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q 7 8 ; 7* ; 7 u 1 7 ——— “ - ; —— —72 n t * „Lunxemburger Gazeltte“ erscheint jeden Di en stag und kostet unter Vorausbezahlung sür die Ver. Staatenn. Canada: Ddayrlich.. . ··· · · 2.50 | Halbjäãhrlich .. . t 1.23. Sitadtabonnenten, jã hrlich d 2.50. Nach Eurvopa portofrei: (müssen vorausbezahlt werden) Jährlich. ······ ··· ·.0 Halbjãhrlich.. . t 1.50. Correspondenzen und Mittheilungen müüsens v estens bis Freitag Morgen wenn sie in der nãchsten Nummer Ausfnahme sinden sollen, einge sandt werden. Briese ohue Untirschrijt werden n icht berüctsichtigt. t Nur für die Gelder, dieper registrirten Brief, oder Geldanweisung (Money Order) gesandt werden, übernehmen wir die Verantwortlichkeit. Alle Briese, Correspondenzen u. s. w. adressire man einsach: Wochen-Rundschan. Wenn dieses Blatt in den Händen unserer Leser sein wird, wird die Ent— scheidung über die politische Herrschaft der Parteien gefallen und das Schidsal des Landes in des Siegers Händen sein. Wird's zum Guten oder zum Bösen sein? Das mag Jeder nach Belieben beantworten. Ohne uns da— her auf Kannegießerei einzulassen, wol len wir unsere Rundschau für das In—- land auf einige wenige Zeilen beschrän—- ten und den Depeschenmittheilungen das Wort lassen. Eine Sensation hat man noch in voriger Woche gemacht, indem aus Süd-Dalkota mitgetheilt wird, daß der katholische Bischof von daselbst, Msgr. Martin Marty, Circulare an Priester des Staates ausgesandt habe, welche dieselben dazu bewegen sollen, ihren Einfluß zur Wiederwahl des Senators Pettigrew auszüben. In diesen Cir— cularen ist die Liste der Candidaten für die Legislatur angeblich in Typeschrift ausgeführt und darunter mit Bleistift Folgendes geschrieben: „Bitte, wenden Sie Ihren Einfluß an, um die obenstehenden Candidaten zu erwählen, damit Pettigrew wieder in den den Senat komme. Daß Bischof Martin Marty den republikanischen Candidaten für den Bundessenat, Richard Franklin Petti— grew, seinem demotratischen Geaner vorzieht, scheint uns nicht im Minde— sten anstößig. Denn in der katholi— schen Kirche besitzt Niemand die Auto— rität, entweder Bischöfen, oder Prie— stern, oder Laien die Art und Weise vorzuschreiben, in der sie ihr politi— sches Stimmrecht ausüben sollen. Aber daß ein so umsichtiger und besonnener Prälat, wie Bischof Marty, O. 8. 8., in seiner amtlichen Eigenschaft ein Wahlecircular verbreitet hat, das den Gewissen der ihm untergebenen Priester Gewalt anzuthun bestimmt ist, glauben wir nie und nimmermehr. Vielleicht hat er in einem Privatbriefe seine An— sichten ausgesprochen, und der betref fende Preßzigeuner hat daraus die obige Geschichte gemacht. Ein beherzigenswerthes Dokument ist das Schreiben Prä— sident Clevelands mit welchem derselbe den Danksagungstag für den kommen— den 29. November festsetzt. Hier das— selbe im Wortlaute: 1 j Eine Proklamation des Prä— sidenten der Vereinig— ten Staaten von Ameritka. Das ameritanische Volt sollte freudi gen Herzens dem obersten Lenker des Weltalls, der mit Güte und Sorgfalt während des vergangenen Jahres über die Bewohner dieses Landes gewacht hat, Lob und Dant zollen; mit Demuth und Vertrauen sollte serner das Volt den Vater aller Gnaden und Segnun— gen anflehen, sich ihm auch weiterhin huldvoll zu erweisen und durch Hand— lungen der Menschenliebe sollte es sich bestreben, die Gunst des Gebers jeder guten und vollkommenen Gabe sich zu erwerben. Zu diesem Behufe bestimme ich, Grover Cleveland, Präsident der Ber. Staaten, daß der Donnerstag, der 28. Nov. d. 1., als Tag zum Dantsagen und Beten für alle Bewohner dieses Landes festgesetzt werde. Lassen wir an jenem Tage unsere gewöhnliche Arbeit und unsere Ge— schäfte ruhen und versammeln wir uns in unseren Gotteshäusern, um dem All mächtigen für unsere Erhaltung als Nation, für unser Freisein von Kranlk—- heiten und