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Das geheimnißvolle Schloß. Novelle von Paul Féẽval. ; ; Aus dem Französischen übersetzt. (Fortsetzung.) Von Zeit zu Zeit fuhr ein Wagen in schnellem Galopp durch die einsamen Straßen der Stadt. Die geschlossenen Glasfenster ließen eine bleiche Frau er—- blicken, welche, ein Fläschchen an die Nase heltenr. in großer Aufregung zu sein chien. ; Plötzlich warf sie sich im Wagen nach der Rückseite und bedeckte ur Gesicht mit den fast weiß gewordenen Händen. Sie hatte soeben an der Straßenecke eines jener ma—- gern Gespenster bemerkt, welche mit schwar— zen Masken vor dem Gesicht umhergingen und in langsamer und schauerlichen Weise die unheimlichen Worte vor sich herriefen: Christen, nähert Euch nicht! fürchtet die Pest! Die Frau bezwang indessen ihren Schrek ken und warf ihre Börse dus die halbge öffnete Wagenthür. Das Gespenst ging jedoch an dem Gelde vorbei ohne es añzu— rũhren. An einer weiteren Biegung der Straße erzitterte die Flüchtige, und es schien ihr schwach um's Herz zu werden, denn ein ganz angefüllter Leichenwagen kam herangefah— ren. Ein Priester mit geöffnetem debet buch u. entblößtem Haupte ging vor ihm her. Es folgten weder Verwandte noch Freunde der Verstorbenen. Die flüchtige Dame stammelte einige Verse des,,Dẽ profundis“. Ihre Pferde suchten den Lauf des Wagens zu beschleu— nigen. Der Leichenwagen aber beeilte sich nicht. Der Priester sang mit ernster und ruhi— ger Stimme. In solcher Lage konnte ihn nur jener Muth, welchen die wahre Demuth und das gute Gewissen geben, aufrecht er halten. Er war der einzig Lebende auf diefem öden Wege, der den barmherzigen Gott lob— pries. Es befand sich indessen in Rennes noch ein Mann, der es den Priestern gleich— that und sich nicht scheute, mit unbedeckten Händen und unverhülltem Gesicht in die verpesteten Häuser einzutreten. Dieser Mann war der, Zauberer“ Laeuzan. Beim Ausbruch der Epidemie hatte er gleich seine Dragoner außerhalb der Stadt einquartiert; er selbst jedoch blieb, oder vielmehr er lebte wie ehemals, beständig auf dem Ritt von seinem Schlosse bis zu seinem Hause in der Stadt und von hier wieder bis zu seinem Schlosse. Sein Schloß war ein Zufluchtsort für die armen Holzschuhmacher aus dem Walde von Rennes geworden, und sein ics in der Stadt das Hospital für die Arbei— ter. Der Zauberer Lacuzan! Ein Oberst der Dragoner! Warum beschäftigte er sich mit dieser gefährlichen Krankenpflege, während sich die Schöngeister und Menschenfreunde auf der Flucht befanden ? Wie zu erwarten, hatten sich die Flücht linge aus der Stadt auf die auswärts gele ao Schlösser vertheilt. Oollenite des arquis von Noyal, welches zwei Meilen von Rennes auf dem Wege nach Paris lag, war von vornehmen Gästen wahrhaft über— u Daselbst befanden sich auch fast alle heilnehmer an dem vor Kurzem began— genen Feste des Marquis. Dieser selbst war ein zu edler Mann, um sich bei der allgemeinen Bedrängniß dem VBergnüügen hinzugeben; im Uebrigen müssen wir aber gestehen, daß er sich auch entsetzlich vor der Epidemie f—ürchtete. Der Funggeselle Badabreux genoß schon, seit angem die Gunst des Marquis, indem er ihm jeden Morgen, Mittag und Abend wie derholte, daß