Newspaper Page Text
Die Luxemburger Gazette, erscheint jeden Dienstag und kostet unter VBoransbezahlung für die Ver. Staaten und Canada: Jãhrlich. .. . N s·ò 82.50 Halbjäãhrlich .. .. . · 81.26 Stadtabonnenten, jäãhrlich $2.50, monatlich W Cts. Nach Europa portofrei: 82.00 ] Halbjãhrlich .. Jãhrlich Correspondenzen und Mittheilungen müssen späãtestens bis Freitag Morgen, wenn sie in der nächsten Nummer Aufnahme finden sollen, ein— gesandt werden. —Briefe ohne Unterschrift wer— den nicht berücksichtigt. E Nur für die Gelder, die per registrirten Brief oder Geldanweisung (Money Order) gesandt werden, übernehmen wir die Verantwortlichkeit. Alle Briefe, Correspondenzen u. s. w. adressire man einfach: “ IUXENBURGER GAIETTE”, DVBVQUE, 10WA. Office der,„Gazette“: Ecke der 6. und Jowa-Straße. Politische Rundschau. Inland. Ueber die Präsidentenwahl ist noch Allerlei nachzutragen. So soll sich Präsi dent Cleveland einem hervorragenden De— mokraten gegenüber betresfs seiner Nieder—- lage folgendermaßen geäãußert haben: „Man sagt mir, daß wir gesiegt haben würden, wäre es nicht um die Tariffcage gewesen. Das mag richtig sein, aber die Zeit war gekommen, wo diese Frage zwi—- schen den Parteien erhoben werden mußte, und die Demokraten erhoben sie. Ich be— dauere es nicht. Es ist besser im Kampfe für einen ehrlichen Grundsatz geschlagen zu werden, als mit Hülfe feiger Ausflüchte zu siegen. Einige meiner Freunde meinen, wir hätten vor das Volk auf Grund der reinlichen Verwaltung gehen sollen, die wir dem Lande gegeben haben. Ich bin anderer Ansicht. Wir bedurften einer deutlichen und scharfbegrenzten Streitfrage. Wir wurden zwar geschlagen, aber der Grund— satß der Tariffrage wird zweifelsohne schließlich siegen.“ Das sind ehrliche und brave Worte, die auch den Beifall Derjeni— gen herausfordern müüssen, welche in diesem Kampfe Cleveland ehrlich entgegenstanden. Jedenfalls nimmt Hr. Cleveland seine Niederlage wie ein Mann auf, der von der Gerechtigkeit seiner Sache überzeugt ist. Und daß er sich auf seine „reinliche Ver— waltung“ nichts zu Gute that, sondern sie als selbstoerständlich betrachtet, ist das Beste daran. Der alte Thurman gebährt sich, wie es einem Römer wie ihm gebührt. Er nahm die Niederlage der Partei sehr kühl auf und drückte nur seine Angst aus, daß die Republikaner dem Lande verderbliche Maß—- regeln ergreifen. Näher zu betrachten ist noch das Vo tum der Union Labor Partei. Es beschränkte sich fast nur auf die größern Städte und hat seit der vorigen Präsiden— tenwahl ganz gewaltig abgenymmen. In Cleveland hat die Union Labor Partei etwa 400 Stimmen. In Cineinnati nicht ganz tausend (gegen 17,900 vor zwei Jah— ren). In St. Louis hat Streeter 1750 Stimmen. In Chicago ist das Votum der diversen Acbeiterparteien daselbst gar nicht nennenswerth. In Milwaukee haben die Electoren der Union Labor Partei 4151 Stimmen (ungefahr ein Viertel des Vo— tums von vor 2 Jahren.) Ueberall der— selbe Rückgang. Den Temperenzlern reinsten Wassers ist es nicht besser ergangen. Von der erhofften Million Stimmen sind sie noch weit, sehr weit zurück. Die „Voice“ ihr eigenes Organ macht folgende Angaben: Alabama.. . .· · 1,000 Arkansas.. . .ß V 1,000 California ... . . 6,000 Colorado... .. · 8,000 Connecticut.. . . 4,800 Delaware.. . ... 8373 Florida.. . . . . 300 Georgsa.. . . ·· · 1,830 Illindis.. . . .23,000 Indiana.... .. 