Pestilenz, sür die Ernten, welche unsere Landwirthschaft belohnt, für die Erneuerung nationaler Wohl—- fahrt und für jeden Fortschritt in Tu— gend und Intelligenz, unseren Dant arinltatten nd während wir Dank sagen, laßt uns auch beten, daß diese Segnungen unter uns vervielfacht, daß unser natio nales Gewissen zu einer besseren Aner tennung der Macht und Güte Gottes belebt werde und daß wir in unserem nationalen Leben den Pfad der Recht lichteit Harer erkennen und wandeln mögen. Laßt uns auch in den Gotteshäusern sowohl., wo wir dem Geber alles Guten unser Lob darbringen, wie auch in den gemüthlichen Zusammenkünften von Verwandten und Freunden an jenem Tage die göttliche Huld und Gnade an- “ * ; 4e en ; ; ; - a 2 ʒ ie t V— 1/ 7 ..4 - ; : a. 02 9 1 4 Q u ; 1 ; 00 7 ; ; 7/ t: ch —7 - 2 ; * 0 “LUXEMBURGER GAZETTE“, Dubuque. lowa. Osficeder,,Gazette“ Cdeder Sechsten und JZowastrahe. In land. M. Marty, Bischof.“ 7 2 2 I 1 d Für Keht und Herausgeber: Deutsche, RKatholische Druck-Gesellschaft. Jahrgang 24. rufen, dadurch daß wir der Armen und Nothleidenden in wohlwollender Weise gedenkten. Wahrlich, Er, der uns Be— hagen und Ueberstuß gegeben hat, wird die Hülfe, die wir den Bedürftigen gewähren, und unsere werkthätige Aus— übung der Menschenliebe, als Beweise der Aufrichtigkeit unserer Danksagung anertennen. Gegeben in der Stadt Washington am ersten Tage des November im Jahre unseres Herrn, akhtzehnhundertund—- vierundneunzig, der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten im einhun— dertundneunzehnten. Gez.: Grover Cleveland, - Präsident. —W. O. Gresham, Staatssekretär. Ausland. Der Czar von Rußland ist todt. Der Todesengel berief den mächtigsten der Kaiser Europas, das Oberhaupt der russischen Kirche am Allerheiligentage, am 1. Nov., des Nachmittags um ein Viertel nach zwei Uhr in das Jenseits. Wird es ein „besseres“ Jenseits für ihn sein? Wir wollen es hoffen und nicht urtheilen, denn das Urtheil zu sprechen ist allein Jenem Vorbehalten, von welchem We—- ber spricht, da er sagt: Eines, der in ehr'nen Händen Hält die Waage, recht zu wägen; Der die Szepter knickt wie Ruthen Und wie Stroh das Schwert der Degen. Die ergreifenden Zeilen passen so recht zum Tode des Mannes, in dessen Händen die Macht lag, durch einen einzigen, Befehl Europa in einen Krieg zu stürzen, der unsägliches Elend ge— schaffen hätte. Daß er es nicht gethan ist seine Ehre und verdient den reichen Tribut der Sympathieen, welcher seiner Familie von der ganzen Welt an seiner Bahre gezollt wird. Dem persönlichen Charalter des verstorbenen Czar wird vor Allem eine große Liebe für die nie— deren Classes seines Volkes nachge— rühmt, dessen gute Eigenschaften er besaß, ohne sich den Lastern derselben im Geringsten zu ergeben. Seine letzten Stunden boten Szenen voll der rührendsten Momente. Als der erste November dunkel und unfreundlich über die Czarenwohnung hereinbrach und draußen das finstere Wetter sich in Einklang mit der trüben Stimmung in dem Kaiserpalaste setzen wollte, fühlte der Kaiser seine Kräfte schwin—- den. Er sammelte die Mitglieder sei— ner Familie um sein Sterbelager und sprach mit dem Bewußtsein seines nahen Scheidens lange mit jedem Einzelnen der Seinen, am Längsten aber mit sei ner Gattin, der Czarina, welche er innig liebte und achtete, da es ja von ihm in St. Petersburg hieß, „er sei der einzige Mann gewesen, welcher sei— ner Gattin treu war“, und als der Tod ihn traf, fand er ihn in den Armen seiner Gattin, ein Beispiel der ehelichen Treue. Solches sind in kur— zen Zügen einige Worte zum Tode des Herrschers aller Reußen. —Um Näheres verweisen wir auf die Depeschen. Ueber Caprivi's Resi.gna— tion, das letzte Hauptereigniß der Politit Deutshlands, haben wir in voriger Nummer berichtet. Die „Ame— rita“ meint, Miquel sei der „Hecht im Weiher“ gewesen und sucht in dem Vorgange des preußischen