die Pest nur das gewöhnliche Volk anstecke. Man lebte deßhalb ganz ruhig auf dem Schlosse, freilich ohne Bälle ünd große Mahlzeiten, ohne Treibjagden oder andere Feste abzuhalten, obschon d Burg Noyal und deren Umgebung bis dahin noch keinen a der gefürchteten Krankheit aufzuweisen atte. Blanche war, wie wir sie früher kennen ge lernt haben, lebhaft, herzensgut und witzig in ihrer Art, ließ Alles ie Lacuzan be— stätigen und zeigte sich schüchtern in Ge— genwart von Albert de Coetlogon, der vor vierzehn Tagen das 18. Lebensjahr zurück gelegt hatte. Von Pichenet wurde nicht mehr gespro— chen, denn er war vollständig eur gerre zu Malbruk's Hüütte war er seit jenem Tage nicht mehr zurückgekehrt. Blanche und Lacuzan, die unzertrennlichen Verbündeten, wußten jedoch ehe gut, was aus Pichenet geworden war! Was Marielle von Noyal betrifft, so hatte sie sich inzwischen sehr verändert. Ihre außergewöhnliche Schönheit hatte zwar kei— neswegs gelitten, doch jeigte sich auf ihrem Antlitze der Ausdruck einer tiefen Schwer— muth; ihre großen, schwarzen Augen irrten oft in Gedanken versunken umher. Unter der Menge ihrer alltäglichen An— beter befanden i zwei Bewerber, denen Marielle besondere Gunst zu erweisen schien. Es waren dies zwei Edelleute: Avaugour, ein Sprößling der Herzoge der Bretaque. und Lacuzan, der ruhmvolle Soldat. Blanche war neugierig und unruhig dabei. Seitdem sich Marielle der Traurigkeit hingegeben hatte, war sie für Blanche der Gegenstand ganz besonderer Liebe und wohl— sa Aufmerksamkeiten; mit demsel— ben aufrichtigen he en vergalt sie ihrer Schwester dicke Lie en vern Die Verschiedenheit ihrer Charatine ließ ihre kindliche und zärtliche Liebe unberührt. Blanche beobachtete Alles ern: Trotz ihrer Unschuld, welche ebenso rein und ungetrübt wie die eines En els war, besaß sie große Gewandtheit. Ei suchte Alles auszukundschaften und zwar im Inerel ihres Freundes Ler unh ihrer geliebten Schwester Marielle. Man glaube ũübrigens nicht, daß sie jemals ein Wort Lacuzan's an Marielle verrathen hätte. Unbedachtsam war sie nur in ihren eigenen Angelegenheiten. Lacuzan hatte es ihr verboten: Verhalt blieb sie verschwie— gen und stumm. Wer aber besaß nun eigentlich Mariellens Zuneigung? Sollte Baron d'Avaugour oder Graf von Lacuzan der Glücklichste von allen werden ? Beide waren sehr schön in fast gleichem Alter.“ Avaugour trat so glänzend wie möglich auf, trotz der schlechten Lage seiner herzoglichen Erbschaft; yaten nun wir kennen ihn Alle. Marielle von Noyal schien mitunter dem Baron geneigter zu sein, besonders, seitdem Lacuzan ihn im Duell verwundet hatte, und zwar an dem Tage nach dem großen Feste, an welchem Avagour tausend Franken für den neuen Louisd'or Mariellens gegeben hatte. Im Uebrigen verkündete der Marquis von Noyal überall u. ungeniert, daß Lacuzan wohl das scheszehnte Jahr von - abwar—- ten werde. Er hatte das schon früher ein-- mal gesagt. Gibt es wohl Ahnungen? Man findet Leute,„die ein eigenthümliches Behagen in dem durch irgend etwas verursachten Whne finden, es schethnn ein Unglütt bevor, die sich mit demselben schon im Voraus beschäfti gen, es gewissermaßen studiren, es un— willkürlich aufsuchen, obgleich