9/500 N0wa......... 3,000 KRansas... ... 7,/000 Kentucky.. . · · ·11,000 Louisiana. . . . . 250 Maine. . . . . . . · 2,700 Maryland.. . . .ß ÿ· 1,832 Massachusetts.. 9,000 Michigan. . .. . 28,000 Minnesota.. . . .16,000 Mississippi.. . . . 800 Freilich die Republikaner hatten Him— mel und Hölle in Bewegung gesett, um das Votum zu gewinnen und, da Harrison einer ihrer eigenen Leute ist, so erhielt er das Votum der Schwankenden. Das Nuächste, was jeyt auf dem Tapet, ist die Bildung des Cabinets für den neuen Präsidenten. Daß die Rathgeber Harri— son da nicht fehlen, versteht sich von selbst. Jedes Blatt hat seine eigenen Recommandationen. Allgemein zugegeben wird, daß Blaine das Auswärtige erhält. Ob er's annimmt ist eine andere Frage, denn, wie es heißt, ginge er gerne als Gesandter nach Eng land. Speculationen über das zu bildende Cabinet sind vorderhand nicht lohnend, und wir wollen zu einer andern Angelegenheit, die mehr interessirt, übergehen. Der nächste Congreß wird viel Zeit mit beanstandeten Wahlen zu vergeuden haben. Es sind sehr viele Bezirke, in welchen die Mehrheit des siegreichen Can— didaten nicht über 100 hinausreicht und wo die Gegenpartei, besonders unter den obwaltenden Umständen, das Resultat we—- gen angeblicher Unregelmäßigkeiten bean standet. Diese Wahlanfechtungen werden um so leichter aufgenommen, als das Ge— setz betreffs derselben ssehr liberal ist und dem schließlich unterliegenden Candidaten eine anstndige Entschädigung für gehabte Unkosten zahlt. Wenn jeder Candidat, der da glaubt, ihm sei Unrecht geschehen, die Kosten der Beanstandung selber zahlen müũßte, wüürde man weniger davon hören. Nach und nach werden die Jahres— berichte der einzelnen Departements der Regierung veröffentlicht. Es liegen be— reits mehrere vor. Wie der dritte Unter— Generalpostmeister angibt, haben sich die Gesammtkosten des Postdienstes für das letzte Rechnungsjahr auf $58,126, 004 belaufen. Die Einnahmen aus dem Post— und Geldanweisungs-Verkehr, beliefen sich auf 852,695,176, sodaß ein Ausfall von 85,430,828 vorhanden ist. Dieser wird hauptsächlich der großen Ausdehnung der Portofreiheit und der Zunahme der Eisen— bahn-Postbeförderung zugeschrieben. Der Dirktor der Seeschule zu Annapolis, Commander Sampson, hat dem Flottenminister seinen Jahresbe richt eingesandt. Das letzte Schuljahr schloß mit 191 Cadetten, gegen 232 mit denen es begonnen hat. Zur Zeit befin—- den sich auf der Schule 237 Cadetten. Ein Schüler ist in dem Jahre wegen unordent lichen Betragens fortgejagt worden; 33 wurden wegen „Hazens“ in Untersuchung gezogen und davon 9 schuldig befunden, aber vom Präsidenten begnadigt. Alle Anstrengungen wurden gemacht, den Unfug des „Hazens“ mit Stumpf und Stiel aus— zurotten. Zu diesem Behufe sei den Ca— detten der 3. und 4. Klasse die Bildung von Vereinigungen jeder Art strengstens untersagt. Aus dem Bericht des Oberinge— nieurs der Flotte erfahren wir, daß funf zweithürmige Widderschiffe der Vol— lendung entgegen gehen; zwei Kreuzer mit Gürtelpanzer auf dem Stapel liegen; drei—- zehn einthürmige Widderschiffe abgetakelt sind; dreiundzwanzig ungepanzerte Stahl—- und Eisenschiffe, wovon vier im Dienst, elf im Bau u. zwei in Reparatur, fünf auf Sta tionen und eins ebenfalls abgetakelt sind; achtundzwanzig hölzerne Dampfer und elf eiserne und hölzerne