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Zweiter Theil. Der Abend naht, schon senken sich die Erfrisch Syatten. die abgetühlte Luft un ngt die e Luft;— Es laben ss im Thau die grünen Mat en, Das Aether ist gewürzt mit Blumenduft. Im fernen Eesten flammt die Abend— -2 ihr versinkt der Sonne goldner Schein; e Abendglocken laden zum Gebete, Zur Rast und Ruhe alle Müden ein. Des Tages laut Geräusche ist verklun— gen. Das Vardee Sänger suchten schon die Die Lerche hat ihr Loblied ausgesungen, Nun schließt auch sie die kleinen Augen gu. : 2 Und hoch am Himmel preisen Mond und - Sterne ; Mit goldner Schrift der Schöpfung Wun— derpracht; Ein Weltenmeer in ungeahnter Ferne Erhellt mit rildem Licht die Sommer mn 2 - O sei gesegnet stiller Abendfriede! Du schenlst Erholuns uns nach Müh' und Und ist das Menschenherg auch krank und müde, ; Du labest es mit Trost und Seligkeit! 9 2 x UA dis 42 1— 22 Ohne allen Zweifel werden die deutsch - amerikanischen Stimmgeber in dem kommenden Wahlkampfe eine hervorragende Stellung einnehmen. Der deutsch - amerikanische National verband, Hauptquartier Philadelphia, und die mit demselben verbündeten Staatsorganisationen treffen überall energische Maßnahmen zur Bekämpf—- ung der immer mehr um sich greifen— den Prohibition. Die besagten Ver bände und Prganisationen, welche häufig keinen rein landsmännischen Charakter haben, sondern aus den li beralen Elementen der verschiedenen Nationalitäten zusammen gesetzt sind, dabei aber unter einheitlichen Führung stehen, haben nicht die Absicht, sich mit nationalen Fragen und Kandidaten zu befassen, sondern den Kampf hauptsäch lich auf die Legislatur - Mitglieder zu konzentriren. Alle solche Legislatur— Kandidaten, welche keine befriedigende Garantie für ihve freisinnigen Ansich ten geben können oder wollen, müssen am Stimmkasten bekämpft werden. Es ist dies unzweifelhaft die einzig richtige Methode, um dem drohenden Gespenst der Prohibition und des Pu ritanismus entgegen zu treten. Die Legislaturen entscheiden ausschließlich und allein über den Charakter der Ge— setzgebung in den einzelnen Staaten. Liberale Legislaturen machen Prohi— bition zu einer Unmöglichkeit. An diesem Kampfe gegen die Fanatiber können sich Anhänger aller Parteien betheiligen, ohne ihren Sonderinteres sen zu schaden. Der Liberalismus will keine Parteipolitik treiben und keine politische Geschäfte abschließen, sondern sein Augenmerk gusschließ lich auf die Legislaturmitglieder richten. Daß diese Methode richtig ist, das ha— ben die Prohibitionisten bewiesen. Die— se haben ihre unerwartet großen Er— folge lediglich ihrer Methode zu ver—- dankeũ, daß sie bei allen Parteien An hänger suchen und finden, denen sie vollste Freiheit in· allen Dingen zuge— stehen und ihnen dafür ihre eigene Un— terstützung zusichern, wenn sie sich nur verpflichten für die Prohibition einzu treten. Die Fanatiker sollen jetzt mit ihren eigenen Waffen bekämpft werden und dies allein kann zum Ziele füh— ren. Wenn die Liberalen sich an ir— gend einer Partei bedingungslos bin— den, so sind sie rettungslos verloren. Erst jetzt ist es bekannt geworden, daß der durch den Richter Landis um reichlich 829,000,000 gebüßte Oel— trust den Präsidenten Rooevelt kurz vor dessen Abreise nach Oyster Bay um gut Wetter bitten ließ. John D. Archbold, der Vice - Präsident der Standard Oil Company, stattete dem Weißen Hause als eine Art Friedens— engel einen Besuch ab, und unterbrei tete einen Kompromißvorschlag, dahin gehend, daß die Standard Oil Com— pany, anstatt ihren Fall vor das Bun— desgericht zu bringen, sich schuldig be— kennen, eine nominelle Strafe, etwa einige hunderttausend Dollars, bezah— len wolle und die Regierung sich da— gegen niederzuschlagen. Der Oeltrust wäre natürlich sehr wohl imstande, die ihm vom Richter Landis auferlegte hohe Geldstrafe zu entrichten, aber er fürchtet nicht mit Unrecht, daß ähnliche, ebenfalls den Rabattschwindel berührende Fälle in derselben Weise entschieden werden und weitere hohe Geldstrafen zur Folge haben könnten. Daß der Richter Lan-- dis die höchste, unter dem Gesetz ge stattete Strafe auferlegte, empfand Herr Archbold als eine besonders Hervorragende Stellung. Nur keine Nachsicht. 2 2 ; 2 ——— De Nodgler WW 5 33. Jahrgang. schwere Kränkung. Er wies darauf hin, daß die der Korporation zugemu—- thete Strafe deshalb eine ungerechte sei, weil der Vortheil, den sie von den geheimen Rabatten hatte, nicht im Entferntesten dem Betrage von 829,- 240,000 gleichkomme. Ein solches Argument kann vor dem gesunden Menschenverstand, und hoffentlich auch vor dem Bundesober— gericht, unmöglich bestehen. Ist etwa ein Einbrecher deshalb weniger straf bar, weil er wider Erwarten nur eine geringe Beute machte, oder könnten für einen Raubmörder mildernde Um— stände geltend gemacht werden, weil er in den Taschen seines Opfers nur einen kleinen Betrag fand? Nachdem die Regierung den Kampf gegen dieses schlimmste aller Mono pole aufgenommen und einen glän—- zenden Erfolg erzielt hatte, konnte sie unmöglich durch einen faulen Kom—- promiß den gewonnenen Vortheil wie der in Frage stellen. Der Präsident Roosevelt und seine Rathgeber konn ten eine richterliche Entscheidung, mit der sie sich in unzwedeutiger Weise ein— verstanden. erklärt hatten, nicht durch einen Eingriff in den Gang der Ge— rechtigkeit hinfällig machen, der sie in den Augen des Volkes lächerlich ge— macht, der den ganzen Kampf gegen die Uebergriffe der Korporationen als Spiegelfechterei hingestellt hätte. So— mit mußte Herr Archbold unverrichte ter Sache wieder abziehen. Uebrigens darf man sich nicht dar über wundern, daß die hartgesottenen Leiter des Oeltrusts etwas weichmüthi— ger geworden sind. Zwar verfügt die Gesellschaft über riesige, doch keines wegs unerschöpfliche Mittel. Wenn die verschiedenen in der Schwebe be findlichen Fälle gegen sie entschieden werden, wenn der Urtheilsspruch des Richters Landis auch in anderen Ge— richten ein Echo finden sollte, dann dürfte die Geldstrafe sich auf mehrere hundert Millionen belaufen. Das wä— re vielleicht mehr, als der größte Trust der Welt vertragen könnte. Die Prügelstrafe. Es wäre sehr schön und gut, schreibt Dr. A. Heiter, wenn man mit reiner Liebe und Güte die irrenden Men— schenbrüder bessern und wieder auf den Weg der Tugend zurückführen könn— te. Leider lehrt die Erfahrung aber, daß das nicht möglich ist, weil besagte Menschenbrüder in der Regel nicht ge— neigt sind, sich mit Liebe und Güte leiten zu lassen. Ueberdies hat die Menschheit die Pflicht der Wahrung des Gemein— wohles und des Selbstschutzes, und diese Pflicht steht höher als die zarte Rücksichtnahme auf die Gefühle