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Luxemburger gazette. [volume] (Dubuque, Iowa) 1871-1918, November 27, 1888, Image 1

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Die Luxemburger Gazette,
erscheint jeden Dienstag und kostet unter
VBoransbezahlung für die Ver. Staaten und Canada:
Jãhrlich. .. . N s·ò 82.50 Halbjäãhrlich .. .. . · 81.26
Stadtabonnenten, jäãhrlich $2.50, monatlich W Cts.
Nach Europa portofrei:
82.00 ] Halbjãhrlich ..
Jãhrlich
Correspondenzen und Mittheilungen müssen
späãtestens bis Freitag Morgen, wenn sie in der
nächsten Nummer Aufnahme finden sollen, ein—
gesandt werden. —Briefe ohne Unterschrift wer—
den nicht berücksichtigt.
E Nur für die Gelder, die per registrirten Brief
oder Geldanweisung (Money Order) gesandt
werden, übernehmen wir die Verantwortlichkeit.
Alle Briefe, Correspondenzen u. s. w. adressire
man einfach:
“ IUXENBURGER GAIETTE”,
DVBVQUE, 10WA.
Office der,„Gazette“:
Ecke der 6. und Jowa-Straße.
Politische Rundschau.
Inland.
Ueber die Präsidentenwahl ist noch
Allerlei nachzutragen. So soll sich Präsi
dent Cleveland einem hervorragenden De—
mokraten gegenüber betresfs seiner Nieder—-
lage folgendermaßen geäãußert haben:
„Man sagt mir, daß wir gesiegt haben
würden, wäre es nicht um die Tariffcage
gewesen. Das mag richtig sein, aber die
Zeit war gekommen, wo diese Frage zwi—-
schen den Parteien erhoben werden mußte,
und die Demokraten erhoben sie. Ich be—
dauere es nicht. Es ist besser im Kampfe
für einen ehrlichen Grundsatz geschlagen zu
werden, als mit Hülfe feiger Ausflüchte zu
siegen. Einige meiner Freunde meinen,
wir hätten vor das Volk auf Grund der
reinlichen Verwaltung gehen sollen, die wir
dem Lande gegeben haben. Ich bin anderer
Ansicht. Wir bedurften einer deutlichen
und scharfbegrenzten Streitfrage. Wir
wurden zwar geschlagen, aber der Grund—
satß der Tariffrage wird zweifelsohne
schließlich siegen.“ Das sind ehrliche und
brave Worte, die auch den Beifall Derjeni—
gen herausfordern müüssen, welche in diesem
Kampfe Cleveland ehrlich entgegenstanden.
Jedenfalls nimmt Hr. Cleveland seine
Niederlage wie ein Mann auf, der von der
Gerechtigkeit seiner Sache überzeugt ist.
Und daß er sich auf seine „reinliche Ver—
waltung“ nichts zu Gute that, sondern sie
als selbstoerständlich betrachtet, ist das
Beste daran.
Der alte Thurman gebährt sich, wie es
einem Römer wie ihm gebührt. Er nahm
die Niederlage der Partei sehr kühl auf
und drückte nur seine Angst aus, daß die
Republikaner dem Lande verderbliche Maß—-
regeln ergreifen.
Näher zu betrachten ist noch das Vo
tum der Union Labor Partei.
Es beschränkte sich fast nur auf die größern
Städte und hat seit der vorigen Präsiden—
tenwahl ganz gewaltig abgenymmen. In
Cleveland hat die Union Labor Partei
etwa 400 Stimmen. In Cineinnati nicht
ganz tausend (gegen 17,900 vor zwei Jah—
ren). In St. Louis hat Streeter 1750
Stimmen. In Chicago ist das Votum der
diversen Acbeiterparteien daselbst gar nicht
nennenswerth. In Milwaukee haben die
Electoren der Union Labor Partei 4151
Stimmen (ungefahr ein Viertel des Vo—
tums von vor 2 Jahren.) Ueberall der—
selbe Rückgang.
