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soll er mir ßebtal" schrie er schäumend Wuth. Die Gäste in der unteren ßfagt mach ten die Thüren aus und riefen: '. -„Was giebt es denn da? WaS lst et# flentUch los da oben?" Während Herr Nap seine S^mbfwSrke Wiederholte, öffnete ich rasch meine Thüre wieder, und versetzte ihm «inen Fußtritt, der ihn nicht allein bis an die nahe Treppe brachte, sondern ihn noch wenig stens 20 Stufen hinunterpoltern machte. „®a8 ist Iof-1" rief ich, ebenfalls außer mir, den Gästen im unteren Stockwerk zu. Und dann ging ich in meine Stube zu rück, die ich von innen verschloß, während ein lautes Gelächter den herunterrollen den Herrn Rap unten betvillkommte. Merkwürdigerweise war ich über M8, tu as ich gethan, sehr zufrieden mit mir. Ich rieb mir die Hände Vor Vergnügen. Dies Abenteuer hatte mich wieder in Schwung gebracht. Ich ging wieder an weine Arbeit, und wollte meine Sküze vollenden, als ein ungewöhnliches Ge rausch mein Ohr traf. Gewehrkolben wurden schwerfallig auf !das Pflaster der Straße niedergesetzt. Ich sah aus meinem Fenster und erblickte drei Gcnsdamien, das Gewehr am Fuß, die dor unserer Hausthüre Posta genommen hatten. ,,Sollte der Schurke Rap sich etwas .zerbrochen hab^n?" murmelte ich voll Schrecken. jltnb, merkwürdige Bizarrerie deS menschlichen Geistes! Ich, der ich am Abend vorher im Begriff gewesen war, mir den Hai? abzuschneiden, zitterte bis ins tiefste Mark meiner Knochen hinein bei dem Gedanken, daß man mich, wenn sich Rap todtgefallen hätte, aushängen könnte. Die Treppe erfüllte sich mit einem wir. ten Geräusch. Es war ein confuses Durcheinander von dumpfen Schritten, Waffengeklirr, und kurzen, halblauten Worten. Man hatte sich dem 5. Stockwerk ge nähert. Plötzlich versuchte man meine Tbür zu öffnen. Sie war verschlossen! Ein allgemeiner Lärm erhob sich nun. „Im Namen des Gesetzes, aufgemacht!" rief eine gebieterische Stimme. Mir kam der Einfall, übet die Dächer hin zu entfliehen.-' Ich stand am'ganzen Leibe zitternd auf und that ein paar Schritte. „Aufgemacht!" wiederholte dieselbe Stimme. Ich stürzte mit lchter Kraft aus mein kleines Fenster zu Aber kaum hatte ich den Kopf aus der kleinen Luke hinausge steckt, als ich, von einem Schwindel er saßt, zurückwich. 3n einem Augenblick hatte ich alle Fenster unter mir mit ihren blitzenden Scheiben, ihren Blumentöpfen, ihren Vogelbauern, ihren Gittern gesehen. Weiter unten noch den Balcon, noch tie fer die Straßenlaterne, darunter noch das schaukelnde, mit Zacken besehte Herbergs fchild zur „Rothen Tonne", und endlich In der Tiefe die drei funkelnden Bayon vette, die nur aus meinen Sprung zu to arten schienen, um mich von der Fuß fohle bis zum Nacken zu durchschieße«. Auf dem Dache des gegenüberliegenden Hauses lauerte ein dicker, gelber Kater, hinter emern Schornsteine versteckt, auf einen Schwärm Sperlinge, die in der Dachrinnne miteinander spielten., und kämpften. Man hat keine Idee davon, bis zu wel cher Schärfe, Kraft und Schnelligkeit sich das menschliche Auge erhebt, wenn es von der Furcht angestachelt wird. Bei dem dritten Befehl „Ausgemacht, Sder wir brechen die Thür auf!" näherte ich mich, von der Hoffnungslosigkeit eines Fluchtversuches überzeugt, schwankend der Thür, und öffnete das Schloß. Einen Moment, darauf packten zwei Fäuste meinen Rockkragen. Ein stammt* get kleiner, nach Wein duftender Mann sagte zu mir: „Zch verhafte