der Verbrecher. Man hat neuerdings sehr stark der Lehre gehuldigt, daß Verbrecher be dauernswerthe Kranke seien, die als solche behandelt werden müßten. Die Gefühlsduselei ging schließlich so weit, Mörder und Räuber ordentlich zu ver—- hätscheln, und hysterische Reformer be— gannen Zeter und Mordio zu schreien, wenn sie glaubten, daß einem der „Stars“ unter den Verbrechern von Polizisten oder Gefängnißbeamten ein Härchen gekrümmt worden wäre. Wer gegen dieses Treiben seine warnende Stimme zu erheben wagte, wurde von jener Gesellschaft als Verräther an der Humanität gebrandmarkt. Die riesige Zunahme der jugendli chen Gewohnheitsverbrecher und der Verüber viehischer Roheitsdelikte muß aber auch wohl jeden urtheilsfähigen Menschen davon überzeugen, daß un ser allerneuestes Strafverfahren nur wenig bessert und noch weniger ab— schpeckt. In der öffentlichen Meinung voll zieht sich jetzt denn auch ein Um— schwung. Zu gleicher Zeit verlangt man in mehreren Ländern ein schär feres Vorgehen gegen den Abschaum der Menschheit, und zwar wird fast allgemein der Wiedereinführung der Prügelstrafe lebhaft das Wort gere— det. Namentlich wünscht man diese in Fällen zur Anwendung gebracht zu St. Cloud, Minnesota, Donnerstag, den 23. Juli, 1908. an Frauen oder Kindern verging oder wehrlose Opfer roh mißhandelte. Man glaubt jetzt in weiten Kreisen, daß Taugenichtse, welche vor einer Ueber-- weisung an die mit Milde und Nach sicht geleiteten Gefängnisse keine Furcht hegen, zur Abschreckung eine schmerz hafte und entehrende Nebenstrafe er halten sollen. Damit würde sogar noch ein sehr wichtiger Nebenerfolg erzielt werden. Mit den bewußten Wohlgezählten fällt der Strahlen— glanz, den die gelbe Presse um das Haupt „berühmter, Verbrecher webt, ünd den die urtheilslose Jugend stau nend bewundert. Prügelstrafe kann diese Art von Heventhum nicht ver— tragen. Stadtrichter in New York und Chi— cago haben dieser Tage die Prügel— strafe an jugendlichen Taugenichtsen vollziehen lassen. Allerdings wurden die Eltern amtlich mit der Vollstre ckung des Urtheils betraut. Das mag vielleicht nur als halbe Maßregel gel— ten, jedenfalls aber ist es ein Schritt auf dem rechten Wege. Bei wem die landläufigen milden Strafen nicht wirken, dem muß eine stärkere Gabe verabreicht werden! Zur Badezeit. [Ein Mahnwort für Badende.) Ein Bad erfrischt der Körper und stählt die Kräfte; zumal, wenn es mit ordnungsmäßigen, in keiner Weise übertriebenen Schwimmübungen ver— bunden ist, denn der ganze Körper wird dadurch in eine für die Gesund— heit überaus werthvolleThätigbeit ver setzt. Darum kann namentlich noch der in der Entwickelung begriffenen Jugend · das regelmãßige Baden und Schwimmen in geeigneben Basstns oder offenen Gewässern nur angera- then und empfohlen werden. Freilich darf besonders in letzterem Falle die Sittlichkeit nicht verletzt werden. Der Platz muß abgelegen sein, daß keine Unberufenen zusehen können, und al— le müssen Badehosen tragen. Damit sei auch die strenge Mahnung zur Vor-- sicht verbunden. Letztere ist unter al len Umständen dringend geboten; denn gar manche Unglücksfälle, über die alljährlich während der Badezeit in den Zeitungen berichtet wird, sind lediglich auf den Mangel an Vorsicht zurückzuführen. Nicht selten aber kommt es vor, daß junge Leute durch einen gewissen Ehrgeiz zu einem