es noch in weiter Ferne liegt, und gar zu gern die Un—- terhaltung darauf lenken. Wieder Andere glauben an Ahnungen eben so fest, wie an die Glückseligkeit der Gerechten im anderen Leben, welche uns durch te unermeßliche Güte Gottes versprochen ist. Marielle sprach häufig von der Pest. Sie sprach aber davon mit der schlauen Vorsicht jener Leute, welche von einer fixen Idee be fangen sind. ; Den Gegenstand, auf den die Unterhal—- tung gelenkt werden soll, bringen sie näm— lich nicht plötzlich zur Sprache, sondern auf Umwegen; die Frauen besonders wissen dieß so geschickt anzufangen, daß gewöhn lich die von ihnen gewünschte Unterhaltung in Auß kommt, ohne daß die Anderen mer ken, wie dieselbe entstanden ist. Wenn sich Marielle izimerfort mit der Pest beschäftigte, so K dies keines wegs wegen ihrer tödtsichen Wirkung, sondern lediglich wegen der schrecklichen Entstellunz der an ihr Erkrankten und Gestorbenen. Der Volksmund er— zählte, daß die wenigen Kranken, welche der traurigen Epidemie entgingen, schreckliche Brandmale zurückbehielten. Marielle ließ sich wohl hundert Mal die Einzelheiten der Krankheit schildern. So wußte sie denn ganz genau, in welcher Weise die schöne Marion von Bourg l'Eve— que der Krankheit erlegen war. Marielle, das junge im höchsten Grade elegante und zarte Fräulein, kannte außer dem noch viele andere, weit entsetzlichere Vorkommnisse bei der Epidemie. Um von ihnen genaue Kenntniß zu erhalten, hatte sie Anstrengungen ertragen, welche sie in anderen Fällen sicherlich bis zur Erschöpf— ung ermdet qhätten. Die Erzählungen von Badabreux und Andern, so entsetzlich solche auch waren, A nun nicht mehr ihrer sonderbaren Vi- egier. Sie wollte sich durch den dugen dein überzeugen. Aber auf welche Weise ? Das Schloß des Marquis lag ehertelr der Burg Noyal, welch' letztere zwei Mei— len nt orat entfernt war. Wenn der Marquis die Absicht seiner Tochter geahnt hätte, so würde er sie wohl in eine Zwangs— jacke gesteckt haben. Marielle begab sich eines Morgens auf das Zimmer r Schwester Blanche, mit welcher sie Anfangs über Blumen, Spitzen und sonstige Sachen sprach; dann sagte sie zu ihr: Du schreibst ja von Zeit zu Zeit an La— euzan ? Alle Tage, antwortete Blanche. Ich fühle ein Bedürfniß, mit ihm zu sprechen. Marielle brachte diese Worte nicht ohne Verlegenheit heraus. Blanche sah sie ganz erfreut an und er— wiederte: Er wir in wenigen Stunden hier sein, wenn du es wünschest. Ol es eilt nicht so sehr« . . unterbrach sie Marielle. Die Feder Blanche's flog indeß schon über einem Blatt Papier, worauf sie schrieb? Mein guter Freund Lacuzan! Jemand, den Du noch mehr liebst als mich, wünscht Dich.. .. Marielle, welche über die Stuhllehne auf das Papier geblickt hatte, nahm es und zer riß es in Stücke. So nicht ! sagte sie dabei. Blanche nahm ein anderes Blatt und fing wiederum an: Mein guter Freund Lacuzan! Meine Schwester Marielle wünscht. . .. So auch nicht! unterbrach sie Marielle wiederholt. Nun, dann diktire es mir. Marielle erröthete, doch sie begann: Mein guter Freund Lacuzan. . · Weil Du ihn so anredest, unterbrach sie sich selbst. Und weiter? fragte Blanche. Mein guter Freund Lacuzan! Ist schon geschrieben, oder soll