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*0
BebingUUge«:
®#tfer® per Zahr, inIora«siejahlv»ß.
4L
AsveCe von Lugen ^ateski.
(Schluß.)'
Wochen warm
war täglich ein Stündchen außer
Wissen, die schwergeprüften Eltern
wstreirtf$uer Freude sie betrachteten
«mit WhHiken das langsame Wiederer
WÄfN bet Hugendfrischs ihres Kindes.
KS an ihr reizendes Borne ge
Nicht so die Tochter sie liebte
vbleich sie noch nie über dieSchwelle
Krankenstube getreten war. Nur
oberflächliche Erwähnen einer baldi
Sl&mfe konnte das Mädchen in tiefe
lMcri^keit versetzen. Sie mußte sich
Äst mgestehen, daß kein Grund zu län
â?rem Verweilen vorhanden sei und daß
sich begreiflicher Weise der Vater nach
âMemMMMâdie MM
Hwr HsWliHteu MWDjeynttn.
Es war em schöner Abend ein Ge
witterregen hatte die glühenden Trottokts
und Dacher der Hauptstadt gekühlt und
kende von Spaziergängern in das
logner Wäldchen gelockt. Elisabeth
heut' das erste Mal Toilette ge
rittet und saß in einem duftigen weißen
Steide auf einem Fauteuil, welchen man
-7K?icht an baS*.jOffene Fenster gerückt hatte.
~M,Étk«x und Mttter saßen an "ihrer Seite,
IâM während Ersterer die goldenen Flech
ten seines Lieblings durch die Finger
gleiten ließ, erzählte er ihr von den Vor
'gängen in der Weltstadt.
traf
errn Grafen zu sprechen wünsche. Der
erhob sich, überoscht von dem außer
ordentlichen Begehr, und begab sich in
fein ZiWmer. Elisabeth war bei dem
Gesuch VvikDoktors nicht nur verwundert,,
fonlerit heftig erschrocken ein leises Zit
tern übetfioi) ihren Körper sie wollte
Erheben, um Vater zu folgen,
»ach und hülflos, glitt sie
zurück
mit der
ihn zum
tangl
I „v*
Der Graf reichte de Gra
und sagte freundlich:
„Mein sehr verehrter Hâ
Ihr Benehmen zeigt mir
welch' durch und durch ehre
rakter Sie Wnb statt, wie hur.bcrt Än
dere, der Sache ihren Lauf zu lassen,
a
Einige Augenblicke später saß Alphons
de Grange an der Seite des jungen Mäd
chens. Sein Herz bebte vor Ausregung
fund er begann mit unsicherer Stimme:
i
„Ich freue mich, Comtesse, Sie so wohl
%uf zu sehen, ich hoffe, daß es nicht nur!
scheinbar, sondern ein wirkliches WoWe
•finden ist."
1 „Ja, Herr Professor, ich fühle muh
brecht wohl, besonders so lange ich in ntev
$ iient bequemen Fauteuil sitze das Gehen
allerdings wird mir noch etwas schwer,
A has ist nach einer halbjährigen Krankheit
jp&et wohl nicht zum Verwundern."
f' ff „Gewiß. Aber glauben Sie nicht, daß
z jjr eine Veränderung der Lust günstig auf
I. Sie wirken würde? Ich sollte doch mei
k nen, »daß ein Ausenthalt aus dem Lande
wesentlich zu Ihrer Kräftigung beitragen
würde."
I Elisabeth schüttelte abwehrend mit dem
i Hopf.
I „Nein, ich fühle mich so glücklich und
behaglich hier, daß ich mich ganz und gar
nicht wegsehne itn Gegentheil, unsere
Ub-eise würde mich sehr betrüben."
„So, also Sie wünschen auf jeden Fall
f-:f i. in Paris zu bleiben Vs
„^a. das wünsche ich. Ich hoffe, mei
'||e guten Eltern werden nicht Nein sa
%n."
W e n i s e n s w e n I e E e n n u
dann dagegen sein, wenn es sich mit Jh
rem Besten nicht vertrüge. Wissen Sie
ioohl, meine theure Comtesse, daß ich mich
'Mnen heute empfehlen muß? Ich habe
immer geglaubt, Sie abreisen zu sehen,
und jetzt verlasse ich Paris, während Sie
:#!isech
hier bleiben."
v
Eine leichte Blässe zog über das Antlitz
Ades jungen Mädchens sie sagte leise:
•v:\ „Sie reisen sort? Aber Sie kommen
lyecht, recht bald wieder, nicht wahr?"
7
„Nein, Komtesse Elisabeth, ich komme
^Hjcht bald wieder, meine Abwesenheit
'wird Wochen, wo nicht Monate wäh
-jy ten ich glaube kaum, daß Sie bei
jpeiner Zurückkunst noch in Paris sein
i o Metten."
1
Der Athem des jungen Mädchens gmg
Mscher sie sagte bebend
v. „Ich werde Sie dann nie wieder se
Hen?"
I Alphons fuhr mit dem Taschentuch
Uber die mit Angstschweiß bedeckte Stirn
jr Bemühte sich jedoch, feine Fassung nicht
verliere*, und sagte mit männlicher
uhe:
„Nein, wir werden uns nicht wieder-
Wen."
Die junge Gräfin streckte die Hände
chftch betn Arzt aus, aber langsam sanken
i-i '%s
iter ZGmM.
astben
tuet
I Theilnahme
-eine Abschiedsvisite
Bedauern."
„Was Sie sagen!
reisen?"
„Nein, aber Ihr Fräu
soweit wieder hergestellt,
Hülfe nicht länger bedarf.
tige Pflege ihrer Eltern u
Luft.ihrer ländlichen Heima
sie vollständig zu kräftigen.
daß es mir schwer geword.
willig eines längeren Zufarö
entziehen, aber meine Pfli
und Arzt schrieb mtr mein V
TO,
Sie sich männlich dagegen. Sie,
urer Freund, gaben mir einen
Ihrer Rechtschaffenheit, ich will
''Ihnen dagegen einen Beweis meines Ver
trauens geben, indem ich Sie als Freund
lund als Vater Elisabeth's frage,—lieben
*5ie meine Tochter
/i Der junge Mann erröthete aber nur
W^n Augenblick währte seine Bestürzung,
dann^gte er ruhig:
„Ja, iHerr Gras ich liebe Ihre Tochter,
âvas Sie^der Sie die Schönheit und Lieb
lichkeüÄhres Kindes kennen, nicht über
raichin wird. Da ich wohl weiß, wie
xféUen der Adel der Gesinnung und der
Reichthum des Wissens das Gleichgewicht
mil Wappen und Permögen hält, will ich,
so lange ich noch Herr meiner selbst bin,
mich zurückziehen."
„Ich kann Ihnen nicht widersprechen,
nur muß ich Sie daraus aufmerksam ma
chen, daß Ansichten und Ansprüche indi
viduell sind und ich nicht zu Denjenigen
gehöre, welche den innern Werth eines
Menschen über der äußeren Staffage sei
3te§ Leichnams übersehen. Lassen Sie
uns den Augenblick die Gefühle und Wun
sche unserer Herzen nicht berühren, gehen
Sie hinüber, ersuchen Sie meine Frau,
einen Augenblick zu mir zu kommen. Be
nützen Sie die Zeit, um meiner Tochter
Ihre beabsichtigte Trennung mitzutheilen
das Verhalten Elisvbeth's bei dieser
Nachricht soll für diè Zufilnst entschei
dend sein dies als Beweis meiner Ach
tung für Sie."
FW «f
,.,'v*?~|.d
t"
Er nahm die ätherische Gestalt in seine
1
Drei Monate war die gräfliche Familie
in PanS^ «nb' der Monat Juli
dll' seiner Blumenpracht, aber auch
inigenden Hitze hatte die Eltern
Arme, er konnte nicht umhin, sie mit hei
ßer, inniger Liebe an sein Herz zu drü
cken. Nachdem er sie behutsam auf das
Bett gelegt, klingelte er, was fofort die
Eltern herbeirief. Ein Gefühl der kaum
überwundenen Angst bemächtigte sich ih
ret, als sie abermals ihren Liebling bleich
und leblos daliegen sahen. Der Arzt er
griff die Hand des Grafen und sagte dann
hörbar:
„Herr Graf, das ist das Resultat mei
net Mittheilung. Ihre Tochter liebt
mich, ich lege mein Glück in Ihre
Hände!"
Nach diesen Morien wandte er sich von
Neuem der Ohnmächtigen zu, welche erst
nach längeren Bemühungen wieder zu sich
kam.
Ihr erster Blick traf die besorgte Mut
©{tfa&eil} war aütf'"^
und vertrauensvolles Kind, als daß es
ihr tnöglich gewesen wäre, den Zustand
ihres Herzens vor den Augen ihrer Mut
ter zu verbergen. Sie schlang weinend
die Arme um den Hals der Gräsin, in
dem sie flüsterte:
„Mutter, liebe Mutter, wäre ich doch
lieber gestorben! In meiner Krankheit
habe ich nie einen so haftigen Schmerz
empfunden wie heut 1"
Die Gräfin drückte die Tochter zärtlich
an sich und frug theilnehmend:
„Mein geliebtes Kind, vertraue deiner
Mutter, was dir so bitteren Schmerz ver
ursacht."