Wett streit im Schwimmen angespornt wer den und dann ihren Kräften zu viel zutrauen. Sie wollen „sich zeigen,“ sich besonders hervorthun und stren— gen sich infolgedessen so übermäßig an, daß mit einem Male ihre Leistungs— fähigkeit erschöpft ist und sie nun in ernste Gefahr gerathen, ja ihren Tod finden, wenn nicht rechtzeitig Hülfe zur Stelle ist. Dergleichen Ehrgeiz ist also vom Uebel und darf nicht zur Geltung kommen. Prahlhanserei soll jeder beim Baden und Schwimmen aufstecken, und ebenso soll keiner einen anderen durch Hänseleien und spötti— sche Bemerkungen zu Anstrengungen antreiben, denen der Betreffende nicht gewachsen ist und die für ihn leicht verhängnißvoll werden können, da Krampfanfälle und Schlagflüsse bei gezwungenen freiwilligen „Bravour— leistungen“ nicht ausgeschlossen sind. Ferner sollen badende Knaben und junge Burschen keinerlei Allotria im Wasser treiben, sich nicht einander an den Beinen ziehen oder untertauchen ( ducken“); denn ehe sie sich dessen versehen, kann ein Unglück eintreten, und ein blühendes, hoffnungsvolles Menschenleben zu Grunde gehen. Sehr verwerflich ist auch das Heucheln der Hülfsbedürftigkeit, das häufiger als „Scherz“ beliebt wird. Plötzlich alar—- mirt so ein übermüthiger Bursche die mitbadenden Kameraden durch Hülfe— ruße und Geberden, die vermuthen las-- sen, daß er sich in Gefahr befindet. Kommen dann die anderen an ihn her an, um ihm beizustehen, so lacht der „Spaßmacher“ sie aus. Die Folge ei nes solchen Manövers ist, daß dem Betreffenden in der Zukunft nicht mehr geglaubt wird und dah sich im Ernst falle vielleicht Niemand findet, der ihm DEFECTIVE PAGE a Hülfe bringt. Auch an unbekannten Plätzen zu baden ist äußerst gefährlich. Alles in allen! Das Baden und Schwimmen ist an sich sehr nützlich und deshalb empfehlenswerth, aber es muß dabei streng darauf gesehen werden, daß nicht über die Stränge geschlagen wird. Der Jugend kann dies nicht scharf genug eingeprägt werden, da der jugendliche Leichtsinn leider sehr dazu neigt, in dieser Beziehung unbe— sonnen zu handeln. Dreihundert Jahrfeier. Mitte letzter Woche ist der Prinz von Wales in einem britischen Schlacht schiff von Portsmouth in England nach Quebec eingetroffen, um König Ed— ward shei der großen Jahrhundertfei er, welche die Stadt Quebec begeht, zu vertreten; es handelt sich um die 300. dahresfeier der Gründung der ältesten Stadt auf dem amerikani— schen Kontinent. Auch Frankreich wird bei der Feier offiziell vertreten sein, denn es war ein Franzose, Samue! Champlain, der die schöne Stadt am Stronie des Heiligen Laurentius im Fahrel6oß gründete, und von dieser Felsbürg aus beherrschte Frankreich 150 JFahre lang seine ungeheure Do— mäne In Nord - Amerika, zu der auch unser Staat Minnesota gehörte. Und in Anerkennung der Thatsache, daß Quebecr mit gutem Recht die Mutter eines großen Theiles der heutigen Ver. Staaten genannt werden kann, wird unsereßegierung durch den zweit höchsten Beamten der Republik, durch Vize Präsident Fairbanks, bei der erebeneier in der kanadischen Stadt vertrelen sein. Ilindis fühlte zuerst den Schritt der Civilisation unter jenen Landes theilen; die vor Hunderten von Jah— ren noch absolute Wildniß waren; es waren französische Kolonisatoren und Missionare, die furchtlos in das unbe— kannte Innere eines von kriegerischen Stämmen