es zwei— mal geschehen? Du bist schalthaft .. . Mein guter Freund! Nun, dann werde ich es dreimal schrei— ben! Es ist n-: her, das wir Sie nicht mehr auf dem Schlosse gesehen haben. . .. Gesehen haben, wiederholte Blanche; ich bin fertig. Und mein Papa wünscht.. .. Blange brach in ein schallendes Gelächter aus. arielle hielt inne. Werde nicht böse, liebe Schwester! sagte Blande reuig, .. . · uud mein Papa wünscht... Luxemburger Gazette. Nein! rief Marielle, der das Weinen nahe kam, es ist unnöhtig; ich will nicht meht mit Herrn von Lacuzan sprechen. Blanche stand auf und fiel ihr um den Hals. Sieht Du, fuhr fie in ihrem jugend— lichen Muthwillen fort, Alles das ist nicht nöthig. Sie setzte sich wiederum und schrieb mit einigen Federstrichen: Besuch uns doch heute! Blanche. Sie faltete das Papier und schrieb die Adresse: An den Herrn Grafen von Lacuzan auf dem Schlosse du Grail. Marielle sagte lächelnd: So ist es gut; ich danke Dir, Blanche. Aber glaubst Du, däß er kommen wird ? Davon bin ich fest überzeugt, antwortete ihre Schwester mit einem gewissen Stolz. Marielle küßte sie und ging in den Gar— ten. Der Brief wurde ed einen reiten den Boten von Noyal aus besorgt. Das Schloß Lacuzan's war nur eine Stunde Wegs entfernt. Den ganzen Tag über war Marielle in Gedanken versunken und trauriger als ge— wöhnlich. Baron d'Avaugour suchte ver— geblich, ihr ein Lächeln zu entlocken. Jedes al wenn Marietle die Glocke des Haupt—- portales anschlagen Hoörte, erzitterte sie. Man hätte glauben können, sie fürchte sich nun vor dem, den sie so sehnlichst herbeige wünscht hatte. Der Fremde, welcher die Glocke gezogen hatte, trat ein. Es war Lacuzan Marielle athmete wieder auf und begann die Minuten zu zählen. Als sie end lich in der Allee von Weitem den Galopp des Pferdes Lacu: an's erkannte, ließ sie sich auf eine Rasenbank nieder, während sie die kleinen Hände auf ihr bebendes Herz preßte. Es muß sein! flüüsterte sie vor sich hin, ich will es! XI. Fixe Ideen. Die Sonne war bereits hinter den alten Buchen des Parkes von Noyal verschwun—- den. Der Wind erstarb im Laubwerk der Bäume und Gesträuche. Still war es in den langen und öden Alleen. Graf Hein— rich von Lacuzan ging mit Fräulein von Noyal in den grünen Laubgängen auf und ab. - Zum ersten Mal befonden sich Beide al— lein. Lacuzan zitterte vor innerer Erre— ung und vermochte kaum zu sprechen. Ein B- Juan war dieser tapfere und schöne Soldat nicht; aber Don Juan selbst würde furchtsam gewesen sein, wenn er einmal in seinem Leben aufrichtig geliebt hätte. Blanche hatte sie bis in eine Allee des Parkes begleitet und war dann entflohen, um die Beiden allein zu lassen. Herr Graf, sagte endlich Marielle be— herzt, ich bin es gewesen, die Blanche bat, zu schreiben. Lacuzan antwortete nichts. Ich habe Blanche gebeten, Ihnen zu schreiben, fuhr Marielle fort, weil ich Sie um eine Gefälligkeit zu bitten habe. Lacuzan verneigte sich. Fräulein von Noyal weiß, daß ich ganz zu ihrer Verfü— gung stehe, erwiderte er. Marielle fand, daß der Graf ein vollen— deter Edelmann sei. Wenn Sie nur Ihren Wunsch äußern wollten . . - bemerkte Lacuzan. Nach einigem Zögern begann Marielle: Herr Graf, ich will nicht