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Erster Theil. Zum neuen Jahr! Verschwunden in das Meer der Ewigkeit ist wieder eine lange Reihe von Tagen; das Jahr J-gt hin— ter uns! Wenn es auch üntt o hinabrollte, so währte es doch Vierc gar zu lange; sie wollten nur so da— hinstürmen, hinein in den Strudel der gßeiten! Stetig aber reihte sich ein Tag an den anderen, bis auch der letz te zum Abend sich neigte. Was war es denn, das abgelaufene Jahr! Eine Perle glitzernden Thaues, die eine kur de- Spanne Zeit im Morgensonnen— scheine erglänzte und dann hernieder rann, um spurlos zu verschwinden. Da, goldener Morgensonnenschein er glänzte auch in den Herzen der Men— chen, denen doch so manche Stunde des Glückes und der Freude beschieden war, Momente, die in der Erinnerung immerfort Aeben werden. Wahre Herzensfreude, die der Herr des Him— mels und der Erde den Menschen ge währt, sie wird die Quelle sein, die im Leide Trost und Stärkung spendet. dreude und Leid haben alle Men—- schen durchkosten müssen in dem nun entschwundenen Jahre, das, hier Le— ben dort den Tod bringend, vorüber ftlog. Wohl schlug schweres Mißge— slchick diesem oder jenem unserer Mit— menschen manche tiefe Wunde, doch Die Zeit bereitete auch den lindernden Balsam. Wie oft war für Manchen der Schmerz und die Heimsuchung der Weg zum Heile! Mag auch das Un— glüdk schwer auf dem Menschen lasten, er soll doch nie verzweifeln, sondern mit Vertrauen auf die Hülfe der gött lichen Vorsehung harren, die alles Leid zum Besten zu lenken weiß. Ein herrliches Geschenk ist die tröstende Doffnung, die uns leitet durch Nacht und Kampf hin zu unserer ewigen Be—- 2 stimmung, zum dauernden Glück, frei von Sorge und Schmerz. Wir danken —Dem Herrn für die vielen Wohlthaten dieer uns im alten Jahre erwiesen, und wir bitten ihn, daß er uns im neuen Jahre die Gnade verleihen mö— ge, auf dem Wege des Guten zu wan— deln. E Schauen wir frohgemuth in die Zu— Xunft, in das neue Jahr! Was auch da kommen möge, nichts soll uns be wegen, vom Pfade der Pflicht und des Gewissens abzuschweifen. Der Be— sriff „Pflicht“ ist ein hocherhabener, —Er schließt Gott und Ewigkeit, unser Hanzes Ziel und den Weg zu demsel ben, unsere sittliche Anlage und unsere Denken, Sprechen und Handeln, un— sere ganze Ehre in sich. Und dabei soll der Mensch bleiben: „Treu zu Gott, treu zu seiner Pflicht!“ Mag es kosten, was es wolle, mag Noth und Ungemach hereinbrechen: Wer treu zu Gott steht, treu zu sei— — ner Pflicht, Der geht nicht unter, wenn der Mast . auch bricht. ; —An der Jahreswende. 2 „Dreifach ist der Schritt der Zeit: zoögernd kommt die Zukunft hergezo— gen, pfeilschnell ist das Jetzt entflogen ewig still steht die Vergangenheit.“ Dieser alte Weisheitsspruch wird uns iemals klarer als an der Schwelle eines neuen Jahres, wo unwillkürlich der Blick des denkenden Menschen in die Vergangenheit schweift, wo sich je der die Frage vorlegt: was wird die Butunfst bringen? wo sich der Flüch- Agteit der Zeit jeder inne wird. „Je- Fahr des Lebens, wie es abgeht, nimmt auch vo nuns was als Beute mit.“ „Nichts Schnelleres gibt es als die Jahre,“ sagt Ovid. Zwar ist die 2 Zeit nur ein leerer Raum, dem Bege— benheiten, Gedanken und Empfindun— gen erst Inhalt geben. Aber sie ist das Kostbarste unter allem, Zeitver h chwendung die allergrößte Verschwen— — dung. Auch auf die Gegenwart paßt der Ausspruch: „Unsere Zeit ist ein oroßer Wecker. Die große eiserne Wanduhr rasselt und ruft mit gewal- Higen Schlägen.