bewohnten Landes vordran—- gen, und alle jene Züge der Eroberung gingen von Quebec aus. Kaskaskia, die älteste, permanente Ansiedlung im Thale des Mississippi, war lange ein Hauptstützpunktt der französischen Macht. Vater Marquette und Louis Loliet erforschten den Mississippi und den Illinoisfluß und betraten im Jah— re 1673 die Stätte, auf der sich heute die Millionenstadt Chicago erhebt. Sechs Jahre darauf kam LaSalle. Dann stand für fast ein Jahrhundert die Geschichte des Mittel- und Nordwe stens der heutigen Vereinigten Staa— ten mit der befestigten Stadt am St. Lawrencestrome in engsten Zusam— menhange. Es kam zu jenen bittern Kämpfen zwischen den Franzosen und Briten, die zunächst im Jahre 1755 mit General Braddocks Feldzug in der Wildniß in so verhängnißvoller Wei—- se endigten, jenen Feldzug, an dem der spätere Befreier des amerikanischen Landes vom britischen Joch, George Washington, theilnahm und der mit der furchtbaren Niederlage der Briten bei Fort Duquesne schloß. Vier Jahre später wendete sich das Blatt, denn Großbritannien hatte ein gesehen, daß die Wurzel französischer Kraft in Amerika in Canada, und dort wiederum in Quebee ruhe, und der große englische Premierminister Pitt schickte seinen genialsten General Wolfe zur Eroberung —von Quebec nach Canada. Trotz der ungeheuren Schwierigkeiten, die sich dem britischen Heere entgegenstellten, und trotz der französischen Tapferkeit der französi schen Vertheidiger unter Montcalm brach die Herrschaft der Franzosen in Amerika in der Schlacht in den „Plains of Abraham“ zusammen. Je—- nes historische Feld bildet heute eine der merkwürdigsten Stätten auf Er den, denn auf ihm erheben sich Denk— mäler für den Briten Wolfe und den Franzosen Montcalm, die beide in der Entscheidungsschlacht den Tod fanden. Es ist historischer Boden im wahr sten Sinne des Wortes, auf dem fich die große Dreihundert· Jahrfeier von Ouebec abspielen wird. Sie begann Mittwoch letzbher Woche mit der An- —— & ——— —— 2 Nummer 35. kunft des Prinzen von Wales und dauert sieben Tage. Frankreich ist dabei die höchste Ehre zutheil gewor den, denn Frankreich hat die Stadt und das Reich gegründet, das Groß britannien heute seinen Halt am ame— rikanischen gewährt, und Quebec war die Quelle, von der aus der Strom der christlichen Zivilisation nach dem Nord— und Mittelwessen floß. Es gebührt sich, daß die Vereinig tben Staaten und ganz besonders jene Staaten, die heute den reichen, hoch entwickelten Mittel- und einen Theil des Nordwestens bilden, die Feier nicht unbeachtet vorüber gehen ließen, denn die zeitige Geschichte dieses Theiles unseres weiten Landes ist mit der Quebec's unlöslich verknüpft, und auf der Grundlage, welche die unerschroke nen französischen Missionäre und welt— lichen Kulturträger in die Wildniß brachten, hat sich nicht zum geringen Theile das schöne Gebäude aufgebaut, auf das wir heute mit Recht so stolz sind. Es ist ein Friedensfest im schön— sten Sinne des Wortes, eine Feier, in welcher die Errungenschaften der menschlichen Gesittung sprechend zum Ausdruck gelangen, ein Fest, an dem sich auch die einzelnen Bürger der Vereinigen Staaben nach Möglichkeit betheiligten. Botschafter Hill's Rath. „Die beste Friedensbürgschaft ist die Kriegsbereitschaft,“ wie der große Moltke seinerzeit erklärte, und die Steuerzahler aller Großstaaten wissen ganz genau, daß die Regierungen der alten und der neuen Welt sich der An sicht des berühmten Strategen voll und ganz angeschlossen haben Stöh—- nend und seufzend unter der schier er drückenden Steuerlast halten sie Aus schau nach dem Welterlöser, der ihre schmerzenden Glieder von der eisernen Rüstung befreien soll, indem es ihnen die Erfüllung der Botschaft bringt: „Kindelein. liebet Euch untereinan der.