Sie!" Er trug einen flaschengrünen Rock, der vis ans Kinn zugeknöpft war, Hatte einen großen braunen Backenbart, trug Ringe an allen Fingern und tzich Papauf.. Er war Chef der Polizei. faufliegender ünf Bulldeggengefichter mit kleiner, Mütze, Nasen, deren Köcher wie Pistolenmiindungen aussahen, tveit vorstehenden Unterkiefern, beobachte fcn mich von draußen. „Was wollen Sie von mir?" fragte ich Paßauf. „Marsch!" antwortete er brüsk, indem er einem seiner Untergebenen ein Zeichen machte, mich anzupacken. Dieser schleppte mich mehr todt als le bendig hinunter, während die vier andern anfingen,mein Zimmer von unten bis oben umzukehren. Ich stieg die Treppen Httmnter, unter Wtzt wie ein Schwindsüchtiger in seinem dritten Stadium. Mein Haar Hing mit wirr übet's Geficht herab und ich strau chelte bei jedem Schritte. Man warf mich in einen Fiaker, zwi schen zwei kräftige Kerle, die mir barm- das Faustgelenk befestigt hatten, zeigten Per Wagen setzte sich in Bewegung. 'u nter uns her zog mit lärmendem Ge schrei der ganze Troß der Straßenjungen. „Was habe ich eigentlich gethau?» kragte Hh einen meiner Wtichtet. v ./,: Er sah mich mit einem seltsamen Lä cheln an tmb sagte: o .Han«,.... er ftagh was er gethan Hat." Dies Lächeln machte mir mein Blut HU Eis.^' Bald MhMte eck tiefet Schatten den Wagen. Der Schritt der Pferde hallte unter einem Gewölbe wider. Wir fuhren in Raspelhaus ein, in das furchtbare m..das .... .. rax a Die Polizisten führten mich, begleitet sis^rey vom Gefängniswärter, vrovisorisch in eins der Gefängnißlöcher. Wenn ich mich recht besinne, hieß der Gefängnißwärter Caspar Schlüssel« Mit seiner j-.Krauwollcnen Mühe, seinem PfeifeNftumpen zwischen den Zähnen, seinem Schlüsselbund am Gürtel, machte er den Eindruck des Gottes „Eule" der Caraiben auf mich. Er Hatte dieselben großen, runden, goldglänzenden Augen, die bei Nacht sehen können, die selbe Hakenförmige Rase, denselben tief in die Schultern gesunkenen Hals. Schlüssel schloß mich so ruhtg tmb 'gleichgültig em, als wenn er ein paar ab gelegte Schuhe in eine Rumpelkammer geschlossen Hätte. Ich selbst aber blieb mit aus dem Rücken gekreuzten Händen, mit gesenktem Kopf mehr als zehn Minuten unbeweglich auf demselben Fleck stehen. Nach Ablauf dieser Zeit hatte ich folgen den Gedanken: „Rap hat beim Hinunter fallen ausge rufen: „Man ermordet mich!" Aber er hat nicht gerufen, wer ihn ermordete. Ich werde sagen, es sei mein Nachbar der alte Brillenhändler gewesen,— und bau«wird er aufgehängt werden." Dieser Gedanke erleichterte mein Herz, und ich stieß einen langen Seufzer aus. Dann sah ich mich in meinem Gcfängniß um. Es war vor Kurzem neu angeweißt worden, und die Wände waren noch ganz frei von Zeichnungen. Rur in der einen Ecke hatte einer meiner Vorgänger ein plumpes und rohes Bild eines Galgens gemalt. Das Licht drang durch ein run des, 9 bis 10 Fuß hoch vom Boden ange brachtes Fenster herein. Das Mobiliar bestand aus einem Sttohsack und einer kleinen Bank. Ich sehte mich aus den Strohsack nieder, nahm traurig die Kniee in die Hand, und überliest mich einer unglaublichen Nie dergeschlagenheit. Ich wußte nicht, woran ich war. Plötzlich aber fiel mir ein, daß Rap wahrscheinlich vor seinem Tode mich als seinen Mörder bezeichnet hatte, und da fühlte ich ein Ameisenkriechen in allen meinen Gliedern. Räch Luft ringend, sprang ich auf, als wenn der Hanfstrick mir schon den Hals zuschnürte. Fast