Finauzmi— nisters Werk. Sie schreibt: „Durch den Einfluß der „Kaiserin Friedrich“ gelangte bald nach der Be— seitigung Bismarchks ein Mann in das preußische Ministerium, dessen hochstre— bender Geist mit dem Amte eines Ober—- bürgermeisters nicht zufrieden war. Johannes Miquel beschäftigte sich wäh— rend der ersten Jahre seiner Amts— führung anscheinend ausschließlich mit Finanz-Reformen, hatte aber beständig ein Auge anf die obersten Stufen der Leiter, an der er hinanzutlimmen be— gonnen hatte. „Wie alle klugen Politiker ging er nur langsam, Schritt für Schritt, vor wärts. Und da, so lange seine Vor— gesetzten in Harmonie miteinander leb ten, für ihn nicht viel Aussicht war, so suchte er sie, in verschlagener Weise, unvermerkt gegeneinander aufzureizen. „Gegenwärtig scheint diese Thätig— leit mit Erfolg gekvönt worden zu sein. Beide sind so bös aufeinander, daß sie den Staatswagen nicht gemeinsam wei— ter zu ziehen entschlossen sind, und der junge Kaiser, dem die immer wieder— tehrenden Reibungen lästig geworden sind, läßt sie gehen. „Daß Miquel nicht gleich selbst das höchste Amt, das des Reichstanzlers, für sich in Anspruch genommen hat, ugt von Klugheit. Lieber einen vor- —7— ̃ 1 7 ; 7 8 et— —— Dubunque, Jowa, Dienstag, den 6. 9 nehmen Herrn aus einer „fürstlichen Familie“ eine Zeit lang an der Spitze der Tafel sitzen lassen, bis ihm cuch dieser Ehrenplatz als reife Frucht in den Schooß fällt. „Ob die Uebertragung des Präsi— diums im Ministerrath an Miquel bedentliche Veränderungen in der inne ren oder äußeren Politit Preußens bewirken wird? Wir glauben nicht. Miquel ist viel zu gescheut, um sich auf Abenteuer einzulassen. Er dürfte mit dem ruhigen Genusse der Macht zufrie den sein. „Und es mag leicht geschehen, daß seine Regierung in Preußen von län— gerer Dauer ist. Denn er hat nicht allein die verständige Art, seinen Ein— fluß ohne Prahlerei, ganz im Stillen, zur Geltung tommen zu lassen, sondern er wird auch durch die Kaiserin Fried— rich, die hochbegabte Mutter des Kai— sers Wilhelm, darin unterstützt.“ Ueber die Person, welche den „aller— neuesten Curs“ lenken soll, stellen wir das Folgende zusammen: Neunzehn Jahre lang stand Fürst Bismarck am Steuer des deutschen Reichsschiffes; er lenkte es fast ganz nach seinem Belieben, denn der greise kaiserliche Kommandant hatte unbe— grenztes Vertrauen auf die Erfahrung und das Geschick seines bewährten Un— tergebenen. Als aber der neue Herr das Kom— mando übernahm, geriethen Komman— dant und Steuermann bald in Kon— flitt und Letzterer räumte das Feld, um einem willigeren Diener Platz zu machen, der sich dem jugendlichen Eifer des Gebieters mit soldatischem Gehor— sam zu fügen verstand. Aber auch ihm wurde der Boden unter den Füßen zu heiß. Je nach den rasch wechselnden Launen des Kommandanten, der selbst-- süchtigen Intriguanten und Ohren— bläsern sein Ohr lieh, so änderte das Reichsschiff so oft und ohne Ursache den Kurs und verrannte sich schließlich in solche gefahrdrohenden Wasser, daß der ehrliche Steuermann die Verant—- wortung nicht länger tragen möchte und seinen Posten niederlegte. Der dritte Lenker des Reichsruders ist ein 75jähriger Greis und heißt Chlodwig, Karl, Viktor, und führt als Titel Fürst zu Hohenlohe - Schillings fürst und Prinz von Corvey. Die Familie Hohenlohe stammt aus Süddeutschland, ist aber gegenwärtig auch in Preußen verbreitet. Ihre Hauptzweige sind: Hohenlohe - Lan— genburg, Hohenlohe -Oehringen, Ho— henlohe-Ingelfingen, Hohenlohe - Bar tenstein und Hohenlohe-Schillingsfürst. Der neue deutsche Reichskanzler ge— hört zum jüngeren Zweige: Hohen— lohe-Schillingsfürst und ist einer von vier vielgenannten Brüdern. Er selbst ist der älteste und war bisher Statt— halter in Elsaß - Lothringen; Victor, der nächste, wurde von Friedrich Wil— helm dem Vierten zum Herzog von Ratibor ernannt; der dritte, Gustav Adolph, ist Cardinalpriester der römi— schen Kirche und residirt jetzt in Rom; Constantin, der vierte, war bis vor Kurzem noch Oberst -Hofmeister des Kaisers von Oesterreich. Chlodwig, Karl, Viktor, Fürst zu Hohenlohe - Schillingsfürst und Prinz von Corvey, ist zu Rothenburg an der Fulda am 31. März 1819 geboren, ist also jetzt 75 Jahre alt. Er studirte in Heidelberg, Göttingen und Bonn die Rechte und trat 1842 in den preußi schen Justizdienst. 