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gen rj^|en $**teln 5V|ut!" ,r,lf lV#itne 5,3%inn, eh ttv lf"Jlfcr n fiooa *ioa bV'i Vj e W e s o i i tftt. e a u s e e y^WyiAlSi"AiVW.I'l'''LiMVVVA'NAi Wärest Dm Iahrqa»s» »ob 52 9?nwmem 3» i f»#« i» Bora»Sbtj«hlung. k i Novelle vo» 8. i e th s f. l?vrtse»«ng.) Der SchissSmann trank sein Maß a*S. »'s hat ^ich schon manch Einer verirrt zwischen den Weiden imt) hat die Meerlinsen für GraS angesehen," sprach er, „der wird's auch nicht gerade an der Stirn ge schrieben tragen, wenn er in ein paar Tagen darun ten am faux rempart in den Weiden hängt, daß wir Ihm den Weg gezeigt haben." „Das ist eine ärgerliche Geschichte/ sprach düster fctt Wirth. Der Schisssmann lachte, es wâr' noch ärgerlicher, wenn wir ans die Galeeren müßten Ihr wäret Goch nicht dort, Dreisnnkener, wie ich, sonst ließet ehr auch lieber Einen über den Rand des Nachens schnappen, als selber an die Kette gehen wie ein Tanzbär." Der Wirth schauderte und tedeckte die Augen mit der Hand. „Lustig. lustig. Mann 1" rief der Schiffer, „wer V sagt, muß auch lernen, und wer in der Jugend stirbt, «ird ein um so schönerer enget." Mit einem dumpfen fchfnftjflrtf« OeflHs in der Stirne erwachte Rudolph aus verkürzen Ohnmacht, welche nach dem Faustschlag des Schmugglers ihn «gewandelt, aber es dauerte lang, bis seine betäub en Sinne sich wieder lichteten, bis er auf den feuch Hen Kellerstnfen, auf welchen er lag, umhertastend, seiner Lage und der Umstände, welche dieselbe her 'Heigeführt, sich klar wurde. «8 Er wußte sich gefangen, in der Gewalt böswilli Gesindels, aber er war so ermattet und erschöpft^ aß feine Bewegung den Drang verrieth sich zu be !reien, kein Ton anzeigte, daß er noch lebe. Wil Hen- und kraftlos lag er da, wo et hingesunken war, starrte in die tiefe Dunkelheit hinein. Zufam Mienhanglose Bilder und Gedanken, leere Worte in ^»einigender Wiederholung summten ihm durch den ^ßkopf, eine bleierne Schwere lastete auf seinen Li- Sern. Ein blaufahler Blitz zuckte über den Nacht «Jimmel hin und ließ das eiserne Kreuz in der Kel erluke gegenüber seinem Blick erscheinen, ein ferner Demter rollte nach. :*j3 Rudolph schloß die Augen, das dunkle Kreuz auf ^Hellem Grunde tanzte tausendfach vervielfältigt ihm ^avot, der Donner schien ihm fort und fort zu rol- wie der Sturz eines Wasserfalls, im Brauseu rtâfutd Flimmern wollten ihm wieder die Sinne vcr zzGehen. ,»ft Da tönte ein vorsichtiger Fußtritt von unten her, tjiin leichter Schritt (am herauf, ein Frauengewand Berührte die Stirne des Liegenden, der mit aller ihm zjMu Gebote stehenden Willeué&^Ct die Ohnmacht von "!?ch schüttelte. „SEBet ist da?" fragte et* „Still, still antwortete esl'eise, er sah im Dun- die Umrisse einer weiblichen Gestalt, eine Hand ^Haßte die seine, und eine Stimme flüsterte ihm in's t' iDht: „Folgt mir so leise Ihr könnt, ich mein's "n* Wieder zuckte ein Blick über den Himmel und er -^hellte sekundenlang den Raum hinter der Luke mit Sem Eisenkreuze, und ließ mit Gedankenschnelle den "Hungen Mann die Gestalt des schönen Mädchens er '^Fennen. Unwillkürlich faßte seine Hand fester die ihre, und '^tieß er sich von ihr leiten die schmale Treppe hinab Jn den feuchten niedrigen Keller. Alte, halbverges- Märchen feiner Kmfheit kamen ihm wieder zn wie er so tappend und unsicher seiner Führe tin folgte, von Knaben, hinter welchen der Berg sich »»^schloß, die durch Nacht uud Dunkelheit vordrangen «nitis zum Mittelpunkt der Erde, geleitet von einer uu 5 jpchtbarenHand bis dahin, wo die Adern des edlenEr ,r.|es klingend aussprießen an den Wänden, wo die ge »m^eirnen Quellen hervorspringen unter dem krystalle ,-l.Hien Throne, wo fnnkelnd von Schönheit und Edel -z.'!«estein die Bergesfee sich herabbeugt und sieben Ta- F-De dem Knaben schenkt, sieben Tage voll namenloser freute und Wonne. Jeder Tag ist ein Jahrzehnt Ltnd am achten öffnet sich wieder der Berg, und der Jils lachender Knabe hineinging, schwankt d'rans '^Hervor als ein müder Greis, dem von allem Reich5 ^ihum nichts blieb als das bittere Heimweh nach dem verlorenen Glück. Ein dumpfer, rollender To» wie von an der Kcl ^lerlufe vorbeigerollten Fässern ließ das Mädchen ^jflille stehen Rudolph fühlte das Beben ihrer Hand, meinte das angstvoll schlagende Pochen ihres Her Kens zu hören. „Schnell, schnell," flüsterte das Mädchen, bückt Euch Unter leeren Tonnen, Daub bölzern und zusammengelegten Latten wanden die ...'fiZeiden sich hindurch bis zu einer in das tiefe Dun nvfifcel graulich hereinfchimmernden Oessnuug. Eine "i.fiimorfche, angelehnte Thür klappte im Windzug aus und zu, das Mädchen stieß sie auf „da hinunter," flüstert sie. Mechanisch gehorchte der junge Mann und sprang aus der Oeffnung wenige Fuß tief hin ab in einen ausgetrockneten Graben. Das Mäd che» zog mühsam die Thüre wieder zu die breite 'a^ÄKellerluke oder Thüre, zu welchem Zwecke sie auch ««-itiflfttihet gedient haben mochte, schien jetzt seit Jahren i^üäflußet Gebrauch und fast vergessen zu fein, das Schilf ... .im darunter liegenden Graben versteckte sie vollkoin« men, Sumpfluft und Alter hatte» die starken Bän der und Riegel längst so zernagt, daß es dem Mäd chen geringere Mühe kostete, diesen Laden aufzusto ßen, als wieder zu schließen. „In Gottes Namen denn 1" sprach sie und sprang durch das vor der Kel letluke wieder zusammenrauschende Schilf herab. „Mein Engel, meine Retterin," flüsterte derjun ge Mann, nach ihrer Hand greifend. „Noch nicht," antworte das Mädchen. „So sckmell und so leise als Ihr kömtt folgt mir vor trfittâ." Der Regen strömte noch immer herab, aber daS Gewitter hatte nachgelassen und der Mond schien dann und wann hinter den sich scheidenden Wolken. Rudolph sah, daß sie an der Hinterseite des Hauses hinschritten, die schwarze feuchte Mauer stieg fen