in demselben Augenblick hörte ich Schlüssel den Corridor entlang kommen. Er öffnete mein Loch und befahl mit, ihm zu folgen. Er war wieder von den bei den Polizisten mit den Todtschlägern be gleitet 2ch gehorchte ihm maschinen mäßig. Wir durchschritten lange Gallerieen, die in weiten Zwischenräumen von einigen inneren Fenstern erhellt waren. Hinter Gitter bemerkte ich den berüchtigten 3ick Jack, dessen Hinrichtung für bett folgenden Tag angesetzt war. Er trug die Zwangs jacke und sang mit heiserer Stimmet „Ich bin der König der Berge!" Sowie er mich erblickte, ruf er mit zu: „Heda, Kamerad! Ich heb' Dir 'nen Platz zu meiner Rechten auf!" Die beiden Polizisten und Gott Eule sahen-fich lachend an, während mein gan zet Leib sich mit einer Gänsehaut überzog. Schlüssel stieß mich endlich in einen ho hen, sehr dunkele« Saal, der halbkreis förmig mit Bänken besetz! war. Der An blick dieses öden und düsteren Saales, seine beiden langen Gitterfenster, ein Christus aus altem gebräuntem Eichen holz, dessen Arme ausgestreckt waren, und der sein dcrnengekröntts Haupt schmerz lich auf eine Schulter lehnte, Alles das flößte mir eine religiöse Furcht ein, die im Einklang mit meiner gegenwärtigen Lage war. Alle meine Ideen, durch Lügen die An klage von mir ab und auf einen Anderen zu wälzen, verschwanden, und unwillkür lich bewegten {Ich meine Lippen zum Ge bei. Seit lange hatte ich nicht mehr gebetet. Aber das Unglück führt uns immer zu Gedanken der Unterwürfigkeit zurück. Der Mensch ist so wenig! Mir gegenüber aus erhabenen Sitzen saßen zwei Personen, die dem Licht den Rücken zuwandten, wodurch ihre Gesichter im Schatten blieben Indessen erkannte ich Herrn von Spreckdal an seinem adlet artigen Profil, das von einem schrägen Reflex des Fensterglases beleuchtet wurde Der andere Mann war dick, er hatte volle, runde Backen und sehr dicke kurze Hände. Er trug ebenso wie Ban Spreckdal das Richtergewand. Unter ihnen faß der Gerichtssekretair Eonrad. Er schrieb an einem niedrigen Tisch, und kitzelte sich oft das Ohrläppchen mit dem Barte seiner Gänsefeder. Bei meiner Ankunft hielt er zu schreiben auf, um mich neugierig anzusehen. Man ließ mich Platz nehmen, und dar auf sagte Van Spreckdal mit erhobener Stimme zu mir: „Christian VeniuS, woher haben Sie diese Zeichnung?" Er zeigte mir die jetzt in feinen Hän den befindliche nächtliche Skizze. Man reichte sie mir hin. Nachdem ich sie ge prüft hatte, antwortete ich: „Ich habe fie gezeichnet." ES trat ein ziemlich lange? Schweigen herziger Weise dys Ende zweier Todt- ein. Der Secretair Conrad schrieb meine s a e i e s i e i e e n e n i e e n u mAntwort 1 1 v nieder. Ich hörte seine Feder über das Papier gleiten und dachtet» „Was bedeutet eigentlich die Frage, die man a» mich gestellt hat? Die Skizze hat doch sicher nichts mit dem Fußtritt zu thutt, den ich dem Schurken Nap gegeben habe." „Sie habest fie gezeichnet,- begann Ban Spreckdal tvietet. „Welches Sujet stellt fie dar?" ißxne bloße Phantast esc ene." «Sie haben also die Einzelnheiten der selben nirgends copirt?" „Nein, mein Herr, ich habe fie mir alle ausgedacht." i Angeklagter Christian BenwS," sagte .der Richter in strengem Tone zu mir, „ich Nürnberger Gefangmß. Ach, aus Rap's ermahne S,e, nachzudenken. Lüaen Sie Krallen war ich in die Tiefe eines Kerkers nicht!" t» ,*:- gefallen, aus welchem seht wenige arme Teufel sich zu ziehen vermocht haben. Große dunkele