Newspaper Page Text
Fenilleton. Annei. In einem Wiesengrunde, abwärts von der großen Straße, die von Reichenhall nach Berchtesgaden führt, liegt ein Gehöft, die Becklermühle genannt. Herrliche Matten wolben sich wie grüne Sammei polster um das Haus her und verdecken dem Anlhmmling den lleinen See, wel speiot. Hat man aber das Gehöft um—- gangen, so liegt der stille Spiegel, wie in einen Rahmen von Gras und Blumen gesaßt, vor uns. Um den vollen Blu— menlranz her dunklen ernste Wälder, wel che die Bormauern der Berge hinaufllet tern, und wie einzelne Vorposten krftige Tannen voraus senden, sich zuerst auf den Felostufen festzullammern. In diese grüne Wiege hinein bliden streng und fei erllqh die Bergriesen, der hohe Gohl, eine ere Steinwand, der gespalte ne n und die phantastisch zer imenr Felsenkrone des hohen Kalten. So venmãhlt sich hier die Idylle mit der herbhtn Tragit, und durch solchen Gegen say wiw Seele und Blick immer zu neu em Veniahen erfrischt. Auf der Bank an der Muhle sonnt sich ein altes Ehepaar in den letzten Abend siruhlen ; die Beiden sind in den Jahren, a wo man das Vebrfniß fuhlt, dem erlöschenden Lebensfeuer immer wieder neue Nahrung zuzutragen. Wie steif aber auch die Olieder, bie Augen bliden noch mit ju— genvlicher Lebhaftigteit in die Gegend hin ein, nicht aber, um sich an den Reizen der Landschaft zu weiden; denn, wunderbar! auqh zum Naturgenuß gehört eine Vor bildung. Wohl meint man, hier gibt es ja nichts zu bedenlen, nichts zu begreifen ; wir brauchen nur das Auge aufzuthun, da fallt uns der Genuß ganz mühelos, ganz unwillkürlich wie ven selbst in den Schovß; Und doch ist - nicht so! Es bedarf eines Schönheitsideales in un serm Innern, welches uns den Maßstab f alles Irdische gibt, wenigstens einer Ahnung von dem, was Harmonie, was Gegensatz: und Lösung ist, um ein land schaftlsches Bild zu wüürdigen. Und fuhlt man es nicht lebhaft, wenn ein solches Bild süh vor unsern Blicken aufbaut : das was ich hier mit leiblichen Augen sehe, iß nichi etwas in sich Abgeschlosse nes, für sich Bestehendes, Vollendetes; nein, es ist ja nur ein Bruchstück der Ur schoönheit, nur eine Facette des Ideals, das unsere Seele ahnet, ein einziger Aus drud, ein einziges Zutagetreten der ewi gen Ider. Watrum aber, wenn sie nicht dem Auf- und Abwallen der Berglinien folgen, nicht im Spiel der Farben schwelgen, warum 2 vier Augen denn so fest auf die vor ihnen geheftet ? Warum ? —Pon dort erwarten die Beiden ja den ejnzgen geliebten Sohn, der früh am Morgen mit dem Stutzen auszog und wohl vor der Nacht mit Beute heimlehrt. Ja hald muß er da sein, denn schon er— lischt das Freudenfeuer, welches die Son ne zum Abschied jeden Abend auf dem hohen Gdhl anzündet. Bleich und ge spenstig hebt sich een granitne Spie gel von dem schw Vordergrund des Oehölzes ab. Die alten Augen versagen den Dienst, aber schärfert haben in der Nã— he gewacht. Noplich schießt ein junges Mädchen hintet ben Weiden am Ufer herpor: ein Keudenschrei, und mit einem Sate ist die Gestalt an den Alten vorüber. „Sich da die Annei“, sagie der Alte, „sol ein junges Ding sicht besser als wit, Die Lieb' macht's Auge scharf, und es haui ven Manrl lieb wie eine Schwe tewt: ?