sterlos und dunkel neben ihm ans, nur ein einziges Fenster, das der Wasserablauf davor als das Kü cheufenster bezeichnete, öffnete sich auf die Grabcu feite durch das Fenster, von dem Rinnsteine her ab mußte das Mädchen in den Graben gestiegen sein, um in seinen Kerker zu gelangen. „Dank, Dank," flüsterte er. „Haltet Euch nicht auf," ant wertete das Mädchen, „vorwärts." So schritten die Beiden in Regen und Nacht durch den fast endlos scheinenden Graben. Es war ein mühsames Wandern in dem schlammigen Boden durch das dichte Binsen- und Schilfgeflecht, aber endlich wurde der Boden trockener und ansteigender, das Schilf verschwand, und die Beiden stiegen an einer den Graben quer schließenden Mauer aus dem selben herauf. Der Regen hatte jetzt fast ganz nach gelassen und der Mond erhellte die Umgebung. Bei feinem Scheine sah Rudolph in der langen Mauer vor ihm eine kleine Thüre, in welcher der Schlüssel steckte. „Schließt aus," sprach das Mäd chen. Mit Mühe drehte der junge Mann den ein gerosteten Schlüssel herum, ein knarrender Ton schrillte durch die Nacht, die Thür sprang aus, und der junge Mann trat ein. Eine warme feuchte Luft wehte ihm entgegen, ein fflst betäubender Duft von Orangenblüthen und Tu berrofen. Palmenfächer nnd hängende Pflanzen gewinde stiegen in phantastischen Formen vor sei nem Äuge empor. Es war wie ein Traum, so plötzlich aus dem feuchten Graben in die Wunder der Trcpenwelt versetzt, und traumhaft erschien es dem jungen Manne, fast nur wie ein Gebilde seiner eigenen erregten Phantasie. Rasch ging er einige Schritte vorwärts, dann wandte er sich um nach der hinter ihm Eingetretenen. Alle Furcht, alle Gefahr der letzten Stunde«: war ihm vergessen vor dem Zauber dieses Momeu/s, vor der wieder erwachten dichterischen Begeisterung. Zwischen den riesigen Blättern einer Aloe blickte der Mond herein, das Pflanzenhaus mit seiner sil bernen Dämmerung füllend gerade da^in, wo das Mädchen stand, fiel der hellste Schein Rudolph $«rrtf jtta« wie «j^r äfcmiatMf licht ^csch«i^M, Jahrg. ÄS wie ein ossenbartes Wunder, und wunderbar schön war sie, wie sie so dastand, bleich und still wie ein Marmorbild unter dem dunklen Lanbe eines Oran genbaumes, dessen hellweiße Blüthenzweige wie eine Krone aus ihrem vom Regen glänzenden Haare ruhten. „Holde! Schone! Wo führst Du mich hin'. Wer bist Du?" rief der junge Mann in steigender Erre guiig seine Hände nach ihr ausstreckend. Das Mädchen trat unter dem beleuchteten Oran genbaume hervor in den tiefen Schatten, den die Blätter der Aloe warfen. „Wer ich bin?" fragte sie traurig Jeine Frage wiederholend. „Das Kind des unglücklichen An dreas Riedberger, des Wirthes zu den drei Funken, aber wer seid Ihr?" „Ein Fremder bin ich, ein Kaufn»««, und erst feit zwei Tagen in dieser Stadt." „Man hielt Euch für einen Officer der Dona ne," antwortete zögernd das Mädchen. »Ihr kamt zur bösen Stunde in unser Haus es liegt am Wasser und allerhand wildes Volk gebt aus uud ein warnm kamt Ihr hieher?" rief sie mit Bitterkeit im Tone, „warum liefet Ihr mir nach? —aber laßt's gut sein," fuhr sie ruhiger fort und wehrte ihm zureden, „das ist geschehen, ich habe jetzt nur noch Eines zu thun, Ihr sollt mir schwören bei dem, was Ihr das Höchste glaubt, daß Ihr nichts unternehme» wollt gegen meinen Va ter, was ich auch über sei» Gewerbe denken mag, ob ich's gut oder übel heiße, ob ich auch das Elend, das rings um mich sich aufthut, so schwarz und tief sehe wie Eines, ich wollte mit einem Ver rath nur keine Brücke drüber schlagen. Denkt da ran, daß Ihr mich nicht znr Mörderin macht, macht mich nicht zum Werkzeug gegen meinen Vater." „Bei allem Heiligen schwöre ich Dir Schweigen," rief der junge Mann. „Bei dem Ernste dieser Stunde, bei der Gefahr, in die Du Dich für mich begeben, schwör' ich Dir Schweigen. Aber ich will Dich wiedersehen, laß diese Stunde nicht die letzte sein," fuhr er flehend fort. Das Mädchen antwortete nicht, sie öffnete die Thüre des Gewächs Hauses, und Beide traten aus der warmen, blumendurchdufteten Atmosphäre in den kühlen, mächtigen Garten. Dunkel uud massenhaft hoben Voskette und Baumgruppen von dem Nachthinunel sich ab, das Mondlicht fchivamni zitternd über feuchte Rasen« flächen und Rabatten, es lugte hinein in dunkle Al lccn und ließ sie endlos und riesenhaft erscheinen im magischen Lichte. „Das ist der Garten des Präfekten," sprach das Mädchen, „der Gärtner findet seinen Weg nur zu oft durch den Graben nach den drei Funken. Gott gebe, daß ich ihm nicht begegne." Rudolph schauderte, jetzt erst dachte er daran, in welche Gefahr das Mädchen sich für ihn begeben, welcher Gefahr sie entgegenging. „Flieh mit mir," bat er, „ich will Dich halten wie meine Schwester." Das Mädchen wies seine drängende Geberde zu rück. „Meinet Ihr, ich dürfte nur an mich denken fragte sie, „glaubt Ihr nicht jedes Leben, so arm es sei, es hat seine Freuden, nnd keines ist so gc ring, es hat seine Pflichten?''