Höfe, lange, schmale Fensterreihen, nicht eine Spur von Grün, keine Ranke Epheu, nicht einmal ein Wetterhahn zu sehenso sah mein neue« tzoyl# »us. Oh, mir ipyr zu Muth, daß ich mir feie Haare mit,tzollev Fausten hätte »ustttsen mögen. dann fort, v- Ich errötheie und mettette intt fester Stimme: „Ach Habenichts als die Wahrheit ge s a -v i V „Nehmen Sie die Aussagen jtti Pro-' tökoll," sagte der Richter zu dem Secre tair, der feine Feder von Neuem frei» fchend über da» Papier gleiten ließ, ..Und diese Frau,« fuhr der Richter w0u|e taiW^r- So«»t«gsdwtt Äes S«dtm tU ^olKsMntt. Rande eines Brunnens ermordet....^ haben Sie sich die auch ausgedacht^" i „Ganz gewiß." „Sie dabey Me,M a*fäcn ,Nie!" ian Spreckdal erhob (ich chtreffet dann aber seinen Platz wieder einnehmend, schien er fich {titua Collegen zu Serathen. ,i\. Diese beiden bunkelen Profile, Ne sich auf dem hellen Hintergrund des Fensters deutlich abzeichneten, und hie drei hinter mir stehenden Mannet.... das Schwei gen, das in dem Saale herrschte, AlleS das machte mich zittern. „Was will man eigentlich bim mir? WaK habe ich gethan?" murmelte ich halb laut. Plötzlich sagte Van Spreckdal Ztt tnet» nett Wächtern: „Geleiten Sie den Ge fangenen wieder in den Wagen zurück. Wir fahren auf der Stelle nach der Metz gerstraße." Und sich daraus zu mir ivendend, rief er aus: „Christian VeniuS, Sie befinden sich auf einem beklagenswerthen Wege. Sam meln Sie sich und bedenken Sie, daß, wenn die Justiz der Menschen unbeugsam ist,' Ihnen die Barmherzigkeit Gottes bleibt. Sie können sie verdienen, wenn Sie Ihr Verbrechen gestehen." Diese Worte trafen mich wie ein Ham merschlag. Ich warf mich zurück, streckte die Arme aus und rief: „Welch ein ent setzlicher Traum!" Und dabei ward ich ohnmächtig. Als ich wieder zü mir kam, rollte der Wagen schon langsam die Straße hinab. Ein anderer Wagen suhr dicht vor uns her. Die beiden Sicherheitsagenten wa ten an meiner Seite. Einer von ihnen bot unterwegs seinem College» eine Prise Tabak. Maschinenmäßig streckte auch ich meine Hand nach der offenen Dose aus aber er zog sie lebhaft zurück. Die Schamröthe stieg mit ins Gesicht und ich wandte der» Kopf ab, um meine Bewegung zu verbergen. „Wenn Sie hinaussehen," sagte mir der Mann mit der Dose, „find wir genö thigt, Ihnen Handschellen anzulegen." „Hole Dich der Teufel, Du infamer Schurke," dachte ich bei mir. Sobald der Wagen stillstand stieg der eine von ihnen aus, während der andere mich beim Rockkragen festhielt. Erst als er sah, daß sein Kamerad unten bereit sei, mich zu empfangen, stieß et mich rauh hinaus. Diese unendlichen Vorsichtsmaßregeln, sich meinet Person zu versichern, zeigten mir nichts Gutes an. Aber ich war weit entfernt, die Furchtbarkeit der Anklage, die auf mir lastete, vorauszusehen. Ein entsetzlicher Umstand öffnete mir endlich die Augen und stürzte mich in die tiefste Verzweiflung. Man hatte mich in einen niedrigen Gang mit unebenem zerbrochenen Pflaster gestoßen. An der Mauer floß ein gelbli cher Rinnstein, der einen scheußlichen Ge ruch ausströmte. Ich mußte beinahe in totaler Dunkelheit weiter gehen. Die bei den Polizisten folgten dicht hinter mir. Weiterhin erschien das matte Dämmer licht eines inneren Hoses. In dein Maße, wie ich vorrückte, «faßte mich mehr und mehr ein dumpfer, Schre cken. Es war nicht ein naturliches Gefühl, sondern eine herzzerreißende Ahnung, die wie ein Alp meine Brust zusammen