ihn vollständig. Eine ganze Anzahl früher englischer Linien, welche nach Ostasien fuhren und na— mentlich den dort so wi“!gen Küsten verkehr besaßen, sind an den Norddeut— schen Lloyd übergegangen, und jetzt be— zahlt sich dieser Verkehr, bei welchem die Engländer mit ihren alten schlech ten Schiffen früher nie etwas verdie— nen konnten, vortrefflich. Die Ham— burger Linie will den Engländern dem— nächst auf dem pacifischen Ocean Wett—- bewerb machen und der früher von den Engländern vollständig monopolisirte Passagierverkehr nach Südafrika wird bereits ernstlich bedroht von Wörmann und den übrigen deutschen Afrika Li— nien. Aehnliche Erfahrungen machen die Engländer in Südamerika, und so— gar Australien, die eigentlichste Do—- mäne des Engländerthums, wird von deutschen Linien angelaufen. In der ganzen Welt begegnet der Engländer der verhaßten deutschen Flagge und je—- des neue Jahr bringt ein weiteres Ent— gleiten des Schiffsverkehrs aus engli— schen in deutsche Hände. * * Deutschland ist längst nicht mehr das Land der Träumer, der Dichter, der weltfremden Woltenkuckucksheimer, der bescheidenen, leider nur zu beschei— denen und schweigsamen und entsa— gungsvollen Idealisten, welche für das Weltbürgerthum schwärmten. Nein Deutschland ist das Land eines ge— sunden aufstrebenden Re— alismus, der mit Ernst und mit Erfolg seinen Platz an der Sonne der Weltgeltung sucht und ihn auch schon gefunden hat. Aber es gibt zwei Deutschlands, ein neues und ein al— te s. Das alte Deutschland, das Träu— merland, existirt immer noch weiter neben dem neuen. Und diese beiden Deutschlands wissen eigentlich sehr we— nig von einander, kümmern sich um einander nicht und das ist vortrefflich, denn wenn sie sich an einander reiben, speziell wenn sich die deutschen Ideali sten und Träumer in die deutscheWirth— schaftspolitik einmischen, dann werden immer wieder die alten berühmten deutschen Dummheiten gemacht. Siehe den Leipziger Professor Hasse und sei— nen alldeutschen Verband, siehe die Op—- position der preußischen Confervativen gegen den deutschen Mittellandcanal, die Kämpfe der Agrarier gegen die In duftrie, die Judenhetze, die Zersplitte— rung der liberalen Parteien in Deutsch land, die Behandlung der Socialdemo kraten als Rebellen u. s. w. Das be— ste Bitd dieses zweitheiligen, dieses neuen und dieses alten Deutschland, bietet der Kaiser dar. Er ist immer einer der mächtigsten Förderer des in dustriellen der Aus breitung des Handels Deutschlands ge wesen. Er hat nicht nur das Wort ge—- münat „Deutschlands Zuklunft liegt Neid und die Mißgunst Englands. Das liegt so tief begründet in der menschlichen Natur, daß es keiner wei— teren Erklärung bedarf. Aber die wachsende politischeßedeutung Deutsch— lands zwingt die Engländer zu sehr kostspieligen Gegenmaßregeln und das ist dem schon sehr stark besteuerten „Krämervolke“ doppelt peinlich. Deutschland baut eine Kriegs— flotte. Irar sie ist noch schwach und klein, aber sie ist eine deutsche Flotte. Deshalb ist sie vortrefflich or ganisirt, von einer vorzüglich discipli— nirten Mannschaft besetzt, hat ebenso gute Ingenieure, als es die englischen sind, das Officierscorps besteht aus ausgewählten, hochgebildeten, vortreff— lich geschulten Männern. Es gab bis— her wenig Gelegenheiten, wo sich die deutsche Flotte bethätigen konnte, aber jede dieser Gelegenheiten war auch ein glänzendes Beispiel deutscher Mannes zucht, Schießtüchtigkeit, Tapferkeit und Tauglichteit zur See. Oas Letztere ist für die Herrn Engländer wohl das Wichtigste. Denn die Fran—- zosen, die Russen und die Italienet, welche bei ihnen sonst