• Schweigend schritten sie hitch den dunklen Theil dcs.Gartens bis zn einer niedrigen Hecke, hier blieb das Mädchen stehen. „Bis dafür führ' ich Euch," sprach sie, „jetzt helft Euch durch mit Gott über diese» Zaum und über deu nächste» steiget, da»» kommt Ihr aus die Bleiche an der Sankt Radberts kapelle, von da an's erste Fort, dort möget Ihr warten, bis die Thore geöffnet werden, es sind nur noch wenige Stunden bis vier Uhr." „Und wo seh' ich Dich wieder?" bat der junge Mann leidenschaftlich, „sag' nicht nein, sag' nicht wozu? Jeder Gefahr will ich trotzen, Dich zu se hen, sag' mir Deinen Namen, daß ich bei Deinem Namen bis dahin au Dich denken kann." „Brigitte" antwortete sie. „Brigitte," sprach deikjunge Man« innig, ^laß mich Dich wiedersehen!" Sie entzog ihre Hand der seinen, und ehe er noch einen Abschiedsgruß sprechen konnte, war sie im dunklen Laubgang verschwunden. Forschend stand er still, er hörte die Glasthür des Gewächshauses zufalle», hörte wieder den knarren» den Ton von der Thür in der Mauer her, dann blieb es still. Vor sein geistiges Auge trat das muthvolle, schöne Mädchen, das ihn gerettet, das jetzt allein in der Nacht durch den schilfigen Gra ben hinschritt, der Gefahr entgegen, vielleicht der Mißhandlung. „Brigitte! Brigitte!" rief er wehmüthig und entzückt, aber mir der Nachtwind gab Antwort, der durch die Kronen der hohen Ahorne und Rüstern rauschte. Er stieg über den Zaun und über den folgenden, dalag ein offener Plan vor ihm, mit leeren Wäsche seilen an Stangen befestigt und weiterhin mit lang ausgestreckten Stücken weislich schimmernder Lein wand belegt, ein kleines, halbzerfallenes Kirchlein unter Weiden und Erlen, das mußte die Bleiche bei Sankt Radbert fem. Von dem nahen Fort tönte der taktmäßige Schritt der Wache. Rudolph trat näher. „Wer da!" rief der Soldat herab, und aus der niedrigen, tabakerfüllten Wachtstnbe trat ein Sergeant. Auf dessen Frage berichtete Rudolph, daß er ein Fremder fei und beim Spazierengehen sich verspätet und verirrt habe, „Kommt mit 'rein," sprach der gutmüthige Soldat, „halt', Ihr sehet nit übel aus, habt HhrMnch taftat im K rotten loch baden'l" 4. Ungeduldig erwartete Rudolph den nächsten Donnerstag, er hatte sich jetzt so weit in der Umge gend der Stadt orientirt, daß er die Bleiche bei Sankt Radbert leicht finden konnte. So gefähr lich ihm durch fein nächtliches Abenteuer diese Um gezend erschienen war. um so harmloser und freund licher erschien dieser Garlenkoniplex mit den stillen, üb et fciischten Kanälen bei Tage. Endlich war der T^onnerstag da, und sogleich »ach dem Schlüsse der morgendlichen Conipioirstnn den machte sich Rudolph auf den Weg, das Mab chen wiederzufinden, deren Bild bei Tag und bei Nacht aus feinen Gedanken nicht geivichen. Die Bleiche mit ihren flatternden Leinen stücken lag hell im Sonnenglanze vor ihm, die wenigen Bleicherinnen, welche über Mittag geblieben, hatten sich in d?n Schatten der Weiden zusammengesetzt, theils plaudernd, theils schlafend, Brigitte war nicht unter ihnen. Langsam schritt der junge Mann, von dem neu gierigen Blick der jungen Biirgvrétochter und Mägde gefolgt, an dem Rande des Wassers hin bis zn der etwas abseits gelegenen Kapelle. Die Thüre, die gegen das Wasser führte, stand offen, Rudolph sah hinein, es war kühl und dämmerig in dem leeren Raume, welcher anscheinend schon lange keinen Gottesdienst mehr gesehen hatte er wollte vorüber gehen, da fesselte eine Gestalt seine Aufmerksamkeit, welche, ihm den Rücken zugekehrt, auf einer der Sinsen des nackten Altares saß jetzt wandte sie, vom Geräusch seiner Schritte aufmerksam gemacht, den Kopf, es war Brigitte. Mit einem Ausrufe deö höchsten Entzückens stürz» tc Rudolph auf sie zu, fast vor ihr auf die Kniee ruhig stand sie auf, ruhig hieß sie ihn willkommen, aber doch lag etwas in ihrem Blick, in der rasch vorüberfliegendcn Rothe ihrer Wangen, das die Frende verkündete, welche sich nicht aussprach. Rudolph wollte wissen, wie sie zurückgekommen, wie es ihr ergangen, sie aber schien jeder Erin neruttg an diese Nacht ausweichen zit wollen, mit einer abwehrenden Handbewegung sprach sie: „Es hat sich gut gewendet, —tedet mir nicht mehr da von." Aber er wollte zu ihr r&fn, und da er nicht von seinem Danke zu ihr reden sollte, so redete er ihr von seinem Vater, dem sie den Sohn gerettet, von seiner Heimat, von seiner verklärten Mutter, die des Himmels Dank ihr erwerben müßte für die ^•,=r Mit gesenkten Augen und im Schooße gefalteten Händen hörte das Mädchen zu, ihr Schweigen ließ auch den jungen Mann verstummen. „Ich la»g we/le Euch, Brigitte?" fragte er. „Nein, nein", antwortete sie rasch und hob die glänzenden Augen zu ihm empor, „sprecht weiter, Ihr thut mir wohl damit, das ist mir, wie wenn ich in einen bellen Garten hineinsehe, oder ich höre eine freundliche Musik." „Armes Mädchen!" sprach er leise vor sich hin er hatte es nicht bedacht, wie groß der Kontrast ihr erscheinen müsse zwischen den Seine» und seinem Leben uud zwischen dem ihrigen. Sie hatte den leisen Aiterns gehört, ein schmerz liches Lächeln glitt über ihre schönen, ernsten Züge. „Es gehen nur die Wenigsten leicht dutch's Leben," sprach ste, „und meinet Ihr, wenn Einer einen schweren Bündel schleppt im Staub und der Hitze weiter Nichts mehr seit fast nnd er hält eine Weile inne, um über den Zcinn am Weg in einen Garten voll Blumen und Früchte zn schauen, es müßte nur Neid sein, was er empfindet? seinen Theil Freude daran gehabt er hat auch Rudolph sah sie staunend an, die Schönheit, das Treffende des von ihr so schlicht gebrauchten Bildes berührten ihn in wunderbarer Weise, er konnte ihr nichts Schmeichelhaftes darauf sagen, es wäre ihm wie eine Profanation erschienen. So schwieg er. Das Wasser des Kanals plät scherte leise an das mit Tausenden von Bachvergitz meinnichten umsäumte Ufer, ein linder Südwind strich durch die Weiden und Pappeln über die Ka pelle, und ließ die schwankenden Zweige leise kür rend anschlagen an die wenigen übrig gebliebenen Scheiben der schmalen Bogenfenster. Das Mäd chen schwieg und verfolgte mit den Augen die hu# scheuten Schatten der Zweige am Boden. Rudolph ließ feine Blicke in dem kleinen Raume umherglciten, in welchem er nnd das Mädchen in der Stille des Mittags faßen. Es war ein schlich tes, altes Kapellchenj arm nnd dürftig hatte es wohl nie den Prunk und Pomp der kctholifchen Kirche gesehen, die frommen Waller nnd Beter ge wiß nie in großer Anzahl. Jetzt aber war jeder, auch der dürftigste Schntnck verschwunden, Waller uud Beter fanden weder Kreuz «och Bild mehr in dem öden Rannt, der mir noch dem Bleichhüter als Wächterhäuschen und als gelegentlicher