schnürte. Ich wich instikttnäßig bei jedem Schritte zurück. „Marsch!" schrie einer der Polizisten und ließ feine Hand unsanft auf meine Schulter fallen. „Vorwärts!" Aber welches Entsetzen erfaßte mich, als ich am Ende des Ganges den Hof vor mir sah, den ich in der Vorhergehenden Nacht gezeichnet hatte. Er war es, mit den ha kenbesetzten Mauern, mit dem alten Ge rümpel, mit dem Hühnerkorb und Kanin chenhaus... .Nicht eine einzige Luke, groß oder klein, hoch oder niedrig, kein gerisse nes oder ze«brochenes Fenster war da, welches sich nicht auf meiner Skizze wie dergesunden hätte. Ich blieb wie niedergeschmettert durch diese sonderbare Offenbarung. Neben dem Brunnen standen schon die beiden Richter, Ban Spreckdal und Ker tier. Zu ihren Füßen lag die alte Frau. Sie lag auf dem Rücken ihr Gesicht war blau, ihre Augen standen weit offen, ihre langen grauen Haare waren aufge löst ihre Zunge stand weit aus demMunde Hervor, a bee, ihre Zähne hatten sich datin sestgebissen. Es war ein fürchterliches SchMtWl? „Nun," redete mich Van Spreckdal mit fernem feierlichsten Tone an, „was haben Sie hier zu sagen?" Ich antwortete nicht. .,Erkennen Sie an. daf Sie diese Frau, Theresa Becker, in diesen Brunen gewor fen haben, nachdem Sie ste erdrosselt haben, um ihr ihr Geld zu stehlen?" „Rein," ties ich aus. Ich kenne diese afte Frau nicht. Ich habe fie nie gesehen, so wahr mir Gott helfen soll!" „Das genügt," antwortete er mti fro (fettet Stimme. Und ohne noch ein Wort zu sagen ging ee rasch, M.seWvt Colle gen weg. 1 Die Agenten glaubten mit nun Hand schellen anlegen zu müssen Man führte mich in einem Zustand tiefer Betäubung nach dem Raspelhaus zurück. Ich wußte nicht mehr, was ich denken sollte. Mein Gewissen selbst schien conftemirt zu sein. Ich fragte mich wirklich, ob es möglich sei, daß ich die He.^Irau ermordet haben könne. In den Augen meiner Wächrttlvar ich schon berurtheUt. Ich will hier nicht meine Empfindun gen, wie ich fie während jener Nacht im Raspelhaus hatte, ausführlich schildern. Ah, mit welchen Gefühlen saß ich auf mei nem Strohsack, meinem Fenster gegen über, den Galgen in naher Ausficht, Und hörte dabei den Nachtwächter rufen: „Bürger von Nürnberg, schlaft, denn Gott, der Herr, wacht! Es hat ein Uhr, zwei Uhr, drei Uhr geschlagen!-- Jeder kann sich eine Idee von solch ei net Rächt machen. Man mag nun sagen, was man will, daß es besser sei, unschul ... ....... dig als schuldig gehängt zu werden. Was Frau, die #ta$t am.. die.Kxele anbetrifft, so Hai das seine Rich *W ~*vqsr» tigkeit, aber in Bezug auf den Körper macht das keinen Unterschied. 3m Gegen* theil, der sträubt sich, der verflucht daß Schicksal, der sucht davonzukommen, da er wohl weiß, daß seine ganze Rolle B|U die« fm infamen Stricke zu Ende i)"f. Endlich brach der Tag an, zuerst bieit^ matt, unentschieden, warf et schrageStrah len aus mein kleines Fenster und die kreuz weis gelegten Gitter dann zeichnete er sich an der gegenüber liegenden Mauer hell äb. Draußen ans der Straße ward es lebhafter. Es war ein Freitag und Markt. Ich hörte die Gemüsewagen und die mit ihren schweren Tragkörben beladenen Landleute vorbeikommen. Ei nige Körbe mit Hühnern «föchten lauten Lärm die Buttethänbierinnen Plauderten mit einander. Die Markthalle, dem Ge fängniß gegenüber, warb geöffnet man setzte die Bänke zurecht. Endlich war es ganz hell, und da« un* geheure Gemutmet der Menge, die noch beständig