“ —lm Leben des Einzelnen wie der Dolter gibt es wenige wirklich glück che Tage und Zeiten, in denen man, umn mit dem Dichter zu reden, zum Augenblicde sagen möchte: „Verweile doch, du bist so schön!“ Das seligste Slüa beruht meistens in der Illusion, die sich bald auf Erinnerungen, bald au fHo nungen, bald auf die Vergan— Fenheit, bald auf die Zukunft beziehen. Wäre es uns möglich, das Glück und das Unglück wie es in jedem mensch nichen Leben vorkommt, genau abzu-- wäãgen, so würden wir wenig Unter— chied finden. · Wie viele Menschen oibt es nicht, mit allen Glüctsgütern eich bedacht, die dennoch unglücklich ind aus eigener Schuld, wie viele andere, die zufrieden sind, trot Ar— mnuth und Leiden aller Art. Ein Phi- 5 UMtda 112 34. Jabraang. St. Cloud, Minnesota, Donnerstag, den 31. December, 1908. Nummerb u—— losoph des Alterthums sagt: „Glück heißt, mit seinem Schicksal zufrieden sein. Das ist wahre Lebensweisheit. Prägen wir sie uns ein an der Jah— reswende! . Und treten wir frohen Muthes ein mit Gott in das neue Jahr. Möge es den Einzelnen, den Familien, und dem Lande ein segensvolles werden! Möge die Saat des Guten überall rei— fen und mit reicher Frucht jedweden lohnen! ; Allen unseren geehrten Lesern, Mit— arbeitern und Freunden wünschen wir von Herzen ein glückseliges Neues Jahr! Gedanken am letzten Tage des alten Jahres. Wohl bildet jeder einzelne Tag ei— ; 1 2 nen bedeutsamen Abschnitt in unserem Leben; der uns zu ernsten Erwägun— gen mahnt; doch gibt es Zeiten, in denen er sich mehr als sonst zu Be— trachtungen über Vergangenheit, Ge— genwart und Zukunft angeregt sieht, in denen selbst der Leichtsinnigste, der seine Tage gedankenlos hinzubringen pflegt, das Bedürfniß empfindet, sich zu sammeln und sein Inneres zu prü— fen. Dies gilt vorzüglich vom letzten Abend des scheidenden Jahres, einem wichtigen Abschnitte und Wendepunk—- te unserer Lebenszeit, welcher jedes bessere, edlere Gemüth zu ernsten ve trachtungen auffordert und den nur 2 - - —— —— ein roher, verwildeter Sinn gleichgül tig an sich vorübergehen lassen wird. Wenige Stunden noch, und wieder ist ein volles Jahr dahingeschwunden wie ein kurzer Augenblick, wie ein Traum dahingegangen sind jene Stun den, Tage, Monate, eines ganzen Jahreslaufes mit allen, was wir während desselben gethan und erlebt, genossen und gelitten! Sollte uns das nicht mahnen an die Flüchtigkeit der Zeit? Welche Macht gäbe es, die stark genug wäre, den leisen, unauf— haltsamem Lauf der Zeit auch nur um eine Minute zu hemmen, die Dau er des seinem Ende sich nähernden Jahres auch nur um eine Sekunde zu verlängern? Wie an die Flüchtigkeit der Zeit, so werden wir auch in diesen Stun— den an die Nichtigkeit und Uebelstän— n - Na Glückseliges, nenes Jahr! Wden wir von Herzen allen unsern lieben Lesern und Freunden von Nah und Fern. Möge Gottes reichster ·Segen im neien JZuhre ihnen allen zu theil werden. digkeit alles Irdischen gemahnt. Wie manches Band der Liebe und Freund— schaft wurde im letzten Jahre durch— schnitten, wie manche, die unserem Herzen theuer waren, sind uns vorge— gangen in die ewige Heimath! Wit hinfällig und vergänglich haben sick uns auch die irdischen Güter und al— les irdische Wohlergehen gezeigt! Wie manchen Reichen, dessen Besitzstand auf einer unerschütterlichen Grundla— ge zu ruhen schien, sahen wir unver— muthet verarmen, wie manchen Glück— lichen plötzlich unter einer Reihe von Unglücksfällen erliegen! Und hatte nicht auch unser eigenes