“ wiederholte bedenllich die 70 ; haben's nit so eilig mit da er, Schwestern funleln nit Au n wie das Mädel gesten Melul du suhe der Vaier auf; „ vir Ding; soll denn h se Ma lehnn 20 sae die Muner, te ich das geahat, iqh ha bas welnende Wünn- chen als miro ihr verlommener Vater vor dir Thür legte, in's Waisenhaus ge -7 nach Salzburg. So aber nahm id õ auf, da ich seine Mutter lieb gehabt hatte, das arme Geschöpf! und das Ver mächtniß der Todten nicht von mir stoßen wollte. „Wie es nun auch ist,“ stimmte der Vater bei, „lieb will ich sie halten und gut soll sie's haben, aber den Marl be— kommt sie nit. Der ist der feinste Bursch im Land, auch gerade leines Bettelmanns Kind, der soll nur ein Mädel aus tücht ger Familie freien; etwa des Riedels Tochter, die Resi, der sich da unten beim Salzberg das neue Häusel gebaut hat. Neulich sah ichs Mädel noch in der Kir che knieen, so still und sanft, wie'n Lamm. „Still und sanft ist die Annei gerade nicht,“ sagte die Mutter, „was wahr ist, ist wahr; aher's Herz sizt doch auf dem rechten Fleck. Grad' ein Mädel, wie der Bach da unten, immer flink, immer drauf los. Ich wöcht ihr bos sein, weil sie mir den Marl so behert hat, aber mein Zorn brennt ab wie'n Schwefelfaden. von Kind an an der Schürze Und weißt noch, heuer sind's nun sechon fünf Jahrr, das Kind war grad' so ungeberdig gegen mich gewesen, und ich, noch ganz zornig, tret auf den Mühlenspeicher, will mir da ein Stück Wäsche, ich seh' das Stüück noch vor mir, von der Stang', da, weißt am Loch über dem Rad, wegnehmen, hei, da faßt das Rad meinen Aermel, schon zucts mir am Anm gewaltig hinaus, da ist das Dirnle mir nachgeschlichen, da reißt's mich fort, wer konnte denlen, daß eo schon so siart sei, und se hat sich's angegrisfen, daß es umlugelt und weit hinten am 80- den zappelt. Dabei weint's und lacht's in einem Athem und ruft : Mutterle, mein Mutterle, das Rad soll keinen Finger von | halten.“ Mutterle haben! Nun hat's noch lang im] „So wirft man den Vater der Frau Wachen und im Traum mit dem Rad ge- wie einen Hund vor's Thor, und wenn zankt, hat ihm mit dem Finger gedroht | auch, wird er sich nicht in der Kirchen eben und dem Bach gerufen : zerbrich das böse dich sehen, auf dem Schießplatz sich an Ding, zerbrich's in tausend Stückle ! | dich machen, wird er dich nicht wie ein Guck,“ sagte sie jeyt, aus ihren Erinne- Wucherer aussaugen ? denn die Schan— rungen plötzlich in die Gegenwart ver- sde kaufst du nur mit Geld und wieder mit sett, „guck da kommen sie schon Beide.“ / Geld ab. Hast du schon einmal gesehen, Die nahenden Gestalten wurden trotz | wie tine Hornisse sich einem Gaul auf's der Abenddämmerung deutlicher und deut- bel setzt und ihn plagt, bis er rasend licher. Sie hielten sich bei der Hand und / winh ? Die Hornisse ü er, willst du der Annei streichelte zuweilen über das Fell / Gatl sein? des Gemsbockes, den Mar auf der Schul- ar schauderte: „Die heilige Jung-- ter trug. Das schlanle, große Mädchen frqu bewahre mich !“ überragte fast den Jüngling, dessen Ge-| /Nit uns hast du dann gebrochen; stalt sich mehr durch ein schönes Eben- | defn du meinst doch nicht, daß ich mit maß, als durch die derbe Kraft auszeich- /dn „Lumpen“ Gemeinschaft halte ?“ neie, die dem Vollsschlage hier eigen ist. ! / O Annei, Annei,“ seufzte Max, so Sein Auge hing zärtlich an iht, aber miß ich dich denn lassen. Armes Mä—- in dem ihrigen brannte eine helle Flam- ? r me. Aber kaum war dieß Wort seinen Lip— Die Freude über die gemachte Beute t entschlüüpft, als die Thür, welche zu drängte einstweilen bei Allen jede andere | den Bodenkammem führte, wie von ei—- Betrachtung in den Hintergrund. Man stem Sturmwind gesprengt, auffuhr. befühlte und wog den Bock, und bei dem /Das große Mädchen stand da, die Hände Abendessen drehte sich das Gespräch aus- hrohend emporgehoben. Aus den Augen schließlich um die erlebten Jagdabenteuer. /prühte es wie Feuerslammen, die Locken Als aber nach beendeter Mahlzeit Mar sstrubten sich ũüber der düstern Stirn, die die Annei in die Nacht hinauszog, als sie / Lippen waren ungestüm emporgeworfen, dann mit hochrothen Wangen wieder in zu stolzem Wonte bereit. die Stube kam, den Eltern eilig gute „Ja wohl, arme Annei,“ sagte