wuchs, der Mädchen und Haus Hälterinnen die mit einem Korbe unter dem Arm kanten und gingen, handelten und sich stritten, zeigte mir an, daß es etwa acht Uhr sei. Mit dem Licht wuchs ätlm5!ig" dsS Vertrauen wieder in meinem Herzen. Ei nige meiner furchtbaren Ideen verschwan den. Ich fühlte den glühenden Wunsch zu sehen, was draußen vorging. Andere Gefangene vor mir Hattert fich schon bis zu dem kleinen Fenster erhoben sie hatten kleine Löcher in die steile Wand gegraben um hinauszukommen. Ich klet terte in diesen Spuren meinerseits hinauf, und als ich in der runden Einhohlung zu sammengekauert, mit tief gesenktem Kopse saß, konnte ich die Menge, daS Leben, die Bewegung vor mir sehen. Ein reichet Strom von Thränen brach unaufhaltsam aus meinen Augen hervor. Ich dachte nicht mehr an den Selbstmord. Ich fühlte ein wirklich außerordentliches Bedürfnis, zu leben und zu athmen. „Ah," sagte ich zu mir, „leben ist glück lich sein! Man spanne mich an einen Kar ren, man schmiede lyir eiserne Kugeln an die Füße... .Was kümmert es mich? Wenn ich nur lebe!" Die alte Markthalle, ihr trichterförmi ges auf schweren Pfeilern ruhendes Dach, bot grade einen süperben Anblick. Die al ten Frauen, die hinter ihren Gemüsekör ben, Hühnerkäsigen und Eierkasten saßen hinter ihnen die Juden, die Aufkäufer mit ihren gelben Gesichtern, die Schlachter mit ihren nackten Armen, die in ihren Scharren das Fleisch zerlegten, die Land leutc mit ihren breitrandigen hinten im Nacken sitzenden Hüten, ernst und ruhig, die Hände auf dem Rücken, oder auf ih ren Kotenstock gelehnt und ruhig ihr Pfeif chen tauchend,—auf der andern Seite das rastlos wogende Gedränge, das Geschrei, das Feilschen, das Gelächter, die aus drucksvollen charakteristischen Mienen der Käufer und Verkäufer, Alles das fesselte meinen Geist, und trotz meiner gräßlichen und hoffnungslosen Lage fühlte ich mich glücklich darüber, daß ich noch zur Welt gehörte. Während ich nun so hinauWickte, ging ein Schlachter vorüber. Sein Rücken war unter einem enormen Och sent) iertel, das er auf den Schultern trug, vorübergebo gen. Seine herkulischen Arme Waten nackt und seine Ellbogen standen in die Lust. Den geneigten Kopf konnte ich nicht se hen, denn sein im Winde flatterndes Haar verbarg ihn mir vollständig. Und doch er bebte ich innerlich beim ersten Blick, den ich aus diesen Mann warf. „Er ist es," flüsterte ich mir zu. All mein Blut strömte nach meinem Herzen zurück. Ich sprang auf den Boden herab, am ganzen Leibe zitternd. Meine Wangen lebten ich war kalt an allen Gliedern, und konnte nur mit erstickter Stimme wiederholen: „3a, er ist eS! Da ist er, der Mörder, und hier soll ich, der Unschuldige, statt seiner sterben, um für sein Verbrechen zu büßen. O mein Gott! Was soll ich thun?" Eine plötzliche Idee, eine himmlische Inspiration durchzuckte meinen Geist. Ich steckte die Hand in meine Rocktasche. Mein Bleisederetui befand sich darin. Damit aus die Mauer zustürzend machte ich mich daran, die Scene deS Mordes mit einem unerhörtenSchwung vonNeuem zu zeichnen. Keine Unsicherheit, kein Ge tappe mehr. Ich kannte jetzt den Mann, ich sah ihn, als wenn et vor mir gesessen hätte. Um zehn Uhr trat mein Kerkermeister in meine Zeile. Seine Eulenunempfindlich keit machte einem ungeheuchelten Aus bruch der Bewunderung Platz. „Ist es möglich?" rief et, auf der Schwelle stehen bleibend. „Holen Sie meine Richtet," sagte ich zu ihm, ohne