Aufbe walnnngsort für über Nacht zurückgebliebene Wä fche diente. Der Kalkbewurf war von der Wand gefallen und ließ die rauhen Feldsteine sehen, aus welchen das Kirchlein aufgeführt war, uur über dein zertrüm mertcn Altare befand sich ein behauener Stein mit der rohen Btldwerkarbeit des elften Jahrhunderts. Ein sich bäumender und zttrückschnappender Fisch trug auf seinem Rücken ein Kreitz, an welchem die Dornenkrone, die Nägel, der Kelch nnd das Schwert hingen, darüber war noch eine nur halb erkennbare Hand und die Reste einer verschwundenen Inschrift zu sehen. Das symbolische Bild fesselte die Auf merkfamkeit des jungen Mannes, und ohne zu über legen, ob er an die junge Wäscherin die archäologi fche Frage richten dürfte, fragte er Brigitten, was es bedeute. Sie wandte sich ruhig um. „das ist St. Radbert's Zeichen," sprach sie. „Der soll ein Heid nischer Fischer gewesen sein und da gewohnt haben, wie alles Volk ringsum im Heidenthnm lag. Zu dein ist ein christlicher Mann gekommen aus Frank reich, ein Heiliger, und wollt ihn unterweisen im Christenthum. Der Radbert aber lachte über den todten Gott, und jagte den Priester mit Hohn und Schimpf davon, wie der ihm sagte, die Steine wür deu aufstehen und die Fische den Namen Jesu pre digen. Am selben Tage aber fing er einen großen Hecht im Garn, und wie er ihm den Kopf ans einem Stein zerschlug, fiel das ganze Leiden Christi ihm entgegen. Da glaubte der Radbert und baute sich hier eine Zelle uud unterwies die Fischer im Worte Gottes. D'rnrn heißt die Gegend hier die Rad bertsau. Die Leute siud lutherisch geworden hier herum, dem St. Radbert wird schon lange keine Messe mehr gelesen, aber jedes Kind kennt ihn noch." „Wie schön, wie schön!" rief der junge Mann, aber sein Ausruf galt mehr dem Rei^e, an diesem Orte und ans diesem Munde die alte Sage zu hö ren, als dieser selbst. Das Mädchen lächelte. „Der Fisch hat nur das Leiden gepredigt," sprach sie, wir haben einen Stein hier, der predigt Leben und Leiden und n'ie man daö Leiden erträgt. So est ich's kann, laß ich mir pre digeii von dein alten Sinnlilde ans dein Münster, das spricht eine Sprach, die ich verstcbe." Der junge Mann sprang aus, er ^'aßte ihre Hand. „Brigitte," sprach er, „was ich Euch sagen möchte, dafür fehlen mir die Worte, ich komme mir arm und trocken vor Ench gegenüber, ich habe todte Bnchsta ben, Ihr habt im Bnche der lebendigen gelesen. Laßt wich wiederkommen, gewährt mir die Gunst." Sie neigte das Haupt. „Glaubet mir, ich bin dankbar dafür, wenn Eines mit mir reden will an ders wie ich's gewohnt bin. Aber kommet nicht zu oft, ich habe mir mich, um meinen guten Ruf zu bewahren, und jetzt muO ich wieder an die Arbeit." Sie stand auf und reichte ihm nochmals die Hand, unwillkürlich beugte der jnnge Mann sich nieder, um diese feste Hand zu küssen, sie aber, mit dunkler Nö the übergoHeu,4»tM sie ^11* -Das isi nicht Brauch bei uns l*~ 5. Oester und immer öfter kam der pinge Mann nach der Bleiche Von St. Radbert, die Vergißmeinnicht am.Vvaiialitfec waren längst verblüht, Gras und Wiesenblumen waren gefallen unter den Sensen der Mäher, die Trauben begannen schon sich zu färbe» in de» Gärten der Radbensau, aus welchen statt des Flieders und der Rosen, Mulueii und Dahlien her übergrüßten, und immer war das Wort der Liebe zwischen den Beiden noch nicht gesprochen worden. Das Unglück und die Verkommenheit ihres Hau fco hatte wie ein Schatten auf der Seele des Mäd chens gelegen, es hatte sie ernst und streng gmtacht, ihren Iahren voran. Jetzt trat das Glück an sie heran in seiner schönsten Geüalt, und sie gab sich seinem Zauber mit ganzer Seele hin. Sie schien jünger, kindlicher zn werden, ihre Reden waren nicht mehr so überdacht, so ernst, ihr Blick war munter und ihre Stimme klingender geworden. Die Strenge, mit welcher sie ihren guten Ruf be wachte, war weicher geworden, ja sie ging Rudolph 1 v' V ,, -c L., in ten «Kl*«» r« hn «inarttl«, hi -.» v,, Rudolph gab sich diesem schönen, stillen Liebes K an fitaie Ii flfgcn. I tc wollte sie herausreißen, seine Blume, feine Braut, Ueber die Verhältnisse zu Hause sprach sie nur äu ßerst ungern nnd nie über die Nacht, in welcher sie sich kennen gelernt. Von ihrer Mutter sprach sie, DO» der ergebenen Dulderin, mit SVehmuth und Liebe, in der traurigen Vorahnung des ta tigen Scheidens. Aber sie war so jung, das Gliick war zum erstenmale an sie herangetreten, ihr Seelen frühling war so kurz erst angebrochen, daß die Weh lunth nur wie ein Schattenwölkchen an ihrem hellen Himmel hinzog. .. V TO y Wege wissen, Brigitten zu befreien. hm.fm.hn ten und Liebenswerthesten gewor- Inbegriff des Besten und Liebenswertheste den. Die ehrfürchtige Scheu, welche ihn im An sänge in ihrer Gegenwart beklommen hielt, war ver schwunden. Mit Entzücken sah er, wie das Mäd chen feinem reichen Wissen, feinem gebildeten Gei sie Bewunderung und Aufmerksamkeit schenkte. Die Grenzen ihres Wissens waren enge, aber ihre Bil dungssähigkeit, ihre Empfänglichkeit, war dan'trittn so größer. Jedes wußte um die Liebe des Andern uud um die eigene, und als endlich das Wort sich dazu fand, war es, als wäre es schon lange geredet. „Brigitte", sprach Rudolph, „Du wirst mein Weib sei» was ich vom Glück erwarte liegt in Deiner Hand. Mein Vater wird einwilligen, er will mein Glück, und dann, Geliebte, schau' vorwärts einem freien Leben entgegen! Halte den Kopf hoch, daß Jeder mit Bewunderung uud Staunen nach meinem ichöiien, edlen Weibe sieht. Gib mir Deine Hand, sie soll fest ruhen in der meinen für alle Ze t." Sie reichte ihm beide Hände, sie sah ihn an mit einem strahlenden festen Blick, dann senkte sie das Haupt nnd sprach leise und innig: „Ich will mein demüchiK^ttls Gottes uud Deiner Hand neh estbote. Kolumbus, O., Douuesâag. 