sie stren- Nacht wünschte und in ihre Kammer hin- ge, „arme Annei, weil sie so lange ihre aufschlüpfte, da war den Alten ihte Be- Pslicht vergaß. Ist er ein Lump, so ist fürchtung rasch zur Gewißheit geworden. er doch mein Vater. Ja wohl verkroch Der Vater winkte den Max heran. ich mich vor ihm, ja wohl verläugnete ich „Sehe dich hier mein Sohn,“ hob ihn, ja, ja, das that die Annei, das that an, „und hör' mir zu. Ich fall' dir mit / sie aus Menschensurcht! War ich so bang, der Thür in's Haus: Du liebst die Au-das Kind des „Lumpen“ zu heißen, so nir will ich es jetzt in alle Winde schreien. „Nun / sagte Max, halb ersiaunt, halb | Wenn ihn Alle verstoßen, ich will mit ihm betlommen, „soll ich sie nicht lieben ?l am nächsten Sonntag zur Kirche in Ist sie doch hier mit mir aufgewachsen | Berchtesgaden gthen, ich will rufen : seht, und wie meine Schwester “gehalten wor- seht hier die Anuei, die Tochter des„Lum— den.“ pen! Lebt nun wohl, habet Dank für „Viele Jahre,“ fiel die Mutter ein, „nagst du sie wie eine Schwester glliebt haben, aber jetzt ists anders geworden. A ihr Kinder waret und dort auf der Wiese spieltet —“ DJa “ sprach Mar dazwischen, dit Ge— genwan plöylich vor den lieblichen Bil rn der en vergessent, * schnitie Bolzen, währnd e Annei auf der Wiese dort tanzie /und so Bn gihn er diahen ta sprang, daß sie keine · zertrat; uhd dazu sang das sinte Ding zu den Blamen, alo unnlen sie s vistehen ; O jht/ meine lie Lurxemburger Gazette. ben Gelbvẽigelein, ihr meine rothen Ha— senöhrle!“ „Narreihei“ schalt der Bater, „was schwatzest von Bolzen schnitzen und tanzenh die Annei ist ja lang gut, wenn auch ein wenig wild und ungestüm, aber was nicht gut ist, das ist ihr Vater. Du weißt ja, wie oft der alte Gauner uns in's Haus läuft, seldem deine Mutter damals sein Kind aufnahm. Nanchen blanklen Gul—- den hat er der Mutter hier abgepreßt mit der Drohung, er wolle das Mädel wieder mit fort nehmen.“ „Wer hätte auch das Herz“ sagte die Frau, „das arme Ding dem elenden Kerl mitzugeben ? Da schleppte er es mit hinauf Hütte, und es müßte da oben wilden Schmugglern ihren Schmanrren backen. Als sie llein war, kroch sie immer in den Stall ganz unter die Krippe, wenn man im Hause rief: da kommt der „kump“. Sie weiß ja, das ist der Vater Und noch jetzt drückt sie e e bei Seite, denn sie ist ehrgeizig wie Prsizessin“. „Oho ,“ ünterbrach der Alte, „das bin ich auqh unh halte was auf mich, und kw ur mein Sohn thun. Er soll ihr nichts n den Kopf sehen, denn neh men lann r sie doch nicht.“ Mar, d-r his jezt wie ein Kind nur dem Augenblide gelebi hatte, stierte leines e neu sich hin; das starre Auge schitn welt in's Leere zu bliden, als rolle sich in der Femne eine neue, nie be tretene Welt vor ihm auf. Endlich dräng te sich dat einzige kleine Wörichen „Wa-- rum “ ihm auf die Lippen. „Wanmn ?“ rief der Alte, „warum ? willst du einen Betiler, einen Pascher, ei— nen elenden Trunlenbold zum Schwieger vater haben ?“ „Den wollt' ich mir schon vom Leibe alle Eure Gutthat; wir sehen uns nun nimmer wieder!“ ß Rasch wendete sie sich nach vicsch wot ten zur Thüre. „Annei !“ rusen Vater und Mutter zu— gleich, „du willt bei Nacht und Nebel Aber diese Stimmen werden durch den Schmenrzenruf des Jünglings übertönt. Er stürzt shr nech, er will sie fassen, aber schon ist e-l Freie hinaus und flieht durch die Tanten ven steilen Abhang nach der Acher hinah Das Brausen des Wild baches überibn die Stiunne des Rufen den. Von dem MWahne rrtgeleitet, als ha be vie atq ige den Weg nach dem Martt steden elngeschlagen, entserni sich Mar in dieser Rhtung, mit jeden Schritte den Rauim zwischen sich und seiner Geliebten erweiternd. Indessen Mar das Wehen ihres Kl des auf den