Elisabeth barg das Köpfchen ver
schämt an der Mutter Brust und sagte
traurig:
„Professor de Grange reist ab, wir se
hen uns nie wieder, liebe Mutter, das
thut mir sehr, sehr weh."
Die Gräfin warf den hinter dem
Bettschirm stehenden Herren einen ver
stohlenen Blick zu und, sich von Neuem
an die Tochter wendend, frug sie:
„Weißt du, warum dir die Trennung
weh thut V
„Ja, Mutter, ich weiß es, es ist die
Liebe,—bin ich deswegen strafbar, begehe
ich ein tinrecht?"
„Nein, mein Kind. Es würde dich
also glücklich machen, wenn Alphons de
Grange dein Gatte würde?"
„Nicht allein glücklich, sondern mir
.ist, als könnte ich getrennt von ihm nicht
eben."
Di- Gräfin schlüpfte hinter dem Bett
irm hervor sie reichte mit einem stum
vielfagenden Blick dem jungen
XI die Hand und verließ mit ihrem
unbemerkt das Zimmer. Das
en der Thür täuschte Elisabeth, sie
e, als sich Professor de Grange
Bett näherte, er sei eben erst in
mmer getreten. Das Geständniß
iebe schwebte noch auf ihren Lip
daß dje plötzliche Gegenwart des
ten einen reizenden Ausdruck der
enheit über sie ergoß.
Grange war zu Muth, als stünde
der Pforte des Paradieses die
dieses entzückenden Geschöpfes hatte
ferne Phantasie Tag und Nacht beschäf
tigt, und die nie geahnte und nie erwar
tete Erfüllung semer glühendsten Wün
sch? erschien ihm fast wie ein Märchen
aus tausend und einer Nacht. Er setzte
sich an das Bett der jungen Gräfin,
und eine ihrer Hände in die feinen
nehmend, sagte er in tiefem, vibrirendem
Ton:
„Elisabeth, würde es Sie glücklich ma
chen, wenn ich nicht reiste?"
Ein leiser, flüsternder Ton, unver
ständlich für den Nichtbetheiligten, ent
schlüpfte den halbgeöffneten Lippen des
Mädchens.
De Grange fuhr fort:
„Ich habe das Wort ^var nicht ver
standen, aber mein Herz hat es gedeutet,
weil ich fühle, daß wir Beide Eins ohne
dasAndere nicht glücklich werden tonnen
aber doch, Elisabeth, geben Sie mir
ein äußeres Zeichen, daß sich mein Herz
in den Gefühlen des Ihrigen nicht ge
täuscht hat!"
Elisabeth führte hastig die Hand des
Professors an ihre Lippen, und mit strah
lendem Lächeln die Augen zu ihm erhe
bend. sagte sie:
„Ich liebe Sie mit M' dem Ver
trauen und all' der Demuth, deren ich
fähig bin."
Der Professor war so überrascht von
diesem Akt der Liebe und Unterwürfig
keit, daß er keines Wortes mächtig war
er nahm das junge Mädchen in seine Ar
me und druckte sie mit dem Gefühl der
höchsten Seligkeit an seine Brust. Seine
Lippen flössen nicht über von Worten der
Zärtlichkeit und Eiden der Treue, aber in
seinem edlen, liebevollen Herzen, dastand
es mit ehernen Buchstaben, dies zarte,
hingebende Wesen gu lieben, zu schützen
und zu beglücken. i.
Elisabeth's Hochzeit.
Es ist Herbst. Wir führen den freund
ucyen ^eser noch einmal zurück nach Schloß
Borne, wo unsere kleine Erzählung ihr
Ende finden soll.
Elisabeth war reizender und schöner
denn je der durchsichtige, zarte Teint
war leicht geröthet und die großen,
blauen Augen erglänzten in Lebenslust
und Frohsinn, (sie stand vor ihrem Va
ter und gab sich alle mögliche Mühe,
dem, was sie sagte, ein geneigtes Ge
hör zu verschaffen, denn der Graf wollte
ganz gegen seine sonstige Gewohnheit
den Wunsch seiner Tochter nicht erfül
Ien.
„Nein, Väterchen," sagte Elisabeth, in
dem sie sich bemühte, eine schmollende
Miene anzunehmen, „du darfst mir meine
Bitte nicht abschlagen, es ist vielleicht der
letzte Wunsch, welchen du mir vor unserer
Trennung gewähren kannst. Ernst Wen
zel ist wirklich ein liebenswürdiger, fein
gebildeter Mann, warum willst du ihm
nicht endlich einmal erlauben, dir persön
lich zu danken für all' das Gute, was
du an ihm gethan hast. Ich glaube in
der That, daß dies hartnäckige Verbot,
dir zu nahen, ihm weh thut."
„Aber ich bitte Dich, Elisabeth, du
bist ja eine unüberwindliche Fürspre
cherin Weißt du wohl, daß ich Lust
habe, Alphons eifersüchtig zu machen
Ernst Wenzel soll ein sehr schöner Mann
fein."
„Sehr schön, Papa, und wenn du erst,
wie ich, öfters mit ihm gesprochen hättest,
würdest du ihn auch liebenswürdig und
interessant finden. Alvhons kann immer
ein wenig eisersüchtig sein. Ich bin
Herrn Wenzel herzlich gut."
„Nun, mein liebes Kind, du weißt ja,
daß ich ihn nur aus dem Grunde nicht
empfange, weil ich stets fürchte, deine
gute Mutter würde von Neuem an den
Verlust deines Bruders erinnert."
„Nein, Papa, die Mama beweint den
Bruder als einen Todten. Sie hat auch
ganz Recht, wenn sie annimmt, daß sie
in einem Zeitraum von siebenundzwanzig
Jahren gewiß Etwas von ihm gehört ha
ben würde. Janko würde nicht geruht
haben, sie fort und fort zu quälen, hätte
der liebe Gott nicht dcK Opfer seinen Hän
den entrückt."
„Nun hoffMâir, daß unser lieber
Knabe im Hirritne! ist Wenn du also
glaubst, daß deine gute
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sie auf ihren Schooß. Die Augen schlos
sen sich, das Köpfchen siel wie gebrochen
auf die Brust.
Alphons stieß einen leisen Schrei aus,
theils Schreck, theils vor Entzücken. Die
Ohnmacht des jungen Mädchens war ihm
•ein unausgesprochener Beweis ihrer Liebe,
/die ja sein ganzes Lebensglück ausmachte,
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Weise alterirt wird, so ertheile ich Herrn
Wenzel die Erlaubniß, sich uns zu pre
sent iven."
„Danke, mein lieber, guter Papa! Ehe
ich abreise, bringe ich ihn selbst zu dir.
Alphons findet uuch, daß er ein angeneh
mar, unterrichteter Mann ist und da
der Herr Wenzel so nahe von hier lebt,
so hoffe ich, daß er Euch stets ein lieber
und werther Gast fein wird. Aber jetzt
muß ich hinauf—mein Gott, wie rasch die
Zeit vergeht! Noch kaum zwei Tage, und
ich mnß das elterliche Haus für immer
verlassen!"
„Ja, meine Elisabeth, es ist das ein
großer Schritt, wenn ein Mädchen das
schützende Dach ihrer Heimath verläßt.
Wohl Denen, welche den Mann ihrer
Wahl nicht nur lieben, sondern auch ach
ten und ihm vertrauen, denn Liebe ist
oft nur ein äußeres Gefallen, während
Achtung und Vertrauen die Grundpfei
ler sind, auf welchen du das Asyl deiner
neuen Heimath mit Sicherheit bauen
kannst."
„Ja, Vater, du hast gewiß Recht. Aber
du weißt ja, ich bin so glücklich, Alphons
de Grande nicht nut zu fosbei« ich
sehe auch mit Achtung und Vertrauen zu
ihm auf. Sieh, Vater, so wie ich als
Kind glaubte, auf dem Schooß der Mut
ter könnte mich nichts Böses treffen, so
glaube ich auch, daß ich an der Brust
meines theuren Alphons vor allem Uebel
behütet bin."
„Gott segne dich, mein Kind, und
lasse dich in den Armen deines Gatten
stets einen sicheren Hasen finden."
Das waren herrliche Tage Kind und
Kindeskinder werden noch von den groß
artigen Feierlichkeiten sprechen, welche
auf der Hochzeit der jungen Gräfin statt
fanden. Ein so schönes Paar war wohl
noch nicht kopulirt worden man wußte
kaum, wer schöner war, der große, statt
liche Brautigam mit dem dunkeln Gelock
und den tiefschwarzen Augen, oder die
reizende Braut in ihrem weißen Atlas
kleide, welches die feine, schlanke Gestalt
wie flüssiges Silber umrauschte. Jung
und Alt, Arm und Reich hatte Theil ge
nommen an dem festlichen Tage, denn
im Gasthof „Zur rothen Rose" war aus
herrschaftliche Kosten getanzt, gegessen
und getrunken worden. Heus wurden
die Leute schmerzlich an den Verlust des
jungen Grafen erinnert, denn mit diesem
hatte man eine zweite Hochzeitsfeierlichkeit
verloren.
Die meisten Hochzeitsgäste waren wie
der abgereist, und nur ein ganz kleiner
Kreis der nächsten Verwandten war noch
zurückgeblieben, um der scheidenden Toch
ter bis zum letzten Augenblick Gesellschaft
zu leisten und somit so viel wie möglich
über die Trennung vom Hause wegzuhel
sen. Die junge Ehefrau sah ganz aller
liebst aus in dem Rofa-Spitzenhäubchen,
welches die Fülle goldener Flechten nicht
bergen konnte.