Schlepper, die beinahe alle auf Stationen oder in Reparatur sind. In Indianapolis tagte v. Woche die Convention der Arbeitsrittert. Man sah dieser Versammlung mit einer gewissen Spannung entgegen, wußte man doch, daß die Organisation sehr stark im Rüückgange und innere Kämpfe bevorständen. In sei— nem Berichte führt Powderly denn auch bittere Klagen, wie das zu erwarten war. Aus dem Berichte des Schatzmeisters ging hervor, baß die Zahl der Mitglieder in die sem Jahre um 300, 000 abgenommen habe und die jetzigen Einnahmen des Ordens nicht im Stande seien, die Auslagen zu decken. Doch meinte er, daß eine jährliche Einschränkung der Auslagen im Betrage von 825,000 ohne Nachtheil für den Be— stand des Ordens durchführbar sei. Der Werth des Eigenthums des Ordens wird auf $114,640.05 veranschlagt. Nach dem Berichte des Sekretärs zählte der Orden am 1. Juli 250,518 Mitglieder in 5666 Local-Assemblies. Trotz vieler Opposition wurde Powderly wieder an die Spitze des Ordens gestellt und seine Macht bedeutend erweitert. Würde der Orden Powderly's Räthen nur folgen; es stände besser um die Arbeitsritter. Missouri.. . . .. . 5,000 Nebraska. . . . 10,000 Nevada.. .. .. .. 200 N. Hampshire.. 1,570 New Jersey.. . . 8,000 New dork. .. . 830/000 N. Carolina . . . 4,000 Ohio.. . . · · . · · 26,000 Oregon . . . . . · 1,200 Pennsylvania . .23, 000 Rhode Island.. 1,000 S. Carolina... 300 Tennessee. . . .. . 5,000 Texas.... . . . . · 7,000 Vermont.. . . . · 1,000 Virginia.. .. . . 1,000 Ves Virginia.. 2,000 Wisconsiñn. .. . .15,000 Im Ganzen. 268,675 Am 22. d. M. ist der deutsche Reichs tag wieder zusammengetreten und wurde von Kaiser Wilhelm in Person erdoffnet. In der Thronrede bemerkte der Kaiser, daß seine kürzlichen Reisen durch Deutsch—- land ihn davon überzeugt haben, daß der Wunsch nach Reichseinheit in dem deutschen Vollke tief wurzele. Er erwähnte der Auf nahme von Bremen und Hamhburg in den deutschen Zollverein und des · Abschlusses eines Handelsvertrages mit der Schweiz. Er freue sich, fuhr er fort, zu wissen, daß sich die Handelsverhältnisse gebessert haben und die Aussicht auf höhere Preise für die landwirthschaftlichen Erzeugnisse rechtfer tige die Hoffnung auf Hebung der Land- - Fr Reht in AHerausgeber: Deutsche, Katholische Drud-Gesellschast. Fahrgang 18. Ausland. xembnurg J Dubuque, Jowa, Dienstag, den 27. November 1888. wirthschaft. Er betonte den friedlichen Charakter der Beziehungen Deutschlands zum Auslande und seiner Politik mit be— sonderem Nachdruck und fügte hinzu, daß seine Besuche im Auslande, die er in der Absicht der Herbeiführung einer Verständi— gung im Interesse des Friedens unternom— men, ein allgemeines Vertrauen in die Erhaltung des Friedens hervorgerufen haben. Der Kaiser erwähnte keiner Hee— res- oder Creditvorlagen und berũhrte die ostafrikanischen Angelegenheiten nur kurz. Ferner sagte der Kaiser in der Thronrede: Ec habe es auf sich genommen, seines Großvaters kostbares Vermächtniß betreffs der sozial · politischen Gesetzgebung zur Aus führung zu bringen. Er gebe sich der Hoffnung nicht hin, daß es möglich sein werde, durch Gesetze die Noth und das Elend aus der Welt zu verbannen; gleich wohl sei es die Pflicht der Regierung, sie soviel als möglich zu erleichtern und durch organische Einrichtungen der Wahrheit, daß die Ausübung der Nächstenliebe eine Pflicht des