15. Juni 18 65, Ro. 43. men und dafür danken mein Leben lang." Stumm kielten die Liebenden sich umfangen, (Ii IVar es in St. Radbert's alter Kapelle, ein tc:h. Strahl der sinkenden Septembersonne stahl sich zwi schen den lichteren Baumzweigen hinein, roth schim merte die Dornenkrone, Kreuz und Kelch im Mar» tyrium, das Licht schien herabzusinken ans der offe neu Hand wie ein flüssiger Tropfen, jetzt ver glomm cö, und Alles lag wieder im fahlen Gran. „Mein Freund, mein Freund, auf Wiedersehen I* rief mit Jubelton das Mädchen. „Leb wohl, Du süße Braut rief Rudolph .... Die Oktobernebel spannten lange Schleier über die Bleiche am Kanal. Brigitte war nicht mehr erschienen seit jenem seligen Septemberabend. Sie war an das Bett der immer kränker gewordenen Mutter gefesselt, das hatte Rudolph erfahren, aber Vier Wochen So viel er konnte, streifte er in der Nähe der Radbertsan um her, immer in der Hoffnung, sie wieder zu sehen und immer vergebens. Unmuthig kehrte er so eines Abends von einem vergeblichen Gange nach Hanse es ärgerte ihn, daß Brigitte il'n so ganz ohne alle Kunde ließ die schiveren Pflichten, die sie zn erfüllen hatte an einem hoffnungslosen Krankenbett, die bösen Verhältnisse ihres Hanscs brachte er heute nicht genug in Anschlag. Wohl mußte er sich sagen, daß er der Liebe des Mäd che Ii 8 sicher sei, aber das genügte ihm nicht, er woll te mehr.als das bloße Bewußtsein des Geliebtwer dens. In dieser ärgerlichen Stimmung fiel ihm eine Einladnngskarte seines Principals in die Hände. Er tmißte sich gestehen, daß er diese mit seinem Va ter befreundete Familie mehr als billig vernachläs« sigt habe, ganz seiner Liebe zu Brigitte» lebend. Er sagte sich, er müsse hingehen, ohne es sich recht zu gestehen, daß es auch das Bedürfniß nach Ab wechSlnng und Zerstreuung sei, das ihn hinführe. Das Haus des Kaufmanns war eines der ä!te sten uud renomiitesten der Stadt, seine Gesellschaft ten waren die bedeutendsten. Alte deutsche Bürger feste batten sich mit französischer Leichtigkeit gepaart, seit Generationen überkommener Wohlstand, eine maßvolle, freundliche Bildung vereinigten sich, um das Leben in diesem Hanfe zu einem behaglichen zn machen. Auch Rudolph fühlte sich in den ihm gewohnten, aber feit Langem gemiedenen Gesellschaftskreisen bald wieder heimisch. Durfte er sich auch sagen, daß set lie der anwesenden Mädchen an Schönheit der Ge statt, an Würde des Ausdrucks Brigitte nur im Entferntesten erreichte, so sprach auf der andern Sei te die Lebensgewandtheit nnd die Fähigkeit, sich über Nichts angenehm zu unterhalten, zu Gunsten der jungen Damen. Er dachte sich Brigitte in diese äle. Es wäre kein Rahmen gewesen für sie. sie hätte körperlich und geistig zu königlich hinansge ragt über di.se Umgebung, sie wäre eine Fremde d'rin gewesen, um es immer zu bleiben. Mademoiselle Sophie, die Tochter des Hauses, s.iß neben ihm, sie sprach über allerhand hübsche £üige, hübsch und nichtssagend, wie ihre ganze klei re, zierliche Person es war. Zerstreut hörte er zu, seine Hanptausmerksamkeit war dem Gespräche von in paar älteren Herren zugewandt, welche unweit von ihm saßen. „Wie gesagt, mein Lieber," sprach der eine von diesen, ein ältlicher Herr in Halbuniform, „es kom men Seencn bei solchen Gelegenheiten vor, welchen auch die kälteste Praxis kaum gewachsen ist. —Zum Beispiel heute Morgen, man hat ein Schmug gel- und Diebsnest ausgehoben." „O," entgegnete der Andere, „das ist mir sehr in teressant, Herr Poli eipräfekt, erzählen Sie." Der Angeredete legte die Karten nieder und ließ feine Dose herumgehen. „Die Geschichte hat ttnS viel zu schaffen gemacht, es kostete Muhe, da anzu kommen, indessen wurden die Beweise so dringend, daß wir heute Morgen um fünf Uhr mit einem Handstreich das ganze Nest aushoben. Ilm sechs Uhr wurde mit Meldung gemacht uud kam ich hin. Man fiatte etwa vier bis fünf Männer in flagranti ertappt und arretirt. Natürlich ist die ganze Haus gencssenfchaft der Mitwissenfchaft schuldig, also ein zuveben. yVeincii, Geschrei und Bethcnernngen kommen bei solchen Gclgenheiteii immer vor, das ist nichts Neues. Da war es anders. Eine im letz ten Stadium der Schwindsucht liegende Frau lag im Verscheiden, et» junges Mädchen von wahrhaft königlicher Schönheit tiiieete an ihrem Bette, und hielt ihre kalte, feuchte Hand, ein Gensd'arm stand daneben, er hatte den Befehl, das Mädchen zu arre tireit. Da trat ich ein, das Mädchen wandte sich um. „Schonung, mein Herr, für die Todesstunde 1" rief sie. „Es ist das Sterbebett meiner Mutter 1" Ich ließ den Gensd'arm vor der Thüre Wache hal ten und trat selbst heraus. Nach einer halben Stun de öffnete das Mädchen die Thüre, sie war bleich wie ein Gespenst. „Ich bin bereit!" sprach sie. Der Gensd'arm wollte ihr die Handschellen anlegen, da flog sie zurück wie ein Pfeil. „Mutter!" schrie sie, sich auf die Leiche stürzend, „Mittler, ich kann nicht mehr!" Ich hob sie auf, ich redete ihr z«, «och ein mal warf sie sich ans die Leiche, überdeckte sie mitih ren Küssen, und der Ton, in welchem sie „Lebe wohl sprach, verdirbt mir den ganzen Abend." Der Pclizeitnatin nahm die Karten wieder auf, die anderen Herren schüttelten bedauernd die Hänp ter, Rudolph faß da wie in halber Erstarrung. „Wo war das?" fragte der alte Kaufherr. „In einem verrufenen Wirthshaus draußen in der Radbertsau, in den drei Funken. Ein gewisser Nikolaus Riedberger, ein herabgckommener Mann, treibt dort das Schmuggel- und Dicbshchlerzc fchäft." „In der Radbertsan, in den drei Funken," diese Worte fielen wie glühende Tropfen in die Seele Ru dolph's. Die Wände schienen ihm zu schwanken und die Trümmer auf ihn herabzustürzen, die Lichter von den vergoldeten Girandolen brannten ttiib nnd nebel haft vor seinen Augen, kalte Schweißtropfen traten ihm auf die Stiru, uud der Name Brigitte bohrte wie et» Dolch sich ihm in's Herz. Er stand auf, er war bleich, er schwankte, ,3h* nen ist unwohl fragte Sophie. Er murmelte etwas, er wußte selbst nicht was, et stürzte hinaus, über Stiegen und Kuttidcr, ohne Mantel und Hut, er wußte selbst nicht wohin Draußen in der küi'Ien Oktobernaât kam er wie« sj yri ilu.i„,G.,m,zmß 1 Sr bin, seine Königin Tausend abenteitt'ilichc Gedanken kreuzten sich in seinem Hirn. Halbiodt kam et nach Hause und warf sich angekleidet auf's Bett. Verzweifelnd, stöhnend lag er da bis zum anbre chenden Morgen, Brigitte im Gefängniß! Ein Strom von Thränen löete endlich die SLital feiner Brust, und er konnte ruhiger darüber denken. Er beschloß, sich feinem Prineipale zu vertrauen der würdige welterfahrene Mann mußte Mittel nnd Sc»»,-z niih imt taä C°mp!