Eben hatte sie Vater und Mutter ge
küßt und schlüpfte jetzt am Arm ihres
Gatten die breite Treppe hinunter, um
sich, eingedenk der vor einigen Tagen er
rungenen Erlaubniß, in das Häuschen
Hanna's zu begeben, da. sich augenblick
lich der Förster Emst Wenzel dort aus
hielt. O selig, wer das glückliche Gesühl
der ersten Tage der Ehe für's ganze Le
ben festhalten kann!
Alphons schlang zum hundertsten Mal
den Arm um sein junges Weib, welches
ihm das.. Ideal seiner Träume verwirk
lichte.
Emst Wenzel war eben so überrascht
wie erfreut, als man ihm die Erlaubniß
des Grafen mittheilte. In größter Elle
machte er die nöthige Toilette und war
bald mit dem jungen Paar zum Aufbruch
bereit. Sie gingen lachend und plau
dernd am Saume des grünen Wäldes da
hin. Elisabeth warf bei jeder seinen
Wendung des Gesprächs einen triumphi
renden Blick aus ihren Mann, der auch
ohne dieses Zeichen das angenehme und
liebenswürdige Benehmen ihres Schütz
lings bemerkt haben würde. Man war
eben im Begriff, das Parkthor zu durch
schreiten, als die Augen Elisabeth's aus
eine Frau sielen, welche am Rande des
Grabens saß. Aber die Frau war nicht
nur alt, sie war eine Greisin, welche vor
Anstrengung und Erschöpfung zu Boden
gedrückt schien.
Hätte die junge Frau eine Ahnung ge
habt, wie vor einiger Zeit dasselbe Ge
fühl der Barmherzigkeit sie bis an den
Rand des Grabes geführt, vielleicht wäre
sie mit klopfenden Herzen vorübergegan
gen. Aber erstens ahnte sie das nicht
und dann würde sie es ant Ende doch
nicht abgehalten haben, denn durch diese
Leiden war sie ja zum höchsten Glück, zum
Besitz ihres Gatten gelangt.
Die jungen Leute hoben die Alte müh
sam aus und, rechts und links von den
beiden Herren unterstützt, betrat die Alte
das Schloß.—
Lassen wir jetzt die Greisin unter den
Händen der jüngeren Herrschaften und
treten wir in den Salon, wo die älteren
Damen versammelt sind. Der Gras trat
eben mit ziemlich unruhiger Miene in den
Saal und, einen Brief mit gerichtlichem
Siegel in der Hand haltend, sagte er zö
gernd
„Meine liebe Jelka, wie keine Freude
ungetrübt ist, so, fürchte ich, wird dieser
Brief Veranlassung sein, dich an dem
heutigen Tage schmerzlich zu berühren.
Habe die Güte und unterschreibe diesPa
pier als Bescheinigung, baß der Brief
richtig in deine Hände gelangt ist, nach
her laß uns die Sache weiter befpre
chen."
Während die Gräfin mis zitternder
Hand ihren Namen unterschrieb, blickten
die Uebrigen ängstlich von Einem zum
Andern. Der Gras gab einem Diener
den unterschriebenen Schein mit der Wei
sung, denselben dem im Vorzimmer har
renden Gerichtsboten einzuhändigen. Er
setzte sich jetzt an die Seite feiner Frau
und, feinen Arm um sie schlingend, fuhr
er fort
„Dieser Brief, mein Herzensweib,
kommt vom Gericht und enthält ein Ge
ständnitz, welches der Verbrecher Janko
und seine Mitschuldige Malinka im Ker
ker zu Paris abgelegt haben, mit der
Weisung, es Dir einzuhändigen. Daß
dieser Brief uns Näheres über das Schick
sa! unseres Sohnes mittheilt, ist so gut
wie gewiß. Erlaube daher, daß ich, be
vor du Einsicht in die Sache nimmst, den
Brief lese vielleicht wäre es mir möglich,
dir Schmerz zu ersparen."
„Nein, nein," bat die Gräfin dringend,
„laß mich selbst lesen, mit ist's, als bräch
ten mich diese Zeilen meinem Sohne
näher!"
Der Gras überreichte ihr mit dem größ
ten Widerstreben den Brief mit fliegen
der Hast erbrach sie das Siegel. Ein
zweites versiegeltes Schreiben" mit der
Aufschrift: „Meine Bekenntnisse", fiel
in ihren Schaoß. Es war eine fast ganz
unleserliche Schrift werfen wir einen
Blick über die Schulter der Gräfin und
lesen wir mit:
„Ich, der Zigeuner Janko und meine
Frau Malinka, haben den jungen Grafen
an seinem Tauftage geraubt und densel
ben nach Paris gebracht. Meine Frau
wurde dort die Geliebte des alten Gra
fett, und dieser ließ das geraubte Kind,
nicht ahnend, daß es fein Enkelsohn fei,
in Vitry bei der Pächterin Selly erziehen.
Nach dem Tode des Grasen nahm der
geheime Sanitätsrath Doktor de Grange
den Knaben an Kindesstatt an und hin
terließ demselben Namen und Vermögen.
Dieses besagte Kind ist der Professor
Doktor de Grange, Bräutigam seiner
Schwester, und, wie ich hoffe, bald ihr
Gatte."
Die Gräfin hatte diesen Brief aller
dings gelesen, die Nachricht war aber eine
so furchtbare, daß sie das Verständniß der
Unglücklichen verwirrte. Der Schlag
war ein so plötzlicher daß et sie vollstän
dig betäubte.
In demselben Augenblicke öffnete sich
die Thür, und ein ganz eigenthümliches
Bild zeigte sich in dem Rahmen derselben.
Elisabeth erschien auf der Schwelle
ihre Wangen waren lebhaft geröthet und
ihre Augen glänzten vor Erregung und
Neugier. Hinter ihr trat ihr Gatte und
Ernst Wenzel ein, welche in ihrer Mitte
ein, man möchte fast sagen, in sich selbst
zusammengesunkenes Mütterchen führ
ten. Bei dem Anblick ihrer Tochter fuhr
die Gräfin wie eleftrisirt in die Höhe
mit einem wilden Aufschrei sprang sie von
ihrem Fauteuil auf.
Die Alte hob langsam ihren Kopf und
zeigte den Anwesenden ein von hundert
Falten durchzogenes Antlitz. Der Graf
bückte sich nach dem zu Boden gefallenen
Brief, während die Mutter, wie^ aus
Siein ffehcmm, näch ig ret vor Angst be
benden Tochter hinstarrte. Die Alte
blickte unverwandt auf die Gräsin, und
als hätte ihr Blick eine magnetische Kraft,
wandte sich das Auge der Unglücklichen
ihr zu. Da plötzlich einen Herzensschrei
ausstoßend, flog die Gräfin an den Hals
der Greisin.
Der Graf blickte jetzt auf die sich ent
wickelnde Szene und war somit von dem
Lesen des Briefes abgehalten.
Maja, noch immer unterstützt von den
jungen Männern, schlang zitternd ihre
Arme um der Gräfin Hals. Es herrschte
eine Todesstille, und so leise auch die Ur
ahne sprach, vernahm man klar und deut
lich jedes Wort:
„Jelka, meine Tochter, preise Gott, der
Alles wunderbar führt und dessen Wege
wir nicht durchschauen können! Sieh', atm
und todesmatt lag ich vor Deiner Thür,
Deine Kinder nahmen mich in Lieb' und
Güte auf. Ich ahnte, daß heut das Ende
von Janko's Rache Dich treffen sollte, da
habe ich mich, Gott Tag und Nacht um
Verlängerung meines Lebens bittend, bis
zu Deiner Thür geschleppt. Weiter konnte
ich nicht, und hätten sich Deine Kinder
voll Abscheu und Entsetzen von der alten
Bettlerin abgewandt, so wärest Du und
sie verloren. Wohlan, geliebte Tochter,
blicke muthvoll aus, denn, Jelka, höre
mich ich, Großmutter Maja, bringe Dir
Deinen Sohn, und Janko's Rache hat
Dich nicht erreichen können!"
Maja hielt erschöpft inne man ließ
sie leise auf ein Fauteuil gleiten und be
netzte ihre Sippen mit Wein. Nachdem
sie sich etwas erholt hatte, fuhr sie fort:
„Du wirft mich fragen, warum ich Dich
so lange in Sorge und Kummer leben
ließ nun darum, weil Janko in dem
Wahne bleiben mußte, er sei gerächt, denn
hätte er feinen Irrthum geahnt, würde er
auf einen zweiten Schlag gesonnen ha
den."
Die Gräfin fiel ihr schluchzend in die
Rede:
„Maja, sprich, dieser Brief ist also
Lüge? Großmutter, wo ist mein Sohn?"
„Dein Sohn ist brav und gut und wird
der Stolz seiner Eltern sein!"
„0, Großmutter, sag', wo ich ihn
finde jeder Augenblick ist eine Qual!"
Maja hob langsam ihre Hand und auf
den in bescheidener Entfernung stehenden
Ernst Wenzel zeigend, sagte sie:
„Jelka, dort steht Dein Sohn!"