Staates als öffentliches Ge—- meinwesen sei, Anerkennung zu verschaffen. Bezüglich der auswärtigen Beziehungen äußerte sich der Kaiser folgendermaßen: „Unsere Beziehungen zu allen auswärtigen Mächten sind friedlicher Natur. Meine Bemüũhungen sind unablässig der Befesti gung dieses Friedens gewidmet gewesen. Das Bündniß mit Oesterreich und Italien dient keinem anderen Zwecke. Ohne Noth das Elend eines selbst siegreichen Krieges ũber Deutschland zu bringen, würde mit meinem christlichen Glauben nnd meinen Pflichten gegenüber dem deutschen Volke unvereinbar sein. In dieser Erwägung hielt ich es für meine Pflicht, kurz nach meiner Thronbesteigung nicht nur meine Verbündeten, sondern auch und zwar zu allererst die befreundeten benachbarten Monarchen persönlich zu begrßen, um eine Verständigung mit ihnen zu suchen in der Absicht, die Aufgabe zu erfüllen, welche Gott mir gestellt hat, nämlich die, unserem Volke die Segnungen des Friedens und Wohlstandes zu sichern, soweit es in unserer Macht liegt. Das mir und meiner Politik an allen Höfen, die ich besuchte, entgegenge brachte Vertrauen rechtfertigt die Hoffnung, daß ich und meine Verbündeten und Freunde mit Gottes Hilfe im Stande sein werden, den Frieden Europas zu erhalten.“ Während der Verlesung der Thronrede wurde der Kaiser häufig durch lebhaften Beifall unterbrochen; namentlich galt der Beifall den Stellen üüber die friedliche Sachlage, den Aufschwung des Handels und die soziale Gesetzgebung. Nachdem der Reichstag zu den Geschäf ten ũbergangen, wurden ihm die Reichs— haushalts - Voranschläge überreicht. Sie schließen in Einnahme und Ausgabe mit 949,108,907 Mark ab. Von den Aus— gaben stellen 806, 425, 490 den Betrag der ordentlichen alljährlich wiederkehrenden, 58,554,615 den der nicht wiederkehrenden ordentlichen und 84,123, 882 den einmali ger außerordentlicher ; Ausgaben dar. Der letzterwähnte Betrag wird durch besonders vorgesehene Mittel gedeckt werden. Aus den Steuern wird im nächsten Jahre eine Mehreinnahme von 20, 000, 000 Mark er— wortel. Die vom Reiche den Einzelstaa ten herauszuzahlenden Ueberschüsse sind um 15,000,000 Mark höher veran schlagt als in den früheren Jahren. Auf der anderen Seite sind die Matrikular - Beiträge der Einzelstaaten an den Bund um 51,865, 108 Mark erhöht. Nach Inhalt der den Voranschlägen für die Flotte beigefügten Denkschrift sollen außer den bereits im Bau begriffenen noch mehr neue Kriegsschiffe gebaut werden und zwar vier große Panzerschiffe, neun kleinere gepanzerte Schiffe, sieben Corvetten, vier Kreuzer, zwei Avisodampfer und zwei Tor—- pedoboote. Die vorhandenen Kriegs-- schiffe, führt die Denkschrift aus, seien zwar noch diensttauglich, aber nicht mehr den Anforderungen der Zeit entsprechend. Es wird deßhalb darauf gedrungen, einen Kern von Schlachtschiffen erster Klasse von je 9000 bis 10,000 Tonnen zu bilden. Die Ausgaben dafũür werden auf 116, 800,-- 000 Mark berechnet und auf zehn Jahre vertheilt. Die Mehrausgaben für das Heer belanfen sich auf 7,000,000 Mark und sollen hauptsächlich zur Anschaffung er n e der yl. Kaqht. von Lebensmittel - Vorräthen verwendet werden. Seit des Besuches Wilhelm's des Auswärtigen in Rom scheinen die Franzosen mit ihrem Culturkampfe etwas einzulenken. Als die Radikalen in der Deputirtenkammer den Antrag stellten, die Botschaft beim Vatikan einzuziehen, be— merkte