als mögliche Gegner im Seekriege in Frage kamen, waren als solche minderwerthig. Sie hatten wohl Schiffe, aber keine Inge— nieure, keine Führer. vor allen kein seetüchtiges Volk. Da war es leicht, den Seegewaltigen zu spielen, alle ir gendwie werthvollen Länder der Erde an sich zu reißen und fast der ganzen Welt, gestützt auf die britischenSchiffs tanonen, Gesetze vorzuschreiben. Aber jetzt muß der britische Steuer— zahler für diese Weltstellung Englands theuer bezahlen. Seitdem es eine deut— sche Flotte gibt, haben sich die Unko— sten für die Aufrechterhaltung der bri— tischen Flotte mehr als verdop— pelt. Fragt der englische Steuer— zahler, weshalb man ihm jetzt so viel Geld abnimmt, so erhält er die Ant— wort: Deutschland! Natürlich haßt er Deuischland. Sehr viel Gewicht wird mit Bezug aũf die englisch - deutsche Feindschaft der Depesche des Kaisers an Krüger beigelegt. Der Kaiser gratulirte Krü— ger zu der erfolgreichen Abwehr Jame— son's. Letzterer war ein Einbrecher und ein Räuber. Die englische Regie— rung hatte nichts mit ihm zu thun, wenigstens nicht offiziell. Daß die Engländer über diese Depesche so wü— thend geworden sind, gereicht ihnen zur Schmach. Sie identificirten sich da— durch mit Jameson, der im tiefsten Frieden einen Raubzug gegen die Bu— ren-Republiken unternommen hatte. Des Kaisers Depesche war deshalb kei— ne Tattlosigkeit, keine Verhöhnung Englands. Der Absender hatte nicht ertannt, daß hier ein Stück traditio— neller britischer Politit gespielt wurde. Wäre Jameson erfolgreich gewesen, so hätte England skrupellos die Früchte dieses Erfolgs eingesteckt. Aber im Falle des Mißerfolgs konnte man den Räuber Jameson desavouiren. Jene Depesche, welche ganz der impulsiven Natur des Kaisers entspricht, mag so ausgelegt werden, als habe der Kaiser mit dem Herzen gedacht. Man mag jene Depesche sogar eine Dummheit nennen. Aber von weit größerer Tragweite war die Thatsache, daß spä— ter der in Paris glänzend empfangene Krüger nur bis Köln kommen durfte, als er nach Berlin wollte. Das war ein unbverzeihliches Zurückweichen Deutschlands vor England, eine Bla—- mage. Aber sie war doch nur halb so schlimm, als die Blamage Amerikas. Auf welcher Seite stand das freiheitlie bende ameritanische Volk, als die Bau—- ernrepubliken in Afrika gegen den übermächtigen Briten ihren Vocnr lungstampf führten? Wo waren die Sympathien des berühmten Mr. Hay, welcher McKinley's auswärtige Poli— rit damals dirigirte? Je weniger man davon sagt, desto besser. Während der letzten 10 Jahre hat England nicht weniger als· vierzehn Kriege geführt. Die Kosten derfelben, namentlich des Burenkriegs, waren furchtbar. Die verzinsliche Schuld ist in den zehn Jahren von 635 auf 800 Pillionen Pfund Sterling gestiegen also auf mehr als 4000 Millionen Dollars. Dazu kommen die gewalti— gen Aufwendungen, welche England jetzt für feine Flotte macht. So ist die Finanzlage des reichsten Landes der Welt jetzt durchaus nicht günstig. Ein Krieg gegen Deutschland würde aber ungehenres Geld kosten. Und was könnie England schließlich dabei ge winnen? Die paar deutschen Colonien! reichen übersättigtes Land? Außerdem ist ein Seekrieg gegen Deutschland keine Lappalie. Zwar wird die britische Flotte binnen kurzer Zeit viermal so start sein als die deut sche. Aber kaum mehr als die Hälfte dieser Uetermacht dürfte für einen sol chen Krieg dsponibel sein, denn Eng land muß in der ganzen Welt Schiffe halten. Deutschland dagegen kann seine gefsammte Kraft zusammen fassen und— durch den Kaiser Wilhelmscanal belie— big in Nord- oder Ostsee verwenden, während England die lange Küsten