Den Temperenzlern reinsten
Wassers ist es nicht besser ergangen. Von
der erhofften Million Stimmen sind sie
noch weit, sehr weit zurück. Die „Voice“
ihr eigenes Organ macht folgende Angaben:
Alabama.. . .· · 1,000
Arkansas.. . .ß V 1,000
California ... . . 6,000
Colorado... .. · 8,000
Connecticut.. . . 4,800
Delaware.. . ... 8373
Florida.. . . . . 300
Georgsa.. . . ·· · 1,830
Illindis.. . . .23,000
Indiana.... .. 9/500
N0wa......... 3,000
KRansas... ... 7,/000
Kentucky.. . · · ·11,000
Louisiana. . . . . 250
Maine. . . . . . . · 2,700
Maryland.. . . .ß ÿ· 1,832
Massachusetts.. 9,000
Michigan. . .. . 28,000
Minnesota.. . . .16,000
Mississippi.. . . . 800
Freilich die Republikaner hatten Him—
mel und Hölle in Bewegung gesett, um
das Votum zu gewinnen und, da Harrison
einer ihrer eigenen Leute ist, so erhielt er
das Votum der Schwankenden.
Das Nuächste, was jeyt auf dem Tapet,
ist die Bildung des Cabinets für den neuen
Präsidenten. Daß die Rathgeber Harri—
son da nicht fehlen, versteht sich von
selbst. Jedes Blatt hat seine
eigenen Recommandationen. Allgemein
zugegeben wird, daß Blaine das
Auswärtige erhält. Ob er's annimmt ist
eine andere Frage, denn, wie es heißt,
ginge er gerne als Gesandter nach Eng
land. Speculationen über das zu bildende
Cabinet sind vorderhand nicht lohnend, und
wir wollen zu einer andern Angelegenheit,
die mehr interessirt, übergehen.
Der nächste Congreß wird viel Zeit
mit beanstandeten Wahlen zu vergeuden
haben. Es sind sehr viele Bezirke, in
welchen die Mehrheit des siegreichen Can—
didaten nicht über 100 hinausreicht und
wo die Gegenpartei, besonders unter den
obwaltenden Umständen, das Resultat we—-
gen angeblicher Unregelmäßigkeiten bean
standet. Diese Wahlanfechtungen werden
um so leichter aufgenommen, als das Ge—
setz betreffs derselben ssehr liberal ist und
dem schließlich unterliegenden Candidaten
eine anstndige Entschädigung für gehabte
Unkosten zahlt. Wenn jeder Candidat, der
da glaubt, ihm sei Unrecht geschehen, die
Kosten der Beanstandung selber zahlen
müũßte, wüürde man weniger davon hören.
Nach und nach werden die Jahres—
berichte der einzelnen Departements der
Regierung veröffentlicht. Es liegen be—
reits mehrere vor. Wie der dritte Unter—
Generalpostmeister angibt, haben sich die
Gesammtkosten des Postdienstes für
das letzte Rechnungsjahr auf $58,126, 004
belaufen. Die Einnahmen aus dem Post—
und Geldanweisungs-Verkehr, beliefen sich
auf 852,695,176, sodaß ein Ausfall von
85,430,828 vorhanden ist. Dieser wird
hauptsächlich der großen Ausdehnung der
Portofreiheit und der Zunahme der Eisen—
bahn-Postbeförderung zugeschrieben.
Der Dirktor der Seeschule zu
Annapolis, Commander Sampson,
hat dem Flottenminister seinen Jahresbe
richt eingesandt. Das letzte Schuljahr
schloß mit 191 Cadetten, gegen 232 mit
denen es begonnen hat. Zur Zeit befin—-
den sich auf der Schule 237 Cadetten. Ein
Schüler ist in dem Jahre wegen unordent
lichen Betragens fortgejagt worden; 33
wurden wegen „Hazens“ in Untersuchung
gezogen und davon 9 schuldig befunden,
aber vom Präsidenten begnadigt. Alle
Anstrengungen wurden gemacht, den Unfug
des „Hazens“ mit Stumpf und Stiel aus—
zurotten. Zu diesem Behufe sei den Ca—
detten der 3. und 4. Klasse die Bildung
von Vereinigungen jeder Art strengstens
untersagt.
Aus dem Bericht des Oberinge—
nieurs der Flotte erfahren wir, daß
funf zweithürmige Widderschiffe der Vol—
lendung entgegen gehen; zwei Kreuzer mit
Gürtelpanzer auf dem Stapel liegen; drei—-
zehn einthürmige Widderschiffe abgetakelt
sind; dreiundzwanzig ungepanzerte Stahl—-
und Eisenschiffe, wovon vier im Dienst, elf
im Bau u. zwei in Reparatur, fünf auf Sta
tionen und eins ebenfalls abgetakelt sind;
achtundzwanzig hölzerne Dampfer und elf
eiserne und hölzerne Schlepper, die beinahe
alle auf Stationen oder in Reparatur sind.