Goblet: „So lange wir unter der Herrschaft des Concordats leben, ist es nothwendig, Beziehungen zu dem Vatikan wegen der Heranbildung der Geistlichkeit und der Ernennung der Bischöfe und der Cardinäle zu unterhalten. Auch die Wich— tigleit unserer Schirmherrschaft in Ländern des Ostens erheischt die Aufrechterhaltung freundschaftlicher Beziehungen zu dem Va— tikan. Nebenbuhler machen uns unsere Schirmherrschaft streitig; deßhalb ist die Freundschaft des Papstes für uns werth voll. Der Papst hat schon Kummer ge— nug. Ist es an uns, ihn noch zu vermeh— ren? Es ist neulich behauptet worden, daß der Papst auf kein anderes Land mehr rechnen könne, als auf Frankreich. Dies meint nicht eine Einmischung Frankreichs zur Wiederherstellung seiner weltlichen Macht, sondern nur daß Frankreich den Papst, je mehr er seiner Macht beraubt ist, desto mehr ehren müsse, indem es ihm von seiner Achtung vor der hohen Macht, die sich in ihm verkörpert, nichts entzieht.“ (Veifall). Der Zusatzantrag wurde mit 307 gegen 217 Stimmen abgelehnt und die Voranschläge für das auswärtige Amt wurden schließlich angenommen. In Betreff Boulanger's laufen in fran zösischen Provinzialblättern euriose Ge— schichten um. Die jüngste Enthüllung macht bekannt, daß der General sich ver— pflichtet habe, die Thronbesteigung des Grafen von Paris zu fördern und vorzu bereiten. Als Lohn verlange er eine jähr liche Rente von zwei Millionen Franes (also etwa 50 Millionen Kapital) und einen hohen Adelstitel. Beide Forderun—- gen seien ihm vom Grafen von Paris mit größter Bereitwilligkeit zugestanden wor— den. Er werde nun bei den nächsten Wah— len trachten, die Mehrheit der Kammer aus seinen Anhängern zu bilden, und müsse dann berufen werden, an die Spitze eines Ministeriums zu treten. Sein Cabinet werde er aus sorgsam gewählten Bundes—- genossen zusammensetzen; das Kriegsmini— sterium sei schon jett Herrn de Martimprey vorbehalten. Einmal soweit, mache Bou langer einen Staatsstreich, verbanne Car— not, berufe den Grafen von Paris aus der Verbannung und übergebe ihm die Regie— rung. Die Vermittlerin des Bundesver trages zwischen Boulanger und dem Gra—- fen von Paris soll die Herzogin von Uzos sein. So weit die Mittheilung. Daß diese Enthüllungen Hirngespenste sind, braucht wohl weiter nicht erörtert zu wer den. Felegraphische Depescqhen. Deutschland. Berlin, 19. Nov. Die hiesigen städtischen Behörden haben beschlossen, der verwittweten Kaiserin Friedrich zu ihrem Geburtstage eine Glückwunsch-Adesse zu ũbersenden. Die katholischen Blätter stellen in Ab rede, daß Windthorst sich nach Rom bege— ben wird, sowie, daß der Papst ihn zu dem Ausfalle der preußischen Landtagswahlen beglückwünscht hat. Die „Freisinnige Zeitung“ erklärt, daß die Thatsache, daß der Kaiser Wilhelm als Erbe seines Vaters selbst als Ankläger gegen die freisinnigen Blätter wegen Ver— leßung des Gesetzes zum Schuhtze des geisti gn Eigenthums durch Veröffentlichung der uszũge aus Kaiser Friedrich's Tagebuch auftritt, mit dem Eingeständnisse der Echt heit der veröffentlichten Tagebuchsauszüge gleichbedeutend ist. Zunahs werde, auf die Sache selbst eingegangen werden könne, der Nachweis geführt werden mus— sen, wem das Tagebuch, ob ihm oder seiner Mutter gehört. Dem Plrbesrathe liegt ein Gesetzantrag vor, welcher die Aufnahme einer Reichsan leihe von 60,000,000 