strecke beider Meere blockiren müßte. Diese Blockade würde aber ziemlich weit von der Küste stattfinden, denn die Küsten sind sehr seicht und gefährlich und durch Seeminen außerordentlich leicht zu vertheidigen. Beständig müß ten sich die Blockadegeschwader auf Ue berfälle gefaßt machen, speziell Sei—- tens der deutschen Torpedoboote, deren Manöverfeld diese sehr gefährlichen Küsten sind. In Deutschland würde man einen solchen Krieg als einenVer— zweiflungskampf auffassen und nichts unversucht lassen, um dem Gegner zu schaden. Daß die überaus schnellen Kayerschiffe, welche Deutschland aus— rüsten würde, in einer stürmischen Nacht auf der Nordsee die Blockade durchbrechen und die hohen See gewin nen tönnten, ist durchaus nicht un— wahrscheinlich. Welchen Schaden abet tönnten solche Kaper der englischen Schiffahrt zufügen! In einem solchen Kriege hätte der Angreifer auch nicht die Wahl des Schlachtfeldes. Denn die deutsche Flotte könnte sich ruhig in's Inland zurückziehen und die beste Ge legenheit zum Ausfall und zum Schla— gen wahtnehmen. Jedenfalls würden sich die Deutschen wie Verzweifelte wehren und wenn sie auch schließlich niedergezwungen würden, so käme doch auch der Sieger nicht ohne gewaltige Verluste davon. Da die englischen Staatsmänner kühle Rechner sind, so werden sie schwerlich zu der Ueberzeugung gelan— gen, daß die Vortheile eines siegreichen Kriegs auch nur annähernd im Ver— hältnisse stehen zu den übelen Begleit— erscheinungen und zu den Folgen eines solchen. Deshalb kann man die ge genwärtige Deutschlands - Hetze der Engländer ruhig ats Maulheldenthum ansehen, soweit es sich um die Möglich— teit eines Angriffs von England a 1— lein handelt. Zur wirktlichen Ge— fahr wird die Hetze erst, wenn es den Engländern gelingen sollte, Frankreich zu einem Kriege gegen Deutschland zw veranlassen und dann an FrankreichS Seite gegen den vethaßten Gegner zu Felde zu ziehen. Das gäbe den Herrw Englängern auch Gelegenheit, die französifche Flotte in's Vordertreffem gegen Deutschland zu schicken und sich selbst möglichst in der Reserve zu hal ten, würde also ganz der Poliiit ent- Englische Grotesk-Komiker. Wie sie germ den deutschen Michel anblasen möch ten. (Aus dem „Ulk“.) sprechen, welche England stets in euro— päischen Kriegen zu befolgen bestrebẽ war. Die Franzosen müßten doch sehr blind sein, wenn sie die Fallstricke nicht bemerken sollten, welche der neue Freund ihnen legen möchte. Denn der Vortheil, den sie von einer Unterstü— tzung Englands hätten, selbst den Fall angenommen, daß ihnen ein englisches Landheer von 100,000 Mann zur Hilfe kommen könnte, würde doch wahrscheinlich aufgehoben werden durch die Begeisterung und Hingabe. welche das deutsche Volk in einem sol— chen Kriege entfalten würde. England hätte in diesem Kampfe nicht viel zu riskiren, Frankreich aber Alles. Unter diesen Umständen erscheint die Gefahr bei weitem nicht so groß. als man nach dem nun schon seit Mo- naten betriebenen Säbelrasseln der Engländer annehmen möchte. Es ist je doch eine nicht hinwegzuleugnende Thatsache, daß in Deutschland das Pulver jetzt recht trocken gehalten wird. Hoffentlich geht damit auch eine beson dere Vorsicht auf diplomatischem Ge biete Hand in Hand, speziell in Bezug auf die Behandlung etwaiger Zwi schenfälle. Fatale Ueberraschung— Schuldner: Vor meiner Hochzeit kann ich aber unmöglich zahlen, Meister; (wichtig) ich heirathe nämlich die Toch ter des Weinhändlers Müller, wenn— Sie den kennen! Gläubiger: O von dem kriege ich ja auch noch Geld— . und der hat mich ebenfalls auf die Hochzeit seiner Tochter veriröstet! ; ; —f h 7