Leben, mochte es s von so schweren Schlägen des Schscksals verschont geblieben sein, doch in dieser Zeit mehr betrübende als freudige Ereignijsse, mehr getäãusch— te als erfüllte Hoffnungen aufzuwei— sen? lche Bilder des raschen Wech sels alles Irdischen, die wie im Fluge an unsh vorüberziehen, haben freilich etwas Riederschlagendes an sich, und wir müßben uns ganz entmuthigt füh— len, wollten wir ausschließlich bei ih— nen versweilen. Aber der letzte Tac des Jahres weckt auch noch andere Ge— danken in uns; er ermuntert uns zun Rückblick guf unsere Thätigkeit wäh— vend des verflossenen Jahres, zur ern— sten Prüfung unseres bisherigen Le— bens and Strebens, sowie zu guten Vorsätzen und Entschlüssen für die Zu— kunft.? Ernste Fragen drängen sich uns hier auf, die Niemand so eindringlich an uns zu richten, Niemand so erschöp—- fend zu beantworten vermag, als wir selber, sobald wir es nur ernstlich wol len. Hält uns doch unser Gewissen einen treuen Spiegel vor, in dem wir die Vergangenheit klar erblicken und unser Leben überschauen mit all' sei nen Versuchungen und Prüfungen, sei nen Versäumnissen, Fehlern undThor heiten, aber auch mit den erhebenden Momenten, in denen wir einen Sieg über uns selbst gewonnen, mit den Mü— hen und Früchten unseres Fleißes, mit den Fortschritten unserer geistigen und sittlichen Bildung und mit allen jenen guten Handlungen „deren Be— wußtsein uns mit innerer Zufrieden heit lohnt. Und ein solcher Rückblick, schließt er nicht auch die Ermunterung in sich ein, vorwärts zu blicken in das kommende Jahr mit dem festen Vor— satze, die verlängerte Gnadenfrist, die uns Gott in seiner unendlichen Liebe schenken will, nicht unbenützt vorüber— gehen zu lassen? Besser so wollen wir es in dieser feierlichen Stunde ge— loben umsichtiger, eifriger als die verstrichene Zeit soll die zukünftige von uns angewandt werden; jeder Au— genblick soll uns kostbar sein, jede lei— se Mahnung des Gewissens Gehör fin den, jede Erfahrung und Lehre der Vergangenheit uns als Begleiter und Wegweiser für die Zukunft dienen und unserem Willen Beihülfe leisten, mit Muth und Beharrlichkeit nach demZie— —— S 1 le unserer ewigen Bestimmung hinzu streben! Aber vergebens würde der letzte Abend des scheidenden Jahres zu solchen Vorsätzen ermuntern, wenn wir uns von ihnen nicht auch warnen ließen vor Leichtsinn in Anwendung der Zeit. ; Wie vielfach haben wir Grund, uns einer falschen Sicherheit anzuklagen, die uns oft dazu brachte, das dringen gendste Geschäft, das der eigenen Besse— gung, minder wichtigen Beschäftigun gen, ja wohl nichtigen Vergnügungen nachzusetzen! Wenn dies nun abge—- laufene Jahr das letzbe unseres Lebens gewesen wäre, mit welchem Schuldbe- Seite 1 bis wußtsein, welchem Zögern müßten wir vor dem Richterstuhl Gottes erschei nen; welcher strafbaren Vergeudung der Zeit müßten dann selber wir uns anklagen? Und wer kann wissen, ob uns das kommende Jahr auch noch völlig angehören werde, ob nicht frü— her, als wir denken mögen, unserem Leben das Ziel gesetzt sei? Wie ge— fährlich also wäre jeder fernere Auf schub! Nein, wir wollen nicht mehr zögern; noch heute, noch in dieser Stunde soll von uns das Werk der Besserung mit verdoppelter Kraft in Angriff genommen werden, und keine Minute der Lebenszeit sei verloren, die uns von Gott noch fernerhin ge— währt wird, für das Heil unserer See le zu sorgen! Wenden wir so das Herz flehend zu dem Höchsten, der allein unserem Willen die Stärke zu verlei— hen vermag, das