Mark für Extra- Ausgaben in der Heeres-, Flotten-, Eisen bahn— und Telegraphen-Verwaltung be— t. Berlin, 20. Nov. Der Kaiser und seine Familie sind mit dem Lelenmien Hofe zum Winteraufenthalt hler einge— troffen. Die Nationalliberalen im deutschen Reichstage rüsten sich zu einer Anfrage an Redakteur: Nicholas Gonner. Nummer 905. die Regierung betreffs der Hirtenbriefe des Erzbischoss von Koöln und des Bischofs von Fulda, worin den preußischen Katholiken Rath ertheilt wird, wie sie bei den Land—- tagswahlen stimmen sollten. Berlin, 20. Nov. Die Thronrede, welche der Kaiser Wilhelm bei der Eröff— nung des deutschen Reichstages am nächsten Donnerstag verlesen wird, wird in friedli chem Ton gehalten sein und besonders auf Deutschlands freundschaftliche Beziehungen Nachdruck legen. Berlin, 21. Nov. Es heißt, daß 200 elsäßische Rekruten aus Colmar, Thann und Mülhausen ihre militärische Geleitmannschaft angeqgriffen und einen preußischen Soldaten verwundet haben. Die Meuterer sollen sodann nach der Schweiz übergetreten sein. Massenver— haftungen von Rekruten sind auch ander wärts vorgenommen worden. Ferner heißt es auch, daß heute in Straßburg vier preu— ßische Offiziere von Franzosenfreunden an gegriffen und schwer verletzt worden sind. Oestreich-Ungarn. Wien, 21. Nov. Auf den Wunsch des Kaisers hat der Erzbischof heute eine Kapelle auf dem Grund und Boden, der zur Schule für Offizierstöchter gehört, zur Erinnerung an den vierzigsten Jahrestag des Regierungsantritts des Kaisers einge weiht. Der Kaiser hielt eine kurze An— sprache, in welcher er den Nutzen der Schule darlegte. Dänemark. Kopenhagen, 19. Nov. Ein Ball im Casino hat heute Abend die Jubiläums— feierlichkeiten zum Abschluß gebracht. Tau—- send Personen, darunter die Minister, die fremden Gesandten und andere hochgestellte Persoönlichkeiten nahmen daran Theil. Der Czarewitsch führte die Prinzessin von Wales und Kronprinz Friedrich die Prin—- zessin Victoria von Wales. Der König eroõffnete den Ball mit der Prinzessin von Wales. Vatikan. Rom, 21. Nov. In dem im Dezem ber stattfindenden päpstlichen Consistorium wird eine Anzahl Bischöfe ernannt werden. Die Cardinals-Ernennungen sind bis zu dem Consistorim im März hinausgeschoben worden, weil die Ernennung französischer Cardinãle auf Schwierigkeiten gestoßen ist. Rom, 22. Nov. Der Cardinal Lavi— gerie hat seinen Plan zur Unterdrückung des Sklavenhandels dem Papste unterbrei— tet. Er verläßt sich darin namentlich auf Englands Unterstützung. Er beabsichtigt, hier eine Anti-Sklaven: Gesellschaft zu gründen, welche ausschließlich aus Damen der Aristokratie bestehen soll. „Osservatore Romano“ vermag, wie er sagt, die Nachricht, daß der Papst im Falle eines Krieges Rom verlassen werde, weder zu bestätigen, noch auch ihr zu widerspre— chen, glaubt aber, daß der Papst abreisen werde, wenn die italienische Regierung den eisernen Ring, der ihn einschließt, und ihn aller Freiheit bezüglich seiner Handlungen und seiner Verbindungen mit der tahe lischen Welt beraubt, enger zieht, oder wenn er Grund zu der Annahme hat, daß Rom, sei es von einem materiellen oder rein persönlichen Standpunkte aus, nicht län— ger mehr für ihn ein sicherer Aufenthalts ort sei. Italien. Rom, 19. Nov. Heute ist ein den Fratelli Piacenza in Bella gehörige, 300 Jahre altes Spinnerei - Gebäude abge— brannt. Drei Rinder