Das war ein Augenblick, der all' den
Kummer und all' das Elend aufwog,
welches die Armen, Schwergeprüften er
tragen hatten. Unter Thränen des höch
sten Entzückens drückten sie den so lange
entbehrten Sohn an ihr Herz. Er war
da, da in aller Schönheit und Männlich
keit, wie er ihnen so oft im Traum er
schienen war. Er war ein Mann im gan
zen Vollbegriff des Wortes, durch eigene
Kraft und Ausdauer hatte er sich eine
Stellung im Leben erworben.
Aber jetzt wandte sich Jelka und der
Gras mit überströmenden Augen anMaja
die ganze Familie, Hand in Hand fest an
einander gekettet, umstand den Stuhl der
Urahne. Ihre Kräfte schienen jedoch,
nachdem sie das Ziel ihres ganzen Lebens,
das Glück ihrer Enkeltochter, begründet
hatte, sie zu verlassen den Kopf ermat
tet an die Lehne des Stuhles gestützt,
die Hände im Schooß gefaltet, begann sie:
„Jelka, ich sagte dir, ich werde dir
nahe sein, wenn du mich fern glaubst.
Ich habe Tag und Nacht gemacht, um die
Pläne deiner Feinde zu durchschauen. Ich
wußte von dem Raube, ich schlich ihnen
nach, ich sah den Bösewicht mit dem
Köstlichsten, was dein Haus barg, entflie
hen Malinka nahm den Knaben in Em
pfang, doch bald siegte die Neugier, sie
wollte sich an deinen Schmerzen weiden
und barg das Kind im Heu. Ich nahm
es und mit Blitzesschnelle trug ich es in
des Forsthüters Häuschen, wo ich es an
das erstarrte Herz der Todten legte, und
den Sohn der Verstorbenen an jenen
Platz Ihr, Professor, dürft mir we
gen des Tausches nicht zürnen, denu ich
habe Euch, da ich den Sohn Jelka's in
bester Pflege wußte, bald nah, bald fern
bewacht, und würde, sobald Euch Ge
saht gedroht hätte, den Tausch bekannt
haben."
Die Stimme der Greisin wurde immer
schwächer sie fuhr kaum hörbar fort:
„Schau', meine Tochter, du weißt es
noch, er hat das Mal der Beaumeille
und um den Hals trägt er noch heut'
... .den Talisman der Großmutter... .Jetzt
nehme meinen Segen was ich gewollt
es ist vollbracht
Langsam senkte der Engel des Todes
seine Fittige und küßte die Stirne Ma
ja's.
Ein seliges Lächeln verklärte die Züge
der Urahne, als ihr brechendes Auge zum
letzten Mal den Kreis ihrer Kinder und
Kindeskinder überflog.
Das Ende der Accumulator
ren. Eine überraschende Nachricht
kommt aus London von der bei der Elek
trizitäts-Ausstellung viel genannten Elek
trical Power Storage Co., welche das
elektrische Boot aus dem Donaukanal,
das elektrische Tricykle und die zu dem
selben nothwendigen Accumutatoren (Sy
stem Faute-Sellon-Volckmar) ausstellte.
Die oben erwähnte Gesellschaft erklärt
nun, daß sie die Fabrikation der Accu
mulatoren einstelle und nur noch die lau
senden Lieferungs-Verträge ausführe.
Als Grund dieser überraschenden Nach
richt geben die Fabrikanten mit «netten
nenswerther Offenheit an, daß sie sich aus
einem vollständig falschen Wege befun
den haben, und daß sie die Unmöglichkeit
einsehen, die Accumulatoren zu einer sol
chen Vollkommenheit zu bringen, daß sie
thatsächlich praktischen Nutzwerth erge
ben und sich für industriellen Betrieb eig
nen. Damit wäre eine der größten Hoff
nungen zu Grabe getragen, denn die Auf
speicherung der Elektrizität ist bei der
Verwendung derselben für verschiedene
Zwecke absolute Bedingung.
Ohne Farbe im Gesicht und kalt!
Ein junges Mädchen bedauerte ungemein,
daß sie so ohne alle Farbe im Gesicht und im
mer kalt war. Der Teint war zu weiß und
ihre Hände und Füße erschienen immerwäh
rend ohne irgendwelche Blut Circulation.
Nachdem sie eine Flasche HopsewBittern ge
nommen hatte, war sie das blühendste, gesun
deste Mädchen in der ganzen Stadt, und ihre
Freunde waren durch ihre Lebhaftigkeit und
vergnügten Geist, der sich erst dann entwik-,
*, I
Columbus, Ohio, Donnerstag, den 3. Januar 1884.
Stemmt von DetleA ». Geyern.
Erstes Kapittl.
In der reichsten und blühendsten Ge
gend von Niedersachsen, unterhalb der
Ausläufer der Harzberge, liegt die alte
Bischossstadt Hildesheim, rings umgeben
von wohlhabenden Dörfern, deren Felder
wie wohlgepslegte Gärten sich an einan
der reihen und Jedem, der diese Gegend
berührt, zeigen, daß hier ein altes Kul
turland die Früchte der Arbeit langer
Jahrhunderte trägt.
In der That war es auch den klu
gen und vorsichtigen'Regierungen unter
dem bischöflichen Krummstabe gelungen,
in den meisten Kriegen, welche Deutsch
land verwüstet, dos hiloesheimische Ge
biet von den schweren Bestückungen frei
zuhalten, welche den ^'chthum anderer
Länder hunb^f^XNirhre tstmftiS
zerstörten.
Wer heute die Stadt Hildesheim be
sucht, der wird mit Staunen den Reich
thum an architektonischen Merkwürdig
keiten bewundern, den sie in ihren schma
len Straßen mit den hochgiebcligen Häu
sern birgt er wird die Schätze des al
ten Domes anstaunen, der, von mächti
gen Lindenbäumen umgeben, wie ein
Stück versunkener Vergangenheit in das
Leben der heutigen Tage hineinragt
abet er wird sich kaum eine Vorstellung
machen können von dem, was die Stadt
Hildesheim war, als in derselben noch
die alten Bischöfe als Fürsten des deut
schen Reiches und unumschränkte Lances
Herren regierten nur vom Papste ab
hängig, umgeben von einem glänzenden
Hofstaat, über unerschöpfliche Reichthü
mer gebietend und ihr Land mit jener
ruhigen, bedachtsamen Klugheit regierend,
welche die geistlichen Herrn meist aus
zeichnete. Standen doch jene geistlichen
Höfe keiner Residenz eines weltlichen Für
sten an Glanz und Pracht nach, wohl
aber zeichneten sie sich vor jenen vielfach
durch geistiges Leben und durch die Pflege
der Wissenschaften und Künste aus, auf
welche die fürstlichen Prälaten um sv
mehr Sorge verwendeten, als sie keine
dynastischen Interessen zu vertreten hat
ten.
Unter dem Schutze des Krummstabes
war. in Hildesheim eine Bürgerschaft her
angewachsen, so wohlhabend und dabei
so trotzig und stolz auf ihre Rechte, wie
sie kaum in irgend einer der mächtigsten
freien Städte des Reiches gefunden wer
den konnte.
Oft hatte sich diese Bürgerschaft den
Bischöfen selbst unbotmäßig bewiesen.
Zuweilen hatten sich die erzürnten geist
lichen Landesherren aus ihr Schloß zu
Wohldenberg zurückgezogen, das durch
den letzten Grasen von Wohldenberg, im
Jahre 1310, der als Fürstbischof von
Hildesheim starb, in ihren Besitz gekom
men war und dort abgewartet, bis die
widerspenstige Bürgerschaft, durch die
Entbehrung des fürstlichen Hofhalts mür
be gemacht, wieder einlenkte und die
Hand zum Vergleich bot, wobei dann
aber meist ihre alten Gerechtsame bestä
tigt und oft durch neue Privilegien er
weitert wurden. y,.
Diese Fehden und Streitigkeiten zwi
schen den Bürgern und der bischöflichen
Regierung waren nun zwar seit den Ta
gen des eigentlichen Mittelalters nicht
mehr zu der alten Heftigkeit ausgeartet,
—das landesherrliche Regiment hatte sich
befestigt, aber immer noch wurden die al
ten Stadtrechte von der bischöflichen Re
gierung sorgsam geachtet und von den
Bürgern eifersüchtig vertheidigt, und es
ragten manche wundersamen Privilegien,
namentlich in Betreff des Asylrechts, das
von Alters her einzelnen Stadttheilen, ja
sogar einzelnen Häusern, beigelegt war,
eigenthümlich in die Verwaltung und
Rechtspflege hinein.
An dem alten Dome, mit den Thören
von wunderbarem Eisenguß, den der hei
lige Bernard, der große Bischof von Hil
lesheim selbst ausgeführt, lagen um den
stillen, schattigen Domhof die weitläu
figen Gebäude der bischöflichen Residenz,
von einer tiefen und klösterlichen Ruhe
umgeben. Unmittelbar an einem Sei
tenhügel des Domes befand sich ganz,
wie noch heute, das kleine und unschein
bare Gebäude der Domschenke, mit sei
nen weitausgedehnten, gewölbten Kellern,
welche einen unermeßlichen Schatz des
edelsten Rebensaftes aller Länder enthiel
ten.