“ Und dabei sehen sie nicht, daß der Engel, der aller Welt solch' Heil ver— kündet, bereits unter ihnen weilt. hier und überall in Millionen von Ex emplaren, und daß es kaum einen Mann giebt, der sich nicht den Geboten dieser himmlischen Sendboten mit Freuden fügen würde. Kein Leser wird einen Augenblick darüber im Zweifel sein, daß mit die— sen Sendboten die Frauen gemeint sind. Sie sind die natürlichen Befür— worter und Verbreiter von Liebe und Menschenglück, und es handelt sich nur darum, ihnen den nöthigen Einfluß auf die Weltpolitik zu geben, um den Weltfrieden für alle Zeit zu sichern. Das Milennium ist also nahe. Der einfachste Weg zur Lösung die—- ser scheinbar so schwierigen Frage ist auch bereits gefunden worden. Selbst verständlich durch einen Amerikaner, und zwar durch unseren neuen Bot— schafter in Berlin, Dr. Hill, der sich auf diese Art in der denkbar glänzend— sten Weise eingeführt hat. In einer Rede, die er am 4. Juli in Berlin hielt, preist er die günstigen Ergeb— nisse, die dadurch erzielt wurden, daß so viele amerikanische Frauen nach Deutschland verpflanzt wurden, und so durch Familienbande das Freund— schaftsband zwischen den beiden Natio nen befestigten. Wer könnte daran zweifeln, daß er nicht allein Recht hat, sondern daß auch in diesen Worten das einfachste, sicherste und beste Mittel zur Beseitigung aller Kriege und Kriegs gefahren liegt? Nicht die Monarchen müssen sich unter einander verschwä gern, sondern die Völker; nicht Pro— fessoren müssen zum Austausch von einer Nation zur anderen gesandt wer— den, sondern süße Mägdelein und lu— stige Wittwen. Aber in genügender Zahl, selbstverständlich. Dafür, daß dann der Freundschaftsbund zwischen den Nationen durch Familienbande be festigt wird, werden die Sendbotinnen dann schon selber in der liebenswürdig sten Weise sorgen. Die Zahl der trau ernden Pastoren würde dann aller dings bedeutend vergrößert werden müssen, aber da dann ja die Ausgaben für Armeen und Kriegsmarinen auf Seite 9 bis ein Minimum herabsinken werden, könnte diese Ausgabe ja leicht getra gen werden. ; Ein nationales Uebel. Die prohibitionistische Fluth, die ei ne Zeit lang das ganze Land oder we—- nigstens den ganzen Süden unter Wasser zu setzen drohte, ist zwar in jüngster Zeit ein wenig eingedämmt worden, allein die Bewegung ist noch keineswegs zum Stillstand gebracht und daher haben die Gegner der pro— hibitionistischen Agitation alle Ursache, jeden neuen Bundesgenossen, der sich ihnen zugesellt, mit Freuden willkom men zu heißen. Und doppelt willkom men muß ihnen der neue Bundesge nosse sein/ wenn sein Einfluß sich vor— nehmlich auf das eingeborene Ameri kanerthum erstreckt, also auf das Ele—- ment, um welches sich die Prohibitio— nisten mit besonderem Eifer bemühen. Das gilt zum Beispiel auch von der „Mercantile and Financial Times,“ einem angesehenen New Yorker Fach— blatt, das in einer seiner jüngsten