Wiehen, zwischen /den Obst bäumen und dichten Hecken zu Fewahren glaubt, eilt sie dem Lauf der Acher entge gen, um ein Brückchen zy erceichen, das unweit Unterstein den Wanderer auf die große Strahe nach dem führt. Rasch gelangt sie so auf das andere Ufer, kreuzt die Chaussee und noe sich nun den Bergen zu, die hier eint matüvliqhe Scheidewand zwischen Bayern ultb «Oe sterreich bilden. Hinter diesen Zacken, auf diesen Jochen liegt das Ziel ihrer Flucht. Hier muß der Alte, ihr Vater, hausen, denn hier gehen die Schmugg lersteige vom Königsser in's salzbutgische Land hinüber. Sie lennt die Stelle nicht, aber sie wähnt, ein guter Geist werde das Kind leiten, das zum Vater will. Bis jetzt hatte die Eile ihres Lau fes jeden Gedanlen in ihrem Busen er siat. Als sie nun aber bei dem steilen Hinansteigen ihren Schritt mässigen muß. tritt das geistige Leben wieder in sein Recht. O wie schmerzlich ist das Hef einbrechen der Gedanken nach lörperlicher Betäubung. Wußie sie auch, was sie that, als sie sich so plötlich losriß von dem Boden, auf dem sie so lange gebluht ? Ach nein! Wenn wir einen großen, einen heldenmüthigen Entschluß fassen, dann ist unsere Seele wie von einem Rausche er grisfen. Wir sehen nichts recht, noch linls, wir dürften es auch nicht, sonst er stidten wir die Kraft des Handelns. So eilt der Krieger beim Trompetenschall den feindlichen Kanonen entgegen und dentt der Wunden nicht, die seine Glieder zer reißen werden. Ist aber die Schlacht vorbei, liegt er fiebernd im klalten Felde, da dünkt ihm jene muthige Lust ein Tau— mel, ein wesenloser Traum. Die Wun— den schmerzen, ob er sie auch in der ge— rechtesten Sache empfing. So fuhlte auch Annei. Tief emport hatten sie die Worte ihrer Pflegeeltern, tiefer noch dieß sfeige Entsagen des geliebten Mannes. Sie hatte sich losreißen wollen, losreißen um jeden Preis. Nun ist sie los und ledig, nun steht sie allein da; allein? o nein, schlimmer als allein, gelettet an einen Menschen, der dem Elend und der Schan de verfallen ist, ausgeschlossen aus dem Verbande der Gesitteten, gleichsam vogel— frei. Eine elende Hüütte ihre Wohnung, ein Lager von trockenen Blättern ihre Ruhestätte! Und als Gegensatz zu diesem Bilde stand jetzt das trauliche Haus vor ihr, in dem sie aufgewachsen war, Garten und Feld, der Stall mit den prächtigen Küuhen, die sie zu füttem und zu melten pflegte, das liebe Stübchen, die reinliche Schlafkammer mit dem Madonnenbilde und dem Weihwasserkesselchen, an dem noch der Buchsbaum vom vergangenen Palmsonntag steckt! Alles das, ach, jede Kleinigleit sah sie lebhaftig vor Augen. Und zwischen diesen Mauern, in diesem Gärtchen bewegten sich die Gestalten ihrer Negeeltern ; sie hing der Bäuerin wieder an der Schürze, wie sie es als kleines Kind gethan ; sie lief dem Vater in die Mühle nach und tippte hinter seinem Rücken schelmisch mit den Fingern in die Kasten, wo das Mehl so weiß und locker dalag. Dann ging's auf die Wiese hinaus, an den kleinen See; da war's doch am schönsten! Da trieb sich der Mar umher, suchte Schilfrohr aus, um Flöten davon zu schneiden, oder er hatte gar die weiße Geis am Strick, die mit ihm um die Wette der Annei entgegenlief. Und später, wie hatte sie sich gefreut, als der Müller die beiden prächtige neuen Kühe kaufte, die schwarze und die scheckige, und als er sie ihrer Pflege, obgleich sie fast noch ein Kind war, besonders empfahl. Mit Schmenz dachte sie dann, daß sie nun kein Thier mehr zu pflegen haben werde. Ja, sie sollite in ein Vagabundenleben übergehen, an Besitz und Eigenthum, den Landleuten so ganz in Haus und Hof und besonders in ihrem Viehstand ver- loörpert, an dem Allen hatte sie leinen Theil mehr. Ploglich fiel es ihr schwer auf