versuchen, mei— nen Schritt vor Ihnen zu entschuldigen; ich habe Vertrauen zu Ihnen. Sie müssen mich heute Abend nach Rennes begleiten. Lacuzan erwiederte rasch: Gewiß, ich werde Sie begleiten, mein Fräulein. Sie werden wohl noch mehr thun, fuhr Marielle fort, Sie werden mich zu einem jener Kranken mitnehmen, welche E stets be— suchen. ; Welche Kranken? fragte der Graf ver— wundert. Sie wissen sehr get wovon ich spreche, ver-- setzte das junge Mädchen. Dieses Mal veränderte sich das Gesicht Lacuzan's. Die Pest ist ansteckend, warnte er, wo— für er jedoch von Marielle durch eine ver weisende Miene gestraft wurde. Und Sie, Herr Graf, trotzen dieser An— steckung täglich! versetzte das Fräulein. Das ist etwas anderes, entgegnete Laeu— zan, dessen Stimme wieder seinen Willen n schmerzliche Betonung annnahm ; aber ie! Marielle war sichtlich erregt. Ich danke Ihnen, sagte sie, ohne zu wissen, was sie sprach. Lacuzan machte eine bedenkliche Miene. Interessiren Sie sich vielleicht für Einen dieser Unglücklichen ? fragte er schüchtern. Nein ! versetzte Marielle. Aber warum verlangen Sie dann, sie zu sehen? Das junge Mädchen wandte sich ab und schwieg. 39 bitte Sie inständigst, denken Sie doch darüber nach, was sie verlangen! setzte Graf Heinrich hinzu. Marielle jedoch antwortete: Herr Graf von Lacuzan, ich will es nun einmal Laeuzan betrachtete sie mit einem solch' nelarhetishen Blick, daß Marielle wieder holt ihre Augen niederschlug. Ske sind W— nigin, mein Fräulein, und Niemand hat o bis jetzt den Gehorsam verweigert. Aber abgesehen von der Gefahr der An— steckung, der Sie bei einem solchen Be— suche ausgesetzt sind, wissen Sie denn, lunt euegrler Eindruck Sie empfinden werden, welch' fürchterlichen Schauder. . . ? Marielle schien ungeduldig zu werden. Laecuzan erfaßte ihre Hand und suchte wei— ter auf sie einzuwirken; erstere jedoch wiederholte in kaltem und gebieterischem Tone: Ich will es! Der Graf verbeugte sich bis zu ihrer Hent, ded küßte er sie nicht. Ihr Wille 01l geschehen, mein Fräulein, sagte er; lie ben heißt gehorchen. Marielle schlug ihre Augen nieder und flüsterte: Hier an dieser Stelle um 10 Uhr heute Abend; ich danke Ihnen, Herr Graf. Den ganzen Abend war Lacuzan nieder— gesglagen Blanche selbst konnte ihm kein Wort entlocken. Marielle dagegen zei t eine ganz unge—- wöhnliche Munterkeit. Sie lachte bei jeder Gelegenheit und häufig sogar, wenn gar kein Grone dazu vorlag. Badabreurx, der sich stets für einen großen Menschenkenner ausgab, behauptete, daß sie sich an jenem Tage ein „tragisches, Lachen angeeignet habe: eine Art von Vor— ahnung hatte ihm diesen Ausdruck in den Mund gelegt. Um die Stimmung Mari— ellens erforschen zu koönnen, hud er sich hinter ihren Sessel und stellte ihre Geduld durch den Vortrag von zweihundert Versen aus der „Henriade“ auf eine harte Probe. Marielle bestand diese jedoch ohne ein Zeichen von Langeweile oder Ermüdung von sich zu geben. 