In Indianapolis tagte v. Woche
die Convention der Arbeitsrittert. Man
sah dieser Versammlung mit einer gewissen
Spannung entgegen, wußte man doch, daß
die Organisation sehr stark im Rüückgange
und innere Kämpfe bevorständen. In sei—
nem Berichte führt Powderly denn auch
bittere Klagen, wie das zu erwarten war.
Aus dem Berichte des Schatzmeisters ging
hervor, baß die Zahl der Mitglieder in die
sem Jahre um 300, 000 abgenommen habe
und die jetzigen Einnahmen des Ordens
nicht im Stande seien, die Auslagen zu
decken. Doch meinte er, daß eine jährliche
Einschränkung der Auslagen im Betrage
von 825,000 ohne Nachtheil für den Be—
stand des Ordens durchführbar sei. Der
Werth des Eigenthums des Ordens wird
auf $114,640.05 veranschlagt. Nach dem
Berichte des Sekretärs zählte der Orden
am 1. Juli 250,518 Mitglieder in 5666
Local-Assemblies. Trotz vieler Opposition
wurde Powderly wieder an die Spitze des
Ordens gestellt und seine Macht bedeutend
erweitert. Würde der Orden Powderly's
Räthen nur folgen; es stände besser um die
Arbeitsritter.
Missouri.. . . .. . 5,000
Nebraska. . . . 10,000
Nevada.. .. .. .. 200
N. Hampshire.. 1,570
New Jersey.. . . 8,000
New dork. .. . 830/000
N. Carolina . . . 4,000
Ohio.. . . · · . · · 26,000
Oregon . . . . . · 1,200
Pennsylvania . .23, 000
Rhode Island.. 1,000
S. Carolina... 300
Tennessee. . . .. . 5,000
Texas.... . . . . · 7,000
Vermont.. . . . · 1,000
Virginia.. .. . . 1,000
Ves Virginia.. 2,000
Wisconsiñn. .. . .15,000
Im Ganzen. 268,675
Am 22. d. M. ist der deutsche Reichs
tag wieder zusammengetreten und wurde
von Kaiser Wilhelm in Person erdoffnet.
In der Thronrede bemerkte der Kaiser,
daß seine kürzlichen Reisen durch Deutsch—-
land ihn davon überzeugt haben, daß der
Wunsch nach Reichseinheit in dem deutschen
Vollke tief wurzele. Er erwähnte der Auf
nahme von Bremen und Hamhburg in den
deutschen Zollverein und des · Abschlusses
eines Handelsvertrages mit der Schweiz.
Er freue sich, fuhr er fort, zu wissen, daß
sich die Handelsverhältnisse gebessert haben
und die Aussicht auf höhere Preise für die
landwirthschaftlichen Erzeugnisse rechtfer
tige die Hoffnung auf Hebung der Land-
-
Fr Reht in
AHerausgeber: Deutsche, Katholische Drud-Gesellschast.
Fahrgang 18.
Ausland.
xembnurg
J
Dubuque, Jowa, Dienstag, den 27. November 1888.
wirthschaft. Er betonte den friedlichen
Charakter der Beziehungen Deutschlands
zum Auslande und seiner Politik mit be—
sonderem Nachdruck und fügte hinzu, daß
seine Besuche im Auslande, die er in der
Absicht der Herbeiführung einer Verständi—
gung im Interesse des Friedens unternom—
men, ein allgemeines Vertrauen in die
Erhaltung des Friedens hervorgerufen
haben. Der Kaiser erwähnte keiner Hee—
res- oder Creditvorlagen und berũhrte die
ostafrikanischen Angelegenheiten nur kurz.
Ferner sagte der Kaiser in der Thronrede:
Ec habe es auf sich genommen, seines
Großvaters kostbares Vermächtniß betreffs
der sozial · politischen Gesetzgebung zur Aus
führung zu bringen. Er gebe sich der
Hoffnung nicht hin, daß es möglich sein
werde, durch Gesetze die Noth und das
Elend aus der Welt zu verbannen; gleich
wohl sei es die Pflicht der Regierung, sie
soviel als möglich zu erleichtern und durch
organische Einrichtungen der Wahrheit,
daß die Ausübung der Nächstenliebe eine
Pflicht des Staates als öffentliches Ge—-
meinwesen sei, Anerkennung zu verschaffen.