mich in meiner Arbeit stöx ten zu lassen. „Die warten fchott im Berhöpfgal auf Sie," erwiderte Schlüssel. „Nein, fie müssen hierher kommen, denn ich habt ihnen eine Enthüllung zu machen," rief tdj, indem ich die letzte Hand an die geheimnisvolle Person legte. Dieser Mensch, den ich gezeichnet hatte, lebte! ®t war entsetzlich anzuschauen. Sein Gesicht trat mit wunderbarer Kraft und Deutlichkeit auf dem weißen Grunde hervor. Mein Kerkermeister folgte diesmal weis nem Befehl. Nach ein paar Minuten traten die bei den Richtet in meine Zelle. Sie blieben wie betäubt stehen. Ich aber fegte mit ausgestreckten Atmen, und, am ganzen Leibe zitternd! 'f^'-f 5"i W$" *«'vWa .v -f." ri .... „Das ist der Mörder!" ,*/• ^i 1 s Van Spreckdal fragte mich nach einigen Augenblicken des Schweigens: ».m u»tz»Und Wie heißt et?" »-".l,.. „Ich weiß eS nicht. Aber et ist in die sem Augenblick- dort in der Markthalle. Er schneidet Fleisch auseinander,—in dem dritten Scharren, wen« man vsu du Tra bantenstraße kommt." „Was meinen Sie dazu?" sagte er dann zu feinem Kollegen* ." «Mm hole jenen Mamr," Antwortete dieser mit ernstem Tone. Mehrere im Corridor geblieben* Po liziften gehorchten und liefen Weg. Me Richter blieben ruhig in meiner Zelle und sahen unverwandt m#i*e ÄtiM an. Ich ix-* ... ,, x- f»'i»« n i.A., •W0k ,|S| aber sank wie vernichtet auf mein Stroh läget hin und barg meinen Kops zwischen meinen Knieen. Bald hallten Schritte weithin unter" dem Gewölbe wieder. Die, welche nie auf eine solche Stunde der Befreiung gt wartet und die Minuten, die dann langS5 wie Jahrhunderte erscheinen, gezählt ha ben... .die, welche die herzzerreißen-U ben Empfindungen des Schreckens, derb: Angst, der Hoffnung, der Verzweiflung in blitzartiger Aufeinanderfolge in ihre#* Brust haben erwachen und ersterben ge-» sühÜ,—die können sich keinen Begriff beti diesen innern Leben der ©feie machen,., dem ich preisgegeben war. Ah, ich hätt^ ', i e S i e e s ö e s e u n e W tten Wächtern marschirte, unter taufenp anderen erkannt! Sie näherten fich. Die Richter selbst schienen bewegt. Ich, ich hatte den Kopf erhoben und während fich mein Herz zusammenschnürte, als wenn es evt eiserner Schraubstock umzwängte, heftete ich mein stieres Auge auf ^ver schlossene Thür. .Wie öffnete fich Der Mann trat ein. Seine Wangen waren von Blut angeschwollen, seine ungeheuren zusammengezogenen Kinnbacken ließen ihre kräftigen Muskeln bis an das Ohr hervortreten, und seine kleinen grauen Augen, die unruhig und wild wie die ei nes Wolfes waren, funkelten unter bu schigen rothgelben Brauen. Van Spreckdal zeigte ihm schweigend die Skizze. '•Sobald dieser nach B^tckriechend-breit schultrige Mann das Bild gesehen hatte, erbleichte et. Dann stieß et ein Gebrüll aus, das uns vor Schrecken erbeben machte, riß feine Herkulischen Atme auseinander und that einen Sprung rückwärts, um die Wächter niederzuwerfen. In dem Corridor erhob sich nun ein furchtbarer Kamps. Man hörte nur den keuchenden Atliem des Schlachters, dumpse Flüche, kurze Worte, und die von der Erde aufgehobenen Füße der Polizisten, die wieder auf den Boden traten. Dieses Ringen dauerte wohl eine. Minute. Endlich ward der Mörder wieder in meine Zelle gebracht. Sein Haupt war gesenkt, sein Äuge blutunterlaufen, seine Hände aus dem Rücken zusammengebun den. Von Neuem richtete er den Blick auf das Gemälde, schien nachzudenken und murmelte dann, fo leise als wenn