erkannte Gut wirk— lich zu vollbringen, dann werden wir uns auch nicht weniger gedrungen füh—- len, beim Schlusse des Jahres Gott zu danken, daß er uns bis zu dieser S Gütern des Leibes und der Seele ge segnet, uns vor unzähligen Uebeln und Gefahren behütet und im Unglü— cke durch seine Hülfe und seinen Trost ermuthigt und erquickt hat. Wahrlich, wenn wir schon am Abend jedes einzelnen Tages Ursache haben, mit dankerfülltem Gemüthe zu dein Geber alles Guten aufzublicken, um so viel mehr bietet uns der Ablauf eines ganzen Jahres Anlaß, da Man— ches, was uns an den göttlichen Fü— gungen früherhin dunkel und räthsel haft erschien, sich uns jetzt in anderem Lichte zeigt und wir mit Beschämung erkennen, daß Gott auch dann, wenn seine Hand schwer und züchtigend auf uns ruhte, doch immer nur unser Be— stes, unser wahres Wohl im Auge hat be. Wie könnten wir schöner, wür— diger, erhebender den Abschluß des al— ten Jahres feiern, als mit solchen Ge— danken, Gefühlen und Entschlüssen! Wie könnte dieser bedeutungsvolle, wichtige Zeitabschnitt für uns frucht bringender werden, als dadurch, daß wir jene guten Vorsätze auch wirklich zur That werden lassen! Wenn wir auf solche Weise von dem alten Jah— re Abschied nehmen, dann darf uns vor den Uebeln und Gefahren, die es vielleicht in seinem Schoße birgt, nicht grauen. Was immer es uns bringen mag, und wäre es auch Leiden und Unglücksfälle, Krankheit, ja der Tod selbst es wird uns alles, auch das Härteste, zum Segen gereichen, weil wir dann den göttlichen Rathschluß erkennen. Doch wehe, wehe uns, wenn die verhüllte Zukunft uns unvorberei— tet finden sollte, wenn wir mit gedan— kenlosem Leichtsinn den Ernst dieser feierlichen Stunde verkennen, ihn wohl gar, von wüstem Sinnentaumel um fangen, gleichsam verhöhnen würden, wenn das neue Jahr, wenn die noch weiter sich anreihenden Jahre gleich den vergangenen unbenützt für uns verfließen sollten! Dem kurzen Traum des Lebens würde ein schreck— liches Erwachen folgen, und mit schmerzlicher Reue würden wir nicht ach! vergeblich unserer verlore nen Jugend zurufen: „Kehre wieder, o kehre wieder, daß ich anders, daß ich besser wähle!“ Der überwiegende Theil der Ein— wanderer besteht aus Leuten zwischen 14 und 40 Fahren. So standen von den im letzten Fiskaljahr eingewander— ten 782,870 Fremden 630,671 in die sem Alter, 112,148 waren unter 14 Jahren und nur 40,051 waren 45 Jahre alt und darüber. Wie es mit der gewöhnlichen Bildung stand, läßt sich daraus ersehen, daß von allen die— sen zur Einwanderung zugelassenen Ankömmlingen, von denen unter 11 Fahren abgesehen, 172,293 weder le— sen noch schreiben konnten, wähvrend 2,310 zwar des Lesens aber nicht des Schreibens kundig waren. Also 26 Prozent der Ankömmlinge über 14 Jahren waren sog. Illiteraten, was gegen das Jahr 1907 mit 30 Prozent Illiteraten immerhin einen Fortschritt zum Besseren bedeutet. Zur zwangs weisen Deportation wurden nach sorg fältiger Untersuchung 1955 Auslän der auf Grund ungesetzlichen Aufent haltes verurtheilt und 114 wurden mit ihrer infolge später eingetrebener Verhältnisse der öffentlichen Wohlthä igteit zur Last fielen. Zählt man zu diesfen 2069 Deportierten die 10,902 gleich bei ihrer Landung Zurückgewie senen, so ergibt sich bei dieser Gesammt summe von 12,971 eine eVrminderung von fast 8 Prozent gegen voriges Jahr, freilich in Rücksicht auf das Verhält niß der Deportationen zu den Zulas sungen in den beiden Jahren ein Mehr von 50 Prozent. STORICA SOCIETN.