sind dabei in den Flammen umgekommen. Der Brandscha— den wird auf 200, 000 geschätzt. Die Deputirtenkammer hat in ihrer heu tigen Sitzung den Antrag der Radikalen, in der Vorlage zum Schutze der öffentlichen Sicherheit die Bestimmungon über die poli zeiliche Bestrafung notorischer Uebelthäter ohne vorgängigen Proziß zu streichen, mit 174 gegen 30 Stimmen abgelehnt. Mailand, 21. Nov. Sechsundvler zig hiesige Arbeiterdereine protestiren in einer heute abgehaltenen Versanmlang gegen den Dreibund und den Krieg im Ul— gemeinen. Es wurde ein Beschluß gefaßt, wonach die Arbeiter die italienische Regie rung im Falle eines Krieges nicht unter— sttzen werden. Der Protest wird den Ar—- beitervereinen in ganz Italien zugesendet werden, und die französischen Axbeiter wer— den im Namen der Brüderschaft der Arbeit Beitritt aufgefordert werden. Die ailnder Arbeiter werden auch andere Vereine zur Mitwirkung auffordern. Rom, 21. Nov. Cardinal Laritene ist hier mit einem Schreiben des Präsiden ten Carnot an den Papst eingetroffen. Frankreich. Paris, 20. Nov. Ein deutscher Gendarim hat einen auf dem Igney-Avri— courter Bahnhofe angestellten Franzosen verhaftet, während dieser in seinem auf deuischem Grnnd und Boden belegenen Ca ten arbeitetee. Die Polizei in Lille eine aus sechs Personen bestehende Diebsbande dingfest emacht, welche vor mehreren Jahren in brsa und Bergen Werthpapiere über SIOO,OOO gestohlen und in England ver— kauft hat. Der heute Morgen zwischen dem Vor—- sitzenden der Budget-Cömmission Andrieux und Guyot von der „Lanterne“ stattge habte Zweikampf auf Degen hat mit einer leichten Verwundung Ändrieux' an der Brüust geendet. Paris, 21. Nov. General Boalan— ger wehate gestern Abead der Vorstellung im Renaissance-Theater bei. Die Zuhö— rerschaft erkannte ihn und brachte ihm eine Huldigung dar. Die Menge auf der Straße begrüßte ihn, als er das Theater verließ, mit Hochrufen: es fierlen aber da bei verschiedene Ausschreitungen vor, sodaß die Polizei sich zur Vornahme von Verhaf tungen genöthigt sah. Paris, 21. Nov. Numa Gilly wie— derholt in einer von ihm veröffentlichten Flugschrift seine Anschuldigungen wegen Bestechlichkeit gegen eine Anzahl gemäßig ter Republikaner. Die Abgeordneten Sa— lis und Reache werden ihn wegen Verleum—- dung belangen. Paris, 21. Nov. Die Regierung hat einen Oberst von hier zu einem Provinzial regiment versetzt, weil er sich mit seinen Offizieren gelegentlich der Verheirathung des Kapitäns Driant mit Boulanger's Tochter an einer boulangistischen Kundge— bung betheiligt hat. Großbrittanien. London, 19. Nov. In den letzten drei Monaten sind in Irland 173 Land verbrechen begangen worden. Aus der Nordsee und dem Schwarzen Meere werden arge und verderbliche Stüürme gemeldet. London, 20. Nov. In der heutigen Abendsitzung des Oberhauses erklärte Lord Salisbury, daß die Unterhandlungen mit Fraukreich betreffs der ostafrikanischen “ Küstensperre noch im Gange seien. Die. Regierung würde durch gewisse Zageständ—- nisse Frankreichs thatsächlich in den Stand gesetzt werden, dem Skiavenhandel Einhalt zu thun. Die Einwendungen des sranzö sischen Ministers des Auswärtigen Goblet betreffs des Durchsuchungsrechts von Schiffen seien unter der Wirkung der Küstensperre mehr theoretischer als prakti scher Natur. Durch Goblei's Versprechen der Absendung eines französischen