Diese Keller, zu denen die Weinberge
befreundeter Stifter und Klöster ant
Rhein ihre herrlichsten Erzeugnisse liefer
ten, gehörten dem Domkapitel und waren
in alten Zeiten zum ausschließlichen Ge
brauch des bischöflichen Hofhalts der hoch
würdigsten Herren vom Kapitel bestimmt
gewesen.
Später hatte man als besondere Ver
günstigung angesehenen Bürgern der
Stadt das Privilegium ertheilt, aus den
Vorräthen der Domschenke „auf das
Kerbholz" Wein holen zu lassen. Jeder
so begünstigte Bürger erhielt einen Stab
von Eichenholz, auf welchem jedesmal
die Zahl der von ihm aus der Schenke
geholten Krüge durch einen Einschnitt be
zeichnet wurde, und nach diesen Kerben
fand dann am Ende des Jahres der Aus
gleich der Rechnung statt. Auch hatte
vom hohen Chor aus eine besondere Trep
pe in den Domkeller geführt und die
geistlichen Herren waren oft auf diesem
Wege hinabgestiegen, um sich durch einen
kühlen Trunk zu erfrischen, bis endlich,
als den Bischöfen diese Gänge zu häufig
werden mochten, jene Treppe, deren
Mündung man heute noch im Keller se
hen kann, vermauert wurde. Dann hatte
man gegen eine angemessene Pachtsumme
den Küfern der Domschenke gestattet,
auch einzelnen Gästen aus den Bürget
kreisen einen Trunk und einen Imbiß zu
verabfolgen und es war in dem Erdge
schoß des Hauses der Domschenke ein Gast
zimmer eingerichtet worden, klein und ein
fach, mit braunen Ledertapeten und hol
zernen Tischen.
Aber so einfach und unscheinbar auch
dies Gemach war, so mochte man doch
kaum im weiten deutschen Reich ein
edleres und reineres Getränk finden,
als es hier die festen, stolzen und selbst
bewußten Bürger von Hildesheim bei
ernsten uud ruhigen Gesprächen über die
Angelegenheiten in der Stadt und über
die Hände! der Welt draußen aus hohen,
schön geschliffenen Kelchen zu sich nah
men.
Auch dies Gemach ist heute noch erhal
ten, und vor demselben aus dem niedri
gen Eingangsflur befindet sich ein eigen
thümliches Wahrzeichen, eine Säule, wel
che das Deckengebälk trägt und, aus ei
nem einzigen starken Stamm gezim
mert, sich in schraubenartigen Krümmun
gen, einem Korkzieher ähnlich, um sich
selbst windet, so daß man kaum b.'grei
sen kann, wie dem harten festen Hol- die
se Windungen haben beigebracht werden
können.
Es war an einem schönen Märza&ende
des Jahres 1762. Friedrich West
PlaJetvF^t^eitig an ausreichn fürst
bsschöf für jeden Blumenfreund und $er °eë
\nh
telte, aus'S Angenehmste überrascht. .lischem Heilmittel" gegen Schwindsucht, Er
.ttung, Husten u. s. w. Verlauft von F. W
nervst.
Zu beziehen von James $ier,rt "e'
ÈS«.»
«r
hunderte berichten, sie verdanken ihr Le-
l[,re
Acke
niger eingehend hatte bekümmern kön
nen.
Der neue Bischof war mit Eifer daran
gegangen, eine schärfere Ordnung in die
fiechtépflege und Verwaltung seines Für
jtenthums zu bringen und durch seine
Verordnungen, welche heute noch die
Grundlage des Provinzialrechts und der
Provinzialversassung bilden, die Zügel
der landesherrlichen Regierung fester an
zuziehen, wodurch dann manche Unzu
friedenheit unter der Bürgerschaft enU
stand, so daß der Bischof gezwungen war,
häufig fest und energisch durchzugreifen,#
um feiner Autorität Geltung zu vetfchaf*
sen-
Die neuen Maßregeln der Regierung
waren denn auch an jenem Abende in dem
kleinen Gastzimmer der Domschenke der
Gegenstand des Gesprächs zwischen zwei
Herren, welche mit der sinkenden Sonne
dort eingetreten waren und ernst und be
dächtig aus hohen, grünen Römergläsern
den edlen Wein der Hochheimer Dechartei
schlürften, den der Wirth in einer dick
bauchigen, staubbedeckten Flasche vor sit
hingestellt hatte.
Der eine dieser Herren war der wohl
edle Bürgermeister der Stadt, Herr
Bernhard Gödicke, ein hochgewachsener,
kräftig gebauter Mann von etwa vier
bis fünfundfünfzig Jahren. Sein star
kes und volles Gesicht zeugte in seiner
dunkelrothen Farbe und in seinen leb
hast blitzenden, schwarzen Augen von
einem heftigen, cholerischen "Tempera
ment, das sich auch in seiner energischen
Führung des städtischen Regiments und
in seinem zähen und trotzigen Widerstand
gegen die bischöfliche Autorität, wo die
selbe nur entfernt die Grenzen der städti
schen Gerechtsame streifte, geltend machte.
So viel kräftige und eigenwillige Ent
schlossenheit nun auch in seinen funkeln
den, hochmüthigen und bei dem gering
sten Widerspruch drohenden Blicken und
in seiner weit vorspringenden, kühn ge
schwungenen Nase lag, so zeigten doch
seine vollen, etwas aufgeworfenen Lip
pen ebensoviel Neigung *u üppigem Le
bensgenuß, und das um dieselben spie
lende feine und listige Lächeln ließ ver
muthen, daß er auch die Waffe schlauer
List nicht verschmähte, um sein Ziel zu er
reichen.
Ueber feiner stark gewölbten Stirn
erhob sich eine majestätische Perrücke,
welche in ihrer hohen Toupitung und den
voll und dicht herabwallenden Seitenlo
cken noch an jene Allongeperrücken erin
nerte, durch welche Ludwig der Vierzehnte
seinem alternden Haupte olympische Ho
heit zu verleihen suchte und welche be
reits. seit einer Reihe von Jahren aus der
Mode gekommen waren. Er trug einen
dunkelblauen Rock mit großen silbernen
Knöpfen, die Enden seines weißen Spitzen
Halstuches sielen reit über seine Brust
herab und über der großgeblümten
Schooßweste hing eine breite Kette mit
einem großen in Catneol gestochenen
Petschaft herab. Sein spanisches Rohr,
mit mächtigem goldenem Knopf, lag ne
ben ihm aus dem Tisch und er saß auf
seinem hölzernen Stuhl in der kleinen
Schenkstube mit ebensoviel Würde und
Majestät, als ob er dem städtischen Kolle
gium im großen Sitzungssaal des Rath
hauses präsidirte.
Neben ihm saß der Rathsherr Hiero
nymus Loding, einer der ersten und wohl
habendsten Bürger der Stadt, Eigenthü
mer vieler Grundstücke und Aecket und
eines großen Vermögens, das der Rus
auf Hunderttausende angab, und das je
denfalls bedeutend genug war, um man
chen feiner Mitbürger in Verlegenheit
mit Darlehen auszuhelfen. Sein Ein
fluß war in Folge dessen sehr groß—man
konnte ihm zwar nicht vorwerfen, daß er
seine Schuldnet, welche meistentheüs zu
den einflußreicheren Bürgern der Stadt
gehörten, dutch hohe Zinsen drücke, oder
durch rücksichtslose Zurücksorderung in
Verlegenheit setze, aber er wußte sie stets
dahin zu bringen, daß sie in allen öffent
lichen Angelegenheiten mit ihm stimmten,
und so kam es, daß er in dem Bürger
kollegium mit seiner Ansicht fast stets den
Ausschlag gab und fast dem Bürgermei
ster ebenbürtig gegenüberstand. Er war
in seiner äußeren Erscheinung das voll
ständige Gegentheil des hochgebietenden
Stadtregenten—feine lange, hagere Ge
stalt schien in ihrer Haltung fast demü
toig gebückt, sein Gesicht war blaß und
eingefallen und auf seinen regelmäßigen
Zügen lag eine bescheidene Zurückhal
tung, welche sehr wenig den Einfluß
ahnen ließ, den er in der Stadt ausübte
—seine Augen hatte er meist auf den Bo
den gerichtet und nur zuweilen schlug er
sie mit einem schnellen, flüchtigen Blick
aus. Er trug eine kleine unscheinbare
Stutzperrücke mit zwei glatt anliegenden
Seitenlocken und einem steif geflochtenen
Zopf—man hätte ihn in dem schwatzen,
etwas abgetragenen Anzug eher für
einen Schulmeister, als für einen rei
chen Bürger und Rathsherrn halten kön
nen.
Der Wirth der Domfchenke, Meister
Lorenz Jansen, stand vor den beiden Her
ren. Seine Gestalt war voll und behä
big. Er mochte fünfzig Jahre alt fein
und trug eine weite, wollene Hausjacke,
darüber eine blaue Schütze, welche die
Brust bedeckte und bis zu den Knieen her
abreichte.
Auf feinem runden Gesicht voll hellet,
gesunder Farbe lag die Behaglichkeit,
welche das Bewußtsein eines blühenden
Geschäfts nnd einer stets wachsenden
Wohlhabenheit verleiht. Sein fast kah
ler Kopf war mit einem schwarzen Käpp
chen bedeckt, das er nur bei feierlichen
Ausgängen durch eine wohlfrisirte Per
rücke ersetzte, und aus seinen kleinen, run
den Augen blitzte ebensoviel gutmüthige
Freundlichkeit als listige Verschlagen
heit.—
Hätte er eine Kutte getragen, so hätte
man ihn für einen jener wohlgenährten,
lebenslustigen und lebensklugen Mönche
des Mittelalters halten können, welche
ebenso geschickt waren in beschaulichem,
stillem Leben die guten Dinge der Kü
che und des Kellers zu genießen, als
in den Händen der Welt mit Geist
und Geschicklichkeit ihre Rolle zu spie
len.