«ir ze. ö-f schlossen. Der Kausberr empfing den aufgeregte» jungen Mann väterlich uud liebevoll. Ruhig hörte er die leidenschaftliche Erzählung desselben an, ruhig ließ er einen erneuten Ausbruch des Schmerzes an sich vorübergehen, durch Nichts sein Staunen uud setti Mißfalle» verrathend. Er war *u sehr Menschenkenner, zu erfahren, um nicht zu wisse«, das jetzt kein Einreden, keine Vor stellnngeit fruchten würden. Er begnügte sich da mit, Rudolph zu versichern, daß er alle Schritte thu» wolle, bat ihn aber dringend, darüber zu schwei gen nnd nichts Unvorsichtiges zu unternehmen, ja, er machte dieses zur Bedingung feiner Hülfe. Mißmuthig ging der Kaufherr nach Rudolph's Weggang im Zimmer auf nnd ab. „Phantasterei en," murmelte er vor sich hin, der junge Mann hat noch eine gute Schule zu durchlaufen, bis er das Haus Gottfried Steiner und Co. würdig repräsen tirt. Man hat dem Knaben zu viel besonderen Wil« le» gelassen." Aber obschon von seinem Standpunkte aus der "Ttf nfowffosjf Wses Liebesverhältmß als eine be- bäuerliche Verirrung ansehen mußte, war er doch zu viel Ehrenmann, tun sein Versprechen in Betreff Bligitteus nicht halten zu sollen. Nach einigen Tagen ließ er Rudolph wieder auf fein Zimmer bitten die Niedergeschlagenheit und Blässe des jungen Mannes thaten ihm weh, und er nahm sich vor zu dem Sohne des Freundes wie zu dem eigenen zu sprechen. Zuerst theilte er ihm mit, daß eS unmöglich fei, sich mit der in Untersuchungshaft Befindlichen in's Einvernehmen zu setzen, die Instruktionen in diesem Betreff seien in letzter Zeit erneuert worden, und überdieß sei Nikolaus Riedberger so schlecht beleu mundet, es liege noch so viel Gravirendes gegen ihn vor, daß die Gerichte eine vollständige Absperrung feiner und seiner Tochter für geboten hielten. „Aber Herr Wagner, Brigitte ist rein wie die Sonne 1" rief Rudolph. Der Kaufmann zuckte die Achseln. „Ich werde mich freuen, wird es bewiesen, wir haben darüber nicht zu entscheiden. Sie aber, junger Mann, hö ren Sie mich an, es spricht ein erfahrener Mattn mit Ihnen. Sie haben in gefahrvoller Situation ein Mädchen keinen gelernt, das durch feinen Muth uud Entschlossenheit Ihren Dank verdiente. Un terbrechen Sie mich nicht! Sie meinen mehr als Dank, auch das will ich gelten lassen Sie sind jung und das Mädchen ist schön. Ich ivill ihr alle guten Eigenschaften zugestehen, aber gestehen Sie mir auch das zu, daß es unmöglich ist, sich in solcher Umge bung ganz rein zu halten." Rudolph fuhr auf. „Ich versichere Sie bei meiner Ehre, das Mädchen ist eine der Edelsten ihres Ge fchlechts." „Sie hielten sie wenigstens dafür," antwortete der Kaufherr. „Aber können Sie sagen, wie viel Ihre eigene Phantasie dem Wunderbilde lieh? Können Sie unterscheiden, was auf deu Reiz und die Neu heit der Umgebung zu rechnen ist? Ju dieser Umgebung mag Ihre Geliebte eine Pretiosa sein, aber in anderer?" Rudolph bedeckte seine Stirne mit der Hand, es wühlte wie tausend Messer in seinem Hirn. „Sie haben diesem Mädchen die Ehe versprochen/ fuhr der Kaufherr fort „das spricht für Ihr reines Empfinden, für Ihre Unverdorbenheit, Ihre Jugend, aber nicht für Ihre Ueberlegung. Glauben Sie glücklich zu werden Glaube» Sie das Mädchen glücklich zu machen?" „Bei Gott, ja!" rief Rudolph wann. „Sie glauben es jetzt, weil Sie nicht wissen, daß diese klaffenden, sozialen Risse sich nicht so leicht ineinander nieten, weil Sie diese Unterschiede mit dem Auge der Jugend und des Dichters betrachten. Setzen Sie das Mädchen in Ihre Umgebungen itiid Sie werde» erschreckend inne werden, welche Kontraste sich da aufthu» Sie werden es peinlich und bitter empfinden und ist das Mädchen so, wie Sie sagen, ist sie feinfühlend genug, es zu empfin den, glauben Sie, daß die Mißachtung ihrer Umge bung ihr Glück vermehren wird „Niemand wird Brigitte» die Achtung versagen!" tief Rudolph. „Täuschen Sie sich nicht," entgegnete ernst der Kaufherr. „Sie wollen Ihre Gattin ans der vertu» fensten Schenke, aus dem Gefängniß holen, Sie könnten der öffentlichen Meinung nicht wehre«, dar über zu urtheilen. Und wie unschuldig auch dieses Mädchen sei» mag, das Gefängniß drückt ihr einen Makel auf, welchen Ihre Gattin nicht tragen dürfte, und Sie selbst mögen sich wohl prüfen, ob Sie den» selben ertragen können." Rudolph stöhnte laut aus, es war ihm, als schnei de ein unbarmherziges Seeirmesset in sei» tiefstes Leben und Lieben. „Lassen Sie mich!" tief «r. „Sie haben ein Recht, von Ihrem Standpunkt« aus so zu reden, aber meine Liebe und mein Glaube an das Mädchen haben auch ihre heilige» Rechte." Der Kaufmann stand auf. „Sie haben bis jetzt nur die Stimme Ihrer Liebe gehört, hören Sie jetzt auch die der Vernunft in Ihnen." Rudolph ging er versuchte es jetzt selbst, zu Bri gitten zu dringen, es war unmöglich. Der Kaufherr hatte es inzwischen für seine Pflicht gehalten, Rudolph's Vater von diesem Verhältnisse seines Sobnes in Kenntniß zu setze«, und der alte I Herr Gottfried Steiner reiste unverzüglich auf diese I ihn wenig