s Hen, wer nun den alten Leuten im Hause helfen werde : eine gleichgultige, vielleicht gar eine treulose Nagd! Wie sall's n Zulunft werden ? ach viel- L 2 iegertochter ! Bei diesem Gchanlen zuckte ihr Herz am schmenzlich u Aber es war wle der Schnitt Ehirurgen, der verwundend heilt. Eine /Schiviegertochter ! wohl, das braucht sie doch nicht dnzusehen, wie der Mar ei ne Andere heüyführt, sie braucht doch nicht bei der Hv(hzeit den Gästen aufzu warten ; dem ist e doch entnommen. Zu neuer Eile n sie diese Vorstellun gen an - ste usmt ihre Flucht wieder auf, unh ert darum, daß die Nacht 22 dglich machen wird, den ; inkel der Schmuggler aufzusin den. Schon wär sie den Bergabhang hinangellomimen, der einmal eingeschla— genen Richtung üder Steck und Stein folgend, die Augen meistens starr auf den Boden geheftet, da fühlt sie sich plötlich von zwei starken Armen aufgehalten. Eine große, dunkle Gestalt taucht dicht bor Annei auf; es dünkt ihr, als habe ine der schwarzen Tannen am Wege plöplich Leben und Bewegung angenom men. Wäre Annei noch das lehensfrohe Mädchen von gestern gewesen, ein Schau er würde sie dutchrieselt hähen, als der Fremde jett rasch den Arm üm sie schlang; nun aber druckte sie ihn Mne Zom oder Angst von sich, und dem elnziger Gedan len, der sie beherrschte, gleich Ausdrud ge hend, fragte sie hastig : „Kennt Ihr den Klaus Immberg, könnt Ihr mir sagen, wo seine Hütte ist?“ „Dirndl,“ antwortete Jener lachend, „was hast du mit dem alten Spitzbuben zu schaffen ? Die Grube des grauen Fuch ses sindest du nicht, weder bei Tag noch bei Nacht; da wär's gescheidter, du gingst mit mir inls Wirthshäusel nach Gollingen.“ „Um Gottes Barmherzigleit willen macht kein Gespäß mit mir, ich bin sein Kind und muß zu ihm.“ „Mußt du ?“ „So wahr Euch die heilige Jung frau helfe, Ihr wißt den Pfad, zeigt ihn mir!“ „Ob ich ihn weiß ? Na, will's dir nur verrathen, ich bin grad' auf dem Weg da hin. Da wird's wohl Gottes Wille sein; und mach' ich auch die Grenzjäger bier in Bayern bersten vor Wuth, so bin ich doch nicht so schlimm, wie mancher von den stolzen Bauern da unten auf seinem fet ten Hof.“ „Ja wohl, sie sind stolz,“ sagte Annei, und eine tiefe Entrüstung bebte durqh ihre Stimme. „Habt Ihr's auch erfahren ? Nun wohl, so kommt mit uns und lebt mit uns ein lustig Leben. Was gebt uns das lahme, verschlafene Volk da inten an ?“ Das Zwiegespräch versiegte balr, da Annei ganz in ihre Gedanken vertieft war, und der holperige Boden, mit Steinen be säet, von Wurzeln durchzogen, die Auf merksamleit der Wanderer in Anspruch nahm. Annei würde sich nie in die— sem Labyrinth von Bäumen und Fels—- trümmern zurecht gefunden haben; der Mann aber schien den Weg zu kenntn wie seine Hand. „Nun,“ sagte er plötzlich, „sind wir über der Grenze, und kein bayerischer Grenz jäger schickt uns hierher seine Kugel nach; und da, schaut nur recht hin, da sst die Fuchshöhle.“ Ein rother Schein, der an den düstern Tannen heraufspielte, zeigte jetzt dentlicher den schlüpfrigen Pfad. Auf den Moos— polstern, die die Steintrümmer belleide—- ten, blitzte in dem Lichte hie und da ein Thautropfen wie ein Demantsphitter, der Boden war abschüssig und glatt wie Eis. Von unten her tönte ein Brausen durch die Nacht. „Hier sind wir nun grad' über dem Golling-Fall,“ sagte der Fremde; „das Wasser kommt auf verborgenem Weg vom Königssee her, der Bach treibt unset Hand- werk, stiehlt sich heimlich vom Bayerischen in's Oesterreichische. Was man drüben in den See wirft, kommt hler an anis Licht. Auf alle Fälle ist er unser /Spieß gesell, denn der Länn, den er maqhl, be übt da oben unser Singen und / Jodeln. Und dabei ist unser Schlupfwinleho hbsch verborgen, daß leine Seele da unen ahnt,