3 Woher kommen mir doch heute Abend diese dunklen Ahnungen ? fragte er sich wie derholt; die Unempfindlichkeit dieses jun gen Mädchens ist nicht nätürlich! Die Vicomtessen Cramayeuil und Hon— nihie schienen Marielle mit den Augen ver schlingen zu wollen. Sie meinten auch et— was von einer hereinbrechenden Katastrophe zu wittern. Unter dem Vorwand von Kopfschmerzen verließ Marielle um 9 Uhr den Saal. Um 10 Uhr erwartete Lacuzan sie mit zwei Pferden in der großen Allee des dac kes. Zwischen den Bäumen hindurch konnte er noch einige Lichter an den Fenstern des Schlosses bemerken. Eines dersel ben erlosch indeß, und bald ließen sich leichte Eqritte auf dem schon feuchten Rasenplatze ören. Lacuzan knieete sich mit einem Beine auf den Boden. Marielle setzte ihren kleinen Fuß auf das andere Knie und schwang sich in den Sattel. Die zwei Pferde galop— pirten von dannen und zwar im leen Au— hertlie als eben der Junggeselle Bada— reux, welcher allein im Salon zurückge— blieben war, sich selbst vor einem Spiegel stehend, noch ein Distichon vordeklamirte. Es war eine jener Sommernächte, die schöner u. angenehmer als die Tage sind. Der Mond stand am Himmel in einem Kranze von silbern eingefaßtem Gewölke. Der leichte Windhauch bewegte kaum die Grashalme hin und her. Die feuchten Wiesen entlang konnte das Auge dem Laufe der Vilaine folgen, indem derseibe durch einen flüchtigen Nebelstreifen bezeichnet wurde. Der Galopp der beiden Pferde klang eintönig auf den Kieselsteinen des einsamen Weges. Lacuzan und Marielle hatten noch kein Wort gewechselt. Die majestätische Kathedrale von Ren— nes hob sich dunkel von dem Himmelsge— wölbe ab. Auf der großen Thurmuhr des Gerichtshofes schlug es gerade 11 Uhr, als Lacuzan und Marielle auf der Höhe von St. Melaine ankamen. Tiefe Stille herrschte in der Stadt. Der Klang der riesigen Glocke vihirte eine Minute lang ren die Nacht, ehe er erstarb. Das Paar war an dem Thore St. Ge— orges angelangt. Wächter waren nicht vorhanden. Die Laternen, welche sonst in großer Zahl in den Hauptstraßen leuehteten, waren e. loschen, Nirgends glitz— erte ein Licht durch die mit Läden verschlos— senen Fenster; Rennes schien eine Todten— stadt zu sein. Lacuzan und Marielle ritten im Trabe an der Gartenmaner des Schlosses von Noyal vorbei und gelangten über den Ab— hang de la Motte auf den Jakobsplatz. Letzterer war damals, wie auch heute, mehr eine breite Straße als ein Platz, fast im Mittelpunkt der Stadt gelegen. An der Stelle, wo jetzt die Fontaine sprudelt, war ein Feuer angezündet. Ein halb Dutzend Männer Beten dasselbe, sodaß sein röthlicher Schein ihre bleichen und mageren Gesichler grell beleuchtete. Man unterhielt das Feuer, nicht um sich mitten im Monat Juli daran zu erwärmen, sondern um das Abendessen darauf zuzu— bereiten: Sardinen nnd Speckscheiben. Die Leute plauderten ziemlich ver nügt, während ihr Gericht auf den Kohlen hnugt anbriet und die Luft mit einem dicken Rauch erfüllte. Krüge mit Apfelwein sah man neben ihnen auf der Erde. Etwas weiter, im Schatten, standen zwei große, bespannte Karren. Marielle wußte zwar nicht, was es zu bedeuten habe, daß diese Männer in so später Stunde ihr derbes Mahl auf dem öffentlichen Platze zubereiteten; gleichwohl erbebte sie, da es das erste Mal war, daß sie daß Schloß ihres Vaters heimlich verlassen hatte. Lacuzan stieg vor einer ärmlichen Hütte vom Pferde und klopfte an. Keine Stimme antwortete jedoch von innen. ; He! rief er, Josette bu