Nachdem er die Gläser setner beiden
Gäste gefüllt un^ die dickbestaubte Fla
sche wieder auf den Tisch gestellt hatte,
blieb er demüthig gebückt, aber selbst
gefällig schmunzelnd vor ihnen stehen,
ihre Mienen betrachtend, während sie
prüfend die ersten Tropfen des gold
ichimmernden Weines über die Lippen
gleiten ließen.
„Ich hoffe," sagte et „der gestrenge
Herr Bürgermeister und der hochehren
werthe Herr Rathsherr werden mit die
sem Getränk zufrieden sein es liegt in
Flaschen seit dem Jahre siebenzehnhun
dertu.ldzehn im Keller und ist vom besten
Gewächse der Hochheimer Berge."
„In der That," sagte der Bürgermei
ster mit herablassender Gönnecmiene,
„Euer Wein ist nicht schlecht, Meister Lo
renz, und Ihr wißt Eure Gäste gut zu
bedienen."
„Und zu unterscheiden," sagte der
Wirth. „Nicht Jedem setze ich diesen
Wein vor den ehrwürdigen Herren
vom Domkapitel selbst könnte ich nichts
Besseres geben."
Der Bürgermiister nickte ihm freund
lich zu, berührte dann mit seinem Glase
von das des Rathsherrn Löding, welcher fast
mit gleichgültiger Miene den so gerühm
amemu.. tranj
Junten, a,,,^
und nur durch ein leichtes
fein,
PMlgMIg
bone aus semw
schien er sich gar n.
than. Miß Harris'
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V.1^ V* V" w Mr,, ,f
f^fil ^HÄ *v V i «£'**, %, "9^
Meister Jansen erkannte mit seinem
feinen Scharfblick, daß der gestrenge Bür
germeister keine Neigung zeigte, die Un
terhaltung mit ihm fortzusetzen, und zog
sich deshalb ehrerbietig zurück, nachdem
er zwei Wachskerzen auf den Tisch gestellt,
um das kleine Gemach bei der heranbre
chenden Dunkelheit des Abends zu er
leuchten.
„Ich habe Euch gebeten, hier einzutre
ten, mein werther Freund," sagte der
Bürgermeister, nachdem er sich überzeugt
hatte, daß er mit dem Rathsherrn allein
sei, „um hier bei einem Glase Wein zu
vor mit Euch über die wichtige Angelegen
heit zu sprechen, welche für unsere Stadt
auf der Tagesordnung steht. Ihr wißt,
daß unser neuer hochwütdigstet Bischof,
welcher ja in ganz löblichem Eifer die
Regierung des Landes zu führen begon
nen, auch für die Stadt Hildesheim jene
Städteordnung zur Geltnng bringen will,
welche er für die übrigen Städte des
Fürstenthums erlassen. Diese Ordnung,"
fuhr er lebhafter fort, „mag ganz gut
jein für jene kleinere« Orte, welche nicht
die Macht und die Mittel haben, ihre
Angelegenheiten selbst zu besorgen, wir
aber haben uns so viele Jahre selbst re
giert, wir haben es bewiesen, daß wir im
Stande sind, uns selbst zu vertheidigen,
wir haben fast als eine freie Reichsstadt
dagestanden und hätten auch wohl wie
Andere das kaiserliche Privilegium er
langen können, wenn unsere Porfahren
alles Ernstes darnach gestrebt hätten, mit
der neuen Städteordnung würden wir
aber r.ur willenlose Werkzeuge der bi
schöflichen Regierung werden, der Bür
germeister und die Rathsherren würden
nichts mehr sein, als Beamte der Lan
deshenschaft. Das darf nicht fein
niemals," rief er mit der Hand auf den
Tisch schlagend, „ich würde eher mein
Amt niederlegen, als mich so unter die
Schreiber der bischöflichen Kanzlei stellen
lassen."
Herr Hieronymus Löding sah mit ei
nem schnellen, scharfen Seitenblick zu dem
Bürgermeister auf und mckte dann mit
dem Kopf, doch war es unmöglich, aus
fetner Miene zu erkennen, ob er der Mei
nung des Bürgermeisters zustimme, oder
nur andeuten wolle, daß er dessen Worte
genau verstanden.
„Leidet," fuhr der Bürgermeister fort,
„beginnt der alte Sinn mannhafter
Selbstständigkeit in unserer Stant zu ver
schwinden, es gibt in der Bürgerschaft
Viele, sogar im Rath, die sich fürchten, es
mit der bischöflichen Regierung zu ver
derben, und geneigt sind, die alten Ge
rechtsamen der Gunst des Hofes zu opfern
darum habe ich mit Euch zuerst über die
Sache sprechen wollen, von Euch setze
ich voraus, daß Ihr an der alten Selbst
ständigkeit unserer Bürgerschaft festhal
ten und Eure Stimme im Rath erheben
werdet, um die Zumuthung zurückzuwei
sen, welche der Bischof uns gestellt, in
dem er uns das Reskript mit der neuen
£tattoerordnung zusendet, nicht wahr,
mein werther Freund," sagte er, dem
Rathsherrn kräftig auf die Schulter
schlagend, „Ihr werdet zu mir stehen und
die Schwankenden zu festem Widerstande
vereinigen?"
Herr Löding neigte fem Glas hin und
her und blickte sinnend in das Farbenspiel
des goldigen Weines.
„Ich habe," sagte, er mit einer lchsen,
sanften Stimme, „wenig Zeit gehabt,
mich mit den öffentlichen Angelegenhei
ten zu beschäftigen Ihr wißt, verehr
tester Herr Bürgermeister, daß ich vor
Allem daran denke, das Meinige zusam
menzuhalten und es in rechtlichem Ge
schäft und fleißiger Arbeit zu vermehren.
Da habe ich nun neulich ein Grundstück
erstanden, draußen am Wall der Stadt—
ich habe es übernehmen müssen, weil ich
eine Schuld daraus hatte, die mir sonst
verloren gegangen wäre, und ich weiß
nicht recht was ich mit diesem neuen Be
sitz anfangen möchte er eignet sich
ganz besonders zur Errichtung einer Brau
etei, freilich würde mir das viel Arbeit
und Mühe machen, aber auch eine tüch
tige Rente abwerfen allein ich weiß
ja," fügte er achselzuckend hinzu, „wie
scharf Ihr darauf hattet, keine neuen
Brauereigerechtsame zu ertheilen, datum
muß ich wohl noch weiter nachdenken,
was ich sonst mit meinem Grundstück
anfange, und Ihr wißt, wenn man so
mit eigenen Sorgen beschäftigt ist, so hat
man wenig Zeit für die öffentlichen
Dinge."
Der Bürgermeister biß sich auf die
Lippen, dann that er einen langen Zug
aus feinem Glase und sagte:
„Es ist wahr, mein lieber Freund, ich
bin immer gegen die Ertheilung neuer
Gerechtsame gewesen allein dabei
kommt es ja vor Allem auf die Persön
lichkeit an bei einem so zuverlässigen
Manne wie Ihr, der so viel Bürgschaft
für ein gutes und reichliches Gebräu
gibt, läßt sich wohl eher darüber reden, als
wie bei Anderen, und wmu Ihr nur einen
Plan aufstellt und Euer Gesuch begrün
bet, so könnten wir weiter darüber fpte
chen."
„Das würde mir eine große Sorge
abnehmen," sagte Herr Hieronymus Lö
ding, „und meinen Kopf freier machen,
um mich ernstlich mit den Angelegenhei
ten der Stadt zu beschäftigen, dann
freilich könntet Ihr gewiß darauf rech
nen, daß ich für unsere alten Gerecht
same mit Euch eintreten würde, dazu
muß man ja freien Kops haben, denn ein
Mann, der mit eigenen Sorgen sich her
umzuschlagen hat und mit Mühe feinen
kleinen Besitz gegen den Verfall verthei
digen soll, ist nicht im Stande, sich um
die Angelegenheiten der Stadt zu bemü
hen, und nicht geneigt, sich mit der fürst
lichen Regierung in Ungelegensten zu
bringen."
Der Bürgermeister sann abermals
nach und that noch einen kräftigen Zug
aus feinem Glase dann sagte er mit
dem Ausdruck offener Vertraulichkeit:
„Abgemacht also, mein werther Freund,
wir sind Verbündete ich trete für Eure
Brciuereigerchtfame ein und Ihr steht
mir bei, die Bürgerschaft zusammenzu
halten zum Widerstand gegen die neue
Städteordnung. Wie gut wäre es," fügte
er leicht hingeworfen hinzu, „wenn wir
Beide immer fest zusammenstünden und
uns in allen Dingen zuvor über das Wohl
der Stadt vereinigten ich bin heftig
und trotzig Ihr seid klug und vorsich
tig, das ergänzt sich und hilft sich aus.