Kriegs— schiffes zur Ueberwachung der unter fran—- zösischer glagge fahrenden Schiffe sei die Schwierigkeit beseitigt. London, 21. Nov. An Bord des mit 300 Faß Petroleum befrachteten Schooners „Vnited“, der zur Zeit in Bri— stol vor Anker lag, ereignete sich heute eine Gasexplosion, welche das Schiff zertrüm— merte und drei Arbeitern auf demselben das Leben kostete. Das brennende Oel brei— tete sich auf dem Wasser aus undb ließ die Eigenthüümer anderer dort liegender Schiffe befürchten, daß auch diese von den Flam— men ergriffen werden würden; es gelang ihnen jedoch, die Gefahr rechtzeitig abzu wenden. Die Gewalt der Explosion war so groß, daß in den dem verunglückten Schooner nahe belegenen Gebäuden sämmt—- liche Fensterscheiben platzten. London, 21. Nov. Heute Morgen herrschte hier wieder einmal wegen eines angeblichen mißlungenen Mordversuchs an einem schlechten Frauenzimmer in White chapel große Aufregung. Die Polizei be gann der Sache nachzuforschen und bei der Besichtigung des Halses der Frauensperson stellte sich heraus, daß diese anstatt einer Schnitt· oder Stichwunde nur eine leichte Hautabschürfung am Halse hatte, welche sie sich in der Trunkenheit wahrscheinlich selbst beigebracht hatte. Danaqch schenkt die Po lizei der Erzählung des Frauenziwmers ũberhaupt kleinen Glauben, mindestens aber ist sie davon ũüberzeugt, daß der Mord versuch, wenn er wirklich stattgefunden hat, nicht von dem Verüber der früheren Morde in Whitechapel begangen worden ist. Serbien. London, 20. Nov. Die geschiedene Königin Natalie von Serbien wird sich im Dezember nach St. Petersburg begeben, um die Czarin um ihre Vermittelung in te Ehescheidungssache der Königin anzu—- flehen. Portugal. Washington, 20. Novbr. Das Staatsministerium hat heute die amtliche Nachricht erhalten, daß die portugiesische Regierung den Einfuhrzoll von Weizen auf 10 Reis (1.08 Cent) und den von Mehl auf 18 Reis (1.9 Cent) fur das Kilo— gramm (2 145 amerikanische Pfund) ermã- Bigt habe. Afrika. Lissabon, 20. Nov. Palma, die westlichste der kanarischen Inseln ist nach Ankündigung der Gesundheitsbehörbe vom gelden Fieber angesteckt. London, 20. Nov. Der östreichische Afrikareisende Or. Baumann beschreibt in cinem Briefe die Leiden sehr eingehend, welche er und sein Gefährte Dr. Mayer in der Gefangenschaft der Araber zu erdulden genöthigt waren. Sie waren durch die Lenaner eines arabischen Räubers Na— mens Binsalim, der ach den Aufstand gegen die Deutschen auf de: Ostküste ange— zettelt hat, in Gefangenschift gerathen. Dr. erwähnt eines Gerüchts von einem Aufstande an den mittelafrikanischen Bin—- nenseen, welches, wenn wahr, das Fehlen 2 Nachrichten von Stanley erklären würde. Cuba. Havanna, 20. Nov. Der hiesige Bürgermeister erließ eine Bekanntmachung, wonach vom 1. Jannar ab von Eßwaaren und Getränken, sowie von Brennmaterial eine Verbrauchssteuer erhoben wird. Die Maßnahme wird von der öffentlichen Mei nnng und der Tagespresse scharf verurtheilt. Merxiko. Mexiko, 20. Nov. An der Vollen dung der Tampico und San Luis Potosi- Zr- der Mexikanischen Centralbahn wird u Nacht gearbeitet. Der Streik auf der Strecke zwischen Colima und Gua—- dalajara ist eingestellt. Die ganze Bahn wurdbe mit Stahlschienen e ene Der Verkehr auf der Inter Oceanie· Bahn stockt wegen der Opposition, die gegen den nenen Oberbetriebsleiter dieser bhhn be eht.