erbauende Mittheilung hin ab. Rudolph I hatte seine Tage inzwischen in qualvoller Aufgeregt I heit verbracht. Brigittens edle Erscheinung hatte noch nicht ihren Reiz für ihn verloren, ja, sie erschien ihm durch die Abwesenheit noch idealer, noch ver geistigtet et erinnerte sich ihrer in all' den schönen Momenten, in welchen sie sein Entzücken gewesen an das Gefängniß, an die Vcrhörsiube wollte er nicht denken. So bildete sich ihm eine ideale Gestylt, ge trennt von der Wirklichkeit. Die Untersuchung schleppte sich lange hin, es wa ten schon übet zwei Monate seitdem verflossen, und Weihnachten stand vor der Thür, als Rudolph's Vater in dcm befreundeten Haiisemiilangtc. Er fand den Sohn seht verändert, das jugend krä'tige Wesen schien wie erlahmt, der wochenlan» gen Aufregung war eine tiefe Ermüdung gefolgt. Gottfried Steiner konnte nur mit Bitterkeit an die ses junge Weib denken, welches so unheilvoll in das Leben seines Sohnes getrete». Er wollte keine mil de Anschaun' der Sache gelten lasse», er ließ dem Mädchen keine Gerechtigkeit widerfahren. Alles wandte er an, jede Vorstellung, die ganze Macht der väterlich u Autorität, am Ende die Bitte die Bitte, seines Alters zu schonen und wenigstens bei seinen Lebzeiten an keinen solchen ihn entehrenden Bund zn denken Rudolph gehörte nicht zu den starken Natitreii, erschöpft gab er nach. Sein Vater, zufrieden, wenigstens so viel erreicht zu haben, beschloß, ihu mit in die Heimath zn neh men. „Du bist krank, Rudolph," sprach er, „werde erst wieder gesund dann handle, für das Mädchen wird Freund Wagner Sorge tragen." Der Wei.iachlSabend vereinigte die Glieder bet Familie des Kaufherrn um den geschmückten Baum, auch Rudolph und fein Vater waren anwesend. Ersterer, der gegen seinen Willen, gekommen war, blaß uud gedrückt, Letzterer heitct und wohlgelaunt. Fortsetziinq folgt. E i n e i e n i e N a u E t ch i n n g. In Westpoint beobachtete man am 17 d. ein eigenthümliches Phänomen die Cadet ten hielten an diesem Tage ein Bataillonsetereiren eS war sehr warm, der Himmel, dicht bewölkt, droh te mit einem Gewitter. Die Gewehre wurden im linken Arm getragen, als sich eine tief gehende schwarze Wolle gerade über den Köpsen der Solds te» befand, sah man plötzlich einen eigenthümlich hellen Schein nnd hörte einen Knall, welcher dem Erplodiren einer Bombe täuschend ähnlich war. In demselben Augenblicke flogen die Gewehre aus den Händen der Erereirenden und jeder suhlte ei nen stärkeren oder schwächeren Schlag in feinem linken Arme. Einige waren für mehrere Augen blicke wie betäubt und Einer blieb sogar beinahe 15 Minuten besinnungslos, so daß man schon furchte te, der Blitzstrahl habe ihm das Leben geraubt. Oberst Black, welcher die Abtheilung kommandirte, mar ebenfalls getroffen, fein Pferd war auf die Knie geworfen worden. Als ^rnnd dieses außerge wöhnlichen Ereignisses nimmt man an, daß die in der tief gehenden Wolke schlummernde Eleetrieirät durch die Spitzen von über zweihundert Bajonetten, welche gen Himmel gerichtet waren, angezogen wurde. Wäre der Truppenkörper kleiner gewesen, so hätte der Blitzstrahl gewiß ernstlicheren Schaden angerichM. W a v e v i k e 5 o è o u n i An Bear Creek, 7 Meilen von stier, ist eine Gesellschaft von New Engländern bei einer Tiefe von 600 Fnß auf eine Cel Quelle gestoßen. Aus der Quelle strö men im Durchschnitt jede Minute 30 Gallonen, wovon der zehnte Theil reines Oel ist. Das be zahlt sich uud ohne Zweifel wird in dieser Gegend das 57elfieber von neuem ausbrechen. DER WESTBOTE. lEINIABD FIESIS. XT7Sr^D3XZSXUB. '7 'f't TERMBl Der Kaiser und die Kaiserin von Mexico. Der New Uorket Herald veröffentlicht eine fRti» he von Correfpondenzen auS Mexieo, denen Fol? gendes entnommen ist: Der Haushalt und Hof deS Kaisers ist aus An gehörigen aller Nationen zusammengesetzt. $r selbst ist ein großer Mann, mit hellblauen Augen, schönem Haar, doch ein bischen kahl am Vorderkopf und sehr langem Backenbart. Er liebt die schöne» Künste, ist ein großer Freund der Poesie, hegt eine Abneigung gegen Uniformen und überhaupt Solda ten, haßt alle Weiter in der Welt, seine eigene Ge mahlin nicht ausgeschlossen und wählt seine Diener stets unter Italienern. Die Kaiserin ist eine schlanke, stattliche Dame, man kann jedoch ihre Gesichtszüge nicht sein nen* nen. Sie ist eine Freundin von Bällen und allen möglichen Festen, sitzt gut zu Pferde, ist jedoch feit einiger Zeit etwas traurig gewesen, da der Kaiset sie nicht gut behandelt. Wenn in vollem Staate und mit Diamanten blitzend, wird sie meistens seht roth im Gesicht, eine Wirkung, die bei einem jun gen Landmädchen ganz niedlich fein würde, die je doch bei einer Kaiserin weniger zu wünschen ist. Das Kaiserpaar lebt meistens im Schlosse von Chapnltepee, das eine Stunde von der Stadt ent scrnt ist, nur bei der Gelegenheit von großen Fe sten schlafen sie im Palaste in der Stadt. Das Studium- oder Arbeitszimmer deS Kaisers ist mit allen möglichenArten vonKnnstgegenständen, Statuetten, Gemälden und Seltenheiten aitsge» schmückt. DasStudium derKaiserin ist im Roceo eostyl, die Stühle sind mit dunkelgrünem Damast, mit einet Borte von Silber bedeckt. Die Kaiserin arbeitet mehr als der Kaiser. Ihre Talente sind auch ohne Zweifel denen ihres Geniahls weit übet» legen. Sie ist sehr ehrgeizig und liebt ihren Platz als Kaiserin ganz außerordentlich. -Die meisten der offiziellen Petitionen und Briefe, die vom Cabi net in das Studium des Kaifers gesandt werden, kommen mit ihrer Unterschrift zurück und mit ge nauer Angabe der Schritte, die gethan werden sol ten. Um sechs Uhr Morgens erhebt sie sich und reitet in Begleitung einiget Adjutanten bis 7 oder 8 Uhr aus. Von da bis halb zehn Uhr widmet sie sich den Cabinets*Angelegenheiten. Um halb zehn Uhr wird das Frühstück servirt und dann