Wißt Ihr wohl," sagte er, über feinen
eigenen Einfall lächelnd, „daß ich da
heute, als ich Euch abholte und mit Euch
herging, so ganz unwillkürlich daran
jachte, wie schade es doch ist, daß gerade
wir Beide nicht näher miteinander ver
bunden sind, während die meisten Ge
schlechter unserer Bürgerschaft miteinan
der in Verwandtschaft stehen und dadurch
fest zusammenhalten und häufig den Aus
schlag geben in den Angelegenheiten der
Stadt."
„Wie meint Ihr das, Herr Bürger
meister fragte Herr Hieronymus Löding
wieder fim feinen scharfen, lauernden
Blicken.
„Nun," sagte der Bürgermeister, ..ich
spreche nicht von einer bestimmten Mei
nung, das ist so ein Gedanke, der mir
durch den Kops fuhr da neulich, als ich
mit meiner Tochter aus der Messe ging,
stand Euer Sohn Johannes in der Thür
des Domes, ein hübscher Mensch, wie ein
Cavalier in seiner Haltung und seinem
Benehmen, er trat zu uns heran und ging
ein Stück Weges mit uns fort, und als er
da so neben meiner Tochter hinging, da
blieben die Leute stehen und sahen be-
•:-.'-4'~"X'., r. ,"
Y-sW •.* "V
wundernd auf, und in der That, ich muß
sagen, es war ein schönes Paar und
da dachte ich an Euch und was wir Alles
miteinander vermöchten, wenn wir ein so
rechtes Juteresse hätten, Einer für den
Andern einzustehen Ihr wißt, es kom
men ja so zuweilen plötzliche Gedanken,
die uns in den Kopf steigen, und. zuweilen
sind gerade diese die besten."
Ein listiges Lächeln glitt um die Lip
pen des Herrn Hieronymus Löding, aber
zugleich blitzte es wie stolze Freude in sei
nen Augen auf. Trotz des Reichthums,
den er erworben, trotz des Einflusses, den
er ausübte, gehörte er doch nicht zu den
alten und vornehmen Geschlechtern der
Bürgerschaft, eine Verbindung mit dem
Bürgermeister mußte seinen Ehrgeiz rei
zen und zugleich seine Macht in dem Re
giment der Stadt hoch über allen Wider
stand erheben. Et hatte bei dem bekannten
Stolz des Bürgermeisters niemals einen
solchen Gedanken gefaßt, aber er zeigte
nicht sogleich die freudige Genugthuung
über die lächelnd und halb scherzend hin
geworfene Bemerkung des hochmogenden
Stadtoberhauptes.
„In der That", sagte er, „es ist ein
hübsches Paar, Eure Tochter und mein
Sohn freilich" fügte er gleichgültig
hinzu, „sie ist zwei Iahte alter als er und
dann die Tochter des Bürgermeisters
und der Sohn eines unbedeutenden Man
nes wie ich, dessen Vorfahren kleine Acker
bürger waren."
Der Bürgermeister biß sich auf die Lip
pen.
„Nun, was das Alter betrifft," sagte
er, „so ist ja der Unterschied nicht groß—
Euer Sohn ist ein wenig leicht, wie man
sagt, und neigt zu lustigem Leben und
eine ältere Frau würde einen heilsamen
Einfluß auf ihn ausüben und dann
nun, ja, meine Tochter ist nicht für Jeden
da aber für Euch ist es ja nur eine
Ehre, wenn Ihr Euch so hoch über Eure
Vorfahren erhoben habt, und wenn Ihr
die neue Brauereigerechtsame erhaltet, so
wird sich Niemand mit Euch an Reich
thum messen kennen und Euer Sohn darf
dann wohl seine Augen so hoch erheben,
als er will."
„In der That, Herr Bürgermeister, ist
das Euer Ernst fragte Löding, indem
er feine Augen groß ausschlug und den
Bürgermeister starr ansah.
„Es war ein flüchtiger Gedanke," sagte
der Bürgermeister, „aber warum sollte er
nicht Emst werden Mit Euch ver
schwägert zu sein, kann ja nur zur Ehre
gereichen—denn wir Beide gemeinschaft
lich würden die ganze Bürgerschaft beHerr
schen und der bischöflichen Regierung Trotz
bieten."
„Abgemacht also," rief jetztHerr Hiero
nymus Löding, indem er fein Glas erhob
und es an das des Bürgermeisters klin
gen ließ, „wenn Ihr es erlaubt, so werbe
ich hiermit für meinen Sohn bei Euch um
Eure Tochter. Die jungen Leute sollen
sich näher kennen lernen, wir werden die
Gelegenheit dazu schaffen."
„Meine Tochter ist wohl erzogen,"
sagte der Bürgermeister, „und weiß, daß
sie meinem Willen in Allem gehorsam
sein muß."
„Mein Sohn desgleichen," sagte Herr
Löding, „ich habe mich nicht über ihn zu
beklagen, als daß er em wenig lustig und
leicht ist und das Geld nicht spart, doch,"
fügte er ganz stolz und seine demüthige
Zurückhaltung vergessend hinzu, „das
laßt sich ja ertragen und ich will ihn richt
halten, als wenn er der Sohn eines Bett
lers wäre."
„Also auf das Wohl der jungen Leute!"
sagte der Bürgermeister „stoßt an, Herr
Schwager!"
„Ich bin des Herrn Schwagers ergebe
ner Diener," erwiderte Herr löding.
Die Gläser klirrten aneinander und die
beiden Herten schüttelten sich kräftig die
Hände.
©iv hatten getane Zeit gehabt, ihr Ge
spräch, welches fur die Stadt ebenso be
deutungsvoll war, wie für ihre eigenen
Angelegenheiten, zu beenden, denn im
nächsten Augenblick öffnete sich die Thür
und neue Gäste traten in das kleine, lau
schige Gemach.
Es waren ehrsame Bürger der Stadt,
welche ehrerbietig den Bürgermeister und
den so reichen und mächtigen Rathsherrn
begrüßten.
Sie schauten ein wenig verwundert auf
diese beide Herren, welche sonst nicht in
besonders intimen Beziehungen gestanden
hatten, da der Bürgermeister dem empor
gekommenen Herrn Hieronymus Löding
seinen patrizischen Stolz entgegengesetzte,
wogegen dann dieser wieder dem hochmü
thigen Stadtregenten die Macht seines
Reichthums bei der Bürgerschaft emge
genzustellen pflegte.
Um so viel wundersamer erschien den
Bürgern der herzliche und freundliche
Händedruck in welchem sie die beiden
hochmächtigen Herren bei ihrem Eintrat
vereinigt fanden, doch verbot ihnen die
ehrfurchtsvolle Rücksicht, welche die Mei
sten unter ihnen noch mehr auf Herrn
Löding als auf den Bürgermeister zu
nehmen Veranlassung hatten, ihr Erstatt
nen in Mienen oder wohl gar in Worten
zu deutlich auszudrucken.
Sie nahmen ringsum an den übrigen
Tischen Platz, und Meister Lorenz Jan
sen bediente sie eifrig mit den mehr od^r
weniger kostbaren Getränken seines Kel
lets, die sie je nach ihren Vermögensver
hältnissen bei ihm bestellten.
Der Bürgermeister und Herr Löding
sprachen noch eine Zeitlang flüsternd mit
einander weiter die Bürger wagten
ebenfalls keine laute Unterhaltung zu be
ginnen und Meister Lorenz ging von ei
nem Tisch zum andern mit einer so wich
tigen und feierlichen Miene, als wolle er
jeden einzelnen seiner Gäste noch ganz
besonders aufmerksam machen, welche
Ehre heute dem Gastzimmer der Dom
schenke widerfahren sei und wie bedeu
tungsvoll dieser unscheinbare Raum für
die wichtigsten Angelegenheiten der Stadt
werden müsse.
(Fortsetzung folgt.)
—Fragt euren Apotheker für Dr. Hart
mans Buch, „Uebel des Lebens," oder
wendet euch an Dr. H. in Columbus, O.
Furchtbarer Eisenbahnunkall.
Louisville, 21. Dez.—Heute Morgen siel
ein Chicagoer Passaaierzug südlich auf
derL.N. A. u. C. Bahn durch eine Brücke,
bei Salem, Ind. Ein furchtbarer Zusam
menstoß der Wagen erfolgte. Der Pack
wagen gerieth dabei in Brand, und das
Feuer verbreitete sich mit rasender Schnel
ligkeit, nach und nach den ganzen Zug und
die Brücke verzehrend. Die Lokomotive
kam glücklich hinüber. Der Packmeister,
welcher seit 12 Jahren auf der Bahn
fuhr, C. Sanford von New Albany, und
Jacob Helffrich, Wagenbauet der Eisen
bahn-Gesellschast, welcher zufallig ein
Passagier in dem Rauchwagen war, wur
den tödtlich verbrannt. Desgleichen ver
brannten zwei Passagiere, so daß man sie
nicht wieder zu erkennen vermag. Boone
Thompson, ein Höker, welcher von Louis
ville kam, ertrank. An seinem Körper
fand man keine Verletzungen. Man sagt,
daß kaum eine Person aus diesem Un
glückszuge vollständig unverletzt blieb.
Von Müttern im ganzen Lande steigt
der Klageruf zum Himmel empor „Unsere Töch
ter sind so schwächlich (und niedergeschlagen,
ohne Kraft, athems- und lebenslos bei der ae
ängsten Anstrengung. Was können wir für
sie thun?" Die Antwort lautet einfach und
hoffnungsvoll. Laßt sie während einer bis
vier Wochen lang Hopsen Bittern gebrauchen,
u sie werden ßssünd, rvKg, mmäuttd
zn igt werden.