1845 verließ er aber diese Lanfbahn wieder, um die ihm durch den Tod seines Bruders zu gefallene Stammesherrschaft Schil— lingsfürst im baierischen Regierungs— Bezirt Mittelfranken zu übernehmen. In die Kammer der baierischen Reichsräthe als Mitglied eingeführt, betämpfte Fürst Chlodwig, obwohl selbst „Kalholit“, die österreichische Po litik der Ministerien Schrent und von der Pfordten. Nach dem Kriege von 1866 forderte er offen den Anschluß Baierns an Preußen. Sein Programm umfaßte eine enge Allianz Baierns und der südwestlichen deutschen Staaten an Preußen, die Stellung der Contingente derselben unter dessen Führung im Kriegsfalle, und Reorganisation der Armee. Auf dies Programm hin wurde Hohenlohe am 31. September 1866 zum baierischen Minister des Auswärtigen ernannt. Im Wahlkreise Forchheim als Abge- 4 7 E 2 237 e ordneter zum Zollparlament gewählt, war Fürst Chlodwig lange Zeit dessen Vice-Präsident. Durch seine cultur— kämpferischen Neigungen, insbesondere durch seinen Jesuitenhaß, machte sich der Fürst aber der baierischen Patrio— tenpartei verhaßt und mußte in Folge dessen Mitte Februar 1870 seinen Mi— nisterposten aufgeben. Als baierischer Reichsrath stimmte Hohenlohe am 30. Dezember 1870 für den Eintritt Bai— erns in das deutsche Reich. In den ersten deutschen Reichstag trat er eben— falls als Abgeordneter für Forchheim ein und gehörte dort vier Jahre lang der liberalen Reichspartei, später aber keiner Fraktion an. Nach der Abberufung des unglück lichen Grafen Harry Arnim wurde Fürst Chlodwig im Mai 1874 zum deutschen Botschafter in Paris ernannt, und arbeitete in dieser Eigenschaft in vollster Harmonie mit dem Fürstlen Bismarck. Auf dem Berliner Congreß des Jahres 1878 fungirte er als dritter Bevollmächtigter des deutschen Reiches- Nach dem Tode des Ministers von Bü— low übernahm er 1880 interimistisch die Geschäfte des Staatssekretärs der auswärtigen Angelegenheiten, und sprach in dieser Eigenschaft im Reichs— tage für die Samoa-Vorlage. Der Centrums-Partei zeigte er sich auch in dieser Stellung wenig gewogen. Im Juli 1885 wurde Hohenlohe- Schillingsfürst, nach dem Tode des Ge— neral - Feldmarschalls von Manteuffel, zum Statthalter von Elsaß-Lothringen ernannt. Hier wirkte er neun Jahre lang nach dem Herzen Bismarck's. Freundliches Entgegentommen gegen den katholischen Clerus, wie es Man—- teuffel geübt hatte;, vermied er. Da— gegen suchte er dts Deutschthum der Reichslande in jeder Weise zu kräftigen. Wenn wir den neuen Reichskanzler mit seinem Vorgänger Caprivi verglei chen wollen, schreibi die „Amerita“, der wir obige Biographie des neuen Reichs— tanzlers entnehmen, so fällt ein solcher Vergleich nicht zu seinen Gunsten aus. Einen Schulgesetzentwurf wie den Zed— litz'schen würde Hohenlohe nicht unter— stützen; den conservativen Protestanten schwerlich entgegentommen. Die Auf— hebung des Anti - Jesuiten - Gesetzes aber, wie sie der deutsche Reichstag mehr als ein Mal beschlossen hat, dürfte an ihm einen entschiedenen Geg— ner finden. Ueber den Ausfall der Wahlen in Belgien wird folgerich— tig und sehr e vom „Schwarzen Blatt“ geschrieben: Die große Lehre der belgischen Wah— len ist die, daß die Zeiten des Libera— lismus endgiltig vorüber sind und daß überall der Sozialismus, dessen Vor— frucht jener ist, ihn ablöst und an sei— ner Statt das Banner des Antichristen erhebt gegen die christliche Weltauschau— ung, die auch