Bezüglich der auswärtigen Beziehungen
äußerte sich der Kaiser folgendermaßen:
„Unsere Beziehungen zu allen auswärtigen
Mächten sind friedlicher Natur. Meine
Bemüũhungen sind unablässig der Befesti
gung dieses Friedens gewidmet gewesen.
Das Bündniß mit Oesterreich und Italien
dient keinem anderen Zwecke. Ohne Noth
das Elend eines selbst siegreichen Krieges
ũber Deutschland zu bringen, würde mit
meinem christlichen Glauben nnd meinen
Pflichten gegenüber dem deutschen Volke
unvereinbar sein. In dieser Erwägung
hielt ich es für meine Pflicht, kurz nach
meiner Thronbesteigung nicht nur meine
Verbündeten, sondern auch und zwar zu
allererst die befreundeten benachbarten
Monarchen persönlich zu begrßen, um eine
Verständigung mit ihnen zu suchen in der
Absicht, die Aufgabe zu erfüllen, welche
Gott mir gestellt hat, nämlich die, unserem
Volke die Segnungen des Friedens und
Wohlstandes zu sichern, soweit es in unserer
Macht liegt. Das mir und meiner Politik
an allen Höfen, die ich besuchte, entgegenge
brachte Vertrauen rechtfertigt die Hoffnung,
daß ich und meine Verbündeten und Freunde
mit Gottes Hilfe im Stande sein werden,
den Frieden Europas zu erhalten.“
Während der Verlesung der Thronrede
wurde der Kaiser häufig durch lebhaften
Beifall unterbrochen; namentlich galt der
Beifall den Stellen üüber die friedliche
Sachlage, den Aufschwung des Handels
und die soziale Gesetzgebung.
Nachdem der Reichstag zu den Geschäf
ten ũbergangen, wurden ihm die Reichs—
haushalts - Voranschläge überreicht. Sie
schließen in Einnahme und Ausgabe mit
949,108,907 Mark ab. Von den Aus—
gaben stellen 806, 425, 490 den Betrag der
ordentlichen alljährlich wiederkehrenden,
58,554,615 den der nicht wiederkehrenden
ordentlichen und 84,123, 882 den einmali
ger außerordentlicher ; Ausgaben dar. Der
letzterwähnte Betrag wird durch besonders
vorgesehene Mittel gedeckt werden. Aus
den Steuern wird im nächsten Jahre eine
Mehreinnahme von 20, 000, 000 Mark er—
wortel. Die vom Reiche den Einzelstaa
ten herauszuzahlenden Ueberschüsse sind um
15,000,000 Mark höher veran schlagt als
in den früheren Jahren. Auf der anderen
Seite sind die Matrikular - Beiträge der
Einzelstaaten an den Bund um 51,865,
108 Mark erhöht.
Nach Inhalt der den Voranschlägen für
die Flotte beigefügten Denkschrift sollen
außer den bereits im Bau begriffenen noch
mehr neue Kriegsschiffe gebaut werden und
zwar vier große Panzerschiffe, neun kleinere
gepanzerte Schiffe, sieben Corvetten, vier
Kreuzer, zwei Avisodampfer und zwei Tor—-
pedoboote. Die vorhandenen Kriegs--
schiffe, führt die Denkschrift aus, seien
zwar noch diensttauglich, aber nicht mehr
den Anforderungen der Zeit entsprechend.
Es wird deßhalb darauf gedrungen, einen
Kern von Schlachtschiffen erster Klasse von
je 9000 bis 10,000 Tonnen zu bilden.
Die Ausgaben dafũür werden auf 116, 800,--
000 Mark berechnet und auf zehn Jahre
vertheilt. Die Mehrausgaben für das
Heer belanfen sich auf 7,000,000 Mark
und sollen hauptsächlich zur Anschaffung
er
n e der yl. Kaqht.
von Lebensmittel - Vorräthen verwendet
werden.