Four, meine gute Frau, ich bin es! Die sechs Männer bei dem Feuer fingen an zu lachen. Josette du Four ist hier, rief Einer von ihnen. Er. zeigte dabei auf einen der großen Wagen, welcher dem Feuer am nächsten stand. Laecuzan war so bekannt in Rennes, daß er nicht annehmen konnte, man wolle ihn zum Besten halten. Er faßte daher die Zügel von Mariellens Pferd und ging auf das Feuer zu. Er hatte indessen die Ge—- berde des Sprechers nicht recht verstanden und fragte nochmals: Wo ist denn Josette du Four? Das Lachen vermehrte sich. Ist sie gesund geworden ? fuhr Laeuzan fort. Ja, ja, antwortete das rohe Volk im Chor. Josette du Four ist gesund. Und ganz gesund, fügte Einer von isnen hinzu, während er ein brennendes Stüek Hol äus dem Feuer nahm. Er richtete i— auf und ging zu den Wagen, seine Facke hin und ersadhingend. æ weiter er ging, desto schwächer wurde die Flamme, daher man nur undeutlich sehen konnte. Am Wa— gen angelangt, flackerte jedoch die Flamme, wiederchell auf. Marielle stieß einen Schrei des Entsetzens aus. Die beiden Wagen waren bis oben mit Leichen angefüllt. Es war dieses die traurige Ernte des heutigen Abends. 1 gier rief der Mann mit der Fackel, während er auf einen Kopf zeigte, der über den Wagen herausging, hier iü Josette du Four, die gute Frau. * 4 3 Marielle, entsetzt, hatte sich schon entfernt; Lacuzan holte sie ein und sagte flehenden Tones zu ihr: Wir wollen auf das Schloß zurückkehren. Nein, antwortete Marielle, ich bin zu früh ängstlich geworden; ich habe ja noch gar nichts gesehen: jetzt will ich erst recht sehen, wie es hier zugeht! Cin kalter Schauer überlief den Grafen Larulen Er befürchtete, daß Marielle aus Schrecken wahnsinnig geworden sei. In der Nähe des Thores Mordelaises und gegenüber den Thürmen von St. Pierre stand ein kleines Häüschen. Gestern, sagte Lacuzan, sind unter die— sem Dache Vater, Mutter und Kind an der Pest erkrankt. Lasset uns eintreten, entgegnete Marielle, deren Stimme vor sieberhafter Erregung zitterte. Die Thüre und das Fenster standen weit offen: eine tiefe Stille herrschte im Innern. Sie gingen hinein. Sie fanden drei leere, armselige Betten. Vater, Mutter und Kind aen bereits ein gemeinscht ftliche Grab gefunden. Marielle drückte ihre beiden Hände auf ihr Herz, welches stillstehen zu wollen schien. Trotzdem wiederholte sie die Worte: Ich will noch mehr sehen! Lacuzan durchkreuzte von Neunem mit ihr die ganze Stadt. Sie stiegen wiederum über den Abhang de la Motte hinab und während sie sich zum Gehege des Schlosses von Noyal wandten, schlugen sie den schma len Weg ein, welcher zu dem sandigen Hü gel hinaufführte, woselbst Malbruck seine Wohnung erbaut hatte. Nach den ersten Schritten bemerkten sie, daß man durch die Mauern des Ger ens von Noyal eingebroch ea war: Diebesgesindel bc nutzt ja stets die Zeiten des Schrek— kens zur Ausführung seiner verbrecherischen Geluse Durch den Vorhang, welcher das Fen—- ster an der Hütte des Seiltänzers verdeckte, konnte man einen Lichtschimmer bemerken.