ihrerseits den Liberalis— mus vollständig üherwunden hat und nun muth- und kräftvoll getragen von der unerschütterlichen Treue und Be— geisterung des gläubigen Volkes, den Kampf gegen den Umsturz aufzuneh— men bereit ist. So sehen wir die bei— den großen Heerlager, von deren bevor—- stehendem Entscheidungstampfe die Geschicke der Welt abhängen, immer tlarer hervortreten und erstarken anf Kosten derer, die nicht die vollen Con— sequenzen nach der einen oder nach der anderen Seite ziehen wollen, auf Kosten der Halben und Unentschiedenen. „Die Sozialdemokratie und der Ultra montanismus theilen sich in die Welt“, sagt der strengprotestantische „Reichs— bote“ angesichts des Ergebnisses der belgischen Wahlen, und der „Ultra— montanismus“ sügen wir hinzu tommt bei dieser Theilung wahrlich nicht zu kurz. 152 Abgeordnete hat das belgische Volk in die Kammer zu wählen; 77 davon haben die Katholiken nach dem jetzt betannten amtlichen Er— gebniß gleich im ersten Wahlgange aus ihren Reihen durchgebracht und damit bereits die seitherige Mehrheit in der Kammer behalten. Die Liberalen ha— ben nur 7, buchstäblich sieben der Ihri— gen bei der Hauptwahl durchgesetzt. die Sozialisten ein volles Dutzend. In stark verringerter Zahl, in sich uneinig uund gespalten in Doctrinäre und Radicale, wird die liberale Partei in Zutkunst vollig bedeutungslos sein, bedeutungslos auch ihrem Werthe nach, da das allgemeine Wahlrecht jeden Zweifel daran, daß der Liberalismus im Volke keinen Boden mehr besitzt, be seitigt hat. Die Voltsmassen, die frü—- her ihm nachliefen, die er verführt und dem Glauben abtrünnig gemacht hat, 2 79 A— k 3 ger 1 1 der hl. ovember 1894. haben folgerichtig den zweiten Schritt gethan und sich der Socialdemoktratie, welche heute den Materialismus gründ licher und gerechter vertritt als der Li— beralismus, in die Arme geworfen. Ihnen gegenüber steht die treukatho— lische große Mehrheit des belgischen Volkes als festes Fundament der katho—- lischen Kammerpartei und beweist so, daß außer dem Socialismus nur noch die katholische Kirche im Stande ist, die Massen an sich zu fesseln, zu organisiren und zum Siege zu führen. Telegraphische Depeschen. Inland. Buffalo, N. Y.,2. Nov. Ohne irgend welche betannte Veran— lassung erschoß heute in dieser Stadt Wm. Gipps seine Mutter, und brachte seinem Vater eine tödtliche Wunde, bei. Der Vater- und Muttermörder hatte eine Anstellung als Inspelter von Eisenbahnwagen, und war während der ganzen Nacht beschäftigt. Als er heute Morgen nach Hause kam, zog er ohne ein Wort zu verlieren einen Revolver bhervor, und schoß zweimal auf seine Mutter; ein Schuß drang in die Schläfe, und der zweite in den Körper der Frau ein, welche sofort todt zu— sammenbrach. Durch die Schüsse wurde die Familie geweckt, und als sein Vater im Zimmer erschien, feuerte der Sohn auch auf diesen zwei Schüsse ab, von denen der eine das Auge traf, und der andere in die rechte Brust eindrang. Darauf drangen die anderen Brüder in das Zimmer und versuchten dem Mord— buben die Waffe zu entreißen. Nach einem kurzen Kampfe riß sich derselbe jedoch von ihnen los, rannte in den Hof hinaus und enitam. Der Vater befindet sich dem Tode nahe im Hospital. Buffalo, N. Y., 2. Nov. William Gipps, der seine betagte Mutter ermordete und seinen Vater schrecklich verwundete, wurde heute ein— gefangen. Er ist tobsüchtig und es be— durfte der gemeinschaftlichen Anstren gungen von acht starkten Männern, um ihn im Polizeihauptqartier in die Zwangsjacke zu stecken. San Francisco., Ca1.,l 2. Nor. 1 Die größte politische Sensation der Campagne ereignete sich heute Nachmit tag. C. I. Stillwell, ein Privat-Ge— heimpolizist, strengte eine Klage gegen den Registrar Evans und 6000 Stimm— geber an, die er beschuldigt, unrecht mäßiger Weise in den Listen zu stehen. Stillwell behauptet, die demotratische und nicht-parteiische