Seit des Besuches Wilhelm's
des Auswärtigen in Rom scheinen die
Franzosen mit ihrem Culturkampfe etwas
einzulenken. Als die Radikalen in der
Deputirtenkammer den Antrag stellten, die
Botschaft beim Vatikan einzuziehen, be—
merkte Goblet: „So lange wir unter der
Herrschaft des Concordats leben, ist es
nothwendig, Beziehungen zu dem Vatikan
wegen der Heranbildung der Geistlichkeit
und der Ernennung der Bischöfe und der
Cardinäle zu unterhalten. Auch die Wich—
tigleit unserer Schirmherrschaft in Ländern
des Ostens erheischt die Aufrechterhaltung
freundschaftlicher Beziehungen zu dem Va—
tikan. Nebenbuhler machen uns unsere
Schirmherrschaft streitig; deßhalb ist die
Freundschaft des Papstes für uns werth
voll. Der Papst hat schon Kummer ge—
nug. Ist es an uns, ihn noch zu vermeh—
ren? Es ist neulich behauptet worden,
daß der Papst auf kein anderes Land mehr
rechnen könne, als auf Frankreich. Dies
meint nicht eine Einmischung Frankreichs
zur Wiederherstellung seiner weltlichen
Macht, sondern nur daß Frankreich den
Papst, je mehr er seiner Macht beraubt ist,
desto mehr ehren müsse, indem es ihm von
seiner Achtung vor der hohen Macht, die
sich in ihm verkörpert, nichts entzieht.“
(Veifall). Der Zusatzantrag wurde mit
307 gegen 217 Stimmen abgelehnt und
die Voranschläge für das auswärtige Amt
wurden schließlich angenommen.
In Betreff Boulanger's laufen in fran
zösischen Provinzialblättern euriose Ge—
schichten um. Die jüngste Enthüllung
macht bekannt, daß der General sich ver—
pflichtet habe, die Thronbesteigung des
Grafen von Paris zu fördern und vorzu
bereiten. Als Lohn verlange er eine jähr
liche Rente von zwei Millionen Franes
(also etwa 50 Millionen Kapital) und
einen hohen Adelstitel. Beide Forderun—-
gen seien ihm vom Grafen von Paris mit
größter Bereitwilligkeit zugestanden wor—
den. Er werde nun bei den nächsten Wah—
len trachten, die Mehrheit der Kammer
aus seinen Anhängern zu bilden, und müsse
dann berufen werden, an die Spitze eines
Ministeriums zu treten. Sein Cabinet
werde er aus sorgsam gewählten Bundes—-
genossen zusammensetzen; das Kriegsmini—
sterium sei schon jett Herrn de Martimprey
vorbehalten. Einmal soweit, mache Bou
langer einen Staatsstreich, verbanne Car—
not, berufe den Grafen von Paris aus der
Verbannung und übergebe ihm die Regie—
rung. Die Vermittlerin des Bundesver
trages zwischen Boulanger und dem Gra—-
fen von Paris soll die Herzogin von Uzos
sein. So weit die Mittheilung. Daß
diese Enthüllungen Hirngespenste sind,
braucht wohl weiter nicht erörtert zu wer
den.
Felegraphische Depescqhen.
Deutschland.
Berlin, 19. Nov. Die hiesigen
städtischen Behörden haben beschlossen, der
verwittweten Kaiserin Friedrich zu ihrem
Geburtstage eine Glückwunsch-Adesse zu
ũbersenden.
Die katholischen Blätter stellen in Ab
rede, daß Windthorst sich nach Rom bege—
ben wird, sowie, daß der Papst ihn zu dem
Ausfalle der preußischen Landtagswahlen
beglückwünscht hat.
Die „Freisinnige Zeitung“ erklärt, daß
die Thatsache, daß der Kaiser Wilhelm als
Erbe seines Vaters selbst als Ankläger
gegen die freisinnigen Blätter wegen Ver—
leßung des Gesetzes zum Schuhtze des geisti
gn Eigenthums durch Veröffentlichung der
uszũge aus Kaiser Friedrich's Tagebuch
auftritt, mit dem Eingeständnisse der Echt
heit der veröffentlichten Tagebuchsauszüge
gleichbedeutend ist. Zunahs werde,
auf die Sache selbst eingegangen werden
könne, der Nachweis geführt werden mus—
sen, wem das Tagebuch, ob ihm oder seiner
Mutter gehört.