“ In dieser Stube hatte Malbruk nun schon einen ganzen Monat lang mit der Pest ge kämpft, n ihr al zu sein. Lacuzan sagte zu Marielle: Bleiben Sie einstweilen zurück; ich werde hineingehen und Sie dann herbeiholen. Er überschritt die Schwelle. Malbruk lag auf einem Bündel Stroh; eine Maske von schwarzem Tuch bedeckte sein Gesicht. Das Atntelen schien Schmerzen zu bereiten, denn er stöhnte beständig. Die arme Chaumel kniete in einer Ecke und betete. Sie war so bleich und miager, daß man sie für ein Gespenst hätte halten können. Mal— bruk erkannte Lacuzan sogleich. Ah! rief er, ich wußte es ea daß der mich einmal besuchen würde! Werden Sie es über sih bringen, n Graf, sich min zu nähern und mir die Hand zu reichen, wie Sie es bei den Andern thun? Lacuzan näherte sich, und reichte ihm die Hand. Malbruk drüückte sie zwischen den bren nenden Fingern und zwar so stark, als wenn er sie hätte zermalmen wollen. Dann legte er sich auf das Stroh zurück und murmelte: „Zauberer“. Bleiben Sie nicht hier! bleiben Sie nicht hier! bat die arme Chaumel fle— hend. Wissen Sie es schon? fuhr Malbruk fort; die Diebe haben die Thürme des Schlosses von Noyal erbrochen und Alles mitgenommen. Ich hatte sie angerufen, um mit ihnen zu theilen; sie kamen her— bei aber anstatt mit mir zu theilen; haben sie mir Ihre Goldstücke und die tausend Franken des anderen Edelmannes auch noch genommen! Lacuzan warf ihm seine Börse zu. „Zauberer! brummte Malbruk wieder— holt. Diese Goldstücke kosten Dir doch nichts! Der Graf ging zur Thüüre und rief Ma— rielle herein. Letztere trat ein, das Gesicht verschleiert. O! rief ihr der Seiltänzer entgegen, das ist schön von Ihnen! Bleiben Sie doch nicht hier! bat Chau— mel wiederholt. Marielle stützte sich auf den Arm Lacu— zans. Sie konnte sich nur mit Mühe auf recht halten. Doch sagte sie leise zu ihrem Vegleiter: Lassen Sie ihn einmal die Maske abneh— men! Malbruk hete sie wohl verstanden. Von Haß erfüllt, entfernte er eiligst die Maske. Marielle hatte vor Kurzem noch diesen Mann bewundert; sie hatte ihn schön ge— funden. Warum sollen wir erzählen, wie er jeht unter der Maske aussah? Der ganze Körper Mariellens erzitterte heftig. Sie stammelte: Schauderhaft, schauderhaft ! O, ich werde daran sterben! ich fühle es, ich werde daran sterben! - Laeuzan beeilte sich, sie an die frische Luft zu führen. Walbruk hatte sich aufrecht gesetzt und schrie ihnen nach: Sie ist verflucht, weil Er sie liebt! Ich sei sgerberhast hat sie gesagt; ich wollte, daß sie so schauderhaft würde, wie ich es bin! O, ich habe sie wohl erkannt, es war das schöne, vornehme Fräulein! Der Schaum trat ihm vor den Mund. ere auf das Sttoh zurück und sagte noch: Wenn Gott nicht die Pest über se schickt, so wird sie dieselbe durch m ich be— kommen! (ortseyung solgt.) - ʒ 1 - 14 Ayer' ver's Vi aa r - Igo r. (Gaarstärkungs-Mittel). Um grauen Haaren ihre natürliche arbe und Lebenssfähigkleit wiederzugeben. Dieses Präparat ist ein änßerst angenehmes Haarputzmittel, dessen t nhert ans igetie als wirfsam ist. Es verleiht getlelute oder grauen, hellen oder rothen Haaren einestheils eine schöne braune, oder K nach Wunsch schwarze Farbe, anderntheils macht es dieselben glänzend und jugendfrisch. Dünnes Haar wird dürch Gebrauch dieses Mittels verstärkt, in nicht selle nen Fällen legar gan keit eurirt. 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