Reinheit des Wahl— ausschusses zu vertreten. Jeder der 6000 wird mit Namen genannt. Es heißt, dieselben hätten teine gesetzliche Wohnung und der Kläger verlangt, daß ihre Namen aus der Liste gestrichen werden. Wenn die törtlichen Gerichte sich weigern, einzuschreiten, erklärt Stillwell, sich Haftbefehle verschaffen zu wollen, wenn sie an dem Stimmtktasten erscheinen, um zu stimmen, vorausge— setzt, daß die Haftbefehle nicht allen vor dem Wahltage zugestellt werden können. Omaha, Neb., 1 Nov. Die demotratischen „Bolter“ in Ne— brasta gewannen heute einen großen Sieg und das Ergebniß desselben ist, daß die Nominirten des County's, be— kannt als „Rumpf“-Demokraten, auf dem amilichen Stimmzettel in diesem County als „Stramme Demotraten“ erscheinen werden. So hatte der County— Clert entschieden und eine Klage im Bezirksgericht, um ihn zur Aenderung zu zwingen, wurde zu seinen Gunsten entschieden. Da Omaha das Schlacht feld ist, so wird dies als ein großer Sieg für die „Bolter“ angesehen. Ausland. Rußland. Livadia, 1. Nov. Czar Alexander 1111. ist heute Nach mittag 2 Uhr 15 gestorben. Londen, 1. Nov. Nach einer Privatdepesche an die Kö— nigin von Dänemart, die Mutter der Czarin, ist der Czar heute Nachmittag um drei Uhr verschieden. Von dem Augenblicke, wo das heu— tige Bulletin aus Livadia ausgegeben wurde, wußte man, daß es sich beim Ableben des Czaren nur noch um einige Stunden handeln könne. Die Bulle— tins, welche meldeten, daß der Tod des ECzaren am Morgen erfolgt sei, welche in London angeschlagen und nach den Ver. Staaten getabelt wurden, sind noch verfrüht gewesen. Das Berliner Auswärtige Amt und die hiesige rus sische Botschaft haben die Nachricht vom Ableben des Czaren nicht vor 6 Uhr heute Abend erhalten. Sobald der Leichnam des Czaren für die Beerdigung hergerichtet ist, wird derselbe auf einen geneigt stehenden Tisch gelegt und darauf in einen vor— läufig zur Aufnahme desselben bestim ten Sarg gelegt werden. Dann wer— den die Priester das Sterbezimmer be- Redakteur: NHikolaus Gonner. treten und ein Requiem singen. Dies wird bis zur Beerdigung dreimal täg— lich wiederholt werden. Sämmtliche Mitglieder der kaiserlichen Familie wer— den bei den Ceremonien zugegen sein. Man erwartete, daß die Leiche des Czaren morgen nach der Privatkapelle überführt werden wird, wo besondere Gebete für die Ruhe der Seele des Cza— ren werden dargebracht werden. Ein— mal täglich wird daselbst eine Litanei gesungen außer dem bereits erwähnten Requiem. Wenn die Priester das Sterbe— zimmer betreten, räuchern sie die Leiche zuerst mit Weihrauchsdampf ein und dann nimmt der Gottesdienst seinen Anfang. Wie verlautet, wird der Czarewitsch sofort· eine Protlamation erlassen, in der er sich zum Czaren erktlärt, und alle russischen Beamten in der Welkwerden hobald als möglich den Treueeid leisten. St. Petersburg, 1. Nov. General Kostenda, Befehlshaber der Truppen des Mokauer Bezirkts. hat auf eine an den Czaren geschickte Depesche, in welcher er denselben zur Rettung aus Todesgefahr gelegentlich des Eisenbahn—- unglücks bei Borti beglückwünscht hatte, vom Czaren nachstehende Dankdepesche erhalten: „Ihnen und den Truppen dante ich herzlich für die Gefühle der Ergebenheit und die Glückwünsche, welche Sie mir am Jahrestage eines für uns so denkwürdigen Ereignisses, nämlich der wunderbaren Errettung aus drohender Gefahr übersandt haben. Londen, 1. Nov. Ein bemerkenswerther Nachruf für den verstorbenenen Czaren wird mor— gen in der „Times“ erscheinen. Der Verfasser desselben war mit dem Cza—- ren innig befreundet und gesteht offen, daß derselbe nicht das geringste Inte— resse an hoher Bildung gehabt habe. Es heißt in dem Nachruf unter Ande—- rem: In Wirklichteit freute und rühmte sich der Czar, daß er gerade aus so grobem Holze geschnitzt sei, wie die Mehrzahl seiner Unterthanen und wenn er auch wußte, daß