Dem Plrbesrathe liegt ein Gesetzantrag
vor, welcher die Aufnahme einer Reichsan
leihe von 60,000,000 Mark für Extra-
Ausgaben in der Heeres-, Flotten-, Eisen
bahn— und Telegraphen-Verwaltung be—
t.
Berlin, 20. Nov. Der Kaiser und
seine Familie sind mit dem Lelenmien
Hofe zum Winteraufenthalt hler einge—
troffen.
Die Nationalliberalen im deutschen
Reichstage rüsten sich zu einer Anfrage an
Redakteur: Nicholas Gonner.
Nummer 905.
die Regierung betreffs der Hirtenbriefe des
Erzbischoss von Koöln und des Bischofs von
Fulda, worin den preußischen Katholiken
Rath ertheilt wird, wie sie bei den Land—-
tagswahlen stimmen sollten.
Berlin, 20. Nov. Die Thronrede,
welche der Kaiser Wilhelm bei der Eröff—
nung des deutschen Reichstages am nächsten
Donnerstag verlesen wird, wird in friedli
chem Ton gehalten sein und besonders auf
Deutschlands freundschaftliche Beziehungen
Nachdruck legen.
Berlin, 21. Nov. Es heißt, daß
200 elsäßische Rekruten aus Colmar,
Thann und Mülhausen ihre militärische
Geleitmannschaft angeqgriffen und einen
preußischen Soldaten verwundet haben.
Die Meuterer sollen sodann nach der
Schweiz übergetreten sein. Massenver—
haftungen von Rekruten sind auch ander
wärts vorgenommen worden. Ferner heißt
es auch, daß heute in Straßburg vier preu—
ßische Offiziere von Franzosenfreunden an
gegriffen und schwer verletzt worden sind.
Oestreich-Ungarn.
Wien, 21. Nov. Auf den Wunsch
des Kaisers hat der Erzbischof heute eine
Kapelle auf dem Grund und Boden, der
zur Schule für Offizierstöchter gehört, zur
Erinnerung an den vierzigsten Jahrestag
des Regierungsantritts des Kaisers einge
weiht. Der Kaiser hielt eine kurze An—
sprache, in welcher er den Nutzen der Schule
darlegte.
Dänemark.
Kopenhagen, 19. Nov. Ein Ball
im Casino hat heute Abend die Jubiläums—
feierlichkeiten zum Abschluß gebracht. Tau—-
send Personen, darunter die Minister, die
fremden Gesandten und andere hochgestellte
Persoönlichkeiten nahmen daran Theil.
Der Czarewitsch führte die Prinzessin von
Wales und Kronprinz Friedrich die Prin—-
zessin Victoria von Wales. Der König
eroõffnete den Ball mit der Prinzessin von
Wales.
Vatikan.
Rom, 21. Nov. In dem im Dezem
ber stattfindenden päpstlichen Consistorium
wird eine Anzahl Bischöfe ernannt werden.
Die Cardinals-Ernennungen sind bis zu
dem Consistorim im März hinausgeschoben
worden, weil die Ernennung französischer
Cardinãle auf Schwierigkeiten gestoßen ist.
Rom, 22. Nov. Der Cardinal Lavi—
gerie hat seinen Plan zur Unterdrückung
des Sklavenhandels dem Papste unterbrei—
tet. Er verläßt sich darin namentlich auf
Englands Unterstützung. Er beabsichtigt,
hier eine Anti-Sklaven: Gesellschaft zu
gründen, welche ausschließlich aus Damen
der Aristokratie bestehen soll.
„Osservatore Romano“ vermag, wie er
sagt, die Nachricht, daß der Papst im Falle
eines Krieges Rom verlassen werde, weder
zu bestätigen, noch auch ihr zu widerspre—
chen, glaubt aber, daß der Papst abreisen
werde, wenn die italienische Regierung den
eisernen Ring, der ihn einschließt, und ihn
aller Freiheit bezüglich seiner Handlungen
und seiner Verbindungen mit der tahe
lischen Welt beraubt, enger zieht, oder wenn
er Grund zu der Annahme hat, daß Rom,
sei es von einem materiellen oder rein
persönlichen Standpunkte aus, nicht län—
ger mehr für ihn ein sicherer Aufenthalts
ort sei.
Italien.