laßt sie sieh von der Baronin Magdeburg die Zeitungen vorlesen. Es ist die einzige deutsche Hofdame, die in Mejrieo geblieben ist, alle übrigen sind mit Ein fchluß der Gräfin Zichy nach Oesterreich zurückge kehrt. Die Baronin Magdeburg ist eine intelli gente und sehr interessante Dame, die einzige Freun din der Kaiserin, denn da die merikanischen Damen, die zum Hofe'geböreu, so furchtbar unwissend sind, so ist es unmöglich, mit ihnen zu verkehren. Von 2 bis 5 Uhr beschäftigt sich die Kaiserin mit Schrei ben. Um 6 Uhr speist sie und falls es nicht ein Staatsdiner ist, werden immer nur 4 oder 5 Perfo» Ii en eingeladen. Damen werden nie zu diesen Pri vatdiners hinzugezogen. Nach der Mahlzeit wer den Cigarren herumgereicht und dann raucht der Kaiser und unterhält sich mit einem Jeden der Au» wesenden ohne irgend welche Ceremonie. Der Rest des Abends wird mit einer Panhie Whist oder L'ombre verbracht. Das Cabinet des Kaisets ist in zwei Theile ge theilt, von denen der eine politisch, der andere milt tärisch ist. Der Chef der politischen Sektion ist Fclir Eloins, ein Belgier, ehemals Kammerdiener des Königs Leopold von Belgien. Der König sandte ihn als Mentor für Marimilian mit hin aus, allein der Mentor hat sich wie ein Dummkopf benommen. Ohne ein Wort Belgisch, Spanisch oder Deutsch zu verstehen, ist er der Chef des Cabi nets eines deutschen Fürsten, der über ein Volk herrscht, das keine andere Sprache als die spanische versteht. Das Seltsamste dabei ist, daß Herr Cloins seht ausgebracht wird, wenn ein armer Mexikaner ihn nicht verstehen kann. Der Chef der militärischen Sektion ist Herr de Loysel, ein Oberst vom Generalstab der französischen Armee und ist ci» sehr begabter und höflicher Offizier. Die Adjutanten des Kaisers sind vier junge Mexi faner. Dieselben sind ohne alle Erziehung. Sie stehen, mit den Händen in der Tasche, müßig um» her, selbst während der Kaiset ihnen Befehle er» theilt sie benehmen sich in der That so tölpisch, daß ein österreichischer Lieutenant beauftragt worden ist, sie einzudrillen. Oberkammerherr des KaiferS ist der Graf Karl von Bombelles, natürlicher Sohn des Erzherzogs Karl von Oesterreich. Er ist ein schmächtiger, dünner, kleiner Bursche mit Säbelbei neu und etiler so enormen Nase, daß ein Jeder ihn als einen ächten Nachkommen von Rudolph von Habsburg erkennen kann. Manchmal läßt et sich's einfallen, sich in Poli» tif einzumischen allein der Horizont seines Den» kens ist ei» sehr beschränkter. Man erzählt sich von ihm, daß er einmal einen Amerikaner gefragt habe, warum der Norden keine Sklaverei in Ohio geflat# teil wolle und als ihm darauf erklärt ward, daß eß sich nicht um Ohio, sondern um die Zulassung der Sklaverei in den Territorien handle, soll et ge sagt haben: „O ja, Sie haben allerdings Recht!» Ich meinte auch die Territorien von Conneetieut.* Der wahre Kaiser von Mexico ist aber bis jetzß der Marschall Bazaine. Gr kümmert sich um feine Gesetze, die Juarez oder Maximilian ertheilt hat. Mißfällt ihm Jemand, so bestraft er ihn, chne da bei irgend welche Rücksicht auf den Kaiser zu it eh# men. Er lacht über die Spielpuppe Maximilian» Er ist der Oberbefehlshaber des französisch mexi» fanifchen Heeres. Er regiert Mexiko und ertheil! den Ministern Maximilians seine Befehle direkt!» Gemäß dem Vertrag des Generals Miramon tnii der französischen Intervention ist der fraiuöftiche Offizier stets der Höhere im Commando. So ha» be ich den General Calderon feine Befehle von ei« nem österreichischen Lieutenant und den General Miramon die ('einigen von einem französischen Ea» pitän empfangen gesehen. Das französische Heer ist jetzt nicht stärket als 15,000 Mann, während vor 2 Jahren 45,000 Mann in Meriec kämpften. Die österreichische» Truppen zählen 6000 Mann, die belgischen 3009 und das regelmäßige mexikanische Corps 35,000 Mann. Die Fremdenlegion der französischen Ar» mee, die'sechstausend Mann zählt, soll sechs Iah« in Mexieo bleiben und zwar unabhängig von Frank» reich. Die österreichische Legion, die jetzt sechste tausend Mann zählt, wird aus 16,000 Mann er» höht werden, wenn der Kaiset vov Oesterteich An Werbungen in seinen Staaten gestattet. Die Franzosen werden stets von den besagte» Pures als Feinde angesehen und vvn den Conserva» dores so lange gehaßt werden, als sie nicht ihr93er» sprechen, die klerikale Partei wieder zur Macht z» bringen, erfüllen. Bis jetzt ist das Gegentheil ge» schehen. DaS Eigenthum des Clerns ist confiseiff und die Conservadores sind völlig von allen Aett* tern ausgeschlossen. Die Pures nehmen die ihnclt angebotenen Stellen in der Hoffnung an, daß Frankreich früher oder später Maximilian verlasse» wird und dann werden sie es ganz in ihretMacht ben, wieder eine Revolution zu machen et» Ding, das dem Charakter der Mexikaner so sehr ent» spricht. Die Maschinerie der Stadtregierung bewegt sich wie zuvor unter dein altenMnnicipalsystem sie besitzt die nnbeschränfte Verwaltung und Verwendung der tadtgelder, ohne irgend Jemanden darüber Re* chenschast ablegen zu müssen. Nach neun Uhr sind die Straßen fast ganz verödet. Dieselben werd» erträglich gut mit Oellampen, die bald dem G«G Platz machen werden, erleuchtet. Wie viele europäische Städte bietet Mexieo bit äußersten Gegensätze des Reichthums und der Ar muth dat. Bettelei ist dort zu einem System ge bracht. Lahme, Blinde und Krüppel fallen Einem fortwährend in jedem Stadium anwidernder Esel» haftigfeU in den Weg und schreien Einen in d« kläglichsten Tönen im Namen der heiligsten Per» fonlichfeiten in» und außerhalb deS Himmels um eine Gabe an. Dagegen zeigt Metico auf der an deren Seite einen ganz enormen Reichthum, der IM allen Mitteln des Comforts und LuxuS, wie sie M» das civilstrte Leben kennt, verschwendet wird." \n\n $ 1,00 pw year, Invariably ta «drtiM-