er mit fich selbst spräche: „Wer hat mich in aller Welt um Mit*'5 ternacht da sehen können?" Ich war gerettet! Viele Jahre sind seit jenem sckreckiichen Abenteuer verflossen. Gott sei Dank brauche ich nicht mehr kleine Silhouetten, selbst nicht einmal mehr Portraits von Bürgermeistern zu machen. Durch Arbeit und Beharrlichkeit habe ich mir einen Platz an der Sonne erobert, und verdiene mit auf ehrenhafte Weise mein Auskom men, indem ich Kunstwerke schaffe,—mei net Ansicht nach das einzige Ziel, das se tzet wahre Künstlet zu erstreben suchen muß. Aber die Erinnerung an die nacht liche Skizze hat sich meinem Geiste un auslöschlich eingeprägt. Bisweilen eilt, mitten bei einer Arbeit, mein Gedanke in jene gräßliche Nacht zurück. Dann lege ich meine Palette nieder und träume ganze Stunden lang. Wie hat ein Verbrechen, bat v»n ei nem mir ganz unbekannten Menschen und in einem fremden Hause begangen war, in allen seinen kleinsten Einzelnheiten durch meine Bleiseder reproducirt werden können? War das ein bloßer Zufall? Nein! Und was ist übrigens, genau genommen, der Zufall anders als die Wirkung einer uns unergründlichen Ursache? Sollte Schiller Recht haben, wenn er sagt: ..Die unsterbliche Seele theüt nicht die Ohnmacht der Materie. Während der Körper schläft, entfaltet sie ihre strah lenden Schwingen und entflieht Gott weiß wohin! Was fie dann thut Niemand vermag es zu sagen... .Aber bisweilen verräth die Inspiration das Gchtmtniß ihrer nächtlichen Ausflüge!" Wer weiß? Die Natur ist verwegener in ihrer Wirklichkeit als die Phantasie des Menschen in ihrer künstlicheu Traum welt! In einer Sitzung der Sorbonne hielt kürz lich Herr Simonin einen Bortrag über die Geschichte der Anwendung der Steinkohle, welchem der „Cösmos" Folgendes ent* nimmt: Den Chinesen ist dies Brennma«i tetial schon seit undenklichen Zeiten be kannt und wird von ihnen zum Schmel« zen des Porzellans gebraucht, wie denn auch heute noch die Steinkohle im Reicht der Mitte keine andere Verwendung fin det. Auch verstanden die Chinesen durch Bohrarbeiten die entzündlichen Gase, die sich aus der Steinkohle entwickeln, zu ge Winnen und wandten dieselben zur Er leuchtung und Heizung an. Doch ist bei ihnen weder die Benutzung der Steinkohle noch des Leuchtgases jemals allgemein geworden. Die Griechen kannten die Steinkohle gleichfalls^ scheinen sie aber nicht benutzt zu haben. Theopfrast nennt fie lith&ntrax ein Name, der fich fast buch stäblich im modernen Italienisch wieder findet. Auch den Römern war fie de tannt aber ihr Uebetfiuß an Hslz gab keinen Anlaß, fich eines anbeten Brenn materials zu bedienen. 3m Mittelalter, war die Steinkohle verachtet und in vie-^ len Städten, man weiß nicht aus welchem.' Grunde, ihre Benutzung geradezu verbo ten. Erst im achtzehnten Jahrhv-idert tier* breitete fich. obwohl nur lanasam, in Pa* ris die Anwendung der flehte. Da» Publikum tadelte, daß die Steinkohlen» Heizung die Luft der Awmer verunrei nigeynd die Wäsche den Spmdmgra» mache -tc., die.medlcimschen Fakultäten itdoch, zu einer Erklärung aufgefordert, sprachen fich dahin aus, daß die Kohlen* Heizung keineswegs der Gesundheit nach heilig sei, und so schwand nach und nach das Borurtheil gegen diese? Brennmate rial und derällgeMMerte Lch sein Ge brauch. Äehtverbraucht die Dtadt London jährlich für «Hr afe Ms Millionen i Kranes stöhle und die Sticht Paris für etnl Million." \n\n s i e e S e i n k o I e