Rom, 19. Nov. Heute ist ein den
Fratelli Piacenza in Bella gehörige, 300
Jahre altes Spinnerei - Gebäude abge—
brannt. Drei Rinder sind dabei in den
Flammen umgekommen. Der Brandscha—
den wird auf 200, 000 geschätzt.
Die Deputirtenkammer hat in ihrer heu
tigen Sitzung den Antrag der Radikalen,
in der Vorlage zum Schutze der öffentlichen
Sicherheit die Bestimmungon über die poli
zeiliche Bestrafung notorischer Uebelthäter
ohne vorgängigen Proziß zu streichen, mit
174 gegen 30 Stimmen abgelehnt.
Mailand, 21. Nov. Sechsundvler
zig hiesige Arbeiterdereine protestiren in
einer heute abgehaltenen Versanmlang
gegen den Dreibund und den Krieg im Ul—
gemeinen. Es wurde ein Beschluß gefaßt,
wonach die Arbeiter die italienische Regie
rung im Falle eines Krieges nicht unter—
sttzen werden. Der Protest wird den Ar—-
beitervereinen in ganz Italien zugesendet
werden, und die französischen Axbeiter wer—
den im Namen der Brüderschaft der Arbeit
Beitritt aufgefordert werden. Die
ailnder Arbeiter werden auch andere
Vereine zur Mitwirkung auffordern.
Rom, 21. Nov. Cardinal Laritene
ist hier mit einem Schreiben des Präsiden
ten Carnot an den Papst eingetroffen.
Frankreich.
Paris, 20. Nov. Ein deutscher
Gendarim hat einen auf dem Igney-Avri—
courter Bahnhofe angestellten Franzosen
verhaftet, während dieser in seinem auf
deuischem Grnnd und Boden belegenen
Ca ten arbeitetee.
Die Polizei in Lille eine aus sechs
Personen bestehende Diebsbande dingfest
emacht, welche vor mehreren Jahren in
brsa und Bergen Werthpapiere über
SIOO,OOO gestohlen und in England ver—
kauft hat.
Der heute Morgen zwischen dem Vor—-
sitzenden der Budget-Cömmission Andrieux
und Guyot von der „Lanterne“ stattge
habte Zweikampf auf Degen hat mit einer
leichten Verwundung Ändrieux' an der
Brüust geendet.
Paris, 21. Nov. General Boalan—
ger wehate gestern Abead der Vorstellung
im Renaissance-Theater bei. Die Zuhö—
rerschaft erkannte ihn und brachte ihm
eine Huldigung dar. Die Menge auf der
Straße begrüßte ihn, als er das Theater
verließ, mit Hochrufen: es fierlen aber da
bei verschiedene Ausschreitungen vor, sodaß
die Polizei sich zur Vornahme von Verhaf
tungen genöthigt sah.
Paris, 21. Nov. Numa Gilly wie—
derholt in einer von ihm veröffentlichten
Flugschrift seine Anschuldigungen wegen
Bestechlichkeit gegen eine Anzahl gemäßig
ter Republikaner. Die Abgeordneten Sa—
lis und Reache werden ihn wegen Verleum—-
dung belangen.
Paris, 21. Nov. Die Regierung hat
einen Oberst von hier zu einem Provinzial
regiment versetzt, weil er sich mit seinen
Offizieren gelegentlich der Verheirathung
des Kapitäns Driant mit Boulanger's
Tochter an einer boulangistischen Kundge—
bung betheiligt hat.
Großbrittanien.
London, 19. Nov. In den letzten
drei Monaten sind in Irland 173 Land
verbrechen begangen worden.
Aus der Nordsee und dem Schwarzen
Meere werden arge und verderbliche Stüürme
gemeldet.
London, 20. Nov. In der heutigen
Abendsitzung des Oberhauses erklärte Lord
Salisbury, daß die Unterhandlungen mit
Fraukreich betreffs der ostafrikanischen “
Küstensperre noch im Gange seien. Die.
Regierung würde durch gewisse Zageständ—-
nisse Frankreichs thatsächlich in den Stand
gesetzt werden, dem Skiavenhandel Einhalt
zu thun. Die Einwendungen des sranzö
sischen Ministers des Auswärtigen Goblet
betreffs des Durchsuchungsrechts von
Schiffen seien unter der Wirkung der
Küstensperre mehr theoretischer als prakti
scher Natur. Durch Goblei's Versprechen
der Absendung eines französischen Kriegs—
schiffes zur Ueberwachung der unter fran—-
zösischer glagge fahrenden Schiffe sei die
Schwierigkeit beseitigt.