er manchmal ver—- ächtlicherweise der, Bauernezar“genannt wurde, so fand er in diesem Ausdrucke eine ehrende Bezeichnung. Sein ge— rades, schrosfes Wesen, welches mitunter starkt an Grobheit erinnerte, und seine schlichte, ungekünstelte Art sich auszu— drücken stand denn auch in vollem Ein— klange mit seinen grobgeschnittenen Zü— gen und seinem etwas linitischen Be— nehmen. Der Eindruck, den er im Allgemeinen in der Unterhaltung machte, war der, daß er ein guter, ehr— licher, mäßig begabter, willensstarker Mann war, der vielleicht Auseinander— setzungen zugänglich war, der jedoch auf keinen Fall weder von seinen Unter— gebenen noch sonst Jemand sich irgend etwas gefallen ließ. Nur diejenigen, welche den Vorzug gehabt haben, ihn im traulichen, zwanglosen Familien treise zu beobachten, besonders, wenn er mit seinen Kindern sich herumtum— melte oder sich mit seinen vierfüßigen Lieblingen amüsirte, vermochten voll— auf einzusehen, welch' ein einfacher, gü— tiger Charatter hinter dem durchaus nicht einnehmenden Aeußern vorborgen war. Der Verfasser spricht sodann von der tiefeingewurzelten, starkten Voreinge— nommenheit des Czaren gegen die Deut— schen seit der Zeit, daß er der Czare— witsch war. „Aber“, sagt der Versas— ser, „er hatte stets Ffriedliche Neigungen. Er fürchtete, Rußland möchte das Opfer eines Staatsstreichs des jungen deut— schen Kaisers werden und hielt es deß— halb für gerathen, sich nachdrücklichst um die Gunst Frankreichs zu bewerben. Indessen ist seine Haltung von Frant— reich in ganz ausfallender Weise über— trieben, wenn nicht ganz und gar miß— verstanden worden. Der Czar war zu sehr Selbstherrscher, um an den Klän— gen der Marseillaise in seiner Haupt—- stadt Gefallen zu finden und zu klug, um sich enge mit einer leicht erregbaren Nation mit einer schwachen Regierung, zu verbünden. Während er jeder Zeit bereit war, für diplomatische Zwecke, sich auf gewisse Einvernehmen einzu— lassen, fiel es ihm doch im Traume nicht ein, sich in einen Krieg zerren zu lassen. St. Petersburg,l. Nov. Halb 12 Uhr Abends. Das Redactionsgebude des „Amts— bote“ war heute während des ganzen Tages von einer ungeheuren Volksmasse belagert, welche begierig war, die neu— sten Nachrichten zu erfahren. Das Bul— letin, welches meldete, das die letzte Hoffnung aufgegeben sei, wurde von der trauernden Menge in tiefem Schwei gen gelesen. Zahlreichen Leuten stan— den dabei die Thränen im Auge. Vor— beifahrende Wagen hielten an, um ihren Insassen Gelegenheit zu geben, das Bulletin zu lesen. Die erste Nach richt vom Tode des Czaren wurde kurz nach 7 Uhr durch Mauernanschlag hier betannt gemacht. Eine Biertelstunde später wurde die Trauerbotschaft durch ein Salut von Kanonenschüssen von der Festung Peter und Paul bestätigt. Eine spätere Depesche meldete noch, daß der Czar heute Morgen um 10 Uhr, als er das Abendmal empfing, bei vol- No. 1215. Preise der Anzeigen. Jeder Zoll der Spalte per Jahr INMonuate. . . 915 3Monait Für jede Zeile Brevier, oder deren Raum, das erstemal õ Cents. Heiraths· und Todes· Anzeigen mit Spruch 31.50 ohne Spruch ʒI.OO. Anzeigen, die dem Geiste der kath. Kirche zuwi der sind, finden keine Aufnahme. Anzeigen sende man späte—- stens am Montag Mor—- ; gen ein. JZob-Arbeiten aller Art prompt und billig ansgeführt. Office der,„Gazette“. Ede der Sechsten und Zrwigraze. lem Bewußtsein war. Die Mitglieder des Reichsrathes und andere hohe Civil- und Militärbeamte versammelten sich heute Abend um 10 Uhr in der Kathe— drale Montebello, wo ein feierliches Todtenamt für die Ruhe der Seele des Czaren abgehalten wurde. Der hiesige französische Botschafter, der sich zur Zeit in Paris befindet, wird unverzüglich nach hier zurücktehren. Die Herzogin von Sachsen-Koburg und Gotha (die Herzogin von Edin—- burgh) die einzige Schwester des Czaren, ist heute Morgen in Yalta eingetroffen. St. Petersburg, 