ER
ESTBOTB
W
lllir
BEINHAED&FIESEB,Publishers.
TERMS:
Ein ergötz«'S
Stücklei»,
aufgeführt von Unteroffizier Grob undiRttk
Min
Kurz vor Weihnachten erhält Muske
tier Sanft von seiner Mutter ein Packet
mit Cigarren und Wurst. Der Unterof
fizier Grob vernimmt es von Ferne. Er
geht aus Musketier Sanft zu und fragt
ihn: „Musketier Sanft haben Sie ein
Packet bekommen? „Jawohl, Herr Unter«
offizter!" „Was ist in dem Packet enthal
ten, Musketier Sanft?" „Cigarren und
Wurst, Herr Unteroffizier!" „Was wol«
ten Sie mit dem Packet machen?" „Das
will ich essen, Herr Unteroffizier!" „Wo
kommt dasPacket her, Musketier Sanft?"
„Das hat mir meine Mutter für Wâ
nachten geschickt, Herr Unteroffizier?"
„So, so, er will essen, er will rauchen!
er hat gar keine "Zeit zu essen und zu rau
chen, er kann noch gar nicht erercir?n»,
Musketier Sanft, hole er sofort sein Ge
wehr, ich will ihm das Essen und Rauchen
schon vertreiben. Schnell, schnell, ßeht
so ein Soldat? Musketier Sanft kriecht
ja grade wie eine Schnecke, er kann noch
nicht mal gehen. Stillgestanden! Will
der Kerl woh» gerade stehn! Mondkalb,
halte er den Kops hoch! Jetzt will ich ihn
schleifen, daß er den Himmel für 'nen
Dudelsack ansehen soll! Rindvieh, glotze
er doch nicht wie ein altes Krokodil! Kerl,
Kopf hoch, Kinn an die Binde, Brust her
aus. Kartoffelbauch einwärts. Knie durch
drücken, Hacken zusammen, Fußspitzen
auswärts! Nichts, Nichts, gar Nichts ver
steht dieser alle Heuochs! Die Knöpfe sind
nicht geputzt, die Stiefel sind nicht ge
schmiert, die Rocknaht ist aufgerissen, die
Helmspitze ist schmutzig, Fuß hoch, ich will
sehen, ob auch ein Nagel fehlt. Nun
sollte man aber aus der Haut fahren, es
fehlen sieben Nägel! Altes Kameel, jetzt
soll er aber egeretren. Geweht auf, Ge
mehr ab, das Gewehr über, das Gewehr
ab. Gewehr auf, Achtung, schultert das
Gewehr! Rechts um, links um, kehrt,
front Bataillon marsch, halt, kehrt!
Langsamer Schritt nach Zählen, eins zu
rück, das war gar nichts noch einmal,
eins! altes Rhinozeros, jetzt lasse ich ihn
auf einem Berne stehen, bis daß er ver
reckt Stehe et still, rühre er sich nicht!
Musketier Sanft, will er stehen bleiben,
Kerl ich renne ihm gleich das BajonnÄ
ourch den Leib, er soll mal sehen!"
Der Musketier Sanft ruft sehr unsanft:
„Herr Unteroffizier Grob." Herr Grob
fährt fort: ...
„Musketier'feanft, wo lassen Sie wa
schen?" „Bei der Waschfrau, Herr Unter
offizier!" „Wissen Sie nicht, daß meine
Frau für Soldaten wäscht?"
„Jawohl, Herr Unteroffizier!"
„Musketier Sanft, haben Sie auch et
was übrig für Ihren Unteroffizier?"
„Jawohl Herr Unterossizier!"
„Wer bekommt demnach das Padktf*
Musketier Sanft bedenkt sich hin und
her und sagt endlich ganz traurig: „Sie
können die Hälfte bekommen, Herr Unter
offizier!"
Der Unteroffizier Grob geräth in Wuth
und ruft aus: „So'n grober, klotziger
Mistbauer, so'n alter Oelgotze, so'n altes
Dromedar, will mir die Hälfte bloß mit
geben! Schäme er sich, so etwas einem
Unteroffizier anzubieten!"
Das Ere:ciien geht von Neuem loS,
bis daß Musketier Sanft bald umfallt.
Der Unteroffizier Grob ruft aus, nach
dem er eine Menge Namen von
gen Thieren ausgestoßen bet: „DaS
will ein Soldat fem o-:- aiQ Fianjefeii
todt schießen, und tsenn ihYt sieben Kan
zosen auf der Rase jInm Samt inD
n o e i n e n e n e n
Endlich aber k'nb er und
sagt ganz rceljmmhtr
„Nun, Musettes' Slifs, Sie wissen,
daß oj,ich ich gerne ustc esse uns Zigar
ren rauche, und vtâtn mu' loß
Hälfte mitgeben Jch.ftagf'Ste arum
jetzt zuletzt, Musketier Sanft: Wer be
kommt das Paket
„Sie, Herr Unteroffizier!"
„Und wo lassen Sie in Zukunft n*,
sehen?"
„Bei Ihr« Frau, Herr Anwroffi
zier."
"X
Mo. 23.
Musketier Sanft steht unterdessen auf
einem Beine und leidet schreckliche Qual.
Unteroffizier Grob geht vor ihm auf und
ab. Endlich fangt er an: „Musketier
Sanft, Sie haben etn Packet erhalten
wer bekommt das Packet?" „Das betont
me ich, Herr Unteroffizier?" „Musketier
Sanft, wollen Sie Weihnachten auch auf
Urlaub?" „Jawohl, Herr Unteroffizier!"
„Wissen Sie auch, daß es von mir ab
hängt, ob Sie auf Urlaub gehen können
over n'cht?" „Jawohl, Herr Unterofsi
zier!" „Sehen Sie, wenn ich dem Herrn
Hauptmann sage, daß Musketier ©anst
gut exerciren kann, dann kommt er auf
Urlaub, sonst, nicht. Musketier Sanft,
wollen Sie auch diesen Abend ins Wirths
haus mit Ihren Kameraden?" „Jawohl,
Herr Unteroffizier!" „Musketier Sanft,
wollen Sie auch nächsten Herbst Gefreiter
werden?" ..Jawohl, Herr Unteroffizier."
„Wissen Sie nicht, daß Alles von mir ab
hängt? Ich gelte was beim Herrn Haupt
mann. Also, Sie haben ein Packet be
kommen, wer bekommt das Packet mit dm
Cigarren und den Würsten „Das be
komme ich Herr Unteroffizier!" „So! so,
Sie wollen essen, Sie wollen rauchen, Sie
wollen Weihnachten aus Urlaub, Sie 1
wollen diesen Abend in'S Wirthshaus,
Sie wollen nächsten Herbst Gefreiter wer
den, Alles, Alles, Alles hängt von mir
ab. Musketier Sanft, wer bin ich
„Grob, Herr Unteroffizier!" „Was,
was, wie heiße ich?" „UnteroffizierGrob!"
„So so, habe ich mit ihm die Schweine
gefüttert Wie heiße ich
„Herr Unteroffizier Grob!" „Ganz
laut rufen, wie ich heiße, ich fühle mich
geschmeichelt!"
Darauf spricht Unteroffizier Grob ganz
lieblich:
„Gewehr ab rührt euch! Das ist 'mal
ein echter Soldat! Der kann marfchiren,
der kann Griffe und Wendungen, daß ich
meine Freude daran habe. Der Muske
tier Sanft hatte alle feine Sachen in der
schönsten Ordnung, er ist der beste Sol
dat in der ganzen Corporalschaft. Ach,
hätten wir solche Soldaten doch noch
mehr! Musketier Sanft, Sie gehen auch
diesen Abend in's Wirthshaus. Sie
kommen auch Weihnachten auf Urlaub
und nächsten Herbst sollen Sie auch Ge
freiter werden, ich will es dem Herrn
Hauptmann sagen. Eine Puppe kann:
nicht besser marschiten als Musketiers
Sanft. Sie haben noch etwas übrig für^"
Ihren Unteroffizier! Und wennSie Weih-^.
nachten nach Haus kommen, dann grüßen
Sie Ihre Frau Mama von mit, und fan
gen ihr, ich wolle mir die Würste guiT
fchmecken lassen, und wenn sie in ZufunfF'
wieder schlachten thäte, dann solle sie an
mich denken, ich esse die westfälischen'
Würste gern das ist noch Etwas, die go»
ben Einem noch Kräfte! So, Muskettet?
Sanft, jetzt gehen Sie nur auf Ihrer»
Schemel sitzen, ich denke Sie sind müde
Sie müssen sich ausruhen. Morgen fol*"
len Sie auch die Rekruten ausbilden5
denn Sie können das. Sie haben mich
doch nun genau verstanden, Musketier
Sanft, nicht wahr?"
„Jawohl, Herr Unteroffizier."
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Bitte schicken Sie mir eine '^rrrtft
Ihrer Bücher über die „Uebel des Lebens '1
habe viele Nachfragen dafür. A, H. u jj*
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Plötzlich trat die Jungser mit der Mel
dung ein, daß Professor de Grange den
Mutter in
gegenwärtige Gesundheit „Äcker's
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