Nummern die prohibitionistische Pro— paganda als ein nationales Uebel schildert und zur Begründung seines Standpunktes Argumente anführt, die ihren Eindruck auf die amerikanische Geschäftswelt nicht verfehlen sollten. Das Blatt kümmert fich nämlich we der um die persönliche Freiheit, noch um irgend ein anderes Prinzip, das in den Kampf mit hinein spielt, son— dern es beleuchtet die ganze Bewegung lediglich vom pekuniären, daß heißt, vom wirthschaftlichen Standpuntkte. Es wendet sich mit seinen Argumenten an den Geldbeutel. Das ist bei den meisten Menschen der Punkt, wo sie am empfindlichsten sind, und schon so mancher Amerikaner, der zuerst mit der Prohibition liebäugelte, hat ihr den Rücken gekehrt, nachdent man ihm klargemacht, daß er in sein eigenes Fleisch schneide, indem er eine Bewe— gung unterstütze, welche die Zerstörung einer der größten Industrien des Lan— des anstrebt. „Wir wüßten nichts,“ heißt es in dem Artikel, „was den ge schäftlichen Interessen des Landes ver hängnißvoller sein würde als ein Er— folg der Prohibitionsgewegung. Ein großer Theil der Einkünfte des Lan des stammt aus der Fabrikation von Malz- und anderen geistigen Geträn ken. Die Unterdrückung dieser gro ßen Industrie und die Aufopferung der daraus fließenden erheblichen Ein— künfte wird nur die Folge haben, daß andere Lebensbedürfnisse mit einer di— rekten Steuer belastet werden müß— den.“ Der Verfasser wartet dann mit Zah—- len auf und zwar mit Zahlen, die ei— ne sehr beredte Sprache führen. Al— lein im letzten Jahre zahlte das Ge—- tränkegeschäft an Inlandsteuern die ungeheure Summe von 8207,124,099 in die Bundeskasse. Dazu kamen noch 360,875,465, die an Steuern von den Staaten, Städten und Counties er— hoben wurden. Zusammen macht das $267,999,564. Falls die Prohibi— tionsbewegung bis zur äußersten Kon— sequenz durchgeführt würde und alles durchsetzte, was sie anstrebt, so würde diese Riesensumme in Fortfall kommen und es klaffte im Staatshaushalt eine Lücke, welche auf irgend eine andere Weise ausgefüllt werden müßte, wenn der Staatsbankerott verhütet werden soll. Indessen drücken diese Ziffern noch lange nicht den ganzen Verlust aus, der mit der Unterdrückung des Ge— tränkehandels verbunden wäre. Viel— mehr sind noch in Betracht zu ziehen $1,225,905.85 an Steuern auf be—- wegliches Eigenthum, das in der Ge— tränbefabrikation benutzt wird und nahezu vollständig entwerthet würde; 310,075,120 an Steuern auf beweg—- liches und unbewegliches Eigenthum, die von den im Getränkegeschäft be schäftigten Personen bezahlt werden; $10,399,015 an Lizonzgebühren und Spezialsteuern, die den Staaben be—- zahlt werden, $5,011,225, die in die Kassen von Counties, und $34,155, 299.25, die in die Kassen der Städte flossen. Zieht man noch in Rechnung, daß die Unterdrückung der Getränke- Fabrikation und des Getränkeverkaufs eine ganze Anzahl anderer Industrien mit in den Abgrund veißen würde, denkt man ferner an die Hunderttau sende, die ihre Arbeit und das tägliche Brod verlieren würden, so muß man dem New Yorker Finanzblatt Recht geben, wenn es sagt, daß ein Erfolg der Prohibitionsbewegung nichts mehr und nichts weniger bedeuten würde als eine nationale Kalamität. Nur dem unermüdlichen, zielbewußten Ka— mpfe kann es gelingen, sie abzuwenden. Icing's Neow Lite Pilis Tnho host In the worid. IETY. ;