2. Nov. Heute Morgen, um 9 Uhr, verkün—- deten taiserliche Herolde in glänzenden Uniformen, umgeben von einer Abthei lnng Trompeter, den Tod Alexanders 111., und die Thronbesteigung Nitko laus 11. Die zwei Herolde durchzogen mit ihrer Begleitung die Hauptstraßen der Stadt und nachdem die Trompeter drei laute Trompetenstöße hervorge schmettert hatten, wurde die Proklama—- tion des Kaisers Nitolaus 11. bekannt gemacht. In ganz Petersburg wird die Thron besteigung eines neuen Czaren als Fest tag gefeiert, und' hat den Vorrang vor den Trauerfeierlichteiten. Die russi— schen Zeitungen erscheinen deshalb ohne Trauerrand, und dje öffentliche Trauer wird erst morgen beginnen. Gestern Abend um zehn Uhr wurde das erste Todtenamt für Alexander 1111. in St. Petersburg abgehalten, und säurmtliche Minister und Mitglieder des Geheimen Rathes wohnten demselben bei. Nach dem Gottesdienste leisteten sämmtliche Anwesende dem Czaren Ni tolaus 11., und dem zeitweiligen Czare— witsch, dem Großfürsten Georg, dem Bruder des Czaren, den Treueeid. Heute Morgen versammelte sich der Senat und legte den Treueeid ab; zu gleicher Zeit schwor die ganze Garnison von St. Petersburg in Paradeuniform dem neuen Czar Treue, und später leg ten auch die Civilbeamten des Reiches den Treueeid ab. Livadia, 2. Nov. Nachdem die Leiche der Czaren ein balsamirt, und mit der Uniform des Praobratschenskischen Garderegimentes betleidet worden war, wurde sie in die tleine Privattapelle des Palastes über— geführt. Rings um die Bahre waren angezündete Kerzen aufgestellt und Prie ster und Offiziere lösten sich bei der Be wachung der Leiche ab. Dem Gottesdienste, welcher später in der Kavpelle stattfand, wohnten sjämmt— liche Mitglieder der taiserlichen Familie und des kaiserlichen Haushaltes bei. Nachdem der dienstthuende Priester den Leichnam beweihräuchert hatte, begann er ein eindrucksvolles Requiem zu sin gen. Die ganze Feier war eine überaus erhebende, und machte auf alle Anwe senden einen tiefen Eindruck. Deutschland. Berlin, 2. Nov. Die „Kreuzzeitung“ bringt heute Morgen eine Depesche aus Stettin, wonach der Kaiser daselbst einem von den Offizieren des Königs-Grenadier— Regiments gegebenen Festmahle bei—- gewohnt habe. Kurz nachdem der Kai— ser den üblichen Trinkspruch ausge— bracht, traf die Nachricht vom Tode des Czaren ein. Nachdem der Kaiser seine Rede beendet hatte, setzte er sich nieder nnd erhob sich abermals und sprach über die von seinem Großvater gehal—- tene letzte Revue. Er sagte, daß zu jener Zeit der Schatten des Todes seit einem Jahre über dem Haupte seines Vaters geschwebt habe. Dann kün digte er an, daß er eine Nachricht von ungeheurer Tragweite erhalten habe, die Meldung vom Tode des Czaren. „Er gedachte unserer Traditionen, fügte der Kaiser hinzu, welche in frühe— ren Tagen uns zu brüderlicher Ein tracht mit dem russischen kaiserlichen Hause verbanden, und uns in letzter Zeit abermals zusammenführten. Un sere Sympathien für den neuen Czaren verbinden wir mit dem Wunsche, daß der Himmel ihm Kraft für sein schwie riges Amt verleihen möge. Lang lebe der Czar Nitolaus 11. Hurrah! Die Musiktapelle spielte darauf die russische Nationalhymne. Peru. Tacoma, Wash., 1. Nov. Eine Spezialdepesche an den,„Ledger“ aus Victoria, B. C., meldet, daß das Flaggenschiff „Royal Arthur“ und vier andere Schiffe des an jenem Punkte stationirten britischen Geschwaders Be fehl erhalten haben, sofort nach Callao in See zu stechen. Die Revolutionã ren haben das britische Consulat in Besitz genommen und den Consul zum Gefangenen gemacht. Seine Frau und seine Tochter wurden getödtet und das Consulat bis auf den Grund nie dergebrannt. Tacoma, Wash., 1. Nov. Das Flaggenschisf geht heute Abend unter Volldampf in See und wird um Mitternacht eine Stunde in Victoria anlegen. Admiral Stephenson befin det sich an Bord. · · 212.00. 6.02