London, 21. Nov. An Bord des
mit 300 Faß Petroleum befrachteten
Schooners „Vnited“, der zur Zeit in Bri—
stol vor Anker lag, ereignete sich heute eine
Gasexplosion, welche das Schiff zertrüm—
merte und drei Arbeitern auf demselben das
Leben kostete. Das brennende Oel brei—
tete sich auf dem Wasser aus undb ließ die
Eigenthüümer anderer dort liegender Schiffe
befürchten, daß auch diese von den Flam—
men ergriffen werden würden; es gelang
ihnen jedoch, die Gefahr rechtzeitig abzu
wenden. Die Gewalt der Explosion war
so groß, daß in den dem verunglückten
Schooner nahe belegenen Gebäuden sämmt—-
liche Fensterscheiben platzten.
London, 21. Nov. Heute Morgen
herrschte hier wieder einmal wegen eines
angeblichen mißlungenen Mordversuchs an
einem schlechten Frauenzimmer in White
chapel große Aufregung. Die Polizei be
gann der Sache nachzuforschen und bei der
Besichtigung des Halses der Frauensperson
stellte sich heraus, daß diese anstatt einer
Schnitt· oder Stichwunde nur eine leichte
Hautabschürfung am Halse hatte, welche sie
sich in der Trunkenheit wahrscheinlich selbst
beigebracht hatte. Danaqch schenkt die Po
lizei der Erzählung des Frauenziwmers
ũberhaupt kleinen Glauben, mindestens
aber ist sie davon ũüberzeugt, daß der Mord
versuch, wenn er wirklich stattgefunden hat,
nicht von dem Verüber der früheren Morde
in Whitechapel begangen worden ist.
Serbien.
London, 20. Nov. Die geschiedene
Königin Natalie von Serbien wird sich im
Dezember nach St. Petersburg begeben,
um die Czarin um ihre Vermittelung in
te Ehescheidungssache der Königin anzu—-
flehen.
Portugal.
Washington, 20. Novbr. Das
Staatsministerium hat heute die amtliche
Nachricht erhalten, daß die portugiesische
Regierung den Einfuhrzoll von Weizen auf
10 Reis (1.08 Cent) und den von Mehl
auf 18 Reis (1.9 Cent) fur das Kilo—
gramm (2 145 amerikanische Pfund) ermã-
Bigt habe.
Afrika.
Lissabon, 20. Nov. Palma, die
westlichste der kanarischen Inseln ist nach
Ankündigung der Gesundheitsbehörbe vom
gelden Fieber angesteckt.
London, 20. Nov. Der östreichische
Afrikareisende Or. Baumann beschreibt in
cinem Briefe die Leiden sehr eingehend,
welche er und sein Gefährte Dr. Mayer in
der Gefangenschaft der Araber zu erdulden
genöthigt waren. Sie waren durch die
Lenaner eines arabischen Räubers Na—
mens Binsalim, der ach den Aufstand
gegen die Deutschen auf de: Ostküste ange—
zettelt hat, in Gefangenschift gerathen.
Dr. erwähnt eines Gerüchts von einem
Aufstande an den mittelafrikanischen Bin—-
nenseen, welches, wenn wahr, das Fehlen
2 Nachrichten von Stanley erklären
würde.
Cuba.
Havanna, 20. Nov. Der hiesige
Bürgermeister erließ eine Bekanntmachung,
wonach vom 1. Jannar ab von Eßwaaren
und Getränken, sowie von Brennmaterial
eine Verbrauchssteuer erhoben wird. Die
Maßnahme wird von der öffentlichen Mei
nnng und der Tagespresse scharf verurtheilt.
Merxiko.
Mexiko, 20. Nov. An der Vollen
dung der Tampico und San Luis Potosi-
Zr- der Mexikanischen Centralbahn
wird u Nacht gearbeitet. Der Streik
auf der Strecke zwischen Colima und Gua—-
dalajara ist eingestellt. Die ganze Bahn
wurdbe mit Stahlschienen e ene Der
Verkehr auf der Inter Oceanie· Bahn
stockt wegen der Opposition, die gegen den
nenen Oberbetriebsleiter dieser bhhn be
eht.

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